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Kapitel 5
Оглавление25. Jänner
Auf dem verschneiten Platz vor dem Völkerkundemuseum waren um die Mittagszeit keine Personen im dichten Schnee unterwegs.
Ein Pärchen stand vor dem Museum, in dicke Wintermäntel gehüllt und die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen.
Hand in Hand betraten sie das Museum und nahmen ihre Kopfbedeckungen ab.
»Soweit ich es sagen kann, dürfte uns niemand gefolgt sein.«
»Das hoffe ich. Immerhin hat sich Ines alle Mühe gegeben, uns einen neuen Look zu verpassen«, meinte Eric und sah sich und Monja im Spiegel neben dem Kassenschalter an.
Die zwei Personen, die ihnen aus dem Spiegel entgegen blickten, hatten wirklich nicht mehr viel Ähnlichkeit mit ihnen.
Monja hatte ihre Haarpracht opfern müssen. Anstatt langer, brauner Locken hatte sie nun kurze, strohblonde Haare. Eine elegante Brille durfte sie nun auch tragen. Außerdem trug sie eine Hose von Ines, eine schwarze, enge Lederhose, in der sie sich überraschend wohlfühlte.
Eric hatte auch eine Haarfärbung über sich ergehen lassen, seine schwarzen Haare waren nun hellbraun. Sein Dreitagebart war weniger Verkleidung, er hatte einfach keine Lust gehabt, sich zu rasieren.
Das Museum für Völkerkunde war nicht sonderlich groß, der Übersichtsplan am Anfang zeigte ihnen, dass die ersten drei Räume für sie bedeutend waren. Hier drehte sich alles um den Penacho.
Im ersten Raum zeigten Schautafeln, wie der Federschmuck, der schon seit Jahrhunderten im Besitz Österreichs war, in mühevoller Kleinarbeit restauriert wurde. Es hatte mehrere Jahre gedauert, bis der Kopfschmuck wieder seinen Weg in dieses Museum fand. Über die Herkunft war noch wenig zu erfahren. Im nächsten Raum stand nur eine große Glasvitrine, die das Herzstück der Ausstellung beinhaltete, den Penacho.
»Der ist ja gewaltig groß«, staunte Eric.
Er schätze ihn auf über zwei Meter. Die grünen Federn schienen mit goldenen Nieten an weiteren roten und blauen Federn befestigt zu sein. Es musste eine besondere Kunst sein, die filigranen Federn einzeln zu befestigten, damit der Kopfschmuck nicht auseinanderfiel.
»Ja, so ausgebreitet sieht er sehr eindrucksvoll aus. Diese Federn sind vom Quetzalvogel, einer Vogelart, die fast schon ausgestorben ist. Auch wenn es heißt, dies sei der Kopfschmuck vom Herrscher Montezuma selbst, muss man eher davon ausgehen, dass dieser Schmuck nur einer von vielen war. Alle höheren Priester dürften so einen Penacho getragen haben.«
Eric musste grinsen. Monjas Wissen war beeindruckend und sie zeigte mit Stolz, was alles in ihrem Kopf schlummerte.
»Aber Montezuma war ein Azteke und kein Maya«, warf er ein.
»Das ist richtig. Auch die anderen Exponate hier stammen aus der Zeit der Azteken.«
An der Wand stand eine kleine Glasvitrine mit einem Federschild und einer Standarte an einer langen Stange. Auch hier wurden viele Federn zum Schmücken benutzt.
Das restlich Museum war für die beiden weniger interessant, da die ausgestellten Exponate aus anderen Teilen der Welt waren. Eric wirkte etwas enttäuscht. Er wusste noch nicht, wie viel er von der Geschichte rund um die Obsidiansteine glauben sollte, der Besuch im Museum hatte sie jedenfalls keinen Schritt weitergebracht.
Im angrenzenden Shop des Museums stöberten sie durch die Bücher, die neben Postkarten und anderen Souvenirs zum Verkauf angeboten wurden.
»Eine Zusammenfassung über die Maya, Azteken und Inka. Ansonsten sehe ich hier noch Bücher über den Fächer …«
»Penacho. Es ist kein Fächer, sondern ein Kopfschmuck«, korrigierte ihn Monja. Sie nahm ein dickes Buch in die Hand, auf dessen Titel der aztekische Kopfschmuck abgebildet war.
»Entschuldigung, Frau Oberlehrer. Auch wenn ich nicht ganz so belesen und klug bin wie Du, weiß ich immer noch, dass wir da drinnen gerade nur Ausstellungsstücke der Azteken gesehen haben. Nichts, was mit den Maya zu tun hat. Und wie Du selbst schon erwähnt hast, liegen dazwischen einige Hundert Jahre …«
Eric blickte Monja an, die konzentriert durch das Buch blätterte.
»Hörst Du mir eigentlich zu?«, fragte er sie.
»Ja, ja. Hundert Jahre, genau«, antwortete sie geistesabwesend.
»Wir werden hier nichts finden, Princesa.«
»Ja, nichts finden«, kam von ihr zurück. Sie starrte wie gebannt in das Buch, das sie langsam durchblätterte.
»Du kriegst nicht mit, was ich gerade mit Dir rede, oder?«
»Ja, reden ist gut.«
»Wenn wir hier fertig sind, dann können wir ja heim zu Ines und Sammy fahren. Die warten schon auf uns.«
»Werden wir, werden wir. Hinfahren, weil sie warten«, sagte Monja weiterhin geistesabwesend.
