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VI Die Reise

1 Deutschland

Am 10.5. legen wir gegen 8:00, ungefähr bei Hochwasser, ab und lassen Bremen hinter uns. Eifriges Winken von uns und dem Werftinhaber mit seiner Mannschaft. Nur unter Maschine hatten wir eine kurze Proberunde gedreht, die Besegelung hat ihre Bewährungsprobe noch vor sich.


Bild 5: Die Weser in Bremen, es geht endlich los

Es ist kühl und regnet zeitweise. Die neue Regenkleidung bekommt gleich ihren ersten Einsatz und hält uns warm und trocken. Wir fahren weserabwärts, erst unter Motor, dann können wir auch segeln. Vorne haben wir die Selbstwendefock angeschlagen, beim Wenden braucht deren Schlitten gelegentlich Hilfe, um von einer Seite zur anderen zu fahren. Etwas besser geht es, wenn man die Fockschot für die Wende fiert und anschließend wieder dichtholt. Ein neuer Punkt für die Aufgabenliste, die Führung säubern und im nächsten Winter ein neuer Schlitten. Mit einer Tide schaffen wir es von Bremen unter Segeln immer nur bis Elsfleth, das ist unser Ziel für heute.


Bild 6: Bremen achteraus

Der Sportboothafen dort hat eine Schleuse, wir kommen gegen Niedrigwasser an, daher ist die nicht in Betrieb. Bisher hatten wir vor der Anlage immer an einer dafür vorgesehenen Tonne festgemacht und gewartet, bis die Schleuse wieder arbeitet. Der Schwimmsteg direkt an der Schleuse hat keinen sehr guten Ruf. Wenn große Schiffe auf der Weser zu schnell fahren, können die entstehenden Wellen zu heftigen Kollisionen zwischen Steg und Boot führen. Hier sollte man daher besser nicht länger liegen und wenn, dann immer die Weser im Auge behalten und sofort ablegen können. Also Tonne. Wir suchen die Wartetonne vor der Schleuse vergeblich, sie ist nicht da, wahrscheinlich ist es noch zu früh im Jahr und sie ist noch nicht ausgebracht. Ein paar Stunden auf der Weser auf- und abfahren wollen wir nicht, Ankern auch nicht, deshalb fahren wir in die Hunte hinein und machen dort an einem Steg fest, um etwas zu essen. Auch an der Hunte gibt es gelegentlich Bruch wegen Wellenschlag, aber selten, das Risiko gehen wir ein. Der Steg ist aus Holz, regennass und sehr sehr glatt, dieses Jahr ist er wahrscheinlich noch nicht gereinigt worden, wir sind wohl etwas früh unterwegs. Liegegebühr zahlen müssen wir trotzdem. Eigentlich wollten wir nach dieser ersten Etappe essen gehen, die Gastronomie ist jedoch noch nicht im Sommerbetrieb angekommen, wir essen auf dem Boot. Später am Tag schleusen wir dann in den Bootshafen ein und gehen zum Abendessen ins örtliche Vereinsheim. Inzwischen ist das Wetter schön geworden, richtiges Urlaubswetter.


Bild 7: Dragon in Elsfleth

Am 11.5. passt der Wind nicht, um nach Bremerhaven zu fahren, wir machen einen Hafentag und stauen im Boot um. Und wir genießen den ersten Tag weg von zuhause. Nachts ist es durchaus frisch, aber sogar bei leicht geöffneten Luken ist es im Boot deutlich wärmer als draußen. Auch wenn wir beim Kauf nicht bewusst darauf geachtet hatten – Deck und Rumpf haben einen Schaumkern, der ein wenig als Wärmedämmung fungiert. Mit Schwitzwasser im Boot haben wir die ganze Fahrt über nicht wirklich Probleme.

Am 12.5. geht es weiter nach Bremerhaven, vorbei unter anderem an Brake.


Bild 8: Brake

Wir kennen diese Strecke schon, gegen Hochwasser in Elsfleth ausschleusen und dann einfach die Weser hinunter bis zur Hafeneinfahrt an der Geestemündung, dort durch die Fischereihafenschleuse und im Schaufenster Fischereihafen einen Platz suchen. Als wir an der Fischereihafenschleuse ankommen, können wir gleich in die Kammer hinein. Leider ist an den Stegen ganz vorne im Fischereihafen nichts mehr frei, wir müssen nochmal umdrehen und weiter hinten festmachen.

