Читать книгу Von grauen Staren und anderen Zugvögeln - Jo Seki - Страница 6
4. Im Pool
ОглавлениеAuf unserem Platz gibt es 2 Pools, die mit Thermalwasser aus den Bergen gespeist werden, welches jeden Abend abgelassen und morgens wieder neu aufgefüllt wird. Die Temperatur des Wassers liegt bei 34 Grad, wenn es aus dem Berg austritt und wenn der Pool gefüllt ist, dürfte es immer noch ca. 26 Grad warm sein. Da mir auch der Wettergott noch hold ist und selbst das Thermometer außerhalb des Pools bis zum Abend nicht unter die 20-Grad-Marke sinkt, komme ich mir vor wie im Paradies. Ich liege auf dem Rücken, lasse mich von dem Solewasser tragen und schaue dabei in den strahlend blauen Himmel und die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada. Dabei denke ich an meine Kolleginnen und daran, dass ich ja offiziell immer noch bei meinem Arbeitgeber angestellt bin und, hätte ich nicht vor dem Arbeitsgericht mein Sabbatical erkämpft, jetzt noch in meinem Büro sitzen würde und unsinnige Formulare ausfüllen müsste. Ich fühle mich wahnsinnig privilegiert und wenn ich meine Mitcamper, alle 60 plus, mindestens 50 Prozent sogar 70 plus, ansehe und anhöre, muss ich an meine letzten Berufsjahre denken: Welches Bild hatte ich und haben meine Kollegen und Kolleginnen zum Teil jetzt noch vom Alter (per Definition meines Arbeitgebers Menschen ab 63 Jahren)?
Wir haben sie nur als Hilfsbedürftige, Verarmte, Einsame kennengelernt und wahrgenommen – hier ist der andere Teil, und es sind nicht Wenige. Natürlich brauchen die, die hier sind, keine professionelle Hilfe, aber nimmt man sie nicht trotzdem zu wenig wahr? Rüstige Alte fürs Ehrenamt, als Einsparmöglichkeit für hauptberufliches Personal – o.k., in dem Zusammenhang vielleicht schon. Aber die hier pfeifen aufs Ehrenamt, tun das, wozu sie Lust haben, finden, sie haben ein Recht, jetzt auch endlich ihr Leben zu genießen und tun es auch. Aber vielleicht will man sie gerade deshalb ja gar nicht wahrnehmen.