»Und Ines wird ihre neuen Handschellen und Peitsche an Dir ausprobieren.«
»Ja, ausprobieren …«
Plötzlich riss sie den Kopf hoch und blickte Eric erfreut an.
»Bingo! Wenigstens ein kleiner Hinweis, der uns weiterhelfen könnte«, jubelte sie leise.
»Okay, Du hast kein Wort verstanden, was ich gerade gesagt habe, stimmt´s?«
»Doch … Wir müssen dann heim zu Ines und Sammy, hast Du gesagt und … Moment, was hast Du damit gemeint, dass Ines an mir …«
Sein Grinsen verriet ihr, dass er sie auf den Arm genommen hatte. Sie stieß ihn mit dem Ellbogen an.
»Du verarscht mich wohl gerne, Freundchen?«
»Ganz ehrlich, ja. Also was hast Du beim Durchblättern gefunden?«
»Ich habe das Buch gelesen.«
Eric sah sie zunächst erstaunt an, dann setzte er wieder sein Grinsen auf.
»Natürlich. Einfach so im Durchblättern ein Buch gelesen. Und natürlich hast Du Dir auch alles gemerkt, was drinnen steht«, meinte er ironisch.
»Ja, habe ich, wichtig ist aber nur der Teil mit der Expedition nach Yucatán, an der Kaiser Maximilian teilgenommen hat«, meinte sie voller Ernst.
»Wie soll das bitte gehen, dass Du so schnell ein Buch liest?«
Im nächsten Moment bereute er seine Frage, denn er wusste, dass nun ein weiterer Vortrag von Monja kam.
»Das nennt man eidetisches Gedächtnis. Ich kann mir eine Seite, ein Bild oder eine Unterhaltung genauestens einprägen und bei Bedarf abrufen. Gemeinhin kennt man diese Fähigkeit als fotografisches Gedächtnis. Es gibt bestimmte Übungen, die ich seit meiner Kindheit schon anwende, um diese Fähigkeit zu trainieren. Noch dazu lese ich gerne und viel. Deshalb bin ich in Deinen Augen auch so klug und allwissend. Wobei, klug bin ich sowieso«, erklärte sie ihm mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
»Gut, dann bist Du klug und hübsch und kannst Dir alles merken. Hilft uns das irgendwie weiter bei der Suche nach einem Obsidianstein?«
»Es kann recht hilfreich sein. Zum Beispiel, wenn ich Dir sage, dass ich gerade gelesen habe, dass Kaiser Maximilian bei seiner Expedition nach Yucatán mit einigen Souvenirs zurückgekehrt ist. Ein Satz ist mir dabei ins Auge gestochen: Einen gravierten Stein, den Maximilian von seinen Leuten überreicht bekam, sah er als seinen persönlichen Glücksbringer an und trug ihn fortan immer bei sich.«
Eric pfiff durch die Zähne.
»Das könnte passen. Damit haben wir eine neue Spur. Aber wo kann dieser Glücksbringer heute sein? Gibt es ein Museum, dass noch mehr Ausstellungsstücke von Maximilian hat?«
»Neben dem Denkmal, von dem wir die Postkarte kennen, gibt es noch im Heeresgeschichtlichen Museum einige Exponate. Außerdem wurde der Platz vor der Votivkirche früher »Maximilianplatz« genannt. Wenn wir uns nicht nur auf Wien beschränken, dann kann ich Dir noch Bad Ischl anbieten, dort steht der …«
»Okay, es genügt schon!«, unterbrach Eric sie, »Ich kann nicht glauben, dass Du das alles einfach so aus Deinem Kopf heraussaugst.«
»Ich habe das alles erst heute früh im Internet nachgelesen«, verteidigte sich Monja.
»Das heißt, unser nächstes Ziel ist diese Statue bei Schönbrunn. Vielleicht finden wir dort etwas, das uns die Zahlen auf der Karte erklärt«, beschloss Eric.
Auf dem Weg zum Schlosspark Schönbrunn, vor dem die Statue stand, wollte Monja noch mehr Privates von Eric erfahren.
»Was soll ich Dir groß erzählen? Bislang ist es bei mir eher langweilig verlaufen, wenn man die letzten Tage damit vergleicht. Nachdem ich den Job als Chauffeur verloren habe, bin ich nun am Überlegen, wie es weitergehen soll. Bislang hatte ich aber noch nicht den Kopf dafür, mir zu überlegen, was ich eigentlich machen möchte. Dieses Abenteuer mit Dir ist gerade zur richtigen Zeit gekommen. Aber wenn Du quer durch Europa fliegen willst …«
»Dann habe ich durch meinen Vater genug finanzielle Möglichkeiten. Ich habe nachgezählt, das ist unglaublich, wie viel er zusammengesammelt hat.«
»Schauen wir mal, was wir hier in Wien herausfinden und ob an der ganzen Geschichte wirklich was dran ist. Diese sogenannte rote Bruderschaft geht zwar davon aus, dass Dein Vater hinter etwas Großem her war, aber wir haben wohl schon gemerkt, wie verrückt die sind.«
»Wir wissen nur leider nicht, wie viel die wissen. Und wir können uns ja nicht ewig vor denen verstecken«, meinte Monja und blickte sich in der U-Bahn um. Niemand schien Notiz von ihnen zu nehmen. Trotzdem war sie nervös und fürchtete, dass bald wieder jemand von der Bruderschaft auftauchen würde.
