Читать книгу Traum oder wahres Leben - Joachim R. Steudel - Страница 5

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Nailah führ­te Sa­rah an ei­nem of­fen­ste­hen­den Büro vor­bei, zog einen Vor­hang zur Sei­te und be­trat den Ge­schäfts­be­reich. Mit of­fe­nem Mund blick­te Sa­rah in die Run­de.

»Du müss­test dein Ge­sicht se­hen, Sa­rah«, sag­te Nailah mit un­ter­drück­tem La­chen.

Sa­rah schloss den Mund, war aber un­fä­hig zu ant­wor­ten.

»Ich darf dich doch Sa­rah nen­nen, oder?«

»Na­tür­lich«, brach­te die­se müh­sam her­vor.

»Die­ser Be­reich hier scheint dich zu ver­wir­ren?«

»Na ja, nach den Aus­la­gen im Schau­fens­ter hat­te ich kei­ne Ab­tei­lung mit so auf­rei­zen­den Des­sous er­war­tet.«

Nailah wur­de wie­der ernst und sag­te mit trau­ri­ger Stim­me:

»Das ist das Er­geb­nis der Pro­pa­gan­da, die fa­na­ti­sche Mus­li­me in die Öf­fent­lich­keit tra­gen. Auch vie­le Mus­li­ma zei­gen ger­ne ihre Rei­ze, aber eben nur ih­ren Män­nern. Sie tra­gen sie nicht in al­ler Öf­fent­lich­keit zur Schau, ein The­ma, über das es viel zu sa­gen gäbe. Viel­leicht soll­ten wir erst dei­ne Klei­dung aus­su­chen, und dann kön­nen wir uns ent­spannt bei ei­nem Kaf­fee un­ter­hal­ten.«

Sa­rah nick­te und folg­te ihr in die un­te­re Eta­ge. Nailah mus­ter­te sie einen Au­gen­blick, ging zu ei­nem Klei­der­stän­der, nahm einen Da­men-Kaftan, hielt ihn vor Sa­rah, schüt­tel­te den Kopf und nahm den nächs­ten. Nach drei wei­te­ren schob sie Sa­rah mit ei­nem dun­kelblau­en Kaftan in die Um­klei­de­ka­bi­ne. Als Sa­rah he­r­austrat, lä­chel­te Nailah zu­frie­den. Sie mach­te den Blick auf den Spie­gel frei, und Sa­rah be­trach­te­te sich von al­len Sei­ten. Die wei­ten Är­mel er­in­ner­ten ein we­nig an die Hip­pie­zeit, doch die sil­ber­ne ori­en­ta­li­sche Sti­cke­rei ver­lieh dem Kaftan ein ed­les Aus­se­hen. Kur­ze Schlit­ze am Saum lie­ßen bei be­stimm­ten Be­we­gun­gen ein klein we­nig von der Wade se­hen und mil­der­ten den stren­gen Schnitt.

»Das ist et­was, was du tra­gen soll­test, wenn ihr to­le­ran­te Be­su­cher emp­fangt oder bei Män­nern wie Za­rif Al-Me­schwesch ein­ge­la­den seid.«

»Muss ich dazu ein Kopf­tuch tra­gen?«

»Nein, das passt nicht zu die­sem Kaftan, und für an­de­re An­läs­se su­chen wir noch Klei­dung aus.«

Skep­tisch blick­te Sa­rah in den Spie­gel.

»Aber Za­rif wirk­te wie ein Mann aus ei­ner an­de­ren Zeit. Streng und ver­schlos­sen. Wür­de er sich nicht am of­fe­nen Haar stö­ren?«

Nailah schüt­tel­te lä­chelnd den Kopf.

