Читать книгу Science Fiction Dreierband 3002 - Drei Romane in einem Band! - Jo Zybell - Страница 14
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Tamsor führte das Kollegium über eine Abkürzung, wie er es nannte, zum Ende der Fertigungsstraße. Dabei gab er ein paar zusätzliche Erklärungen ab. Es fiel auch das Wort „Bandstraße“ dabei, obwohl keiner von ihnen wirklich so etwas wie ein Band gesehen hatte – oder auch so etwas wie eine „Straße“. Andererseits... Wie hätten sie es anders nennen sollen? Also widersprachen sie nicht, sondern nahmen das Wort zur Kenntnis und fügten es zu ihrem eigenen Wortschatz, denn eines stand jedenfalls fest:
Hier wurden LEBEWESEN am Fließband produziert!
Ein schier unglaublicher Vorgang, und wenn man die Anlage nicht stoppte, dann würde sie so bald auch nicht aufhören mit der Produktion. Es sei denn, irgendwann gingen die Grundstoffe aus, und sie hatten keine Ahnung, welche Grundstoffe das waren. Auch Tamsor nicht. „Noch nicht!“, wie er beiläufig betonte.
Bevor sie das Ende der Fertigungsstraße erreicht hatten, sagte er: „Asagol, die Welt, auf der wir uns befinden, hatte ursprünglich die Funktion, im großen Stil Titans herzustellen. Unter anderem zumindest. Soviel wissen wir sicher. Wir vermuten, dass sie zu verschiedenen Zwecken modifiziert werden konnten. Asagol gehört ja zum Verbund der Transmitter. Über das Transmitternetz ist Asagol praktisch mit sämtlichen Altairer-Welten verbunden. Und so gibt es uns Anlass zu der Vermutung, dass möglicherweise sämtliche Titans, die für die Altairer-Welten produziert wurden, letztlich von hier stammten – zumindest in der Hauptsache.“
Niemand erschrak über diese Information, außer Maria Tobiasi. Sie hatte auf der Zunge, auszurufen: „Ja, sieht denn keiner, wie gefährlich das ist, gerade diese Produktionsanlage wieder ins Leben zu rufen? Wenn möglicherweise sämtliche Titans der Altairer von hier stammen, dann logischerweise auch jene, die damals die Erde überfielen und...“ Aber sie blieb stumm, weil es sowieso nichts genutzt hätte. Wood hatte sie unmissverständlich darauf hingewiesen: Hier konnte jeder Bedenken äußern, sofern er sie hatte, und man würde ihm zumindest Gehör schenken. Mit einer Ausnahme: SIE! Ihr würde niemand Gehör schenken, weil man von ihr sowieso nichts anderes als Bedenken erwartete – in diesem speziellen Fall. Weil jeder halt eben wusste, welche schlimmen Erfahrungen ihre Familie mit den Titans gemacht hatte...
Beinahe hätte sie sich diese wieder in Erinnerung gerufen... All jene Schrecknisse... Auch das konnte sie gerade noch verhindern. Nur nicht mehr daran denken!
Andererseits: Es bleibt ein besonderes Kunststück, nicht daran zu denken – angesichts der Monsterteile, die ich gesehen habe und...
Sie war genau an diesem Punkt ihrer Überlegungen angelangt – und die Gruppe inzwischen am Ziel, wie Tamsor es für sie vorgesehen hatte. Aus der Wand links schwebte in diesem Moment ein vollständiger Titan. Sein Raubtierkopf wirkte beängstigend, obwohl das Monster aussah wie ein Schläfer.
Die Öffnung auf der anderen Seite war vorher schon da gewesen. Man konnte in eine Art Halle schauen.
„Das Lager!“, erläuterte Tamsor.
Während der fertige Titan an ihnen vorbeischwebte, schauten sie dort hinein, wo sein Ziel war. Er schwebte wie an unsichtbaren Fäden – aber völlig leblos, wie tot – in die hinterste Ecke der Halle. Dort geschah etwas Seltsames: Erst war es nur ein Licht, das scheinbar in freier Luft entstand, und dann blies es sich auf wie eine schillernde Seifenblase. Bis es die Größe erreicht hatte des heranschwebenden Titan-Körpers.