»Nächste Station steigen wir aus. Hast Du die Postkarte mit?«, fragte Eric.
»Nein, die habe ich sicherheitshalber bei Ines und Sammy gelassen. Ich habe den Text für Dich abgeschrieben.«
Sie reichte ihm einen kleinen Zettel, auf dem die Zahlen aufgeschrieben waren.
Eric sah ihn sich an und bemerkte, wie Monja ein Handy hervorzog.
»Das Handy von meinem Vater. Ich habe es aufgeladen, vielleicht finden wir eine nützliche Nummer.«
»Zum Beispiel von diesem Miguel. Ich glaube … Ich hoffe, dass er uns weiterhelfen kann.«
Sie spazierten am Zaun des Schönbrunner Schlossparks entlang. Eric blickte sich unentwegt um, fand aber niemanden, der ihm verdächtig vorkam. Monja ging die Namensliste am Handy durch.
»Bingo. Hier ist seine Nummer: Miguel Notfall. Ich glaube, wir haben einen Notfall, oder?«
»Versuch es einfach. Schaden kann es nicht.«
Monja rief die Nummer an, dabei schaltete sie den Lautsprecher ein, um Eric mithören zu lassen. Es dauerte nicht lange, und eine männliche Stimme meldete sich.
»Hallo, wer spricht?« Eric erkannte sofort den spanischen Akzent.
»Guten Tag, spreche ich mit Miguel?«, fragte Monja leicht nervös nach.
Nach einer kurzen Pause reagierte der Angerufene.
»Wer sind Sie?«
»Monja Knoth, das Telefon gehörte meinem …«
»Monja, hallo. Wenn Du es wirklich bist, dann verrate mir die Zahlen von der Steintafel. Die Dir Dein Vater geschickt hat.«
Verwundert blickten sich Monja und Eric an.
»Woher wissen Sie davon?«, wollte sie wissen.
»Die Zahlen, bitte.«
»Die Zahlen sind 158318002. Warum …«
»Ich danke Dir, Monja. Walter hat mir erzählt, dass Du sicherlich schnell dahinter kommen würdest, was die Zeichen bedeuten und Dir die Zahlen leicht merken wirst.« Miguel klang nun viel freundlicher.
»Ich weiß nicht, wie weit Sie auf dem Laufenden sind, Herr Miguel, aber …«
»Nur Miguel. Ich weiß vom tragischen Tod Deines Vaters. Ebenso weiß ich mit Sicherheit, dass es kein Unfall war. Hattet ihr schon Besuch von der Bruderschaft? Habt ihr die Unterlagen von Walter?«
»Ja und ja. Können Sie uns irgendetwas sagen, was uns weiterhilft?«
»Ich werde mich umgehend auf den Weg zu Euch machen. Morgen im Laufe des Tages werde ich in Wien ankommen …«
»Ankommen? Wo sind Sie denn gerade?«, fragte Eric nach.
»Wer bist Du?«, wollte Miguel wissen.
»Eric, ein Freund, der Monja bei ihrer Suche unterstützt.«
»Okay. Hört mir bitte zu. Unternehmt nichts Riskantes. Ich werde Euch alles erklären und Euch helfen, aber bis dahin ist es am besten, ihr versteckt Euch.«
»Von wo kommen Sie denn?«, wiederholte Eric seine Frage.
»Ich bin gerade in Mexiko Stadt und werde mich sofort auf den Weg zu Euch machen.«
Das Telefonat half Monja und Eric auch nicht weiter, sondern warf nur noch mehr Fragen auf. In Gedanken vertieft gingen sie wortlos weiter. Neben dem Eingang zum Park blieben Sie stehen.
»Dort vorne ist das Denkmal vom Kaiser Maximilian«, sagte Monja und deutete zu dem kleinen Platz vor einer Kirche. Die Statue stand auf einem weißgrauen Sockel, umgeben von einer umzäunten, schneebedeckten Grünfläche. Die Holzbank vor dem Denkmal war leer. Niemand beachtete den Mann in Dunkelgrau, der auf den Sockel stand und von oben auf die Passanten herabblickte. Sein Gesicht war von seinem Vollbart fast zur Hälfte verdeckt, dafür fehlten die Haare auf seinem Kopf. Die Kleidung, mit der der ehemalige Kaiser dargestellt wurde, schien eine Offiziersuniform zu sein, wobei das Beinkleid eher wie ein großer Rock aussah.
Monja und Eric traten nahe heran.
»Ferdinand Maximilian, Erzherzog von Österreich, Kaiser von Mexiko«, las Eric vor, was auf der Steintafel stand, der am Sockel eingelassen wurde.
Sie studierten das Denkmal und gingen mehrmals um die Statue herum.
»Nichts zu finden«, meinte Monja entmutigt.
»Das wäre auch zu einfach gewesen. Andererseits, wo soll hier auch ein Stein versteckt sein, denn bislang noch niemand gefunden hat«, überlegte Eric laut.
Er nahm den Zettel mit den Zahlen heraus und blickte von den Zahlen zum Denkmal.
»Wir sollten heimfahren und auf Miguel warten. Wenn er wirklich mit meinem Vater befreundet war, weiß er unter Umständen …« Sie sah, dass Eric die Statue anblickte und angestrengt nachdachte.