Beim Anlegen schalte ich etwas hart zwischen vorwärts und rückwärts, es gibt einen Schlag und dann heftigste Vibrationen. Irgendetwas ist kaputt. Im Standgas fahren wir das Anlegemanöver mit erheblichen Vibrationen zu Ende, dann sofort Maschine aus. Kommt Wasser ins Boot? Nein, zum Glück nicht. Zu sehen ist nichts, weder am Motor noch am Getriebe. Wenn man die Welle von Hand dreht, spürt man, dass sie sich in eine Lage ausrichten will. Welle verbogen? Irgendetwas am Getriebe? Oder am Propeller? Der 12.5. ist ein Sonntag, da werden wir keine Lösung finden. Also essen und dann schlafen.

Am 13.5. rufe ich morgens den örtlichen Yanmar Service an, die schicken kurzfristig einen Mechaniker. Der bestätigt: Der Motor ist es nicht, das Getriebe ist es auch nicht. Das Boot muss geslippt werden. Der Yanmar Service weiß auch, wo das gut geht, ein paar Telefonanrufe später und wir werden von einem anderen Segelboot (Noch ein großes Dankeschön!!!!) zu einer Werft gezogen und dort aus dem Wasser gehoben. Die Schadensdiagnose geht schnell, das Boot hängt noch in der Luft: Am zweiblättrigen Propeller fehlt ein Blatt. Dragon wird noch vor dem Mittagessen an Land abgestellt. Anne und ich sind frustriert. Schon am vierten Tag der Reise ist das Boot kaputt und wieder an Land.


Bild 9: Bremerhaven, Dragon auf dem Trockenen. Da fehlt doch was?

Der Propeller fehlte auf meiner Checkliste. Propeller, das waren für mich Teile aus seewasserbeständiger Bronze, die ewig halten, es sei denn, man fährt damit irgendwo gegen. Oder doch nicht? Die Werft in Bremerhaven hat einen guten Mechaniker an der Hand, der den Propeller noch am Nachmittag abzieht. Wobei abziehen das falsche Wort ist, der Propeller sitzt so fest auf der Welle, dass die Nabe aufgesägt werden muss, weil eine Passfeder aus rostendem Stahl verbaut war. Irgendwann ist der Propeller endlich ab. Die Ursache des Schadens ist wohl auch geklärt: Potentialdifferenz zwischen Landstrom-Erde und Wasser kann auch Bronze auslaugen. Das „Warum“ ist sicherlich interessant und ein guter Grund, den Landstromanschluss des Bootes nicht mehr zu benutzen, bis das nachgemessen ist. Aber das ist Nebenthema, wir wollen weiter. Wir sind ja schon rund drei Wochen später losgekommen, als wir eigentlich vorgehabt hatten. Wir brauchen einen neuen Propeller, reparieren lässt sich der alte nicht mehr, bei genauerer Betrachtung hat er auch am anderen Flügel schon Risse, zum Teil löst sich Material schuppenartig ab, beim Abbau bricht noch ein Teil des zweiten Flügels ab, da geht nichts mehr. Noch am gleichen Tag finden sich zwei Möglichkeiten, Ersatz zu bekommen: Zum einen hat in Bremerhaven ein Hersteller von Bootspropellern seinen Firmensitz. Die haben gerade gut zu tun, da müssten wir rund eine Woche auf einen neuen warten, der allerdings dann perfekt zum Boot passen würde. Alternativ bietet uns der Mechaniker, der den alten Propeller abgebaut hat, einen gebrauchten an, den er bis letzten Sommer am eigenen Boot hatte. Der ist im Durchmesser etwas zu klein, aber sofort verfügbar. Wir vertagen die Entscheidung auf den nächsten Morgen.

