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Coellen, Jahrhunderte später

Es war gut, endlich einmal wieder zu fliegen. Unglaublich gut – ein Fest! Etwas, was er lange nicht mehr empfunden hatte, strömte durch Commander Timothy Lennox’ Körper: Glück.

Düsteres Rot waberte am östlichen Himmel. Der aufgehende Sonnenball war nicht zu sehen, aber sein Licht sickerte längst in die dichten Wolkenmassen. Bald würde das Tageslicht die Dämmerung verjagen. Der Boden musste schon zu erkennen sein.

Tim wollte sich die Konturen der Landschaft anschauen. Er drückte die Steuersäule nach vorn, der leuchtende Balken des digitalen Höhenanzeigers unterschritt die Sechstausend-Fuß-Marke. Mach 0,62 zeigte der Machmeter an. Mit über siebenhundert Stundenkilometer jagte der Jet durch den Morgenhimmel.

Die Kontrollanzeige für den Treibstofftank leuchtete grün und stand auf full. Schon seit dem Start in Köpenick vor knapp vierzig Minuten. Keine Veränderung. Als hätten sie keinen Treibstoff verbraucht. Das beunruhigte Tim.

Sein Blick streifte das Head-up-Display. Wohl zum hundertsten Mal seit dem Start. Die Datumsanzeige – sie stimmte ihn melancholisch. 18. Juli 2012! Den Chip, der den Kalender steuerte, hatte der Zeitriss nicht beeindruckt. Stur hatte er die Tage und Monate seit dem Kometeneinschlag weitergezählt. Die Tage seit Tims Notlandung. Seit seinem Sturz in den Albtraum. Über fünf Monate war das nun her. Und was war nicht alles geschehen in diesen fünf Monaten …

Sein Blick löste sich von den zahllosen Kontrollarmaturen, er wandte den Kopf zu Seite. Marrela, hinter ihm, presste Hände und Helm gegen die Cockpit-Kanzel. Seit dem Start hatte sie kein Wort gesprochen. Die erste Flugerfahrung ihres Lebens – der jungen Frau schien es buchstäblich die Sprache verschlagen zu haben.

Etwa 475 Kilometer trennten sie inzwischen vom ehemaligen Luftwaffenstützpunkt Köpenick. Und nur wenig mehr von ihrem Ziel – Paris. Tim hatte nur spärliche Hinweise darauf, Hank Daniels dort zu finden. Aber er hatte noch nie zu den Leuten gehört, die die Hoffnung vorzeitig aufgaben. Nichts würde Tim davon abbringen, den letzten der Kameraden zu suchen, dessen Schicksal er noch nicht hatte aufklären können. Erst wenn er Hank gegenüberstand, würde er dieses Ziel fahren lassen. Oder wenn er sein Grab oder seine Leiche finden würde. Was Gott verhüten möge, dachte Tim, oder Wudan, oder wer auch immer!

Der Leuchtbalken des Höhenmessers sank bereits der Tausend-Fuß-Marke entgegen. Das Profil der Landschaft tief unter ihnen wurde erkennbar.

„Tinnox! Schau nur!“ Marrela geriet völlig aus dem Häuschen – ein breiter Strom wand sich unter ihnen durch eine bewaldete Hügellandschaft.

Der Rhein!, schoss es Tim durch den Kopf. Das kann nur der Rhein sein!

Er suchte Anhaltspunkte für seine Vermutung und spähte zum Cockpit hinaus. Hügel und Wälder, soweit sein Auge blickte. Er rief sich die topografischen Karten des Rheinlands ins Gedächtnis. Eine zersiedelte, hügelige Landschaft tauchte vor seinem inneren Auge auf, ein dichtes Netz von Autobahnen und zahllose Städte.

Doch die Wirklichkeit dort unten sah anders aus. Ganz anders. Keine Spur von Verkehrswegen, keine Spur menschlicher Ansiedlungen. Nur Hügel, nur Wälder, nur Felsen.

Das Gebirge hinter uns muss der Westerwald sein, dachte Tim, und das links von uns die Eifel. Er blickte nach rechts und glaubte das Siebengebirge auszumachen. Und noch weiter nördlich, schon fast am Horizont, ragte dort nicht ein Doppelturm aus der Ebene?

Der Kölner Dom! Jesus! Sollte die alte Kathedrale tatsächlich der Druckwelle getrotzt haben?

Ein rotes Licht blinkte. Der Schreck trieb Tims Herzschlag an. Er starrte auf die Armaturen. Treibstoffwarnung! Der Tank war so gut wie leer.

„Bullshit!“ Tims Finger flogen über die Armaturen. Es blieb dabei: Die Treibstoffwarnung blinkte. Sie hatten nur noch für höchstens zehn Minuten Sprit im Tank. „Bullshit!“, brüllte er.

Von hinten legte sich Marrelas Hand auf seine Schulter. „Was ist los, Tinnox?“ Die Triebwerke überlagerten ihre Stimme.

Er wandte den Kopf zur Seite. „Die Treibstoffanzeige ist im Eimer!“ Er musste schreien, um sich verständlich zu machen. „Sie steht seit dem Start auf full! Und jetzt haben wir den Salat! Kein Treibstoff mehr!“

„Was ist Treibstoff?“

„Der gleiche stinkende Saft, der den Jeep zum Laufen gebracht hat, oder das Motorrad!“ Daran würde sie sich erinnern.

„Gefährlich, Tinnox?“

Tim stieß ein bitteres Lachen aus. „Wenn dieses Datum korrekt wäre, nicht!“ Mit einer Kopfbewegung deutete er auf das Head-up-Display. „Dann gäb es hier nämlich noch den einen oder anderen Flugplatz!“

Er flog eine steile Rechtskurve von etwa hundert Grad. „Wir müssen runter!“, brüllte er. Parallel des Rheinlaufes jagte der Jet nach Norden.

Lennox und der Lichtkult: Das Zeitalter des Kometen #4

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