»Was geht Dir durch den Kopf?«, wollte sie wissen.
»Hast Du einen Stift?«
Monja kramte in ihrer Handtasche und zückte einen Kugelschreiber.
»Hier, bitte. Verrätst Du mir, was los ist?«
»Wie war der Spruch auf der Karte, elf in einer Reihe?«
»Nein. Fünf Zeilen aus elf in einer Reihe«.
Eric schrieb etwas auf den Zettel und zeigte es ihr.
»Ich glaube, wir können das Rätsel lösen!«, meinte er enthusiastisch.
Monja sah ihn verständnislos an, blickte dann auf den Zettel und plötzlich verstand sie.
Eric hatte den Text der Steintafel abgeschrieben, nur in einer neuen Reihenfolge:
FERDINANDMA
XIMILIANERZ
HERZOGVOEST
ERREICHKAIS
ERVONMEXIKO
»Fünf Zeilen, jeweils mit elf Buchstaben. Jetzt bin ich gespannt …« Monja drückte sich an Eric und sah ihm zu, wie er die erste Zeile durchging.
»So, 3-10, die dritte Zeile und der zehnte Buchstabe. Ein S«
Sie gingen jedes Zahlenpaar in der ersten Reihe der Karte durch.
»Sarg. Also ich glaube, wir sind am richtigen Weg. Was kommt bei der nächsten Zeile heraus?«, meinte Monja aufgeregt. Eric zählte die Buchstaben wieder durch.
»Familie? Das mach wenig Sinn.«
Als Eric alle Zeilen durchhatte, standen auf dem Zettel die Worte: Sarg, Familie, Hand, Tot, Evvig
»Sind wir jetzt klüger?«
»Nicht wirklich.« Eric schüttelte den Kopf.
Schon im nächsten Moment stieß sie Eric mit dem Ellbogen an.
»Natürlich, Freundchen! Ich hab´s!«
»Aua! Das tat weh.«
»Sorry, Eric. Aber dafür habe ich die Lösung.«
»Darauf bin ich jetzt aber gespannt.«
»Das letzte Wort heißt ewig, zwei V´s für ein W. Und wo liegt man wohl ewig in einem Sarg?«
»Lass mich raten, jetzt kommt ein Vortrag über die Grabstätte von Kaiser Maximilian.«
Monja grinste ihn an.
»In der Inneren Stadt gibt es die Kaisergruft. Dort werden seit jeher die Habsburger begraben, darunter sicherlich auch Kaiser Maximilian. Überleg doch einmal: In der Familiengruft liegt er für immer und ewig tot im Sarg. Vielleicht hat er den Stein in der Hand.«
Eric überlegte kurz, was Monja gerade gesagt hatte.
»Das ist verrückt. Alleine der Gedanke ist so durchgeknallt. Das ist doch Irrsinn!«
»Und weiter? Was ist Deine Meinung dazu, Freundchen?«
Eric sah von Monja zum Denkmal und auf den Zettel. Dann blickte er Monja in die Augen und setzte einen breiten Grinser auf.
»Caramba! Wenn schon verrückt, dann aber richtig. Lass uns diese Kaisergruft besuchen«, meinte er entschlossen.
Es dauerte knapp eine halbe Stunde, bis sie vor dem Eingang zur Kaisergruft standen.
»Und nun, der nächste Punkt auf der Besichtigungstour, die Kaisergruft«, neckte Eric Monja.
»Wenn wir nichts finden, dann haben wir wenigstens Wien besser kennengelernt«, antwortete sie und setzte zu einer neuen Ausführung an. Eric hielt ihr sein Smartphone hin.
»Bevor Du anfängst, ich habe schon nachgelesen. Die Kaisergruft, sie wird auch Kapuzinergruft genannt, ist eine Begräbnisstätte der Habsburger und Habsburg-Lothringer. Erzherzöge, Könige, Kaiser, alles vom Geschlecht der Habsburger ist hier unten begraben.«
Der Eingang wirkte eher unscheinbar. Auch die Dame hinter der Kasse machte nicht den Eindruck, dass Unmengen an Touristen an ihr vorbeikommen würden.
Über mehrere Treppen gingen sie abwärts, wobei es nicht an eine Gruft, sondern eher an ein ganz normales Steigenhaus erinnerte.
Monja fiel beim Eingang zur Gruft eine Hinweistafel auf.
»Sie betreten einen Friedhof und werden um ruhiges und angemessenes Verhalten ersucht«, las sie vor.
»Alarmsicherung. Bitte vermeiden Sie, über die Absperrungen zu greifen und berühren Sie keinesfalls die Sarkophage. Nur so als kleine Frage: Was genau werden wir machen?«, fragte Eric leise.
Monja betrat den ersten Raum, drehte sich zu ihm um und hob die Schultern.
»Ich habe keine Ahnung, aber vielleicht fällt uns ja etwas ein.«
»Ich bin begeistert«, stöhnte Eric auf und folgte ihr.
An den Wänden der einzelnen Räume standen die Namen der Persönlichkeiten, die in dem Raum ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten.
Ein eigener Raum war der Königin Maria Theresia gewidmet. In der Mitte des Raumes stand der Sarkophag von Maria Theresia und ihrem Gatten Franz Stephan.
