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Überstürzter Aufbruch

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Die Son­ne war schon so weit über die Wip­fel des an­gren­zen­den Wal­des ge­stie­gen, dass ihre Strah­len ins Schlaf­zim­mer von Gün­ter Kauf­manns Haus fie­len. Nichts trüb­te ihre Kraft am wol­ken­lo­sen Him­mel, und die Wär­me auf Gün­ters Ge­sicht ver­an­lass­te ihn dazu, die Au­gen zu öff­nen. Er saß noch ge­nau­so am Fußen­de vor dem Bett, wie er sich am Abend zu­vor in Me­di­ta­ti­ons­hal­tung nie­der­ge­las­sen hat­te. Die Hän­de im Schoss bil­de­ten das mida-no-jouin Mu­dra, und sein auf­ge­wühl­ter Geist war zur Ruhe ge­kom­men. Es war für ihn im­mer wie­der der bes­te Weg, um sein in­ne­res Gleich­ge­wicht zu er­lan­gen.

Er schau­te auf sei­ne Hän­de, und ein Schmun­zeln husch­te über sein Ge­sicht. Wie oft war es auf Un­ver­ständ­nis ge­sto­ßen, wenn er me­di­tier­te oder an­de­re asia­ti­sche Prak­ti­ken aus­führ­te. Fast im­mer gin­gen die an­de­ren dann da­von aus, dass er Bud­dhist sei, und wenn er ih­nen er­klär­te, dass er dem christ­li­chen Glau­ben an­hing, woll­ten sie es kaum glau­ben. Für die meis­ten war es ein Wi­der­spruch, für ihn nicht. Er konn­te da­durch sei­ne in­ne­re Kraft stär­ken, sei­nen Geist von äu­ße­ren Ein­flüs­sen be­frei­en und sei­nen Glau­ben viel stär­ker le­ben als manch an­de­rer.

Der Duft von frisch ge­brüh­tem Kaf­fee stieg ihm in die Nase, und sei­ne Ge­dan­ken kehr­ten zu den letz­ten Er­eig­nis­sen zu­rück. Er hat­te mit Sa­rah Lieb­herr eine sei­ner prä­gen­den Er­in­ne­run­gen ge­teilt. Sie war da­nach fast ge­nau­so auf­ge­wühlt ge­we­sen wie er und hat­te Be­den­ken we­gen der nächt­li­chen Heim­fahrt ge­äu­ßert. Sein An­ge­bot, sie möge das Gäs­te­zim­mer nut­zen, nahm sie dank­bar an und nun war sie an­schei­nend schon da­bei, das Früh­stück vor­zu­be­rei­ten.

Gün­ter er­hob sich und ging ins Bad. Bei der Mor­gen­toi­let­te kehr­ten sei­ne Ge­dan­ken zu Sa­rah zu­rück. An­schei­nend hat­te er ihr hel­fen kön­nen. Die Le­bens­ein­stel­lung der jun­gen Frau hat­te sich wie­der ge­än­dert, und als sie vor dem Schla­fen­ge­hen noch ein Glas Wein tran­ken, sah er in ih­ren Au­gen eine in­ne­re Stär­ke, die vor­her nicht wahr­nehm­bar war.

Wie wür­de es jetzt wei­ter­ge­hen? Soll­te er ihr noch mehr von sei­nem Le­ben er­zäh­len? Könn­te sie es über­haupt ak­zep­tie­ren, wenn er es bei dem Bis­he­ri­gen be­las­sen wür­de? Ver­mut­lich nicht. Eine in­ne­re Stim­me sag­te ihm, dass ihn mehr mit die­ser Frau ver­band. Nicht nur die­se zwei Tage, an de­nen er ihr von sei­nem Le­ben er­zählt hat­te. Da war noch et­was, was er nicht de­fi­nie­ren konn­te. Eine Ver­bin­dung, die tiefer ging, an­ders als al­les bis­her Er­leb­te.

Als Gün­ter das Wohn­zim­mer be­trat, durch­ström­te ihn ein Ge­fühl der Wär­me. Der Tisch war lie­be­voll für zwei Per­so­nen ge­deckt. Fri­sche Bröt­chen, Mar­me­la­de, Ho­nig, Wurst und Käse, ja so­gar frisch ge­koch­te Eier stan­den be­reit. Eine noch nicht ent­zün­de­te Ker­ze zier­te die Mit­te, und aus der Kü­che weh­te der Ge­ruch von fri­schem Kaf­fee he­r­ein. Vie­les da­von hat­te er gar nicht im Haus ge­habt. Sa­rah muss­te schon vor ei­ni­ger Zeit auf­ge­stan­den sein und all das be­sorgt ha­ben.

Gün­ter warf einen Blick in die Kü­che, konn­te sie aber nicht ent­de­cken. Die leich­te Mor­gen­bri­se be­weg­te die Gar­di­ne vor der Ter­ras­sen­tür. Er ging hin und schob sie zur Sei­te. Dann er­starr­te er, und mit un­gläu­bi­gem Stau­nen ruh­te sein Blick auf Sa­rah.

Hoch kon­zen­triert führ­te die jun­ge Frau Tai-Chi-Übun­gen aus. Das Ge­sicht der auf­stei­gen­den Son­ne zu­ge­wandt, die Au­gen fast ge­schlos­sen, schi­en sie nichts von ih­rer Um­ge­bung wahr­zu­neh­men. Die Be­we­gun­gen wirk­ten ein we­nig un­ge­lenk, und sie steck­te mehr Kraft hi­n­ein als nö­tig. Doch die Ab­läu­fe wa­ren wie sei­ne ei­ge­nen. Mit lei­sen Schrit­ten ging er schräg hin­ter sie und fiel in ihre Be­we­gun­gen ein. Sie be­merk­te es und woll­te ab­bre­chen.

»Nein, bit­te nicht. Mach wei­ter, es ist die schöns­te Art, den Mor­gen zu be­gin­nen.«

Sa­rah folg­te sei­ner Auf­for­de­rung, aber ihre Be­we­gun­gen wur­den un­si­cher, und ihre At­mung war nicht mehr syn­chron dazu. Gün­ter ging zwei Schrit­te nach vorn, da­mit sie ihn se­hen konn­te. Sa­rah ori­en­tier­te sich an sei­nen Ab­läu­fen, und schon bald be­weg­ten sich die bei­den im Gleich­klang.

Nach etwa zehn Mi­nu­ten brach er ab, da er be­merk­te, dass ihre Kraft nachließ. Gün­ter dreh­te sich zu ihr um, ver­beug­te sich mit dem Shao­lin-Gruß vor ihr und sag­te lä­chelnd:

»Dan­ke für die­sen wun­der­schö­nen Mor­gen. Es ist an­ge­neh­mer, wenn man nicht al­lein ist beim Tai-Chi. Und auch vie­len Dank für den schön ge­deck­ten Früh­stücks­tisch, mit dem du den Gast­ge­ber zum Gast ge­macht hast.«

»Oh, das Früh­stück, das hat­te ich doch glatt ver­ges­sen. Die Eier wer­den in­zwi­schen kalt sein.«

Ein be­trüb­ter Aus­druck über­zog das eben noch strah­len­de Ge­sicht, und sie wand­te sich dem Haus zu. Sa­rah ging zum Tisch, zün­de­te die Ker­ze an und hol­te den Kaf­fee.

»Du trinkst ihn schwarz, ohne Zu­cker, nicht wahr?«

Ohne eine Ant­wort ab­zu­war­ten, goss sie ihm ein, und Gün­ter blick­te sie mit wach­sen­der Ver­wun­de­rung an.

»Ja, wo­her weißt du das?«

Sie schüt­tel­te den Kopf, ver­schwen­de­te aber kei­ne Zeit, um wei­ter dar­über nach­zu­den­ken.

»Ich habe kei­ne Ah­nung. Ich weiß es ein­fach.«

Nach­dem sie auch ihre Tas­se bis zum Rand ge­füllt hat­te, setz­te sie sich und sah sin­nend auf den Tisch.

»Mir ist, als wäre es schon im­mer so ge­we­sen. Als hät­te ich schon über vie­le Jah­re dei­ne Ge­wohn­hei­ten stu­diert. Ich war mir si­cher, dass ein sol­ches ge­mein­sa­mes Früh­stück, ei­ner dei­ner größ­ten Wün­sche ist.«

Gün­ter nahm ihr ge­gen­über Platz und such­te den Blick­kon­takt. Er woll­te in ih­ren Au­gen se­hen, ob sie die Wahr­heit sprach oder nur gut ge­ra­ten hat­te. Sa­rah wich ihm nicht aus, und es er­schi­en Gün­ter, als hät­te er die­se Au­gen noch nie­mals ge­se­hen. Sie wirk­ten un­er­gründ­lich tief und er­zeug­ten eine ge­wis­se Be­klem­mung bei ihm. Er zuck­te zu­sam­men und dach­te: fast wie die Au­gen Ka­zu­kos. Be­schämt senk­te Gün­ter sei­ne Li­der, denn er war ver­sucht, in ihre Ge­dan­ken ein­zu­drin­gen.