»Lass dich durch un­se­re re­gie­ren­de Muslim­bru­der­schaft nicht täu­schen. Das ägyp­ti­sche Volk ist im Großen und Gan­zen sehr auf­ge­schlos­sen. Si­cher sind die meis­ten dem Is­lam ver­bun­den, doch ge­ra­de was die Klei­dung be­trifft, gibt es kei­ne all­ge­mein­gül­ti­ge Re­ge­lung. Je­des is­la­mi­sche Volk hat sei­ne ei­ge­nen Vor­ga­ben, und Ägyp­ten mit sei­nen vie­len aus­län­di­schen Tou­ris­ten ist in die­ser Hin­sicht sehr of­fen. Was die Me­schwesch be­trifft, so sind es zwar gläu­bi­ge Mus­li­me, aber schon im­mer of­fen für An­ders­den­ken­de ge­we­sen. Za­rif wür­de dich auch in west­li­cher Klei­dung will­kom­men hei­ßen, aber so ge­klei­det, steigst du we­sent­lich in sei­ner Ach­tung.«

Un­ter ähn­li­chen Ge­sprä­chen such­ten sie noch eine zwei­tei­li­ge Aba­ya, eine Tu­ni­ka mit ei­ner wei­ten fal­ten­rei­chen Hose und eine Ja­ba­dor-Tu­ni­ka mit Hose aus. Den Ab­schluss auf die­ser Eta­ge bil­de­ten die Aus­la­gen mit den Kopf­tü­chern. Sa­rah ent­schied sich für zwei Hi­jap-Sets, ein mehr­far­bi­ges Sei­den­kopf­tuch mit Fran­sen und ein schlich­tes wei­ßes Kopf­tuch.

Nailah be­gut­ach­te­te ihre Wahl und nick­te zu­frie­den.

»Da­mit hast du für je­den An­lass das Pas­sen­de. Die Ban­da­na las­sen wir weg. Ka­rim sag­te, die Klei­dung muss nicht zu züch­tig aus­fal­len, also kannst du dei­nen Haar­an­satz ru­hig zei­gen. Je­der kann se­hen, dass du kei­ne Ägyp­te­rin bist, und man wird die Klei­dung als Ges­te des gu­ten Wil­lens deu­ten.«

Auf einen Wink von Nailah kam eine An­ge­stell­te, die ge­ra­de die Aus­la­gen ord­ne­te, und nahm die bis­her aus­ge­such­te Klei­dung ent­ge­gen.

»Nimm die Preis­schil­der ab und bring die ein­ge­pack­te Ware nach oben. Oder möch­test du noch et­was von hier?«, frag­te sie Sa­rah.

»Nein, ich den­ke das reicht. Es ge­fällt mir oh­ne­hin nicht, auf Kos­ten Ka­rims ein­ge­klei­det zu wer­den.«

La­chend leg­te Nailah den Arm um Sa­rah und schob sie zu Trep­pe.

»Mach dir da mal kei­ne Sor­gen. Er will es so, und sol­che Klei­nig­kei­ten tun ihm nicht weh.«

»Den­noch ist es nicht nach mei­nem Ge­schmack. Wir ken­nen uns ja noch nicht lan­ge. Bei je­dem an­de­ren hät­te ich mich ge­wei­gert, das An­ge­bot an­zu­neh­men, doch bei ihm ... ist al­les ir­gend­wie an­ders.«

Sie wa­ren in der ers­ten Eta­ge an­ge­kom­men, und Nailah blieb ste­hen, um Sa­rah in­ten­siv zu mus­tern.

»Hm, das kann ich kaum glau­ben. Ich spü­re ein Band zwi­schen euch, das stär­ker ist als al­les, was ich bis­her an ihm wahr­ge­nom­men habe. In dei­nen Au­gen kann ich eine Sehn­sucht se­hen, die ich selbst ein­mal ver­spürt habe. Auch wenn noch Zwei­fel in dei­nem Her­zen woh­nen, ver­bin­det euch et­was, was stär­ker ist als eine lan­ge Freund­schaft.«

»Hast du auch sol­che Fä­hig­kei­ten wie er?«

»Was für Fä­hig­kei­ten?«, frag­te Nailah mit hoch­ge­zo­ge­nen Brau­en.

»Ach nichts ... ich dach­te nur ...«, stot­ter­te Sa­rah, dem Blick der Freun­din aus­wei­chend.