»So ein riesiger Sarg mit allem möglichen Prunk«, staunte Monja. Eric sah sich schon im nächsten Raum um, während sie sich den großen Sarg genauer studierte.
Er war in einem Raum gelangt, in dem die Särge nebeneinander aufgereiht waren. Vor jedem der metallenen Sarkophage war eine Tafel, die verriet, wer hier lag. Eric blieb bei dem Sarg von Kaiser Leopold stehen, an dessen Seite ein Schwert hinter einem Totenkopf montiert war.
Wie viel Mühe man sich bei jedem dieser Särge gemacht hat, dachte Eric und ging langsam weiter.
Zwei Stationen weiter fand er den gesuchten Sarg von Kaiser Maximilian.
»Monja, hier ist der Sarg«, sagte er und blickte zurück zu ihr. Doch Monja tauchte nicht auf. Eric überkam ein ungutes Gefühl, sein Magen verkrampfte sich.
»Monja?«, fragte er etwas lauter. Langsam ging er zurück in Richtung des vorigen Raums. Als er an dem Sarg von Kaiser Leopold vorbeikam, überlegte er kurz.
Niemand war außer ihm in der Nähe. Trotz der Warnung beim Eingang konnte Eric keine Überwachungskamera finden. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie schon die ganze Zeit über alleine in der Gruft unterwegs waren.
»Eric! Kommst Du bitte?«, rief Monja. Er erkannte sofort, dass sie Angst hatte.
»Carajo!«, fluchte er und blickte erneut zu dem Sarg neben ihm.
Mit einem schnellen Griff packte er das Schwert und zog daran. Völlig überraschend löste es sich mit einem leisen Knacken vom Sarg.
»Ups«, kam ihm erstaunt über die Lippen.
Wie dämlich muss das aussehen? Ich, in einer Gruft stehend, mit einem rostigen alten Dekoschwert in der Hand, überlegte Eric. Er lauschte und erwartete eine Sirene oder ähnliches, doch nichts geschah. Die Warnung vor den Alarmanlagen war wohl nicht ganz zutreffend, fiel ihm ein.
Als er langsam in den Raum von Maria Theresias Grab trat, erstarrte er.
Monja stand zwischen zwei Männern an der gegenüberliegenden Wand und sah ihn Hilfe suchend an. Eric erkannte, dass einer der Männer ihre Hände hinter ihrem Rücken hielt, während der andere ihr eine Waffe in die Seite drückte.
»Schön Euch wieder zu sehen. Wir hätten nicht gedacht, dass es so leicht werden würde, Euch zu folgen. Nette Haarfarben, habt ihr wirklich geglaubt, ihr könnt die rote Bruderschaft so einfach hineinlegen?«, sagte der Mann mit der Waffe spöttisch.
»Was wollt ihr?«
»Das ist ganz einfach, mein Freund. Du gibst uns den Stein und wir …«
»Welchen Stein?«, fragte Eric verdutzt, »Das Einzige was ich gefunden habe ist dieses rostige Schwert. Und ich würde nichts lieber tun, als Eure hässlichen Köpfe damit abzutrennen.«
Der Mann, der Monja festhielt, lachte kurz auf.
»Das glaube ich Dir. Aber das Leben ist leider nicht fair.« Er zog an Monjas Armen und verdrehte ihr die Arme noch eine Spur mehr. Monja stöhnte schmerzhaft auf und beugte sich etwas vor um den Druck von den Armen zu nehmen. Brutal zog er sie zu sich, dass sie kurz aufschrie.
Eric sah, wie es ihrem Peiniger gefiel, sie zu quälen. Sein Kompagnon trat einen Schritt vor.
»Du hast genau fünf Minuten, uns den Stein zu geben, dann muss ich leider Deine Freundin erschießen«, meinte er gelassen.
»Ihr verdammten, verrückten, … Woher soll ich jetzt einen Stein hernehmen und wissen welchen ihr wollt? Ich habe keine Ahnung, was ihr wollt und warum ihr hinter uns her seid!«, schrie Eric ihn an.
Plötzlich verfinsterte sich die Miene des Mannes und er richtete die Waffe auf Monjas Kopf.
»Lüg mich nicht an, verfluchter Ungläubiger! Wir wissen, dass ihr hinter den Steinen zum heiligen Tor her seid. Hier und jetzt werden wir diese Suche für Euch übernehmen. Entweder, indem Du uns den Stein aushändigst, oder wir ihn suchen, nachdem wir uns Euch beider erledigt haben. Es liegt ganz an Dir«, fuhr er ihn wütend an. Eric hatte keinen Zweifel daran, wie ernst er es meinte.
»Okay, ich besorge diesen Stein. Und dann will ich nichts mehr mit Euch zu tun haben. Vielleicht haben wir dann endlich Ruhe von euch übergeschnappten Fanatikern.« Er drehte sich um und marschierte mit dem Schwert in der Hand zurück zum Sarg von Kaiser Maximilian.
»Und nun? Soll ich einfach den Deckel öffnen und nachsehen, oder wie?«, sprach er erregt zu sich selbst.
Der Sarg war im Gegensatz zu vielen anderen im Raum eher schlicht gehalten. Am Kopfende war ein Text eingraviert, der höchstwahrscheinlich lateinisch war. Eric trat noch näher heran und inspizierte den Sarg ganz genau. Der Sargdeckel, der mit Sicherheit seit mehreren Hundert Jahren nicht mehr geöffnet worden war, passte haargenau auf den Unterteil. Er lehnte das Schwert an die Wand und umrundete den Sarg, bis er eine Stelle fand, an der ein kleiner Spalt zu erkennen war.