War das noch die­sel­be Frau, die er vor we­ni­gen Ta­gen mit Selbst­mord­ge­dan­ken ge­trof­fen hat­te? Es schi­en kaum mög­lich, denn ihm ge­gen­über saß eine selbst­be­wuss­te Per­sön­lich­keit, und er konn­te ihre kraft­vol­le Aura se­hen. Sein Blick wan­der­te über den Tisch und blieb an der Ker­ze hän­gen. Die klei­ne Flam­me zau­ber­te wie­der ein Lä­cheln auf sein Ge­sicht, und kurz be­vor die ein­ge­tre­te­ne Stil­le die Stim­mung zer­stör­te, griff er zu ei­nem Bröt­chen und sag­te:

»Du hast recht, ein sol­ches Früh­stück habe ich schon lan­ge ver­misst. Wenn man al­lein ist, fällt es oft sehr spar­ta­nisch aus, und trüb­sin­ni­ge Ge­dan­ken ge­win­nen schnell die Ober­hand.«

Beim Es­sen spra­chen sie nur über be­lang­lo­se Din­ge. Sa­rah ent­schul­dig­te sich, weil sie in sei­nen Schrän­ken nach Ge­schirr und an­de­rem ge­sucht hat­te, doch Gün­ter wink­te nur ab und er­kun­dig­te sich, bei wel­chem Bä­cker sie ge­we­sen sei. Bei der Er­ör­te­rung sol­cher all­täg­li­chen The­men lang­ten bei­de kräf­tig zu. Doch als sie ge­sät­tigt wa­ren und sich mit frisch ge­füll­ten Kaf­fee­tas­sen ge­gen­über­sa­ßen, such­te Gün­ter wie­der den Blick­kon­takt.

»Warum hast du mir ver­schwie­gen, dass du Tai-Chi be­herrschst?«

Sa­rah lach­te lei­se auf, schlürf­te, ohne den Blick zu lö­sen, an ih­rem hei­ßen Kaf­fee und ant­wor­te­te:

»Zum einen habe ich bei un­se­rem bis­he­ri­gen Zu­sam­men­sein noch nicht viel sa­gen kön­nen, denn ich woll­te in dei­ne Ge­schich­te ein­tau­chen. Und zum an­de­ren wuss­te ich es bis zum heu­ti­gen Mor­gen auch noch nicht.«

Mit un­gläu­bi­gem Blick lehn­te er sich, die Tas­se in der Hand, zu­rück. Er hat­te kei­nen Grund, an der Wahr­heit ih­rer Wor­te zu zwei­feln, und doch er­schie­nen sie ihm kaum glaub­haft.

»Das sah aber an­ders aus. Die Grund­la­gen sind da, nur eine gute An­lei­tung scheint dir zu feh­len. Den­noch wa­ren die Be­we­gun­gen gut mit der At­mung ko­or­di­niert. Auch die Ab­läu­fe wa­ren wie die mei­nen, ex­akt so ...«

Gün­ter ver­schüt­te­te fast den Kaf­fee bei dem Ge­dan­ken, der ihm eben ge­kom­men war. Zum zwei­ten Mal an die­sem Tag blick­te er die jun­ge Frau mit un­gläu­bi­gem Stau­nen an. Sie schi­en sei­ne Ge­dan­ken zu er­ra­ten, denn sie sag­te:

»Ja, ich den­ke auch, dass du mir beim Er­zäh­len dei­ner Ge­schich­te mehr von dir ge­ge­ben hast, als dir be­wusst war. Nach­dem ich die Früh­stücks­vor­be­rei­tun­gen ab­ge­schlos­sen hat­te, woll­te ich mich im Gar­ten in die Son­ne set­zen und auf dich war­ten. Doch ich hat­te das Ge­fühl, dass et­was fehlt zum Start in den Tag, und ohne dar­über nach­zu­den­ken, be­gann ich mit den Übun­gen. Ich konn­te mich fal­len las­sen, und al­les ging wie von al­lein. Bis du kamst und mir be­wusst wur­de, was ich tat.«

Nach­denk­lich nahm Gün­ter einen großen Schluck aus der Tas­se.

»Konn­test du eben mei­ne Ge­dan­ken le­sen?«, frag­te er mit ei­nem Stirn­run­zeln.

»Nein, je­den­falls nicht be­wusst. Ich hat­te nur ir­gend­wie den Ein­druck, dass du ge­nau das dach­test.«

Sie horch­te in sich hi­n­ein und sag­te zö­gernd:

»Aber viel­leicht könn­te ich es, wenn ich woll­te ... Doch will ich das wirk­lich?«

Sin­nend sa­hen sie sich an, und Gün­ter woll­te eben eine wei­te­re Fra­ge stel­len, als das Te­le­fon sich mel­de­te. Un­wil­lig wen­de­te er den Kopf, doch erst beim drit­ten Klin­geln er­hob er sich.

»Ent­schul­di­ge bit­te. Ich wer­de seit ei­ni­ger Zeit sehr sel­ten an­ge­ru­fen und wenn doch, ist es meist wich­tig.«

Nach­dem er sich mit knap­pen Wor­ten ge­mel­det hat­te, lausch­te er ge­spannt sei­nem Ge­sprächs­part­ner. Sa­rah konn­te des­sen auf­ge­reg­te Stim­me hö­ren, ver­stand aber kein Wort. Gün­ters Züge ver­än­der­ten sich. Er wirk­te be­trof­fen, fast be­stürzt und ant­wor­te in Ara­bisch. Sa­rah konn­te den Blick nicht von ihm wen­den. Die­ser Mann of­fen­bar­te im­mer mehr Ge­heim­nis­se, und die woll­te sie auf je­den Fall er­grün­den. Ver­schwom­me­ne Bil­der nah­men in ih­rem Geist Ge­stalt an. Be­ruh­ten sie auf ei­nem un­er­klär­li­chen Wis­sen, oder wa­ren es Pro­duk­te ih­rer Fan­ta­sie?

Nach ei­ni­ger Zeit be­en­de­te Gün­ter das Ge­spräch und sin­nend starr­te er an die Wand. Doch das währ­te nur kurz. Er wähl­te aus dem Kopf eine end­los er­schei­nen­de Num­mer und be­gann un­ge­dul­dig hin und her zu lau­fen. Nach dem Zu­stan­de­kom­men der Ver­bin­dung blieb er mit dem Ge­sicht zur Ter­ras­se ste­hen. Eine hit­zi­ge, in Ara­bisch ge­führ­te De­bat­te, folg­te. Als er et­was ru­hi­ger wur­de und sich um­dreh­te, fiel sein Blick auf Sa­rah. Gün­ter stock­te kurz, dreh­te sich wie­der um und schloss das Ge­spräch mit we­ni­gen Sät­zen ab.

Nach­dem er den Hö­rer auf die Ba­sis­sta­ti­on ge­legt hat­te, strich er sich mit der Hand übers Ge­sicht und wand­te sich an Sa­rah:

»Es tut mir leid, ich hat­te dich für einen Mo­ment völ­lig ver­ges­sen.«

Weil Sa­rah be­merk­te, dass sie ihn im­mer noch wie ein Wun­der­tier an­starr­te, senk­te sie be­schämt den Blick. »Schon in Ord­nung. Das Ge­spräch schi­en ja wirk­lich wich­tig ge­we­sen zu sein.«

»Ja, für mich war die In­for­ma­ti­on sehr wich­tig und des­halb muss ich auch so schnell wie mög­lich nach Ägyp­ten.«

Sa­rah riss die Au­gen auf.

»Du willst fort? Jetzt, aber warum? Ich muss doch noch so vie­les wis­sen, ich …«

Gün­ter konn­te die Be­stür­zung in ih­ren Au­gen er­ken­nen, auch er fühl­te sich bei dem Ge­dan­ken nicht wohl, den Kon­takt für un­be­stimm­te Zeit ab­zu­bre­chen. Doch schnell hat­te er eine Lö­sung ge­fun­den.

»Hast du für die nächs­ten Wo­chen ir­gend­wel­che Ver­pflich­tun­gen?«

»Nein, mei­ne«, sie such­te nach dem rich­ti­gen Wort, »Ar­beit er­folg­te auf Ho­no­r­ar­ba­sis, und ich habe seit ei­ni­ger Zeit kei­ne An­ge­bo­te mehr an­ge­nom­men.«

»Möch­test du mich be­glei­ten?«

Sie hol­te schon Luft und woll­te freu­dig zu­sa­gen, doch er stopp­te sie mit ei­ner ab­schnei­den­den Hand­be­we­gung.

»Über­le­ge es dir reif­lich, denn ich kann dir nicht sa­gen, wie lan­ge es dau­ert und wie viel Zeit ich für dich ha­ben wer­de. Ich muss Din­ge klä­ren, von de­nen ich noch nicht ein­mal an­satz­wei­se weiß, wie ich sie lö­sen kann.«

»Was ist denn ge­sche­hen?«

»Nicht jetzt, dazu fehlt mir die Zeit. Willst du oder nicht?«, frag­te er un­ge­dul­dig.

»Ja, ich will. Ich kann mich jetzt nicht von dir tren­nen, ohne noch ei­ni­ge Er­klä­run­gen zu er­hal­ten.«

»Den Wunsch habe ich auch. Also gut, hast du einen Pass?«

»Ja, aber nicht da­bei.«

»Hm, dann müs­sen wir bei dir vor­bei­fah­ren«, sag­te Gün­ter nach­denk­lich. »Na gut, egal, ich muss jetzt noch ei­ni­ge An­ru­fe er­le­di­gen, und du gehst bit­te die Stra­ße run­ter zur Haus­num­mer vier. Dort wohnt eine äl­te­re Dame – Frau Hill­rich –, sie küm­mert sich ums Haus, wenn ich nicht da bin. Ihr gibst du bit­te den Schlüs­sel und bit­test sie, hier auf­zuräu­men. Die Le­bens­mit­tel soll sie mit­neh­men, die wer­den sonst nur schlecht.«

Gün­ter über­reich­te ihr einen ein­zel­nen Haus­schlüs­sel und drück­te Sa­rah auch noch sei­nen Au­to­schlüs­sel in die Hand.