»Wenn du eine gute Be­ob­ach­tungs­ga­be meinst, dann ste­he ich ihm si­cher nicht nach. Ich habe dei­nen Blick ge­se­hen, als ich ihn zur Be­grü­ßung um­arm­te. Höre die Un­si­cher­heit in dei­ner Stim­me, wenn wir auf ihn zu spre­chen kom­men, und spü­re, wie du dich nach ihm sehnst.«

Sa­rah schluck­te ver­nehm­lich, und ihre Wan­gen rö­te­ten sich.

»Ist es wirk­lich so of­fen­sicht­lich?«

Mit ei­nem lei­sen Auf­la­chen drück­te Nailah sie herz­lich an sich.

»Mach dir kei­ne Ge­dan­ken. An­de­re se­hen es viel­leicht nicht gleich, aber ich bin ein biss­chen sen­si­bel in die­ser Rich­tung, da mich die glei­chen Ge­füh­le auch ein­mal be­herrscht ha­ben. Heu­te weiß ich, dass ich nicht den Fun­ken ei­ner Chan­ce hat­te, doch bei dir scheint das an­ders zu sein.«

»Meinst du?«, frag­te Sa­rah mit ei­nem hoff­nungs­vol­len Auf­fla­ckern in den Au­gen.

»Ja, da bin ich mir si­cher. Willst du es tes­ten? Du fin­dest in die­ser Eta­ge al­les, um einen Mann zu be­tö­ren. Such dir ein paar schö­ne Des­sous aus. Schmuck und Make-up sind auch in je­der Rich­tung zu fin­den, und ein paar Tipps be­kommst du gra­tis.«

Jetzt war es Sa­rah, die lach­te.

»Ich den­ke, Tipps brau­che ich nicht von dir, ich habe da si­cher mehr Er­fah­rung. Doch, ob das bei ihm hilf­reich ist, be­zweifle ich.«

Prü­fend blick­te sie in die Run­de.

»Make-up mag er nicht, Schmuck ist et­was Äu­ßer­li­ches, wor­auf er kei­nen Wert legt, aber schön Ver­pack­tes könn­te ihn viel­leicht rei­zen«, sag­te sie mit Blick auf die Des­sous.

»Du kennst ihn an­schei­nend viel bes­ser als ich«, sag­te Nailah und streb­te den Un­ter­wä­sche­aus­la­gen zu.

»War­te, das geht nicht. Un­ser Auf­bruch war so plötz­lich, dass ich kei­ne Mög­lich­keit hat­te, Geld um­zut­au­schen. Ich kann’s also nicht be­zah­len.«

»Dann nehm ich’s mit auf sei­ne Kre­dit­kar­te.«

»Auf kei­nen Fall! Aber viel­leicht kann ich mit mei­ner EC-Kar­te zah­len?«

»Lei­der nicht, un­ser Le­se­ge­rät ak­zep­tiert sol­che Kar­ten nicht. Aber wir kön­nen zur Bank auf der an­de­ren Stra­ßen­sei­te ge­hen, und du hebst am Au­to­ma­ten et­was ab.«

Freu­dig stimm­te Sa­rah zu, und bald dar­auf stand sie wie­der vor den Des­sous und stö­ber­te mit ru­hi­ge­rem Ge­wis­sen in den Aus­la­gen. Wenn Nailah et­was vor­schlug, schüt­tel­te sie meist den Kopf und wähl­te et­was an­de­res.

Nach ei­ni­ger Zeit war sie zu­frie­den mit ih­rer Aus­wahl, hat­te be­zahlt und drück­te mit klop­fen­den Her­zen das klei­ne Packet an sich. Un­si­cher­heit kam in ihr auf. War es rich­tig, was sie vor­hat­te? Sie war sich ja selbst noch nicht si­cher, was sie fühl­te. War sie wirk­lich ver­liebt in ihn, oder wa­ren das Ge­füh­le an­de­rer aus den Ge­schich­ten, die er ihr er­zählt hat­te?

Nailah merk­te nichts von ih­rer Un­si­cher­heit und führ­te sie, fröh­lich auf sie ein­re­dend, in das zum Ge­schäft ge­hö­ren­de Café. Sa­rah er­fass­te kaum, was Nailah sag­te, und erst als Ka­rims Name fiel, riss sie sich aus ih­ren Grü­belei­en.