»Vier Minuten!«, hörte er den Mann aus dem anderen Raum.
Er wurde nervös. Seine Abenteuerlust war mit einem Schlag verflogen, denn nun ging es um Monjas Leben. Das Rätsel zu entschlüsseln war noch ganz nett gewesen, aber das hier entsprach garantiert nicht dem, was er wollte.
Eric blickte sich um, bis sein Blick auf das angelehnte Schwert fiel.
»Als hätte ich großartig viele Möglichkeiten!«, fluchte er, schnappte sich das Schwert erneut und setzte sie Spitze an dem kleinen Spalt an. Mit viel Druck stach er zu und rammte die Schwertspitze in den Sarg. Als er fast die Hälfte des Schwertes in den Spalt des Sarkophags versenkt hatte, holte er tief Luft und hob das Schwert mit einem Ruck hoch.
Anstatt durch die Hebelwirkung den Sargdeckel zu verrutschen, brach das Schwert ab und Eric fiel nach vorne auf den Sarg.
»Caramba, Coño! Das klappt so nicht!«, schrie er verärgert auf.
»Drei Minuten!«, kam als Antwort.
»Du kannst Dir Deine drei Minuten in den Arsch schieben. Was soll ich tun, wenn dieser Deckel…« Er schlug mit der Hand wütend gegen den Deckel. Dabei glitt der Sargdeckel etwas zu Seite.
Eric riss die Augen auf und starrte auf den schwarzen Spalt, der nun zu sehen war.
Mit beiden Händen stemmte er sich gegen den Metalldeckel und schob ihn weiter zur Seite, bis der Deckel mit einem lauten Poltern auf den Boden fiel.
»Es tut mir leid, ich hoffe, es stört niemanden hier, dass ich so einen Lärm mache«, entschuldigte sich Eric und blickte in den Sarg hinein.
Dieser sah auf den ersten Blick leer aus. Das schwache Licht in der Gruft half ihm nicht viel, aber es schien, als wäre der Leichnam schon zu Staub zerfallen. Erst bei genauerer Betrachtung erkannte er kleine Überreste, Knochenteile und Kleidungsfetzen, die von Staub und Asche überzogen waren.
Erich graute davor, in dem Sarg nach einem Stein zu suchen, von dem er nicht einmal wusste, wie er aussah, noch wie groß er eigentlich war. Wieder nahm er das Schwert in die Hand und strich mit dem, nun um die Hälfte kleineren, Teil durch die Überreste. Staub und Asche wirbelten auf und Eric wich zurück, um die Überreste des ehemaligen Kaisers nicht einzuatmen.
Sein Magen begann zu rebellieren. Ihm wurde zunehmend übel und so beeilte er sich und fuhr mit dem Schwert hin und her über den Boden des Sargs. Die Stofffetzen wurden in eine Ecke geschoben. Plötzlich stieß er mit dem Schwert gegen etwas Hartes und bugsierte das Ding gegen die Wand des Sargs. Ohne lange zu überlegen, griff er zu, erwischte mit der Hand einen Stein und zog die Hand sofort wieder zurück. Eric lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen. Er musste mehrmals tief durchatmen und versuchte sich zu beruhigen und seine Übelkeit zu bekämpfen. Vor seinem inneren Auge kamen Bilder von alten Horrorfilmen hoch, Filme, die mit Zombies und lebendig gewordenen Toten zu tun hatten. Er zitterte am ganzen Körper.
»Du hast noch zwei Minuten, langsam wird es eng.«
Eric öffnete die Augen und blickte auf seine staubige Hand. Als er sie öffnete, sah er den dunklen Stein. Er ging einen Schritt vor, sodass das das Licht auf seinen Fund fiel.
Eric starrte auf den schwarzen Stein, auf dessen Oberseite fein säuberlich zwei Zeichen eingraviert waren.