Dieser wurde in der Luft halb gedreht bis zur liegenden Position, und dann tauchte er in die Blase ein.
„Ein Energiekokon!“, erläuterte Tamsor. „In solchen Kokons werden die fertigen Titans gelagert.“
„Irgendetwas scheint schief gegangen zu sein“, meldete sich Tem Ulfson zu Wort.
Es war überraschend genug, dass ausgerechnet er seine Stimme erhob, weshalb jetzt alle zu ihm hinschauten. „Ich meine...“ Das klang schon wieder wie eine Entschuldigung – etwa wie: „Es tut mir leid, dass ich nicht nur lebe, sondern auch noch Töne von mir gebe!“ Er stockte kurz. Anscheinend brauchte er Mut, um endlich zu formulieren, was er denn nun meinte: „Ich meine, wir haben gesehen, dass diese Körperteile entstanden - und am Ende fügen sie sich zusammen zu einem ganzen Körper. Aber dieser Körper erscheint mir... tot zu sein. Als würde was nicht stimmen. Sind Sie denn sicher, Professor Tamsor, dass...?“
Tamsor lachte, und deshalb verstummte Ulfson sogleich wieder und vergaß, seine Frage auszuformulieren.
Das Gelächter erschien Maria Tobiasi nicht nur für die Situation und vor allem Umgebung als völlig unpassend, sondern hatte für sie auch etwas Wahnsinniges.
Tamsor sagte: „Ja, ja, das ist klar, dass Sie das jetzt denken müssen, aber die Titans, die hier produziert werden, müssen erst noch modifiziert werden. Wie gesagt, es ist eine Produktionsanlage, in der die Titans sozusagen grundsätzlich entstehen. Damit man sie auf den verschiedenen Altairer-Welten für die verschiedensten Aufgaben einsetzen konnte, musste man sie vorher anpassen – halt eben modifizieren. Dies hier ist so etwas wie ein Lager für die produzierten Exemplare. Es bleibt zu vermuten, dass an anderer Stelle die Modifizierung vorgenommen wurde.“
„Und wo?“, stellte Maria Tobiasi die einzig logische Frage.
Tamsor sah sie nicht direkt an. Er wich auch verbal aus: „Das wissen wir leider noch nicht so genau.“
„Nicht so genau? Nun, wissen Sie es oder nicht? Ahnen Sie es überhaupt nur?“
Jetzt wandte er sich ihr ruckartig zu – und konnte wieder lächeln. „Verehrte Kollegin Tobiasi: Haben nicht Sie die größten Bedenken geäußert, was die Inbetriebnahme der Produktionsanlage betrifft? Nun, was ist bisher passiert? Und ich wusste nun einmal schon im voraus, dass die produzierten Titans nach ihrer Produktion einfach nur gelagert werden. Nicht mehr und nicht weniger. Und vor allem marschieren sie nicht gleich los, um uns zu zerfetzen, das Raumschiff zu beschlagnahmen und damit die Erde zu erobern!“
Er wollte damit alles ad absurdum führen, was sie an Bedenken geäußert hatte – und spielte auch noch auf das an, was alle anderen als eine Art Trauma bei ihr vermuteten: Die Erlebnisse ihrer Familie bei der Eroberung der Erde durch die Titans. Dabei hatte er sich eines Tones bedient, als wollte er nur einen Witz machen. Ein Witz jedoch, über den niemand lachen konnte, selbst er nicht.
Maria nickte ihm zu und tat dies gespielt wohlwollend. „Ja, gewiss, das haben Sie fein formuliert – und Ihre Kenntnisse sind durchaus bestechend, auch wenn Sie verzweifelt bemüht sind, meinen Fragen auszuweichen. Was ist nun? Wo werden die Titans endgültig zum Leben erweckt? Denn wenn Sie das nicht wissen, frage ich mich natürlich, wieso Sie die Produktionsanlage überhaupt erst gestartet haben. Jetzt reden Sie sich damit heraus, die Titans könnten ohnedies keine Gefahr bilden. Schließlich bleiben sie leblos und werden nur gelagert. Und wo bleibt dann der Sinn der Aktion? Außerdem: Das Lager ist offensichtlich vorher leer gewesen. Also gibt es so etwas wie eine Weiterverarbeitung - irgendwo. Und auch noch so etwas wie eine Versandabteilung.
