Читать книгу Von grauen Staren und anderen Zugvögeln - Jo Seki - Страница 3
1. Vorgeschichte
Оглавление„Es ist kurz vor sieben – sollen wir die Nachrichten um sieben oder um viertel nach acht anschauen?“
Es ist Mitte Januar, aber hier in Motril zeigt das Thermometer mittags 20 Grad im Schatten und in der prallen Sonne ist es zeitweise so heiß, dass man kurzfristig sogar den Schatten des nebenan stehenden Wohnmobils als angenehm empfindet. Auch jetzt ist es draußen noch so mild, dass es Fred gar nicht unrecht ist, dass ich für die Tagesschau votiere.
Ich bin gerade dabei, mir noch ein paar Krimis auf mein ebook runterzuladen und da der Laptop gleichzeitig als Fernseher dient, muss ich meine PC-Aktivitäten immer mit Freds Fernsehbedarf abstimmen, was ziemlich nervig ist. Aber für den Anfang sollte das kein Problem sein – dachten wir.
Davon geträumt hatten wir schon lange. Fred, der seinen Job in der Akademie früher immer ganz gern gemacht hatte, wollte zum Schluss nur noch weg, weg aus der Stadt, weg von der Akademie, in der das Klima inzwischen vergiftet war und die Stimmung unter den Kollegen einen Tiefpunkt erreicht hatte.
Mir ging es nicht viel anders. Ich hatte genug von unberechenbaren Vorgesetzten, von ständigen angeblichen Verbesserungen von Verwaltungsabläufen, die tatsächlich Mehraufwand bedeuteten, letztendlich jedoch lediglich einer größeren Kontrolle der Mitarbeiter dienten, von Vorgaben, die sinnlos waren – die Art von Sozialarbeit, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht, gab es bei meinem Arbeitgeber nicht mehr. In meiner Wut hatte ich sogar einmal den Landesdatenschutzbeauftragten eingeschaltet, der daraufhin die sofortige Stilllegung einer neuen Datenbank veranlasst hatte. Der Aufruhr und die Racheaktionen der diversen Vorgesetzten trugen dann natürlich auch nicht zur Verbesserung des Klimas bei, trotzdem ging es mir danach etwas besser. Nichtsdestotrotz kreiste auch bei mir nur noch alles um den Gedanken „Nichts wie weg, so bald als möglich“! Die finanziellen Einbußen, die wir dafür in Kauf nehmen müssen, schmerzen zwar, wiegen aber den Gewinn an Zeit und Lebensqualität bei Weitem nicht auf.
Im Oktober wurde unser langgehegter Traum dann endlich wahr: Vor der Tür stand unser nagelneues Wohnmobil und wir waren bereit, uns jetzt damit in das immer größer werdende Heer der motorisierten Zugvögel einzureihen.