»Oh mein Gott … vielleicht ist diese ganze Wahnsinnsgeschichte doch wahr«, entfuhr es ihm. Der Stein war etwas über zehn Zentimeter groß und glänzte wie poliert im schwachen Neonlicht. Obwohl er bis auf die Gravur recht gewöhnlich aussah, glaubte Eric zu spüren, wie eine unerklärliche Macht von ihm ausging. Er war sich aber sicher, dass es nur Einbildung war. »Was ist nun? Kommst Du, oder müssen wir zuerst Deine Freundin erledigen und uns dann um Dich kümmern?«, rief ihm einer der Männer aus dem anderen Raum entgegen. Eric holte tief Luft, erhob den Kopf und fasste einen Entschluss. Er war sich sicher, dass sie nur eine Chance hatten, damit diese Gruft nicht auch ihre letzte Ruhestätte werden würde. Mit dem Stein in einer Hand und dem abgebrochenen Schwert in der anderen ging er langsam zurück zu Monja und den beiden Männern. Seine Übelkeit und seine Angst waren verflogen, das Adrenalin in seinem Körper ließ seine Sinne auf Höchsttouren arbeiten. Er betrat den Raum und blickte den Mann mit der Waffe finster an. »Lass sie endlich los. Dann gebe ich Dir den verdammten Stein und wir gehen alle getrennte Wege.« »Netter Versuch. Aber überleg doch einmal, wer von uns beiden eine richtige Waffe in der Hand hat«, gab ihm der Mann selbstsicher zurück. Eric kam ihm immer näher und setzte ein fast dämonisches Grinsen auf. »Da hast Du recht«, sagte er nur. In seinem Kopf rief er sich Erinnerungen hoch, die er in seiner Zeit als Türsteher erlebt hatte. Nicht nur einmal musste er dabei handgreiflich werden und manchmal musste er sich dabei auch gegen Personen zur Wehr setzen, die plötzlich ein Messer, abgebrochene Flaschen oder Ähnliches hervorzauberten. Nicht umsonst hatte er mehrere Jahre lang in unterschiedlichste Kampfsportstätten trainiert. Weniger als eine Armlänge vor dem Mann entfernt blieb er stehen und streckte die Hand mit dem Stein aus. »Da ist er. So sieht der lang gesuchte und scheinbar verschollene Stein aus.« Er öffnete die Hand und blickte dabei seinem gegenüber in die Augen. Dieser blickte auf den Stein und reagierte, wie Eric es vermutete und gehofft hatte. Er riss die Augen auf, war perplex und erstaunt. Eric nahm an, dass dieser Stein für ihn wie ein heiliges Relikt wirkte. Wahrscheinlich suchten sie schon seit Jahren danach und nun lag dieser Stein genau vor seinen Augen. Genau darauf hatte Eric gewartet. Er zog die Hand weg und ließ den Stein fallen. Der Mann erschrak kurz, doch schon im nächsten Moment wurde seine Hand mit der Waffe gepackt. Eric zog seine Hand hoch und schlug mit der anderen zu. Der Schwertknauf traf den Mann mitten im Gesicht und ließ ihn zurücktaumeln. Eric griff nach der Waffe, riss sie ihm aus der Hand und verpasste ihm einen weiteren Schlag, fest und gezielt gegen die Stirn. Monja und ihr Aufpasser waren ebenfalls überrascht und hatten bislang nicht reagieren können. Monja versuchte sich loszureißen, aber der Griff um ihre Arme war immer noch zu fest. Sie trat aus und erwischte den Mann am Bein. Diese jaulte kurz auf, ließ aber nicht locker. Eric war schon bei ihr und schlug erneut mit dem Schwertknauf zu. Schnell landete er mehrere Schläge im Gesicht des Mannes und drängte ihn gegen die Wand. Durch die schmerzhafte Attacke musste er Monja loslassen, die sich sofort nach vorne warf, um außer Reichweite zu sein. Er wollte auf Eric losgehen, doch dieser hob die Hand, um sich zu schützen. Dabei ragte die abgebrochene Schwertspitze dem Mann entgegen. Eric zögerte nicht und rammte das Schwert dem Mann entgegen. Es durchbohrte ihn bei der Schulter. Dieser schrie laut und voller Schmerzen auf und griff sich an die klaffende Wunde, aus der das Blut rannte. »Weg hier, sofort!«, schrie Eric und drückte das Schwert tiefer in die Schulter. Monja war noch auf dem Boden, in ihrer Hand sah er den Stein, wegen dem hier unten das Chaos herrschte. Sie rappelte sich auf und zusammen spurteten sie die Stufen hinauf in Richtung Straße. Als sie beim Kassenschalter vorbeikamen, blickte Eric kurz hinüber und erkannte, warum sie niemand in der Gruft gehört hatte. Die Dame hinter dem Glas lag mit einem Kopfschuss am Boden und die große Holztür zur Straße war geschlossen. Eric warf sich dagegen und stellte fest, dass sie nicht verschlossen war. Sie stolperten auf die Straße, warfen die Tür hinter sich zu und lehnten sich gegen die Hauswand. »Verdammte Scheiße, wie konnten die uns so schnell finden? Die werden uns keine Ruhe mehr geben, bis sie endlich …« »Nicht jetzt, Monja. Wir müssen weg, so weit weg, wie es nur geht!«, erklärte ihr Eric keuchend. Er deutete die Gasse entlang, an deren Ende mehrere Taxis standen. Eric schnappte Monjas Hand und zerrte sie die Gasse entlang. Hinter ihnen hörten sie eine Autotür aufgehen und zwei Männer aufgeregt schreien. Eric drehte sich um und sah, wie sie auf sie zeigten und in ihre Richtung losliefen. Ein weiterer Mann startete den Wagen. »Das sind noch mehr!«, fluchte er. Monja blieb abrupt stehen und zog an seiner Hand. »Warte. Ich habe hier in der Auslage …« »Egal, verdammt, die wollen uns töten, Monja.