Am nächsten Morgen sind wir uns einig: Wir wollen nicht eine Woche warten. Es gibt immer gute Gründe, noch zu warten und nicht zu fahren. Wir haben das Gefühl, dass das Land versucht, uns festzuhalten, aber - wir wollen weiter! Also der gebrauchte Propeller. Der Mechaniker ist wirklich gut, ein Meister, ich spreche ihn ebenfalls auf den zu kleinen Abstand zwischen Wellenkupplung und Wellendichtung an, auch dafür hat er eine Lösung, einen etwas kürzer bauenden Flansch, auch den hat er zur Hand. Spitze!!! Das achtere Wellenlager macht dem Meister ebenfalls Sorgen, dort fängt der Gummibelag an, sich von seiner Hülse zu lösen. Dies zu reparieren würde eine größere Aktion werden, Ruder und Welle ziehen, einige Tage. Ich schaue mir das Lager an und beschließe, dass die Ablösung erst lokal und noch nicht großflächig ist. Wenn es da wirklich zu Problemen kommt, müssen wir das unterwegs machen lassen. Ins Wasser kommen wir am Dienstag nicht mehr. Dafür machen wir eine längere Wanderung zum Einkaufen, Lebensmittel und auch Seenot-Pyrotechnik. Die Werft in Bremen hatte für uns Pyrotechnik bestellt, aber die war nicht mehr rechtzeitig vor unserem Aufbruch angekommen.

15.5. Am Mittwoch morgen geht es dann endlich wieder ins Wasser. Boot kaputt am 12.5. und wieder unterwegs am 15.5., super Service! Die Kühlwasserpumpe saugt nicht selbst an, ich muss sie von Hand entlüften. Nicht ideal. Wir fahren noch zur Tankstelle und tanken, das erste mal mit Zapfpistole bei Dragon. Es geht langsam, weil unser Tank zum Spucken neigt, wenn man zu schnell auffüllt. Der Inhaber ist leicht irritiert, weil das so lange dauert. Gegen 10:00 geht es endlich in die Schleuse und dann auf die Außenweser Richtung Nordsee, die Tide läuft schon. Kurz hinter dem Containerterminal tummeln sich zwei Tümmler – toll! Den ersten Teil der Strecke kennen wir noch, Leuchttürme und Seezeichen aus verschiedenen Epochen säumen das Fahrwasser, Hoher Weg, Mellumplate, in der Ferne Roter Sand, bei Tonne 16 biegen wir dann ab Richtung Leuchtturm „Alte Weser“ und von dort aus geht es über die Nordergründe Richtung Elbe.


Bild 10: Leuchtturm Alte Weser

Das ist neu für uns, hier waren wir noch nicht. Bei den vorhergesagten leichten Winden erscheint uns das machbar, über diese Untiefen zu fahren. Bei stärkeren Winden und entsprechendem Seegang hätten wir das nicht gewagt, da wären wir wahrscheinlich mit dem ablaufenden Wasser von Bremerhaven nach Helgoland und von dort aus ein oder zwei Tiden später in die Elbe. Ohne die Abkürzung ist die Strecke für uns zu lang, um das sicher in einer Tide zu schaffen. Selbst über die Nordergründe sind das mehr als 50 Seemeilen, wobei die Strömung hilft und uns die Weser hinunter und dann die Elbe hinauf schiebt. Bis wir auf der Elbe sind müssen wir motoren, weil der Wind ziemlich genau aus Norden kommt. Auf dem letzten Stück über den Nordergründen müssen wir dann nicht nur gegen den Wind, sondern auch gegen das erste auflaufende Wasser gegenan, das ist noch gut machbar, wenn wir auch etwas langsam werden. Kurz vor 17:00 sind wir endlich auf der Elbe und können segeln. Der Wind frischt auf, wir machen zum Teil über 7 Knoten, Zeit fürs erste Reff. Auch mit dem ersten Reff läuft Dragon weiterhin flott. Das Boot macht Spaß, lässt sich auch bei Lage sicher steuern, nicht so wie viele neuere Designs, die durch sehr breite Hecks bei Lage das Ruderblatt aus dem Wasser hebeln und dann in den Wind schießen. Dragon ist tatsächlich ein Boot zum segeln.