»Wenn du wie­der­kommst, fährst du mein Auto aus der Ga­ra­ge und deins rein. Nimm den Schlüs­sel von der Haus­tür mit, der schließt auch die Ga­ra­ge.«

Sa­rah war ver­wun­dert über die Hek­tik des sonst so ru­hi­gen Man­nes, nick­te aber, blies die Ker­ze aus und woll­te den Tisch ab­räu­men.

»Das macht Frau Hill­rich. Geh und be­eil dich«, sag­te er drän­gend, wäh­rend er schon die nächs­te Te­le­fon­num­mer ein­tipp­te.

Sa­rah hat­te Gün­ters Auf­trä­ge er­le­digt und kehr­te zu­rück, als er, mit ge­pack­ter Rei­se­ta­sche, die Trep­pe he­r­un­ter­kam. Er be­en­de­te das Te­le­fonat, das er beim Ge­hen noch führ­te, und nahm von Sa­rah die Schlüs­sel ent­ge­gen. Im Wohn­zim­mer griff er zu Stift und Pa­pier, schrieb schnell ein paar Zei­len für Frau Hill­rich und leg­te dann, nach Sa­rahs An­sicht, eine recht große Sum­me in Schei­nen auf das Blatt.

Im Auto frag­te Gün­ter nach Sa­rahs Ad­res­se. Er­freut stell­te er fest, dass die knapp hun­dert Ki­lo­me­ter bis dort­hin fast auf dem Weg la­gen, und die Hek­tik fiel lang­sam von ihm ab.

»Ent­schul­di­ge bit­te den über­eil­ten Auf­bruch«, be­gann er mit der ru­hi­gen, war­men Stim­me, die sie so be­rühr­te. »Ich wer­de ver­su­chen, dir das Wich­tigs­te auf un­se­re Rei­se zu er­klä­ren. Doch zu­erst ein­mal ei­ni­ges zum wei­te­ren Ab­lauf.«

Sie ver­lie­ßen die Orts­la­ge, und er be­schleu­nig­te den Wa­gen so stark, dass Sa­rah einen leich­ten Druck in der Ma­gen­ge­gend ver­spür­te. Den­noch fühl­te sie sich si­cher bei ihm und war neu­gie­rig auf das an­ge­kün­dig­te Ge­spräch.

»Wäh­rend du drau­ßen warst, habe ich un­se­ren Flug klar ge­macht und uns in Kai­ro an­ge­kün­digt.«

»Wann star­tet das Flug­zeug, und wie ist dir das so schnell ge­lun­gen?«

Er warf ihr einen kur­zen Blick zu, und das spöt­ti­sche Lä­cheln in sei­nen Zü­gen schi­en nicht zu ihm zu pas­sen.

»Du weißt noch sehr we­nig über mich«, sag­te er und wand­te sei­ne Auf­merk­sam­keit wie­der der Stra­ße zu.

»Aber ... Ich dach­te, ich habe an die­sen zwei Ta­gen sehr viel über dich er­fah­ren«, kam es zö­gernd über ihre Lip­pen.

»Und doch ist es nur ein Bruch­teil von dem, was ich dir noch er­zäh­len könn­te.« Er kon­zen­trier­te sich kurz auf den Ver­kehr und fuhr dann fort. »Ich hat­te mit die­sem Teil mei­nes Traum­le­bens be­gon­nen und ...«

Sa­rah schüt­tel­te un­wil­lig den Kopf und setz­te zu ei­nem Ein­wand an, aber er ließ sie nicht zu Wort kom­men.

»Be­lass es bit­te bei die­ser Be­zeich­nung, und bil­de dir erst eine Mei­nung, wenn du von dem er­fah­ren hast, was dir in den nächs­ten Ta­gen be­geg­nen wird.«

Sa­rah nick­te re­si­gnie­rend.

»Also gut, von wo und wann geht un­ser Flug?«

Be­müht sach­lich ant­wor­te­te er:

»Mein Jet star­tet in Mün­chen, so­bald wir da sind.«

»Dein Jet?« Sie riss die Au­gen auf. »Du be­sitzt ein ei­ge­nes Flug­zeug?«

Er lach­te ein we­nig ge­quält.

»Mein Le­ben hat es mit sich ge­bracht, dass ich ei­ni­ges be­sit­ze und be­herr­sche, was ich am liebs­ten gar nicht möch­te.«

Nach ei­ner klei­nen Pau­se, in der Sa­rah ihn im­mer noch ver­wun­dert an­sah, fuhr er fort:

»Die Cess­na steht in Mün­chen und ist Teil ei­ner Flot­te, de­ren Mit­ge­sell­schaf­ter ich bin. Sie kann auch von an­de­ren ge­mie­tet wer­den, doch ich habe ei­ni­ge Vor­rech­te. Im Mo­ment ist sie glück­li­cher­wei­se frei. Die Vor­be­rei­tun­gen für den Start soll­ten jetzt schon lau­fen, und der Flug­plan wird ein­ge­reicht.«

Sa­rah nahm von der Fahrt fast nichts mehr wahr, denn sie konn­te kaum fas­sen, wie we­nig sie über die­sen Mann wuss­te.

»Das klingt fast so, als wür­dest du auch das Flie­gen über­neh­men.«

»Ich könn­te, wenn ich woll­te, doch auf die­sem Flug wer­de ich mich auf das Kom­men­de vor­be­rei­ten müs­sen, und ein Pi­lot der Ge­sell­schaft über­nimmt den Job.«

»Ich fas­se es nicht.« Zum ers­ten Mal über­kam Sa­rah et­was Un­ru­he in sei­ner Ge­sell­schaft. »Und ich dach­te, ich ken­ne dich schon ganz gut«, füg­te sie lei­se hin­zu.

Gün­ter spür­te die leich­te Un­si­cher­heit und such­te für einen Mo­ment ih­ren Blick.

»Ich bin nicht an­ders, als du mich schon ken­nen­ge­lernt hast, es gibt al­ler­dings ein paar Fa­cet­ten, die dir noch nicht be­kannt sind.« Er rich­te­te den Blick wie­der auf die Stra­ße. »Wenn du jetzt Ab­stand von der Rei­se neh­men willst, kann ich das ver­ste­hen, aber ich fah­re nicht mehr zu­rück, du müss­test dein Auto dann selbst ho­len.«

Sa­rah hat­te nach­denk­lich auf ihre Hän­de ge­blickt, doch ohne Zö­gern kam ihre Ant­wort:

»Nein, auf kei­nen Fall! Ich spü­re im­mer noch, dass uns Din­ge ver­bin­den, die ich un­be­dingt er­grün­den will.«

Lei­ser setz­te sie hin­zu:

»Auch wenn ich lang­sam be­grei­fe, dass ich ver­mut­lich erst ganz am An­fang ste­he.«

In ih­rer Woh­nung hat­te sich Sa­rah um­ge­zo­gen, einen klei­nen Kof­fer ge­packt und ihre Nach­ba­rin ge­be­ten, sich um die Blu­men zu küm­mern. Nun sa­ßen sie wie­der im Auto und fuh­ren auf der A9 in Rich­tung Mün­chen. Bis­her hat­ten die bei­den nur über die Rei­se ge­spro­chen, doch jetzt äu­ßer­te Gün­ter wei­ter­füh­ren­de Ge­dan­ken.

»Warst du schon mal in Ägyp­ten?«, frag­te er sie.

»Nein, wei­ter als bis Ita­li­en bin ich noch nicht ge­kom­men.«

»Hm, dann muss ich dir jetzt ein biss­chen was er­klä­ren.«

Er über­leg­te kurz, wie er be­gin­nen soll­te, und sag­te dann ein­lei­tend:

»Seit Mur­si und sei­ne Muslim­brü­der an der Macht sind, hat sich ei­ni­ges ge­än­dert, doch mei­ne Po­si­ti­on in die­sem Land ist un­an­ge­foch­ten.« Er deu­te­te aufs Hand­schuh­fach. »Öff­ne bit­te die klei­ne Le­der­ta­sche, die dort drin ist.«

Sa­rah ent­nahm der Ta­sche meh­re­re Päs­se und starr­te sie un­gläu­big an. Gün­ter ging nicht wei­ter dar­auf ein und sag­te:

»Sieh dir den mit der ara­bi­schen Schrift mal nä­her an.«

Das Pass­bild zeigt ein­deu­tig Gün­ters Ge­sicht, auch wenn der Voll­bart ihr bis­he­ri­ges Bild von ihm stör­te.

»Ich dach­te, du bist ein Deut­scher«, kam es sto­ckend über ihre Lip­pen.

»Bin ich auch. So­gar von Ge­burt an, aber ich habe nicht nur eine Staats­bür­ger­schaft und Iden­ti­tät. Für die Ägyp­ter bin ich ein ein­fluss­rei­cher Fi­nanz­ma­gnat, der auch Wur­zeln bei ei­nem Be­dui­nen­stamm hat, des­sen Ge­biet an das west­li­che Nil­del­ta grenzt.«

Mit of­fe­nem Mund lausch­te Sa­rah sei­nen Wor­ten.

»Es ist be­kannt und wird ak­zep­tiert, dass ich viel im Aus­land lebe. Dass ich dort Ge­schäf­ten nach­ge­he, die mich an­geb­lich zu ei­nem schwer­rei­chen Mann ge­macht ha­ben. Die­ser Be­sitz er­mög­licht es mir, auf vie­les Ein­fluss zu neh­men, und kei­ner zwei­felt mei­nen Sta­tus an.« Er zwin­ker­te ihr ver­schwö­re­risch zu. »Vor al­lem weil ich we­sent­li­che An­tei­le an wirt­schaft­lich wich­ti­gen ägyp­ti­schen Un­ter­neh­men hal­te.«

Sa­rah klapp­te den Mund zu, und in ih­rem Kopf ging al­les wirr durch­ein­an­der.