Sie jedoch wissen überhaupt nicht, wo das sein könnte – geschweige denn, wie das überhaupt aussieht. Ein Lager sehe ich vor mir, das nur einen Zugang, aber keinerlei erkennbaren Ausgang hat. Was also nutzen die Erkenntnisse, die Sie hier innerhalb der Fertigungsstraße sammeln wollen?“
„Es ist ja wohl klar, dass Sie das nicht verstehen können!“ Tamsor machte eine wegwerfende Handbewegung und deutete in das Lager hinein: „Tatsache bleibt, dass die Titans keine Gefahr bilden. Und wir sehen, wie sie produziert werden können. Wenn wir jetzt auch noch lernen, sie zu modifizieren und dabei zum Leben zu erwecken...“ Er schnalzte mit der Zunge. „Sie können sich vor lauter Bedenken überhaupt nicht denken, was es für uns bedeuten würde: Titans, die uns gehorchen, die willige Arbeitssklaven sein können – für jeglichen Bereich. Ein Wirtschaftsfaktor von unabsehbarem Nutzen also.“
„Oder tödlich gefährliche Krieger!“, konterte Maria Tobiasi und deutete mit dem Kinn auf den Titan, der gerade vorbeischwebte. Er war nun schon der dritte, seit sie darüber debattierten. „Sieht so vielleicht ein williger Arbeiter aus? Wozu braucht er denn dafür ein solches Raubtiergebiss, mit dem er ohne Mühe einem Menschen den Kopf abbeißen kann?“
„Wie dem auch sei: Den wichtigsten ersten Schritt zum Verständnis der Produktion und ihren Möglichkeiten für die terranische Wissenschaft und interplanetarische Ökonomie haben wir jedenfalls beschritten, indem wir die Produktionsanlage starteten. Den nächsten Schritt werden wir dann auch noch schaffen: Modifizierung der Titans, um Endprodukte ganz im terranischen Sinne zu erhalten. Und letztlich kommt es nur darauf an, nicht wahr? Und wie könnten wir das jemals schaffen, ohne die Produktionsanlage zunächst in Gang gesetzt zu haben?"
Er schaute sich um Zustimmung heischend in der Runde um, und da war niemand, der jetzt noch anderer Meinung war – außer eben Maria Tobiasi, aber die nahm jetzt erst recht niemand mehr ernst.
Wood schüttelte mit einem deutlichen Ausdruck des Bedauerns in seiner Miene den Kopf. Er sah Maria nicht direkt dabei an, aber diese wusste sehr wohl, dass dieses Bedauern nur ihr gelten konnte.
Sie dachte: Und wenn die Endfertigung erfolgt ganz ohne Zutun von dir, mein lieber Tamsor? Liegt es denn nicht auf der Hand, dass mit der Inbetriebnahme einer automatischen Fertigungsanlage auch eine Endfertigung in Betrieb gesetzt wird?
Sie schaute wieder in das Lager.
Spätestens wenn das Lager voll ist, muss die Anlage automatisch für eine Weiterverarbeitung sorgen. Das ist einfach logisch! Nicht nur für ein Altairer-Gehirn, sondern auch für ein menschliches Gehirn. Wenn auch nicht für euch, die ihr an Tamsors Lippen klebt, als wäre er der Allwissende, der euch sicher auf den Weg in eine glorreiche Zukunft führt.
Wie die Lemminge – gleiches Ziel, gleiches Verderben!
Und ich? Ich bin mit dabei, weil ich nichts dagegen zu tun vermag!
Und die Mitarbeiter unseres Teams, die kein Mitspracherecht haben und deshalb von vornherein überhaupt nicht um ihre Meinung gefragt wurden?
Sie sind nicht einmal hier, obwohl Tamsor nicht allein zu seinen Erkenntnissen gekommen ist, wie er die wenigen Informationen hochtrabend nennt, die seine persönlichen Mitarbeiter gemeinsam mit Chefkybernetiker Saul Bentor für ihn gesammelt haben...