Die Außenelbe bei Ebbe ist durchaus eindrucksvoll, wir fahren am rechten Rand des Fahrwassers und ungefähr 15 Meter neben uns schaut das Scharhörner Riff geschätzt zwei Meter hoch aus dem Wasser. In Cuxhaven sind wir erst um 20:30. Auch hier saugt die Kühlwasserpumpe nicht selbst an, wieder muss ich von Hand entlüften, was bedeutet, dass ich den Kühlwasserschlauch abschrauben und von Hand Wasser hineingießen muss, bevor ich den Schlauch wieder anschrauben kann. Auf der Elbe, im Strom, vor Cuxhaven. Nicht ideal.

Am 16.5. passt der Wind nicht, um weiter nach Brunsbüttel zu fahren, wir nutzen die Zeit zum Einkaufen. Dragon bekommt einen Seewasserfilter und ich drehe den Deckel der Kühl wasserpumpe. Die eine Seite hat deutliche Einlaufspuren, die „frische“ Seite kommt jetzt zum Impeller. Danach haben wir keine Probleme mehr mit der Motorkühlung. Der örtliche Segelmacher hat leider keine Zeit, um uns Löcher ins Unterliek zu machen, im Sommer vielleicht. Wir bekommen von ihm flaches Band, mit dem wir Laufleinen an Deck riggen können.

Am 17.5. kurz vor Mittag geht es dann weiter nach Brunsbüttel. Bis jetzt haben wir vom Nord-Ostsee Kanal nur gehört und gelesen, nun wird es ernst. Auf der Elbe warten schon einige große Schiffe, die schleusen wollen. Um die schlängeln wir uns herum, weil der Wartebereich für Sportboote östlich der Schleuse ist. Einen Wartesteg gibt es nicht, dafür ist die Lage zu exponiert. Also das Boot unter Maschine im Wartebereich halten und auf die Lichtsignale achten, die uns die Einfahrt in die Schleuse freigeben. Allzu lange müssen wir zum Glück nicht warten, um 14:30 schleusen wir und fahren dann unter Maschine im Kanal. Zuerst ist das aufregend, wir schauen nochmal nach, was welche Lichtsignale bedeuten, aber das Fahren wird schnell ein wenig langweilig, wenn nicht gerade ein Schiff von hinten oder vorne kommt. Dafür ist die Landschaft schön, ein Tal, links und rechts Bäume und blühende Büsche, dazu Vogelgesang, den man trotz Motor hört.


Bild 11: Nord-Ostsee-Kanal

Am frühen Abend machen wir für die Nacht am Steg der Schleuse Gieselau fest, die uns andere Segler empfohlen hatten. Ein sehr ruhiger Ort, selten fährt ein Auto über die mit Holzbohlen belegte Klappbrücke, ansonsten ist Stille, nur die Vögel singen, der Kuckuck ruft. Gelegentlich fällt das Wasser ein oder zwei Dezimeter, wenn ein großes Schiff auf dem Kanal vorbeifährt. Kenner des Liegeplatzes machen angeblich auf der Rückseite der Schwimmstege fest, die direkt rechts und links die Zufahrt zum Schleusentor begrenzen, weil es vereinzelt wohl vorkommt, dass der Wasserstand wegen großer Schiffe auch mal um einen Meter zurück geht und Boote aufsetzen – wir wissen das noch nicht und liegen, wie alle anderen Boote an diesem Tag, an den festen Stegen seitlich am Ufer, es passiert auch nichts, wir schlafen ganz hervorragend. Es gibt an diesem wunderbar ruhigen Ort sogar Sanitäreinrichtungen im Schleusenwärterhäuschen und wenn wir das schon gewusst hätten, hätten wir auch die Fahrt durch den Kanal hier bezahlen können.


Bild 12: An der Schleuse Gieselau

Inzwischen ist Sonnabend, der 18.5. und es geht weiter, aber nicht weit, nur bis Rendsburg, zuerst zur Marina Schreiber zum Diesel bunkern. Wir müssen auch Lebensmittel kaufen und fahren deshalb anschließend nach Rendsburg hinein, finden einen Liegeplatz beim WSV Enge, wo Gäste sehr willkommen sind. So etwas ist immer schön. Von dort gehen wir zu Fuß zum Einkaufen und bleiben dann auch über Nacht, nachdem wir mit Mitgliedern des WSV noch ein Feierabendbier getrunken haben.