»Wie lan­ge kennst du Ka­rim schon«, hat­te Nailah ge­fragt und nur sto­ckend kam ihre Ant­wort.

»Noch nicht ein­mal zwei Wo­chen. Und nur vier Tage, wenn ich die Zeit rech­ne, die wir bis­her ge­mein­sam ver­bracht ha­ben. Den­noch ist mir, als ken­ne ich ihn schon ewig. Die­se vier Tage wa­ren so in­ten­siv, so an­ge­füllt mit In­for­ma­tio­nen, dass ich mich füh­le, als hät­te ich mein hal­bes Le­ben mit ihm ver­bracht.«

Un­gläu­big schüt­tel­te Nailah den Kopf.

»Soll­te ich mich so täu­schen? Ich habe eine der­art star­ke Ver­traut­heit zwi­schen euch ge­spürt, dass ich dach­te, ihr seid schon lang ein Paar.«

»Na ja, so falsch liegst du nicht, denn die Ver­traut­heit ist auf je­den Fall da. Er hat mir Din­ge aus sei­nem Le­ben er­zähl­te, die noch nie­mand so von ihm er­fah­ren hat ..., sagt er zu­min­dest. Aber auf je­den Fall hat er mir Kraft ge­ge­ben und mich ins Le­ben zu­rück­ge­holt.«

»Wie meinst du das: ins Le­ben zu­rück­ge­holt?«

»So, wie ich es sage. Ich woll­te ster­ben, mei­nem Le­ben ein Ende set­zen, und er hat mir ge­zeigt, dass dies der falsche Weg ge­we­sen wäre.«

Nailah setz­te ihre Kaf­fee­tas­se lang­sam ab und mus­ter­te Sa­rah zum wie­der­hol­ten Male skep­tisch.

»Aber warum denn das? Du bist jung, scheinst ge­sund und klug zu sein. Aus­neh­mend hübsch bist du au­ßer­dem. Aus wel­chem Grund woll­test du das al­les weg­wer­fen?«

Sa­rah über­leg­te, wie viel sie ihr er­zäh­len soll­te, schüt­tel­te den Kopf und kam zu dem Schluss, dass es gut wäre, sich auch ein­mal mit je­mand an­ders dar­über aus­zut­au­schen.

»Weil ich an ei­nem Punkt an­ge­kom­men war, der mich die Ober­fläch­lich­keit mei­nes Le­bens er­ken­nen ließ. Ich habe für den Kick, den Lust­ge­winn, mich und mei­nen Kör­per ver­kauft. Mei­ne Leh­re ab­ge­bro­chen, alle Zu­kunfts­chan­cen igno­riert. Mit mei­nen El­tern ge­bro­chen, weil sie sich mei­ner schäm­ten. Nur für den Au­gen­blick ge­lebt. Be­frie­di­gung in ei­ner Welt ge­sucht, die nicht real ist. Tau­sen­de kön­nen das jetzt se­hen, und ich schä­me mich da­für, doch da­mals hat mich mein Kör­per und nicht der Kopf be­herrscht.«

Mit of­fe­nem Mund starr­te Nailah sie an, und sto­ckend frag­te sie:

»Du hast bei Por­nos mit­ge­wirkt?«

»Ja«, ant­wor­te­te Sa­rah tro­cken. »Jetzt siehst du mich mit an­de­ren Au­gen, und ich kann es dir auch nicht ver­übeln.«

»Nein, war­te.« Be­schwich­ti­gend hob Nailah die Hän­de. »So war das nicht ge­meint. Ich kann’s nur kaum glau­ben, denn du wirkst über­haupt nicht so, wie ich mir solch einen Men­schen vor­stel­le.«

»Was ent­sprä­che denn dei­ner Vor­stel­lung? Müss­te ich halb nackt he­r­um­lau­fen, schmie­ri­ge Wor­te auf den Lip­pen ha­ben und je­den Mann an­ma­chen?«

Jetzt rö­te­ten sich Nailahs Wan­gen, und be­schämt senk­te sie den Blick.

