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Kapitel 1
ОглавлениеVergangenheitsbewältigung
Niko saß im Wartezimmer der Kanzlei seines besten Freundes Martin Leitner. Der Anwalt, für den er immer wieder diverse Botengänge übernahm und als Chauffeur zu Diensten war, hatte ihn für einen neuen Auftrag zu sich gebeten.
Wahrscheinlich wieder eine Fahrt quer durch Österreich, um bei einer Firma einen Vertrag auf Punkt und Komma zu kontrollieren.Während er wartete, sah er auf seinem Handy die neuen Fotos durch, die Kira ihm geschickt hatte. Vor zwei Wochen war sie zurückgeflogen, nun erhielt Niko laufend Bilder von ihr und ihrem Freund Manos, sowie ihrem Bruder, der mit Martins Tochter dabei war, ein Haus zu bauen. »Komm rein Niko«, holte ihn Martin aus seinen Gedanken. Auf dem großen Arbeitstisch in Martins Büro stand eine geöffnete Flasche Whisky. »Alkohol am Vormittag?«, wunderte sich Niko, der wusste, dass Martin höchstens ein Glas Wein oder Bier am Abend trank. »Der ist für dich, ein schottischer Single Malt. Er soll einer der Besten sein.« Niko stutzte. Schottland, schon wieder. Ich hasse solche Zufälle, dachte er, während er das Etikett der Flasche las. »Edradour, zwölf Jahre alt. Klingt und riecht nach einer teuren Sorte. Warum?« »Weil ich einen besonderen, wenn auch ganz einfachen Auftrag für dich habe.« In Nikos Kopf läuteten die Alarmglocken. »Ganz einfach?« »Ja, verbunden mit einem Ausflug und etwas Urlaub ...« »Stopp!«, unterbrach Niko energisch, »Wir wissen beide, was das letzte Mal passiert ist, als du mich auf Urlaub geschickt hast.« Martin lächelte zustimmend. »Ja, du hast auf meine Tochter aufgepasst und nebenbei eine alte Schatzkammer entdeckt. Aber dieser Urlaub geht nach Schottland.« Schottland, ernsthaft?»Du sollst nur eine Dame auf ihrem Privatflug nach Edinburgh begleiten und sie zum Schloss ihrer Familie bringen, mehr nicht.« Niko schenkte sich etwas Whisky in das bereitstehende Glas. »Etwas genauer bitte.« »Ein Klient von mir hat mit einer Firma hier in Wien einen Vertrag abgeschlossen. Es geht um Triebwerke und Elektronik für ein Gezeitenkraftwerk im Norden Schottlands. Die Familie hat aber auch ihre Finger im Edelsteinhandel und da kommt seine Tochter ins Spiel. Sie war auf Kundenbesuch in Wien und soll morgen mit dem Privatjet der Familie heimfliegen. Bei sich trägt sie einen Koffer mit einer Sammlung von Edelsteinen, die sie zur Präsentation mitgenommen hatte. Da dieser Koffer äußerst wertvoll ist, bittet mein Klient um Begleitschutz. Da habe ich an dich gedacht. Ich bin nächste Woche auf Urlaub, also gibt es nichts zu tun. Das wäre doch ideal. Einfach hinüberfliegen, ein kleiner Ausflug zu einem Schloss und dann ein paar Tage frei. Es wird ein Spaziergang für dich, inklusive etwas Urlaub. Was soll da schon schiefgehen?« Niko leerte das Glas und verdrehte dabei die Augen. »Diesen Satz hast du vor einem Jahr auch gesagt. Du weißt, was dann alles passiert ist.« »Keine Sorge, dieses Mal wird es sicherlich ganz anders.« Garantiert, dachte Niko skeptisch, ich habe ja auch überhaupt keinen Bezug zu Schottland.
Zwei Tage später fand sich Niko erneut auf dem Flughafen ein, dieses Mal vor der Abflughalle für Charter- und Privatflüge. Sein Plan war, die junge Frau zu ihrem Familienschloss zu fahren und danach mit dem Mietwagen die Insel zu erkunden. Martin hatte ihm eine Auszeit von mindestens zwei Wochen in Aussicht gestellt. Nachdem er herausgefunden hatte, dass es in Schottland erlaubt war, wild zu campen, hatte er seine Survivalausrüstung mitgenommen. Neben einem Taschenmesser hatte er auch das Sgian dubh, das letzte Geschenk seiner damaligen Freundin eingesteckt. Da er auf einem Privatflug nicht an die üblichen Sicherheitsbestimmungen gebunden war, konnte er alles im Rucksack verstauen. Kira hatte ihn an seine Jugendliebe erinnert, die möglicherweise immer noch in Schottland lebte.