»Ich ver­steh gar nichts mehr«, sag­te sie re­si­gniert.

»Ich wer­de ver­su­chen, dir al­les zu er­klä­ren, doch das braucht Zeit, und du musst of­fen sein, für vie­le un­glaub­li­che Din­ge.«

»Das bin ich schon seit un­se­rer ers­ten Be­geg­nung, doch im­mer, wenn ich den­ke, ich habe eine Er­klä­rung, kommt et­was Neu­es dazu, mit dem al­les nur noch kom­pli­zier­ter er­scheint.«

»Ich weiß und be­wun­de­re, wie du bis­her da­mit um­gehst.« Er lä­chel­te sie an. »Doch jetzt erst ein­mal zu dem, was wich­tig ist. Ich habe dich als eine be­deu­ten­de deut­sche Mit­ar­bei­te­rin an­ge­kün­digt, die mich be­glei­tet, weil wir eine be­gon­ne­ne Ar­beit noch nicht ab­ge­schlos­sen ha­ben. Alle wer­den dich mit Re­spekt be­han­deln, doch in mei­ner Ge­gen­wart soll­test du ei­ni­ges be­ach­ten. Vie­le, mit de­nen wir zu tun ha­ben wer­den, sind Mus­li­me, und du soll­test, wenn wir ge­mein­sam auf­tre­ten, an­ge­mes­sen ge­klei­det sein. Also mög­lichst ein Kleid, was Knie und El­len­bo­gen be­deckt und ein Kopf­tuch tra­gen.«

Sa­rah schnapp­te nach Luft, und Gün­ter warf einen kur­zen Blick in ihr ent­rüs­te­tes Ge­sicht.

»Du musst das nicht ma­chen, aber dann kann ich dich nicht über­all­hin mit­neh­men. Es wür­de mei­ne Po­si­ti­on un­ter­gra­ben, wenn ich mit ei­ner west­lich ge­klei­de­ten Frau auf­tre­te. Es muss auch nicht all­zu züch­tig aus­fal­len. Nicht je­des Haar muss un­ter dem Kopf­tuch ver­schwin­den, denn die meis­ten, de­nen wir be­geg­nen, ha­ben eine to­le­ran­te Ein­stel­lung Aus­län­dern ge­gen­über. Ver­su­che, dich für eine be­grenz­te Zeit an­zu­pas­sen, doch ohne dein In­ne­res auf­zu­ge­ben«, füg­te er mit ei­ner An­spie­lung auf sei­ne ja­pa­ni­sche Ge­schich­te hin­zu.

Ge­ra­de die­se Wor­te mach­ten es ihr leich­ter, sei­nem Wunsch zu ent­spre­chen. »Ich be­sit­ze aber kei­ne sol­che Klei­dung«, be­merk­te sie zag­haft.

»Das dach­te ich mir schon, und wir wer­den das Pas­sen­de be­sor­gen, wenn wir in Kai­ro sind.«

Gün­ter ließ ihr Zeit, das eben Ge­hör­te zu ver­ar­bei­ten, und auch er über­leg­te, ob es rich­tig war, sie mit­zu­neh­men und all das von ihr zu ver­lan­gen. Er er­in­ner­te sich an vie­le Si­tua­tio­nen, in de­nen es ihm selbst schwer­ge­fal­len war, sich auf ein neu­es Um­feld ein­zu­stel­len. Schwei­gend leg­ten sie eine große Stre­cke zu­rück, und Gün­ter war so mit sich be­schäf­tigt, dass er nicht be­merk­te, wie Sa­rah ihn mehr­fach mus­ter­te. Sie schwank­te zwi­schen Ab­leh­nung, Neu­gier, Angst und Ver­trau­en, doch eine mäch­ti­ge Stim­me in ihr half, die Zwei­fel zu ver­trei­ben.

»Was muss ich noch be­ach­ten, wenn wir in Ägyp­ten sind?«

Die Un­ter­bre­chung der Stil­le riss Gün­ter aus sei­nen Grü­belei­en, und er brauch­te einen Mo­ment, um sei­ne Ge­dan­ken zu ord­nen. Sa­rah deu­te­te es an­ders und frag­te wei­ter:

»Muss ich dann hin­ter dir ge­hen? Darf ich dich ohne Wei­te­res an­spre­chen? Oder ...«

Er lach­te lei­se auf.

»Du wirst für alle eine hoch­ge­stell­te Mit­ar­bei­te­rin sein, die sich nicht im Hin­ter­grund ver­ste­cken muss. Ich wer­de dich nach Mög­lich­keit im­mer mit ein­be­zie­hen und wenn mög­lich, über­set­zen oder Eng­lisch spre­chen. Das be­herrschst du doch, oder?«

»Leid­lich, wenn es ohne Dia­lekt und nicht zu schnell ge­spro­chen wird.«

Sa­rah blick­te die­sen jetzt ein we­nig fremd er­schei­nen­den Mann nach­denk­lich an.

»Wie geht das mit meh­re­ren Iden­ti­tä­ten, und wie bist du zu ih­nen ge­kom­men?«, frag­te sie nach ei­ni­ger Zeit.

Gün­ter hol­te tief Luft.

»Ich habe die­se Fra­ge fast er­war­tet und weiß nicht, wie ich sie dir in Kür­ze auf eine zu­frie­den­stel­len­de Art und Wei­se be­ant­wor­ten soll.« Er hol­te noch ein­mal tief Luft und schüt­tel­te kaum merk­lich den Kopf. »Es wäre mir lie­ber, ich könn­te dir mei­ne Ge­schich­te auf die glei­che Art wie bis­her von An­fang bis Ende er­zäh­len, denn dann er­klärt sich al­les von selbst. Aber das ist jetzt nicht mög­lich.«

Er mach­te eine klei­ne Pau­se und such­te nach dem pas­sen­den An­fang. Sa­rah war­te­te ru­hig, denn in sei­nem Ge­sicht konn­te sie einen Au­gen­blick lang wie­der die­sen tief sit­zen­den Schmerz se­hen, der sein Le­ben zu be­glei­ten schi­en.

»Blei­ben wir jetzt erst ein­mal bei mei­ner ägyp­ti­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit. Gün­ter Kauf­mann hat schon am Be­ginn sei­ner Ge­schäftstä­tig­keit, einen er­trag­rei­chen Teil sei­nes Han­dels in und über Ägyp­ten ab­ge­wi­ckelt. Der Mann, der das er­mög­licht hat und ei­gent­lich auch die Grund­la­gen für die Fir­ma ge­schaf­fen hat, ist der Mann, des­sen Pass du in dei­nen Hän­den hältst.«

Sa­rah be­merk­te, dass sie die Aus­weis­pa­pie­re im­mer noch krampf­haft fest­hielt. Sie sah sich das Pass­bild noch ein­mal an und leg­te dann al­les ins Hand­schuh­fach zu­rück.

Gün­ter fuhr un­ter­des­sen un­be­irrt fort.

»Der Name die­ses Man­nes, oder wenn du so willst, mein ara­bi­sche Name ist: Ka­rim bin Azmi bin Ha­lim Al-Kis­met­bahr.«

Sa­rah stöhn­te auf, und Gün­ter lach­te lei­se.

»Ja, ich weiß, was für eine end­los er­schei­nen­de Na­mens­fol­ge. Meist bleibt es auch bei Ka­rim Al-Kis­met­bahr, und nur bei spe­zi­el­len An­läs­sen wird er kom­plett ver­wen­det. Der letz­te Teil die­ses Na­mens ist sehr alt. Sei­ne Be­deu­tung geht auf ein Er­eig­nis zu­rück, das mit un­se­rer jet­zi­gen Rei­se zu­sam­men­hängt. Über­setzt be­deu­tet der Name: Ka­rim Sohn von Azmi Sohn von Ha­lim Al-Kis­met­bahr – vom Schick­sals­fluss.«

»Vom Schick­sals­fluss?«

»Ja, vor vie­len Ge­ne­ra­tio­nen wur­de die­ser, wir wür­den sa­gen Fa­mi­li­enna­me, von den Be­dui­nen kre­i­ert, weil das Schick­sal des Na­mens­trä­gers, des Stam­mes und des Flus­ses mit­ein­an­der ver­bun­den sind.«

»Das ver­ste­he ich nicht. Dein deut­scher Name ist Kauf­mann, und du sagst selbst, du bist als Deut­scher ge­bo­ren, wie kannst du da einen solch al­ten ara­bi­schen Na­men ha­ben?«

»Weil es eine Zeit­lang nicht nur einen Gün­ter Kauf­mann gab und weil man­ches nicht so ist, wie es zu sein scheint«, sag­te er mit be­drück­ter Stim­me.

Sa­rah fuhr sich mit der Hand über die Au­gen und sag­te auf­stöh­nend:

»Ich kann dir nicht mehr fol­gen. Das ist mir al­les zu ver­wor­ren. Die­ser Ka­rim, der jetzt du bist ...«, sie schüt­tel­te den Kopf, »hat dir – also Gün­ter Kauf­mann – ge­hol­fen, dei­ne Fir­ma auf­zu­bau­en, und blickt auf eine alte Fa­mi­li­en­ge­schich­te zu­rück. Er ist Ara­ber und du Deut­scher, aber du bist auch er. Und es gab meh­re­re Gün ...«

Sa­rah hielt die Luft an und starr­te ihn mit weit auf­ge­ris­se­nen Au­gen an.