»Ich ... ich weiß nicht. Dar­über habe ich mir noch nie Ge­dan­ken ge­macht. Ent­schul­di­ge, ich bin mit der Si­tua­ti­on et­was über­for­dert.«

Sa­rah lach­te kurz auf.

»Wie vie­le an­de­re, die in be­stimm­ten Mo­ral­vor­stel­lun­gen ge­fan­gen sind. Bis ich Ka­rim ken­nen­lern­te, kann­te ich nur zwei Ty­pen Mensch. Die, die sich für mich schäm­ten oder an­ge­wi­dert den Blick ab­wen­de­ten, und die, die eine ähn­li­che Sehn­sucht ver­spür­ten, mich mit ih­ren Bli­cken aus­zo­gen und in mich ein­dran­gen. Da­mals hat mich das nicht ge­stört. Es hat den Kick nur noch er­höht, doch ir­gend­wann be­gann ich zu zwei­feln. Von da an sehn­te ich mich nach ei­nem nor­ma­len Le­ben mit Fa­mi­lie und al­lem, was da­zu­ge­hört. Ich konn­te mir je­doch nicht vor­stel­len, dass ein Mann bei mei­ner Ver­gan­gen­heit so et­was in Er­wä­gung zieht. Des­halb der Wunsch nach ei­ner Flucht aus dem Le­ben.«

»Und Ka­rim weiß das al­les?«

»Er hat es nie so di­rekt aus­ge­spro­chen wie du.« Wie­der stieg das Blut in Nailahs Wan­gen. »Aber sei­ne Wor­te sag­ten mir, dass er mein In­ners­tes er­kannt hat­te und al­les wuss­te. Zu­erst dach­te ich, dass auch er sich die­se Fil­me rein­zog, doch bald er­kann­te ich sei­ne an­de­re Sei­te, die viel­leicht nicht ein­mal du kennst. Ka­rim ist an­ders, er hat Ver­ständ­nis für al­les und eine be­son­de­re Art, da­mit um­zu­ge­hen.«

»Kei­ne Ah­nung, was für eine Sei­te du meinst, aber of­fen­bar hast du ihn in den we­ni­gen Ta­gen bes­ser ken­nen­ge­lernt als ich in meh­re­ren Jah­ren.«

Nai­la lach­te kurz auf.

»Und da woll­te ich dir Tipps ge­ben, wie man einen Mann be­tört. Die könn­te ich mir ver­mut­lich bei dir ho­len.« Sie such­te Sa­rahs Blick­kon­takt. »Wo­her weißt du, dass er kein Make-up mag, und warum hast du die String­tan­ga ab­ge­lehnt?«

»Weil er mir al­les, bis ins kleins­te De­tail, über sei­ne größ­te Lie­be er­zählt hat. Über ein Le­ben mit ei­ner Frau, die Au­ßer­ge­wöhn­li­ches in sich ver­ein­te. Sie war klug, selbst­be­wusst, sen­si­bel und hat­te eine Art, mit dem Le­ben um­zu­ge­hen, die vie­len un­mög­lich er­scheint. Auch sie moch­te kein Make-up und ver­stand es, Ka­rim mit Halb­ge­zeig­tem mehr in Fahrt zu brin­gen als mit Of­fen­sicht­li­chem.«

Nailahs Au­gen wa­ren bei je­dem Wort grö­ßer ge­wor­den.

»Das hat er dir al­les er­zählt? Sol­che in­ti­men Sa­chen?«

»Ja und auf eine Art, die du dir nicht vor­stel­len kannst. Doch das ist jetzt ne­ben­säch­lich. Ich bin mir nicht mehr so si­cher, ob ich die In­itia­ti­ve er­grei­fen soll. Viel­leicht ist es bes­ser, wenn ich erst ein­mal ab­war­te, wie sich al­les wei­ter­ent­wi­ckelt.«

»Hm, warum? Du hast von der Frau im­mer in der Ver­gan­gen­heits­form ge­spro­chen. Also gehe ich da­von aus, dass die­se Be­zie­hung nicht mehr be­steht. Ich habe ihn bis heu­te auch nie mit ei­ner Frau ge­se­hen, die sei­ne Part­ne­rin sein könn­te, und nahm im­mer an, dass er ein Ein­zel­gän­ger ist.«