Egal, Schottland ist ein großes Land. Ich werde sicherlich nicht wie ein Verrückter versuchen, sie ausfindig zu machen. Das ist über zwanzig Jahre her, die Wunden von damals sind inzwischen verheilt.Martin hatte ihm ein Bild von der Dame mitgegeben, welches er herausnahm und erneut studierte. Es zeigte die Frau an einem See, wobei der Hintergrund verschwommen war. Ihr grünes Shirt war nass und lag am schlanken Körper an. Er wusste, dass sie fünfundzwanzig Jahre alt war, wobei sie auf dem Bild jünger aussah. Ihre tiefblauen Augen fielen besonders auf, auch wegen ihrer sehr hellen Hautfarbe. Die Haare, die wellig über die Schultern reichten, waren blond gefärbt, den dunkelbraunen Haarnachwuchs konnte man auf dem Bild deutlich erkennen. Du siehst ja süß aus. Aber ich habe mit so jungen Dingern nicht die besten Erfahrungen, dachte er und sah sich um. Es dauerte nur einige Minuten, bis vor ihm ein Taxi hielt und eine Frau mit einem kleinen, silbernen Koffer ausstieg. »Alison MacHart?« »Aye, that´s me.« Niko bemerkte sofort den schottischen Dialekt. Er stellte sich vor und betrachtete sie dabei von Kopf bis Fuß. Ich hatte Recht mit meiner Vermutung, stellte er fest, als er ihr Outfit sah. Sie trug einen maßgeschneiderten Hosenanzug, gestylt, als würde sie zu einem weiteren Termin mit ihren wertvollen Steinen erscheinen. Niko hatte vermutet, dass die Tochter reicher Eltern so erscheinen würde und hatte sich in einen schwarzen Anzug gequält. »Du bist also mein Aufpasser«, stellte Alison zu Nikos Überraschung auf Deutsch fest. »Es war der Wunsch ihres Vaters, deshalb ...« »Naw!«, unterbrach sie ihn, wobei ihr Schottisches Nein wie ein lang gezogenes »Nah« klang. »Keine übertriebenen Höflichkeitsfloskeln, sonst komme ich mir blöd vor. Ich heiße Alison und fertig.« Vielleicht ist sie nicht ganz so überheblich, wie befürchtet.»In Ordnung. Dein Vater hat darauf bestanden und ich führe den Auftrag seines Anwalts aus.« Niko folgte der jungen Frau an einem unbesetzten Schalter vorbei ins Freie, wo bereits eine Limousine auf sie wartete. Sie fuhren über das Rollfeld, vorbei an den Linienmaschinen. Die blassblaue Maschine, auf die sie zusteuerten, wirkte im Vergleich zu den Passagierflugzeugen unscheinbar, wobei sie von außen mehrere Räume erahnen ließ. Auch das Innere war alles andere als eng. Ledermöbel, breite Sitze, Holzvertäfelungen, der Boden mit einem dunkelroten Teppich ausgelegt. Niko sah sich um und versuchte dabei, sich sein Staunen nicht anmerken zu lassen. Seine Vermutung mit den Räumen traf ebenfalls zu. Vom großzügigen Raum, in dem er sich nach dem Einsteigen befand, führte ein Gang zu den Räumlichkeiten der Crew und der Pilotenkanzel. Das andere Ende des Raumes hatte zwei Türen, die verschlossen waren. »Nimm Platz, mach es dir bequem. Wir starten in zehn Minuten«, meinte Alison und warf ihre Reisetasche auf einen der Sitze. Nikos Blick auf den silbernen Koffer quittierte sie mit einem freundlichen Lächeln. »Willst du sehen, wieso mein Vater sich Sorgen um den Inhalt macht?« »Es sollten Edelsteine darin sein.« Alison winkte Niko zu sich an einen Tisch und deutete ihm Platz zu nehmen. Nachdem sie die Kombination am Zahlenschloss eingegeben hatte, drehte sie den Koffer zu Niko und öffnete den Deckel. Nikos Augen wurden groß, als er den Inhalt sah. Vor ihm leuchteten unterschiedliche Edelsteine in verschiedensten Farben, sorgfältig in weichen, schwarzen Samt eingebettet. Sie waren in Formen geschliffen, von kugelrund, oval, quadratisch bis zur Form eines Tropfen. Außerdem lag ein unbearbeitetes Goldnugget im Koffer, welches mindestens fünf Zentimeter