»Du bist da­mals gar nicht auf die glei­che Art zu­rück­ge­kom­men, wie du ins alte Chi­na kamst. Du bist nur wo an­ders hin­ge­kom­men.«

»Wenn es so ein­fach wäre«, sag­te Gün­ter mit ei­nem Seuf­zer. »Ja, ich bin nicht auf die glei­che Art zu­rück­ge­kom­men, wie ich nach Chi­na kam. Nein, ich bin nicht an einen an­de­ren Ort ge­kom­men. Ich be­fand mich im­mer noch am sel­ben Fleck, aber nichts war mehr so, wie ich es kann­te, doch das möch­te ich dir ger­ne spä­ter in Ruhe er­klä­ren.«

Sa­rah spür­te eine ge­wis­se Hilf­lo­sig­keit und Trau­er in sei­nen Wor­ten. Sie leg­te ihre Hand auf sei­ne auf dem Schalt­knüp­pel ru­hen­de Rech­te und er­schrak über die große Nie­der­ge­schla­gen­heit, die den sonst so stark er­schei­nen­den Mann er­grif­fen hat­te. Wie im­mer, wenn sie sich be­rühr­ten, schi­en er alle Ge­füh­le mit ihr zu tei­len.

»Aber wie ist das mög­lich? Hast du seit die­ser Zeit in Chi­na, also ...«, sie rech­ne­te kurz nach, »über drei­hun­dert Jah­re ge­lebt?«, füg­te sie sto­ckend hin­zu.

Gün­ter stöhn­te lei­se auf.

»Habe ich wirk­lich ge­lebt? Lebe ich über­haupt, oder träu­me ich nur?«

Er ent­zog ihr sei­ne Hand und leg­te sie mit aufs Lenk­rad. Als er sie da­bei kurz an­blick­te, konn­te Sa­rah einen feuch­ten Schim­mer in sei­nen Au­gen se­hen.

»Manch­mal weiß ich selbst nicht, wer oder was ich bin. Wan­delt viel­leicht mei­ne See­le, nach dem doch ge­glück­ten Selbst­mord, nur ru­he­los durch die Zeit und ma­ni­fes­tiert sich ab und zu in ei­nem an­de­ren Kör­per?« Er schluck­te, weil sei­ne Stim­me zu bre­chen be­gann. »Es gibt Mo­men­te, da den­ke ich das, denn al­les an­de­re er­scheint mir noch un­mög­li­cher zu sein. An­de­rer­seits habe ich Er­in­ne­run­gen an ein un­ge­heu­er lan­ges Le­ben. So de­tail­liert, dass es un­mög­lich er­scheint, es nicht ge­lebt zu ha­ben. Ich kann mich an ein Le­ben als Gün­ter Kauf­mann mit Fir­ma und Fa­mi­lie er­in­nern. An ein Le­ben als Gü Man in Chi­na, als Is­hi­ka­wa Yos­hio in Ja­pan, als Ka­rim bin Azmi bin Ha­lim Al-Kis­met­bahr in Ägyp­ten und noch vie­le an­de­re. Und die äl­tes­ten Er­in­ne­run­gen sind ge­nau­so stark wie die jüngs­ten. Nichts scheint ver­lo­ren zu ge­hen.«

Sa­rah wuss­te nicht, was sie dar­auf sa­gen soll­te, denn sie ver­such­te im­mer noch zu er­fas­sen, was sie ge­ra­de er­fuhr. Es dau­er­te lan­ge, bis Gün­ter wei­ter­sprach.

»Noch nie hat­te ich das Ge­fühl, der Lö­sung all die­ser Fra­gen auf die Spur zu kom­men. Erst heu­te Mor­gen, als ich dich beim Tai-Chi sah und dann mit dir am Früh­stücks­tisch sprach, er­schi­en ein klei­ner Licht­blick. Auch des­halb bist du der ers­te Mensch, der so viel über mich er­fährt, und wenn du mich jetzt für schi­zo­phren hältst, kann ich dir das nicht ver­übeln.«

Ohne zu zö­gern, er­wi­der­te Sa­rah:

»Ich hal­te dich nicht für geis­tes­krank! Auch ich den­ke mitt­ler­wei­le, dass un­se­re Schick­sa­le ir­gend­wie mit­ein­an­der ver­knüpft sind, den­noch ver­ste­he ich vie­les nicht.«

Sa­rah lehn­te sich mit nach in­nen ge­kehr­tem Blick zu­rück.

»Wie konn­test du zum Bei­spiel mit Gün­ter Kauf­mann von Ägyp­ten aus in Kon­takt tre­ten, ohne dass er merk­te, dass du er bist?« Sie schüt­tel­te sich. »So was wür­de mich aus der Bahn wer­fen.«

»Ich bin nie­mals per­sön­lich mit ihm in Kon­takt ge­tre­ten. Im­mer nur über Mit­tels­män­ner und an­de­re Fir­men, an de­nen ich be­tei­ligt bin. Au­ßer­dem war ich in die­ser Zeit nicht im­mer in Ägyp­ten. Ich habe auch mit an­de­ren Iden­ti­tä­ten von an­de­ren Län­dern aus sein Pro­jekt ge­för­dert.«

»Hat­test du nicht Angst da­vor, in die Ge­schich­te ein­zu­grei­fen?«, frag­te Sa­rah stirn­run­zelnd.

»Ich habe den Lauf der Ent­wick­lung nicht ver­än­dert. Als ich aus der Fer­ne mein al­tes Le­ben be­ob­ach­tet habe, ist mir auf­ge­fal­len, dass ich mich ohne einen Schub von au­ßen nie­mals in die­se Rich­tung ent­wi­ckelt hät­te. Als ich dann dar­über nach­dach­te und Ver­glei­che zog, er­kann­te ich, dass nur ich es ge­we­sen sein konn­te, der die­se Ent­wick­lung aus­ge­löst hat.«

»Du hast dich also selbst zu dem ge­macht, der du als Fir­men­chef warst? Du hast dein ei­ge­nes Schick­sal aus­ge­löst, ohne es än­dern zu wol­len?«

Un­gläu­big ruh­te ihr Blick auf ihm, und Gün­ter brauch­te eine Wei­le, bis er ant­wor­ten konn­te.

»Ir­gend­wie schon, doch ma­chen wir uns nicht alle selbst zu dem, was wir sind? Sind es nicht un­se­re Ent­schei­dun­gen, die den Le­bens­weg maß­geb­lich be­stim­men? Si­cher gibt es äu­ße­re Ein­flüs­se, das weiß ich selbst am bes­ten, doch in vie­len Fäl­len ha­ben wir die Wahl, wel­che Rich­tung wir ein­schla­gen.« Gün­ter hol­te tief Luft. »An ei­nem ge­wis­sen Punkt woll­te ich in den Lauf der Ge­schich­te ein­grei­fen. Ich woll­te den Tod mei­ner Fa­mi­lie ver­hin­dern. Wenn du wüss­test, was ich al­les un­ter­nom­men habe, um das zu er­rei­chen, wür­dest du kaum glau­ben, dass es den­noch dazu kam.«

Die Nüch­tern­heit, mit der er jetzt sprach, ver­wirr­te Sa­rah, und sie such­te in sei­nem Ge­sicht nach ei­ner Er­klä­rung, aber sei­ne Züge wirk­ten hart und ab­wei­send.

»Was hat dei­ne Ver­su­che ver­hin­dert?«, frag­te sie zag­haft.

»Ich weiß es nicht. Al­les, was ich un­ter­nahm, schei­ter­te an fast ba­nal er­schei­nen­den Din­gen. Män­ner, die ich los­schick­te, um Igors Hand­lan­ger auf­zu­hal­ten, ge­rie­ten in einen un­er­klär­li­chen Stau und ka­men um Mi­nu­ten zu spät. Ich selbst wur­de auf dem Flug­ha­fen fest­ge­hal­ten, weil plötz­lich mei­ne glaub­wür­digs­te Iden­ti­tät frag­wür­dig er­schi­en. Auch als ich meh­re­re Sa­chen gleich­zei­tig in Be­we­gung setz­te, wur­de je­der Ein­griff durch ähn­li­che, sonst un­wich­tig er­schei­nen­de Er­eig­nis­se ver­hin­dert. Das war eine Zeit, an der ich wie­der ein­mal fast zer­brach.«

Sa­rah merk­te, dass er nur mit äu­ßers­ter Kraft­an­stren­gung die­ses nüch­tern er­schei­nen­de Ge­spräch auf­recht­er­hal­ten konn­te. Sie zö­ger­te, frag­te aber dann doch wei­ter:

»Und die­se Er­pres­ser­ban­de ist un­ge­straft da­von­ge­kom­men?«

Ein schmerz­li­cher, aber zy­ni­scher Zug um­spiel­te sei­ne Lip­pen.

»Nein, das nicht. Da­nach ge­lang es mir fast spie­lend, ihre Ma­chen­schaf­ten auf­zu­de­cken. Lei­der hat­ten sie sich da schon wie­der nach Russ­land ab­ge­setzt, doch ein gu­ter Ge­schäfts­freund von Ka­rim«, er be­ton­te das auf eine Art, die Sa­rah an­de­res ver­mu­ten ließ, »konn­te ih­nen auf­grund sei­ner Be­zie­hun­gen wei­te­re Ver­bre­chen – in­klu­si­ve Mord – nach­wei­sen. Jetzt sit­zen sie in ei­nem Strafla­ger in Ost­si­bi­ri­en. Mein Part­ner hat sie dort be­sucht, und ich ver­si­che­re dir, dass ihre Stra­fe mehr als an­ge­mes­sen aus­ge­fal­len ist.«

Gün­ter at­me­te wie­der ge­räusch­voll ein.