»Ein Ein­zel­gän­ger ist er be­stimmt nicht, das kann ich mit Si­cher­heit sa­gen. Die Frau, von der ich sprach, ist auch schon vor ei­ni­ger Zeit, durch tra­gi­sche Um­stän­de ums Le­ben ge­kom­men, aber in Ge­dan­ken hängt er im­mer noch an ihr. Was mich am meis­ten ver­un­si­chert, ist die kur­ze Zeit, die wir uns erst ken­nen. Kann ich da wirk­lich über­zeugt sein, dass ich ihn lie­be?«

»Ge­wiss, auch ich habe mich so ver­hal­ten, als ich die­se Ge­füh­le für ihn heg­te. Ob es al­ler­dings eine Lie­be ist, die Be­stand hat – die auch im All­tag be­ste­hen kann –, das kann nur die Zeit zei­gen.«

»Hat er dich ab­ge­wie­sen, oder hast du dich ihm nie er­klärt?«

Nailah hol­te tief Luft.

»O doch, das habe ich, aber viel­leicht habe ich da­bei auch jede Men­ge Feh­ler ge­macht.«

Sa­rah war­te­te, dass sie wei­ter­sprach, doch Nailah blick­te nach­denk­lich auf ihre Kaf­fee­tas­se.

»Ent­schul­di­ge, ich woll­te nicht an Din­gen rüh­ren, die mich nichts an­ge­hen.«

Aus ih­ren Ge­dan­ken ge­ris­sen, sah Nailah hoch und schüt­tel­te leicht den Kopf.

»Nein, das sind kei­ne Ge­heim­nis­se. Ich dach­te nur ge­ra­de an die­se Zeit, die in vie­ler Hin­sicht an­ders und zum Teil schö­ner war.«

Sie wink­te der Be­die­nung und be­stell­te zwei Kaf­fee mit et­was Ge­bäck.

»Doch der Rei­he nach, wir ha­ben ja noch Zeit. Ich habe Ka­rim Al-Kis­met­bahr bei mei­ner frü­he­ren Ar­beit ken­nen­ge­lernt. Stolz auf mei­nen frisch er­wor­be­nen Dok­tor­ti­tel in Ägyp­to­lo­gie trat ich eine Stel­le im Mi­nis­te­ri­um für Al­ter­tü­mer an. Wäh­rend ei­nem mei­ner ers­ten Feld­e­in­sät­ze soll­te ich mich auf An­wei­sung mei­ner Vor­ge­setz­ten mit ei­nem Ken­ner der alt­ägyp­ti­schen Ge­schich­te be­ra­ten. Sei­ne Hin­wei­se soll­te ich un­be­dingt be­ach­ten.«

Nailah lach­te kurz auf.

»Es kam mir wie eine Ohr­fei­ge vor. Ich hat­te mir den Ti­tel er­ar­bei­tet. Nach mei­ner An­sicht war mir al­les be­kannt, was es über die Pha­rao­nen­zeit zu wis­sen gab, und da soll­te ich einen un­be­kann­ten Möch­te­gern-Ar­chäo­lo­gen als Be­ra­ter ak­zep­tie­ren? Wü­tend er­war­te­te ich den Mann an der Gra­b­an­la­ge. Ich hat­te mir einen schö­nen Plan zu­recht­ge­legt, um ihn gleich auf­lau­fen zu las­sen, doch der ging gründ­lich da­ne­ben.«

Bei den Bil­dern, die in ih­rer Vor­stel­lung auf­stie­gen, muss­te sie kurz auf­la­chen.

»Das Ers­te, was mich ver­un­si­cher­te und nach­hal­tig be­ein­fluss­te, war sei­ne Aus­strah­lung. Bei der Be­grü­ßung konn­te ich nur müh­sam den Blick von ihm wen­den, und ähn­lich er­ging es al­len an­de­ren in un­se­rem Team. Aber das kennst du ja si­cher?«, sag­te sie mit ei­nem Sei­ten­blick auf Sa­rah.