« Monja lief weiter. »Rot! Erinnere mich bei Sammy und Ines an ein rotes Auto, Eric!«, keuchte sie. Eric hörte nicht wirklich zu und steuerte das erste Taxi in der Reihe an. Er riss die hintere Tür auf und stieß Monja regelrecht hinein. »Na wie geht‘s Euch denn? Müsst ihr so in meinen Wagen springen?«, schimpfte der Taxifahrer und drehte sich zu Monja um. »Wir werden verfolgt. Diese Männer ... sie wollen uns ...« »Moment! Ich brauche keine Probleme. Macht Euch das selber aus aber nicht mit mir. Raus mit Euch!« »Aber ... Die werden uns gleich ...«, flehte Monja. Doch dem Taxifahrer schien das egal zu sein. »Nicht mein Problem, raus habe ich gesagt.« Eric, der noch halb auf der Straße war, stieg aus, schleuderte die Tür zu und rannte zur Fahrerseite. »Dafür haben wir keine Zeit!«, tobte er und riss die Tür auf. Er zog den überraschten Fahrer aus dem Wagen und stieß ihn vom Wagen weg. »Bist Du verrückt?«, brachte dieser nur erschrocken heraus. Eric setzte sich hinters Steuer und startete den Wagen. »Bist Du verrückt, Eric?«, fragte Monja keuchend und überrascht. »Ja, das muss ich wohl sein«, war seine knappe Antwort, während er losfuhr und den Wagen um die nächste Ecke lenkte. Der erste Bezirk von Wien war nie für Autofahrer konzipiert worden. Schmale Gassen, enge Kurven und keine Möglichkeit, mehr Gas zu geben, um dem dunklen Wagen hinter ihnen zu entkommen. Erics einzige Hoffnung war, so schnell wie möglich auf die mehrspurige Ringstraße zu gelangen. Er bog in eine kleine Gasse ein, die für den normalen Verkehr gesperrt war und nur für spezielle Fahrdienste erlaubt war. Dass sich sein Verfolger nicht daran hielt, wunderte ihn nicht. Die Gasse brachte sie aber direkt hinter die Staatsoper, wo die Straßen endlich breiter wurden. »Festhalten, jetzt geht es richtig los!«, rief er und stieg aufs Gas. Mit einem Satz beschleunigte der Wagen und Eric überholte zwei stehende Wagen, lenkte hart nach rechts und fuhr bei Rot über die Ampel. Ein Wagen bremste ab und hupte, Eric wich auf die Schienen der Straßenbahn aus, gab noch mehr Gas und reihte sich dann auf der Straße ein. Hinter ihnen krachte es. Ihre Verfolger hatten ebenfalls versucht, bei der Kreuzung einzubiegen, doch sie wurden von einem anderen Wagen erwischt und über die Straße geschleudert. Monja zählte mindestens drei Wagen, die miteinander kollidierten. »Jawohl! Sehr gut, Eric«, triumphierte sie. »Das bringt uns nur einen kleinen Vorsprung«, meinte er grimmig. Er fuhr zügig mit dem gestohlenen Wagen bis an den Stadtrand, wo sie den Wagen bei einem Parkplatz am Waldrand abstellten. Monja lehnte sich gegen den Wagen und holte mehrmals tief Luft. »Wir stecken mittendrin in dieser Scheiße, oder?« »Korrekt. Und wir werden da auch nicht mehr so schnell rauskommen. Diese rote Bruderschaft hat uns die ganze Zeit über nachspioniert. Wir müssen untertauchen, und zwar so, dass uns niemand findet.« »Wie willst Du das anstellen, etwa das Land verlassen?« »Ich befürchte, nicht einmal das würde sie aufhalten.« Monja drehte sich zu Eric. »Lass mich kurz überlegen, ich glaube, ich habe eine Idee.« Sie blickte in den schneebedeckten Wald, während ihre Gedanken wild durch ihren Kopf schossen. Eric sah ihr zwei Minuten lang wortlos zu, dann wurde er langsam nervös. »Wir sind hier nicht sicher, das weißt Du schon, Monja?« Sie blickte ihn an. »Hör mir genau zu, ich hoffe, ich habe nichts vergessen. Schreib Deinen Freunden und Familie, dass Du eine spontane Reise nach Deutschland machst. Dann schreib Dir die wichtigsten Nummern heraus und dreh Dein Handy ab. Ich werde dasselbe machen und uns zwei Flüge buchen.« »Deutschland? Was willst Du in …«, fragte Eric nach. »Ich erkläre Dir das unterwegs. Zuerst das Handy. Wahrscheinlich können sie uns darüber überwachen.« Beide schrieben sich schnell die wichtigsten Nummern aus ihren Kontakten heraus. Monja rief in ihrer Firma an und erfand eine Geschichte von familiären Problemen, wegen denen sie das Land verlassen musste. Sie erwähnte dabei Berlin und versprach, sich bald wieder zu melden. Eric hatte es leichter, bei ihm genügte eine SMS, dass er sich eine Auszeit nahm und spontan wegfliegen würde. Die Handys warfen sie in das Taxi und gingen los. »Wir haben einen kleinen Fußmarsch vor uns. Ich schätze, bis zur Wohnung von Ines und Sammy sind es zwei bis drei Stunden«, meinte Eric. Monja holte den Stein hervor und sah ihn sich nun genauer an. »Eine Maya-Gottheit und ein Symbol der Maya. Ohne Literatur oder Internet kann ich nicht herausfinden, was auf dem Stein abgebildet ist. Dass es Leute gibt, die für so einen kleinen Stein morden …« »So verrückt es auch klingt, anscheinend ist an der Legende und den Rätseln deines Vaters einiges wahr. Wir werden uns ein Hotelzimmer nehmen und von Ines und Sammy die Unterlagen bringen lassen. Nachdem wir den ersten Stein gefunden haben, vielleicht haben wir genug Hinweise für die anderen Steine auch.« »Und was machen wir dann?« »Dann, liebe Princesa, holen wir diese Steine und versauen der roten Bruderschaft den Tag«, meinte Eric selbstsicher.