»Ich habe mich seit­her oft ge­fragt, ob mich das be­frie­digt oder mei­ne Qual lin­dert. Im ers­ten Mo­ment war es so, doch es macht das Ge­sche­he­ne nicht rück­gän­gig. Der Schmerz bleibt, eben­so die an­de­ren Din­ge, die sich dar­aus er­ge­ben ha­ben. Ei­ni­ge sind da­bei, die mich für eine Zeit lang zu ei­nem über­aus glück­li­chen Men­schen ge­macht ha­ben, und ge­ra­de die möch­te ich nicht miss­en. Manch­mal trös­te ich mich da­mit, dass es Glück und Leid ge­ben muss, weil das eine das an­de­re be­dingt. Weil oft nur über ne­ga­ti­ve Er­fah­run­gen der Weg zum Po­si­ti­ven frei wird.«

Gün­ter bau­te für den Rest der Fahrt eine Mau­er des Schwei­gens um sich auf, und Sa­rah hat­te ge­nug Stoff zum Nach­den­ken, um sie nicht zu durch­bre­chen. Sie führ­te sich vor Au­gen, was für selt­sa­me In­for­ma­tio­nen sie bis­her von ihm er­hal­ten hat­te, und doch konn­te sie nicht an­ders, als ihm glau­ben. Das Ver­trau­en, wel­ches für kur­ze Zeit ins Wan­ken ge­ra­ten war, er­griff sie wie­der un­ein­ge­schränkt.

Sie hat­ten ihr Auto auf ei­nem be­wach­ten Park­platz des Air­ports ab­ge­stellt, und Gün­ter brach­te Sa­rah zu ei­nem Pass­bild­au­to­ma­ten, da sie noch zwei Bil­der für ihr ägyp­ti­sches Visa brauch­te. Wäh­rend Sa­rah mit der Tech­nik kämpf­te, er­kun­dig­te sich Gün­ter nach dem Stand der Vor­be­rei­tun­gen. Al­les schi­en bes­tens zu lau­fen. Der Flug­plan war ge­neh­migt, die Ma­schi­ne start­klar, und der Pi­lot war­te­te auf ihre An­kunft.

Über das Ge­ne­ral Avia­ti­on Ter­mi­nal check­ten sie pro­blem­los ein, und nur kur­ze Zeit spä­ter be­stie­gen sie die Cess­na. Der Pi­lot, der sie an Bord in Emp­fang nahm, wirk­te bei dem Ge­spräch, das Gün­ter mit ihm führ­te, selt­sam ab­we­send. Sa­rah konn­te sich aber nicht rich­tig dar­auf kon­zen­trie­ren, da sie das Ge­fühl hat­te, bei ih­rem Be­glei­ter sei ir­gend­et­was an­ders. Ver­geb­lich such­te sie nach der Ur­sa­che, doch kaum war der Pi­lot in der Kan­zel ver­schwun­den, schi­en al­les wie vor­her zu sein. Gün­ter ge­lei­te­te sie zu ei­nem der be­que­men Le­der­ses­sel und nahm ihr ge­gen­über Platz.

»Es kann ein paar Mi­nu­ten dau­ern, bis wir star­ten dür­fen«, sag­te er und ent­nahm dem Kühl­fach, das zwi­schen den Sit­zen in der Ver­klei­dung ein­ge­baut war, eine Fla­sche Mi­ne­ral­was­ser. Nach­dem er sie in die da­für vor­ge­se­he­ne Ver­tie­fung ne­ben sich ge­stellt hat­te, öff­ne­te er ein an­de­res Fach und brach­te zwei Glä­ser zum Vor­schein. Er hielt ihr eins ent­ge­gen und frag­te:

»Du auch? Oder willst du et­was an­de­res trin­ken? Es sind noch an­de­re Ge­trän­ke da.«

»Nein, ein Schluck Was­ser wäre gut«, sag­te sie mit mü­der Stim­me.

Wäh­rend Gün­ter ihr ein­goss, mus­ter­te er sie prü­fend.

»Es geht dir al­les zu schnell, und du weißt nicht, was du von all­dem hal­ten sollst«, stell­te er nüch­tern fest.

Sa­rah nahm einen kräf­ti­gen Schluck, such­te sei­nen Blick­kon­takt und sag­te:

»Ein biss­chen von bei­dem.« Sie at­me­te ge­räusch­voll ein. »Doch das heißt nicht, dass ich die Wahr­heit dei­ner Wor­te an­zweifle oder be­reue, an die­ser Rei­se teil­zu­neh­men. Aber ich su­che nach Ant­wor­ten, nach ei­nem Sinn in all­dem.«

Gün­ter lach­te mit ei­nem ge­quäl­ten Ge­sichts­aus­druck lei­se auf.

»Nach ei­nem Sinn in all­dem su­che ich schon lan­ge. Und mit der Wahr­heit ist das so eine Sa­che. Ich habe und wer­de dich nie­mals be­lü­gen, doch wenn ich dir nur einen Teil der In­for­ma­tio­nen gebe – sei es, weil ich nicht mehr preis­ge­ben will oder es nicht bes­ser weiß –, kannst du zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis kom­men wie ich. Nach mei­ner Er­fah­rung gibt es nicht nur eine Wahr­heit, und nicht nur ein Weg führt zum Ziel. Vie­le Wege ver­bin­den sich, vie­le In­for­ma­tio­nen be­ein­flus­sen sich, ver­än­dern die Ge­ge­ben­hei­ten, die Rich­tung, wer­den zu ei­nem Gan­zen und füh­ren viel­leicht zu ei­nem ganz an­de­ren Er­geb­nis als einst an­ge­nom­men.«

»Puh, soll das hei­ßen, dass ich mir jetzt Ge­dan­ken ma­chen muss? Dass du mir we­sent­li­che Din­ge vor­ent­hältst und doch ein ganz an­de­rer bist, als ich an­neh­me?«, frag­te Sa­rah mit ei­nem Stirn­run­zeln.

»Nein.« Gün­ter lä­chel­te sie an und hielt ih­rem for­schen­den Blick stand. »So war das nicht ge­meint. Doch ich habe ges­tern Abend zum Bei­spiel nicht er­zählt, was ge­schah, als ich beim An­blick des bren­nen­den Shao­lin den Tod er­hoff­te. So, wie ich ge­en­det habe, muss­test du an­neh­men, ich sei in mein al­tes Le­ben zu­rück­ge­kehrt, und ob­wohl ich das wuss­te, habe ich dich nicht kor­ri­giert. Nicht, weil ich dich be­lü­gen woll­te, son­dern weil mir die Kraft fehl­te, an die­sem Tag noch mehr preis­zu­ge­ben. Also kamst du zu ganz an­de­ren An­nah­men. Des­we­gen sind sie aber nicht falsch, dir feh­len nur we­sent­li­che Tei­le des Puzz­les, und das ist so groß, dass wir noch ei­ni­ge Ge­sprä­che füh­ren müs­sen, da­mit du alle Tei­le zu­sam­men­be­kommst.«

Sa­rah sann über sei­ne Wor­te nach. Sie fühl­te sei­ne Ehr­lich­keit, und auch in sei­nen Au­gen konn­te sie kei­nen Wi­der­spruch dazu fin­den.

»Weißt du denn, was ich an­ge­nom­men habe?«

»Nur das, was ich dir schon sag­te, weil ich ei­gent­lich be­wusst dei­ne Ge­dan­ken in die­se Rich­tung ge­führt habe. Aber ich ver­mu­te, dass du dir schon eine be­stimm­te Er­klä­rung zu­recht­ge­legt hat­test, die durch un­ser Ge­spräch wäh­rend der Fahrt al­ler­dings nich­tig wur­de. Lass dir je­doch das eine sa­gen: Ich selbst habe das Rät­sel noch nicht ge­löst. Viel­leicht bin ich so­gar wei­ter da­von ent­fernt als du.«

Sa­rah schüt­tel­te den Kopf.

»Du irrst dich. Ich war die hal­be Nacht mun­ter, und dut­zen­de Er­klä­run­gen ka­men mir in den Sinn, doch eine er­schi­en mir un­wahr­schein­li­cher als die an­de­re. Ich hat­te ge­hofft, sie heu­te von dir zu er­hal­ten, und jetzt sagst du, dass du kei­ne hast.« Sie schloss die Au­gen und fuhr sich mit der Hand übers Ge­sicht. »Warum nimmst du an, dass ich der Lö­sung nä­her bin als du, wenn ich noch nicht ein­mal alle Tei­le zu­sam­men­ha­be?«

»Aus ei­nem star­ken in­ne­ren Ge­fühl he­r­aus und weil du al­les aus ei­nem an­de­ren Blick­win­kel siehst.«

Gün­ter füll­te sein Glas ein wei­te­res Mal und leer­te es in gie­ri­gen Zü­gen.

»Wel­che Ver­mu­tun­gen er­schie­nen dir denn bis­her am wahr­schein­lichs­ten?«, frag­te er sie un­ver­mit­telt.

Ein biss­chen über­rascht von der Fra­ge, sann sie einen Mo­ment nach.