»Un­se­re ers­te Be­geg­nung ver­lief et­was an­ders, denn ich war in die­sem Au­gen­blick am Tief­punkt mei­nes Le­bens an­ge­langt, doch ich kann es mir leb­haft vor­stel­len.«

»Wie dem auch sei, bei mir war es so, dass ich, nach­dem ich mich wie­der ge­fan­gen hat­te, mei­nen schön durch­dach­ten Plan in An­griff nahm. Ich woll­te al­len zei­gen, dass mein Wis­sen weit über dem sei­nen lag und wir eine Un­ter­stüt­zung nicht nö­tig hat­ten. In ei­nem Pries­ter­grab, nach da­ma­li­ger Da­tie­rung um 1250 v. Chr. an­ge­legt, wa­ren bei Re­stau­rie­rungs­ar­bei­ten über­mal­te Hie­ro­gly­phen zum Vor­schein ge­kom­men, de­ren Hin­ter­grün­de ich he­r­aus­zu­fin­den soll­te. Ich führ­te Ka­rim in das Grab und zeig­te ihm die be­sag­te Stel­le. Ein­ge­hend be­trach­te­te er die Wand, be­leuch­te sie mit ei­nem Schein­wer­fer aus ver­schie­de­nen Win­keln und er­schi­en ein we­nig rat­los. Sie­ges­si­cher äu­ßer­te ich be­wusst eine Un­wahr­heit über den Text an der Wand, um sei­ne man­geln­de Fach­kennt­nis bloß­zu­stel­len.«

Nailah stieß ge­räusch­voll Luft durch die Nase aus und ver­zog den Mund zu ei­nem schie­fen Lä­cheln.

»Als hät­te er nichts an­de­res er­war­tet, sag­te er mit ei­nem be­zeich­nen­den Un­ter­ton:

›Sie wis­sen es doch bes­ser. Die­ses Grab des Vor­le­se­pries­ters Qen­a­mun wur­de un­ter an­de­ren vom Bild­hau­er Hui und Vor­zeich­ner Amun­was­hu ge­stal­tet, den­sel­ben Hand­wer­kern, die auch im Grab des Pa­ser er­wähnt wer­den. In­so­fern stimmt die Da­tie­rung des Gra­bes in etwa, aber ich gehe da­von aus, dass es zehn bis fünf­zehn Jah­re jün­ger ist als das Grab des Pa­ser. Die Re­li­efs im Ein­gangs­be­reich und die Ma­le­rei­en hier sind fei­ner ge­ar­bei­tet und wei­sen auf eine bes­se­re Fer­tig­keit der Hand­wer­ker hin.‹

Ich war für einen Mo­ment un­fä­hig, ver­ständ­li­che Sät­ze zu bil­den, und frag­te stot­ternd, wie er auf die­se Hand­wer­ker kom­me.

›Soll­ten sie die Na­mens­kar­tu­sche hier nicht ken­nen?‹, frag­te er mit ei­nem süf­fi­san­ten Lä­cheln und deu­te­te auf die von Amun­was­hu. ›Und hier, wo die al­ten Zeich­nun­gen zum Vor­schein ka­men, ist der obe­re Teil der Na­mens­kar­tu­sche des Hand­wer­kers Hui. Es ist äu­ßerst un­ge­wöhn­lich, dass so be­deu­ten­de Hand­wer­ker das Grab ei­nes Vor­le­se­pries­ters ge­stal­te­ten. Ent­we­der hat­te er sehr viel Ein­fluss, oder er ver­füg­te über ein ho­hes Ver­mö­gen. Die Gra­b­an­la­ge ist zu­dem sehr groß für einen Mann in die­ser Po­si­ti­on, doch ich den­ke, das hat an­de­re Grün­de.‹

Er griff er­neut zu dem Schein­wer­fer und be­leuch­te­te die Wand aus ei­nem seit­li­chen Win­kel.