lang und bis zu zwei Zentimeter breit war. Daneben glänzte eine Silberplatte in Form eine Scheckkarte, die knapp einen Zentimeter dick war. Ich habe wenig Ahnung von den Steinen, aber alleine das Gold und Silber sind schon eine ordentliche Summe wert, staunte Niko. »Meine Familie ist seit Jahrhunderten im Abbau und Handel von Edelmetallen und Edelsteinen tätig. Gold gibt es in Schottland nicht sehr viel, bei Silber sieht es noch schlechter aus. Aber Edelsteine wie diese hier kann man auch heutzutage noch in Schottland finden. Wir handeln auch mit den bekannten Edelsteinen wie Diamanten, Rubinen und so weiter. Aber diese hier sind schottischen Ursprungs.« Zuerst zeigte sie ihm zwei zu Kugeln geschliffene violette Edelsteine. »Diese Edelsteine kennst du vielleicht. Amethysten findet man in Europa relativ häufig. Selbst in Österreich gibt es eine besonders große Ader.« Sie deutete auf einen dunkelblauen Stein in ovaler Form und erklärte Niko, dass es sich um einen Azurit handelte. »Dem Azurit wird nachgesagt, er soll die Konzentrationsfähigkeit und die geistige Aufnahmebereitschaft fördern. Er gilt als Stein der Erkenntnis und des geistigen Wachstums.« Als Nächstes hob sie einen ovalen, grün glänzenden Edelstein heraus. Er war perfekt geschliffen, die unzähligen kleinen Flächen spiegelten das Licht und gaben ihm den Anschein, zu leuchten. »Ein Demantoid, ursprünglich aus Russland. Der berühmte Juwelier Peter Carl Fabergé hat diese Steine gerne für seine weltbekannten Fabergé-Eier benutzt.« Fabergé-Eier? Dann sind diese Edelsteine sicherlich ebenfalls ziemlich teuer. Der Wert dieses Koffers steigt und steigt. »Besonders schön finde ich diese zwei Steine.« Sie nahm zwei gelbliche Edelsteine hervor und reichte einen Niko. Beide hatten die Form eines Quadrats mit abgerundeten Ecken, die Unterseite lief zu einer abgerundeten Spitze zusammen. »Dieser Citrin wurde mit achtundfünfzig Facetten geschliffen, was eine hohe Lichtstreuung bietet und das Gelb deutlich zur Geltung bringt. Diese außergewöhnlich dunklen Edelsteine haben zwanzig Karat, der Wert liegt bei ungefähr dreihundert Euro.« »Und dein Job ist was genau?«, warf Niko ein. »Ich suche Abnehmer, Juweliere, die selbst Schmuckstücke herstellen und manchmal auch Großhändler auf. Es klingt nicht sehr interessant, aber ich komme viel in Europa herum.« Vielleicht sollte ich ihr meine kleine Edelsteinsammlung daheim zeigen. Wobei, von meinem kleinem Depot an Diamanten weiß niemand und das soll auch so bleiben. »Warum sprichst du so gut Deutsch?« »Ich habe nach der Schule in Wien studiert.« Die Kabinentür wurde geschlossen und Niko nahm Platz. Alison setzte sich ihm gegenüber. »Mein Vater hat darauf bestanden, also habe ich meinen persönlichen Bodyguard für den Trip nach Schottland. Mach es dir gemütlich.« Hatte die Erwähnung von Schottland schon Erinnerungen wachgerufen, sorgte die Aussage der jungen Frau für sehr detaillierte Bilder in Nikos Kopf. Er machte es sich in dem breiten, lederbezogenen Sitz bequem und schloss die Augen. Seine Musikbibliothek hatte Niko vor der Abreise auf den neuesten Stand gebracht, weshalb sich viele Songs auf dem Handy befanden, die ihn an seine Vergangenheit erinnerten. Während Carl Peyer die erste Strophe von »Romeo und Julia« sang, reiste er gedanklich zurück in seine Schulzeit. Genauer in den kalten Jänner des Jahres 1993. Es is scho so lang, es is scho so lang her, mia woan no Kinder oda doch scho mehr, so verliebt, dass des nur amoi gibt Des erste grosse Wunder, so spannend und so nei, voller Angst und voller Hoffnung, so gfangen und so frei, mia woan jung, unbesiegboa jung