»Ich dach­te an eine Wie­der­ge­burt dei­ner See­le oder dass du Er­in­ne­run­gen an ein frü­he­res Le­ben auf­ar­bei­test. Was ja ir­gend­wie zum Bud­dhis­mus passt, mit dem du in dei­nem neu­en Le­ben so in­ten­siv in Be­rüh­rung kamst. An­de­rer­seits sagst du, dass du die­sen Glau­ben nicht an­ge­nom­men hast, und sprichst auch von ei­nem fort­lau­fen­den Er­in­ne­rungs­strang, ei­nem lan­gen Le­ben. Was über­haupt nicht dazu pas­sen will. Heu­te be­rich­test du mir dann von meh­re­ren Iden­ti­tä­ten, ei­nem Dop­pel­le­ben, und al­les wird noch mys­te­ri­öser. Doch in mir gibt es seit ges­tern Stim­men. Sie spre­chen mit mir, aber ich kann sie nicht ver­ste­hen. Sie las­sen mich Din­ge wis­sen, die mir un­be­kannt sein müss­ten. Brin­gen mich dazu Tai-Chi aus­zu­füh­ren, ob­wohl ich es nur aus dei­ner Ge­schich­te ken­ne. Ich hing nie ir­gend­ei­nem Glau­ben an, was al­les nur noch schwe­rer zu ma­chen scheint.«

»Oder auch viel leich­ter«, warf Gün­ter ein.

»Wie meinst du das?«

»Du bist nicht ge­fan­gen in ir­gend­wel­chen Dog­men. Gehst un­vor­ein­ge­nom­men an die Sa­che ran und zwei­felst mei­ne Ge­schich­te nicht an.«

»Weil du sie mir auf eine Art ver­mit­telt hast, an die ich nie­mals glau­ben wür­de, wenn ich sie nicht selbst er­lebt hät­te.« Sa­rah hielt ihm ihr lee­res Glas hin und Gün­ter goss nach. »Ver­mut­lich hast du recht, denn mir feh­len wirk­lich noch zu vie­le Ein­zel­hei­ten, um mein Bild zu ver­voll­stän­di­gen. Es wäre mir auch lie­ber, wenn ich die wei­te­re Ge­schich­te so er­fah­ren könn­te wie die bis­he­ri­ge. Könn­ten wir nicht da wei­ter­ma­chen, wo wir am Abend ge­en­det ha­ben?«

Gün­ter schüt­tel­te den Kopf.

»Dazu fehlt mir im Mo­ment die Ruhe. Ich muss mich auf die nächs­ten Tage vor­be­rei­ten, und dazu brau­che ich mei­ne gan­ze Ener­gie.«

Die Mo­to­ren heul­ten auf, und die Ma­schi­ne setz­te sich lang­sam in Be­we­gung. Über die Laut­spre­che­r­an­la­ge for­der­te der Pi­lot die bei­den zum An­schnal­len auf und teil­te mit, dass sie gleich star­ten wür­den.

Sie folg­ten der Auf­for­de­rung, und Gün­ter ver­stau­te die Was­ser­fla­sche im Kühl­fach. Nach­dem Sa­rah ihr fast lee­res Glas in der Ver­tie­fung ab­ge­stellt hat­te, frag­te sie:

»Kannst du mir we­nigs­tens ver­ra­ten, warum wir so schnell nach Ägyp­ten müs­sen?«

Die Cess­na be­schleu­nig­te auf dem Roll­feld. Der Start ent­hob Gün­ter für we­ni­ge Mi­nu­ten der Ant­wort, denn Sa­rah er­fass­te ein leich­tes Schwin­del­ge­fühl, als sie aus dem Fens­ter sah. Sie fühl­te die Wär­me und Kraft, die ih­ren Kör­per durch­ström­te, als er ihre Hän­de er­griff, und öff­ne­te zag­haft die Au­gen.

»Dan­ke. Ich bin noch nicht oft ge­flo­gen, und der Start setzt mir im­mer wie­der zu.«

Er nick­te freund­lich.

»Al­les gut«, sag­te er und lehn­te sich wie­der zu­rück, »und um dei­ne Fra­ge zu be­ant­wor­ten: Ich habe heu­te Mor­gen die In­for­ma­ti­on er­hal­ten, dass ein Grab ge­fun­den wur­de und ge­öff­net wer­den soll. Das möch­te ich nach Mög­lich­keit ver­hin­dern oder we­nigs­tens die Ruhe der To­ten wah­ren.«

Sa­rah ver­gaß schlag­ar­tig, wo sie sich be­fand.

»Was für ein Grab? Und warum ist dir das so wich­tig?«

Gün­ter lös­te den Blick von ihr und wand­te sich dem Fens­ter zu.

»Das Grab ei­ner jun­gen Frau, die mein Le­ben eine Zeit lang be­glei­te­te. Sie muss­te viel er­lei­den, und kei­ner soll­te zu For­schungs­zwe­cken ihre Ruhe stö­ren.«

In Sa­rahs Kopf ras­ten die Ge­dan­ken: Eine jun­ge Frau und sie leb­ten zu­sam­men. Schon wie­der eine an­de­re. Und ob­wohl sie sich selbst sag­te, dass es kei­nen Grund da­für gab, er­wach­te so et­was wie Ei­fer­sucht in ihr.

Als ob er ihre Ge­dan­ken ge­hört hät­te, füg­te Gün­ter hin­zu:

»Sie war wie mei­ne Toch­ter. Ich habe sie groß­ge­zo­gen, be­hü­tet und war doch nicht in der Lage, sie im ent­schei­den­den Mo­ment zu be­schüt­zen. Das und die Fol­gen, die sich dar­aus er­ga­ben, habe ich mir lan­ge nicht ver­zie­hen.«

Die letz­ten Wor­te hat­te Sa­rah kaum noch ver­ste­hen kön­nen, so lei­se und trau­rig ka­men sie über die Lip­pen ih­res Ge­gen­übers. Scham über­kam sie we­gen der Ge­füh­le, die sie eben er­grif­fen hat­ten, und mit ge­senk­tem Blick war­te­te sie, ob er wei­ter­spre­chen wür­de. Mi­nu­ten spä­ter konn­te sie die Stil­le nicht mehr er­tra­gen und frag­te:

»Hast du sie ge­liebt?«

Ver­ständ­nis­los sah Gün­ter sie an.

»Ja, wie man eine Toch­ter liebt, auch wenn sie nicht die leib­li­che ist.«

Sa­rah ohr­feig­te sich in­ner­lich. Wie konn­te sie nur so eine Fra­ge stel­len? Das, was ihr Herz eben zu­sam­men­ge­zo­gen hat­te, war ihr noch nie pas­siert.

Gün­ter ging nicht wei­ter dar­auf ein und wand­te den Kopf wie­der zur Sei­te.

»Es gibt aber noch an­de­re Grün­de, aus de­nen ich die Öff­nung ver­hin­dern möch­te. Ein Bün­del in dem Grab könn­te für große Auf­re­gung und Ver­wir­rung sor­gen.«

Vie­les schwirr­te Sa­rah durch den Kopf, doch vor­erst ver­such­te sie ih­ren ra­sen­den Herz­schlag zu be­ru­hi­gen. Die Röte, die ihr Ge­sicht über­zo­gen hat­te, schwand lang­sam, als sie ihre Flug­hö­he er­reicht hat­ten. Der Pi­lot teil­te es mit, und sie lös­ten ihre Si­cher­heits­gur­te, doch noch be­vor Sa­rah sich auf­raf­fen konn­te, eine wei­te­re Fra­ge zu stel­len, stand Gün­ter auf und sag­te:

»Ich muss dich jetzt für den Groß­teil des Flug­es al­lein las­sen.« Auf ih­ren ver­ständ­nis­lo­sen Blick hin setz­te er hin­zu. »Wenn wir an­ge­kom­men sind, wirst du ver­ste­hen, warum.«

Ohne ein wei­te­res Wort ver­schwand er mit sei­ner Rei­se­ta­sche in dem hin­te­ren ab­ge­trenn­ten Be­reich.

Sa­rahs In­ners­tes war so auf­ge­wühlt, dass sie eine gan­ze Wei­le brauch­te, be­vor die Ein­sam­keit auf sie wirk­te. Auch wenn sie die Ab­la­ge mit den Zeit­schrif­ten und Zei­tun­gen be­merkt hat­te, nach sol­chen Ab­len­kun­gen stand ihr der Sinn nicht. Zu vie­les war ge­sche­hen, seit sie die­sen Mann ken­nen­ge­lernt hat­te. Sie sah auf die Wol­ken, über die sie jetzt flo­gen, doch ihr Blick war nach in­nen ge­rich­tet.

Der we­ni­ge Schlaf der letz­ten Nacht hat­te sei­ne Aus­wir­kun­gen ge­zeigt. Sa­rah war bei ih­ren Grü­belei­en ein­ge­schla­fen. Un­be­merkt war Gün­ter, kurz be­vor die Küs­ten­li­nie Ägyp­tens in Sicht kam, auf sei­nen Platz zu­rück­ge­kehrt. Er mus­ter­te sie nach­denk­lich und strich sich da­bei über sei­nen grau me­lier­ten Voll­bart.

Sa­rah spür­te sei­ne Bli­cke und öff­ne­te die Au­gen. Schlaf­trun­ken sah sie Gün­ter an und lä­chel­te, doch ir­gend­et­was schi­en an­ders zu sein. Mit ei­nem Ruck setz­te sie sich auf, und un­gläu­big ruh­ten ihre Au­gen auf dem Mann ihr ge­gen­über.

War das wirk­lich noch Gün­ter Kauf­mann? Dem Pass­bild des Ara­bers ent­sprach er, doch sie war mit ei­nem an­de­ren Mann ins Flug­zeug ge­stie­gen. Auf dem Sitz vor Sa­rah saß ein­deu­tig ein Be­dui­ne. In einen Kaftan gehüllt, ein Tuch auf dem Kopf, das von ei­nem Ring ge­hal­ten wur­de, schi­en er ge­ra­de­wegs von ei­nem Kos­tüm­fest zu kom­men. Der Bart ließ ihn äl­ter wir­ken, und nur die Au­gen, wa­ren noch die glei­chen.