Bild 13: Rendsburg

Am nächsten Tag brechen wir erst am späteren Vormittag auf, das Ziel für den Tag ist, in Kiel Holtenau auszuschleusen und dann einen Liegeplatz in der Kieler Bucht für die Nacht zu finden. Es läuft alles problemlos, auf dem Kanal sehen wir einen sehr gepflegten Raddampfer.


Bild 14: Raddampfer auf dem Nord-Ostsee Kanal

Schon am frühen Nachmittag machen wir am Wartesteg vor der Schleuse in Kiel Holtenau fest. Dort am Automaten zahlen wir unsere Passage durch den Kanal und warten dann darauf, dass wir schleusen können. Andere Boote kommen hinzu, auch eine schöne hölzerne 12m mit Gaffelgroß. Gelegenheit zum Mitsegeln gibt es leider nicht. Wo erforderlich helfen wir beim Abhalten und Festmachen, auch auf anderen Booten klappt so früh in der Saison noch nicht alles, sitzt noch nicht jeder Handgriff. Eine große, schwere, schwarze, stählerne, schnell fahrende Kutteryacht möchte hinter unserer kleinen, weißen, aus Schaumsandwich so locker und leicht gebauten Dragon anlegen. Der Skipper kann unseren niedrigen Rumpf wohl über sein hohes Schanzkleid auf den letzten Metern überhaupt nicht mehr sehen, verschätzt sich und kracht mit seinem scharfen Steven in unser Heck. Der Traum vom Sommer auf der Ostsee zerplatzt vor unseren Augen, noch bevor wir auf der Ostsee angekommen sind. So etwas tut sehr weh. Dragon wird sicherlich hier und jetzt vor unseren Augen versinken, vielleicht haben wir gerade noch Zeit, ein paar wichtige Gegenstände zu retten.

Wieder Erwarten haben wir kein klaffendes Loch im Heck, Dragon geht nicht sofort auf Tauchfahrt, schüttelt sich nur heftig und schwimmt weiter. Wir helfen dem Unglücksraben schnell beim Festmachen, dann schaue ich mir den Schaden an, während der eigentlich ganz nette und sehr verlegene Skipper der Unglücksyacht seine Versicherungsunterlagen zusammensucht. Dragon nimmt kein Wasser, hat außen „nur“ eine Kerbe an der Kante zwischen Spiegel und Schiffsboden, innen ist örtlich das Topcoat abgesplittert. In dem Bereich sind Risse im Laminat zu erkennen, aber kein richtiges Loch. Der Schaden ist zumindest hier am Steg über der Wasserlinie. Wir wollen weiterfahren. Das soll sich mal ein Profi anschauen und dann etwas dazu sagen, wie ernst das wirklich ist. So suchen wir denn im Hafenhandbuch, wo es in der Kieler Förde Bootswerften gibt. Die Wahl fällt auf Laboe, da gibt es gleich zwei. Gegen 17:00 sind wir durch die Schleuse hindurch. Die Kieler Bucht empfängt uns mit Seenebel, zunächst nur ein paar Schwaden. Auf dem Weg quer über die Bucht sehen wir – wohl noch im Ein- und Ausfahrtbereich der Schleuse – einen Angler in einem dunklen Schlauchboot. Die Kombination aus spitzem Angelhaken und Schlauchboot ist schon grundsätzlich spannend, dazu ein dunkles Boot, Nebelschwaden und der Verkehr von großen Seeschiffen, einige Menschen lieben offenbar das Risiko. Wir weniger. Mit GPS, Karte und Kompass suchen wir uns die nächstgelegene Tonne im östlichen Tonnenstrich und hangeln uns dann mit langsamer Fahrt von Tonne zu Tonne, wobei wir zeitweise ins weiße Nichts fahren müssen, weil die Sichtweite kürzer ist als der Abstand der Tonnen zueinander. Wir hoffen dabei immer, dass die nächste Tonne gleich auftaucht und sind erleichtert, wenn sie das endlich tut. Dazu der Klang der Nebelhörner. Es ist nicht wirklich möglich, genau zu sagen, aus welcher Richtung welches Nebelhorn kommt. Auch wir geben Signal auf unserer Tute. Squäääääk - Squäk - Squäk. Ob das irgendwen kümmert? Irgendwo begegnen wir einer Personenfähre, auch ein anderes Segelboot und der rote Bug eines großen Schiffes tauchen aus dem Nebel auf und verschwinden wieder. Spannend. Aufregend. Deutlich spannender als uns wirklich lieb ist. Gegen 18:00 sind wir im Hafen von Laboe.