Sa­rah schloss den Mund wie­der und schluck­te ver­nehm­lich.

»Ka­rim Al-Kis­met­bahr ist Ara­ber und muss auch so aus­se­hen«, sag­te die ge­wohn­te Stim­me.

Sa­rah brach­te im­mer noch kein Wort he­r­aus und nick­te nur.

»Ent­schul­di­ge bit­te, dass ich es dir nicht vor­her er­klärt habe, aber ich habe zu vie­le Fra­gen be­fürch­tet und woll­te ih­nen aus dem Weg ge­hen.«

Sa­rah fand ihre Stim­me wie­der.

»Warum so eine Mas­ke­ra­de? Ist das denn wirk­lich nö­tig?«

»Das ist kei­ne Mas­ke, so ist Ka­rims Aus­se­hen.«

Die Ant­wort är­ger­te Sa­rah, denn es war ja of­fen­sicht­lich, dass Gün­ter sein Äu­ße­res ver­än­dert hat­te. Et­was ge­reizt sag­te sie des­halb:

»Wenn du meinst. Für mich ist es aber so, denn wer sich einen Bart an­klebt, brau­nes Make-up auf­trägt und sich dann auch noch ver­klei­det, ver­steckt sich hin­ter ei­ner Mas­ke.«

Gün­ter lach­te kurz auf.

»Nur weil du mich an­ders kennst.«

Er wur­de wie­der ernst und setz­te sach­lich hin­zu:

»Was glaubst du, wie das bei ei­ner an­de­ren Iden­ti­tät funk­tio­niert? Denkst du, ich könn­te als Ara­ber ge­nau­so auf­tre­ten wie als Gün­ter Kauf­mann? Si­cher hast du mit ei­nem recht: Ich ver­ste­cke mich hin­ter ei­nem an­de­ren Äu­ße­ren. Aber al­les ist echt. Nichts ist auf­ge­tra­gen oder an­ge­klebt. Ich bin jetzt Ka­rim bin Azmi bin Ha­lim Al-Kis­met­bahr und sehe aus wie er.«

Der Ernst, mit dem er das sag­te, ver­un­si­cher­te Sa­rah, aber sie konn­te nicht an­ders, als nä­her he­r­an­zu­rück­en und ihn ge­nau zu mus­tern. Trotz größ­ter Mühe konn­te sie nichts er­ken­nen, was auf ihre Ver­mu­tung hin­deu­te­te, und mit großen Au­gen sah sie ihn an.

»Die pe­ri­odi­sche Er­neue­rung mei­nes Kör­pers fin­det im­mer noch statt«, be­gann Gün­ter mit sei­ner Er­klä­rung. »Über die vie­len Jah­re habe ich ge­lernt, in ge­wis­sen Gren­zen, in sie ein­zu­grei­fen. Ich kann es ver­zö­gern, vor­zie­hen, Nar­ben ver­schwin­den las­sen oder hin­zu­fü­gen, Fal­ten im Ge­sicht hin­zu­fü­gen, die mich äl­ter ma­chen, und ei­ni­ges mehr. Ich kann auch klei­ne Ver­än­de­run­gen zu an­de­ren Zei­ten her­bei­füh­ren, aber auf die­se Wei­se nur das be­ein­flus­sen, was sich im Lau­fe des Le­bens so­wie­so ver­än­dert. Der Farb­ton der Haut zählt dazu. Er ver­än­dert sich, wenn ich öf­ter der Son­ne aus­ge­setzt bin. Auch Bart- und Haar­wuchs kann ich be­schleu­ni­gen. Es kos­tet mich je­doch Kon­zen­tra­ti­on und ei­ni­ge Kraft, wes­halb ich mich zu Be­ginn des Flug­es zu­rück­ge­zo­gen habe.«

Mit je­dem Wort wur­de Sa­rahs Er­stau­nen grö­ßer, und es ver­gin­gen ei­ni­ge Mi­nu­ten, bis sie sich zu ei­ner Ant­wort auf­raf­fen konn­te.

»Du ma­ni­pu­lierst dein Er­schei­nungs­bild?«

»Lei­der ist es in die­sem Jahr­hun­dert un­um­gäng­lich ge­wor­den, zu sol­chen Mit­teln zu grei­fen, doch auch da­mit ge­ra­te ich lang­sam an mei­ne Gren­zen. Durch DNA-Er­ken­nung und die welt­wei­te Ver­net­zung ist es nur eine Fra­ge der Zeit, bis mir je­mand auf die Spur kommt.« Er stöhn­te lei­se auf. »Wo und wie kann ich mich dann noch ver­ber­gen. Ich wür­de zum Ver­suchs­ka­nin­chen oder zum Spiel­ball der Mäch­ti­gen. Flucht wäre kaum noch mög­lich. Ich bin in ei­ner Zeit an­ge­kom­men, in der ich mir den Tod sehn­li­cher wün­sche, als je zu­vor, doch der wird mir ver­wei­gert.«

Die Ent­rüs­tung, die Sa­rah emp­fun­den hat­te, ver­ebb­te. Sie ver­setz­te sich in sei­ne Si­tua­ti­on und ahn­te, wie er sich fühl­te, aber stär­ker denn je mel­de­ten sich die Stim­men in ihr. Sie ver­such­te sie zu ver­ste­hen, doch es ge­lang ihr nicht.

Gün­ter hat­te sich ab­ge­wandt und schi­en auf die Land­schaft un­ter ih­nen zu bli­cken, doch er sah nicht, dass Kai­ro in Sicht kam. Sei­ne Ge­dan­ken hat­ten einen Punkt er­reicht, der ihn je­des Mal wie­der in Nie­der­ge­schla­gen­heit ver­setz­te.

Sa­rah horch­te im­mer noch in sich hi­n­ein, als sie auf­ge­for­dert wur­den, die Gur­te an­zu­le­gen. Die Lan­dung ver­lief pro­blem­los, und als der Pi­lot sie ver­ab­schie­de­te, fiel Sa­rah auf, dass ihn Gün­ters Aus­se­hen nicht im Min­des­ten zu ver­wun­dern schi­en.

»Kennt er dich und dei­ne Ver­gan­gen­heit?«, frag­te sie beim Ver­las­sen des Flug­zeu­ges.

»Wie kommst du denn dar­auf?«

»Er schi­en nicht er­staunt über dei­ne Ver­än­de­rung.«

»Als wir die Ma­schi­ne be­tra­ten, sah er mich so, wie ich jetzt bin.«

Bei der Ver­mu­tung, die ihr kam, stöhn­te Sa­rah lei­se auf.

»Du ma­ni­pu­lierst auch die Ge­dan­ken an­de­rer. Du setzt die Nin­ja­küns­te ein, die du einst ab­ge­lehnt hast.«

Ein Schau­er lief ihr über den Rücken, und zum wie­der­hol­ten Mal an die­sem Tag sah sie ihn mit Zwei­fel im Her­zen an.

Gün­ter blieb ste­hen und such­te den Blick­kon­takt zu ihr.

»Zeig mir einen an­de­ren Weg, und ich neh­me ihn ger­ne an.«

Sa­rah schwieg und las in sei­nem Ge­sicht, wäh­rend er fort­fuhr:

»Ich ver­su­che es zu ver­mei­den, wo es nur geht, doch wenn Eile ge­bo­ten ist oder Ge­fahr für mich und an­de­re be­steht, grei­fe ich bis­wei­len dar­auf zu­rück. Das ge­schieht aber nur, wenn an­de­re da­durch nicht zu Scha­den kom­men.«

Wie er es einst selbst ge­tan hat­te, als er mit die­sem Kön­nen kon­fron­tiert wur­de, frag­te Sa­rah mit leich­tem Vor­wurf in der Stim­me:

»Wo ziehst du die Gren­ze? Ist nicht schon der kleins­te An­satz frag­wür­dig?«

Gün­ter schloss die Au­gen und schüt­tel­te be­dau­ernd den Kopf, doch Sa­rah war noch nicht fer­tig.

»Machst du das auch mit mir? Muss ich mir Ge­dan­ken ma­chen, dass du mich zu Din­gen bringst, die ich ei­gent­lich nicht will?«

Sie sah die Trau­rig­keit in sei­nen Au­gen, als er sie wie­der an­blick­te, aber sie woll­te in die­sem Mo­ment nicht auf ihre Ge­füh­le hö­ren und mach­te eine auf­for­dern­de Ges­te.

»Es steht dir frei, nach Hau­se zu flie­gen. Der Pi­lot wird nach ei­ner vor­ge­schrie­be­nen Pau­se wie­der star­ten, und ich kann al­les Not­wen­di­ge ver­an­las­sen.«

Der Trotz in sei­ner Stim­me pass­te nicht zu sei­nem sons­ti­gen Ver­hal­ten.

»Da­von war kei­ne Rede. Ich habe dich nur et­was ge­fragt und er­war­te eine Ant­wort.«

»Und ich kann dir nur sa­gen, was du in dei­nem Her­zen wis­sen müss­test: Ich habe es nicht ge­tan und wer­de es nie­mals tun!« Er hol­te tief Luft. »Warum soll­te ich auch«, setz­te er mit trau­ri­ger Stim­me hin­zu.

Sa­rah nahm den Weg in Rich­tung Ter­mi­nal wie­der auf, doch die Miss­s­tim­mung, die sich zwi­schen ih­nen auf­ge­baut hat­te, war greif­bar.

Traum oder wahres Leben

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