Schon am Montag findet der Bootsservice in Laboe trotz vieler Arbeit Zeit, unseren Schaden zu besichtigen. Das ist Klasse. Auf der anderen Seite ist das schon das zweite Mal in den ersten zwei Wochen, das wir in die Werft müssen. Hoffentlich geht das nicht so weiter. Die schlechte Nachricht ist, dass der Schaden tatsächlich ausgeschliffen und dann neu laminiert werden muss. Das wird je nach Witterung wegen erforderlicher Trockenzeiten wohl zwei bis drei Wochen dauern. Die gute Nachricht ist, dass das nicht sofort passieren muss, es spricht nichts ernsthaft dagegen, mit einer provisorischen Abdichtung von außen weiter zu fahren und die eigentliche Reparatur in den Herbst zu schieben. Wir wollen weiter.

Am Dienstag bekommt Dragon die provisorische Abdichtung und ich bekomme zusätzlich zur Rechnung noch einen Kostenvoranschlag für die ausstehende große Reparatur. Super Service! Zwischendurch arbeite ich etwas am Boot, das Vorstagprofil der Rollfock muss um ein Schraubenloch nach unten verschoben werden und ich mache die Windsteuerung einsatzbereit: Steuerleinen anschlagen und Paddel anschrauben. Mal schauen, ob sie funktioniert. Wenn nicht, wird sie zum Funktionieren gebracht werden müssen.

Leider hat auch der Segelmacher in Laboe keine Zeit, um die Löcher am Unterliek unseres Großsegels einzubringen – im August vielleicht. Wir werden uns beim Reffen weiter mit einem Provisorium behelfen müssen.

Am Mittwoch regnet es in Strömen, wir bleiben in Laboe. Eigentlich ein schönes Geräusch, Regen auf dem Boot, es klingt sehr ähnlich wie Regen auf einem Zelt, aber es ist im Boot viel trockener und gemütlicher.


Bild 15: Regen in Laboe

Am Donnerstag, den 23. Mai geht es endlich weiter. Das Ziel ist Fehmarn. Bei leicht diesigem, sonnigem Wetter segeln wir mit wenig Wind langsam unter Groß und Genua. Ein richtiger Frühlingstag. Der direkte Weg über die Hohwachter Bucht ist gesperrt, die Bundeswehr schießt. Also außen um das Sperrgebiet herum. Die Windsteuerung kommt das erste Mal zum Einsatz und macht ihre Arbeit hervorragend. Eine tolle Entlastung, sie ersetzt beinahe eine ganze Person im Cockpit. Einmal eingestellt muss man nur noch alle Viertelstunde oder so nach dem Kurs schauen und ggf. nachstellen, kann wesentlich besser Ausschau halten, weil man nicht ständig darauf achten muss, dass das Boot nicht aus dem Ruder läuft, kann wenn erforderlich aufs Deck gehen und irgendetwas klarieren, kann bei Bedarf nach einem prüfenden Blick in die Runde für ein oder zwei Minuten unter Deck verschwinden. Auch das Essen geht besser mit zwei Händen.


Bild 16: Hohwachter Bucht

Hunderte von kleinen Fliegen sind unterwegs, kommen an Bord, setzen sich auf die Segel und fallen irgendwann einfach runter. Der Wind wird immer weniger und schläft dann ganz ein. Am späten Nachmittag stellt sich die Frage, wo wir die Nacht verbringen wollen. Karten auf den Tisch. Entweder weiter treiben, die Nacht hindurch, bis irgendwann wieder Wind kommt. Oder Maschine an und nach Fehmarn. Oder Maschine an und nach Bagenkop. Einen festen Törnplan, den wir einhalten wollen, haben wir ja nicht, nur ein Ziel, nach Norden, Aaland, Finnland.

Dragon 19 Wochen Ostsee

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