›Se­hen sie hier – wo der neue­re Ver­putz sehr dünn ist – schei­nen ganz schwach Hie­ro­gly­phen durch. Die vor­de­ren könn­ten ein Teil der Zei­chen für ers­ter Got­tes­die­ner – hem-net­jer-tepi – sein, und dann folgt die Dar­stel­lung des Got­tes Aton. Ich ver­mu­te, dass die­ses Grab ur­sprüng­lich für einen Ho­he­pries­ter des Got­tes Aton be­stimmt war. Als das An­den­ken des Ket­zer­kö­nigs Ech­na­ton ge­tilgt wur­de, er­lit­ten vie­le sei­ner hoch­ge­stell­ten An­hän­ger das­sel­be Schick­sal, und viel­leicht war die Um­ge­stal­tung hier ein Teil die­ses Pro­zes­ses. Doch es lie­gen cir­ca hun­dert Jah­re zwi­schen der Re­gent­schaft Ech­na­tons und der zwei­ten Wid­mung des Gra­bes. Mei­ne Ge­dan­ken sind also sehr spe­ku­la­tiv.‹

Er hat­te mich in mei­ne ei­ge­ne Fal­le lau­fen las­sen, und ich stand da wie eine un­wis­sen­de Schü­le­rin.«

Nailah schüt­tel­te den Kopf, und Sa­rah nutz­te die ent­stan­de­ne Pau­se für eine Fra­ge.

»Warst du da­mals nicht sehr wü­tend auf ihn?«

»Und wie! Ich wünsch­te ihm die Pest an den Hals, an­de­rer­seits be­ein­druck­te mich sein Fach­wis­sen enorm. Er hat­te mich be­wusst vor­ge­führt, wie ich es mit ihm tun woll­te, das ge­stand er mir spä­ter auch ein. Nach die­sem ers­ten Zu­sam­men­stoß ent­wi­ckel­te sich eine wun­der­vol­le Zu­sam­men­ar­beit. Ihm stan­den Mit­tel zur Ver­fü­gung, von de­nen un­ser Mi­nis­te­ri­um nur träum­te. In­ner­halb von zwei Ta­gen or­ga­ni­sier­te er einen mo­der­nen Tera­hertz-Scan­ner, mit dem wir zer­stö­rungs­frei die un­te­ren Schich­ten sicht­bar ma­chen konn­ten. Tei­le der al­ten Ma­le­rei­en und Hie­ro­gly­phen wa­ren un­wie­der­bring­lich ver­lo­ren, ver­mut­lich so­gar he­r­aus­ge­mei­ßelt. Das galt für alle Dar­stel­lun­gen des Ho­he­pries­ters und auch für sei­nen Na­men. Doch der größ­te Teil der Schrift­zei­chen war er­kenn­bar, und Ka­rim las die Hie­ro­gly­phen wie ich eine Zei­tung. Sei­ne Ver­mu­tung be­wahr­hei­te­te sich: Es war ur­sprüng­lich das Grab für einen Ho­he­pries­ter des Aton ge­we­sen. Ob die­ser je­mals dar­in bei­ge­setzt oder ob die An­la­ge schon vor sei­nem Tod um­ge­stal­tet wor­den war, konn­ten wir nicht he­r­aus­fin­den. Auch der Grund, warum spä­ter der Le­se­pries­ter Qen­a­mun hier sei­ne letz­te Ruhe fand, blieb im Dunklen. Die Zu­sam­men­ar­beit mit Ka­rim Al-Kis­met­bahr be­flü­gel­te mich. Er lehr­te mich Din­ge über die alt­ägyp­ti­sche Ar­chäo­lo­gie, die kei­ner mei­ner Pro­fes­so­ren je er­wähnt hat­te. In sei­ner Nähe fühl­te ich mich ener­gie­ge­la­den wie noch nie. Des­halb dau­er­te es auch nicht lan­ge, bis ich ihn an­him­mel­te und mich nach mehr sehn­te. Aber zwei­deu­ti­ge An­spie­lun­gen igno­rier­te er, und als ich mich schließ­lich of­fen­bar­te, wies er mich ab.«

»Er gab dir einen Korb? Mit wel­cher Be­grün­dung?«, frag­te Sa­rah.

»Oh, die war plau­si­bel, und heu­te bin ich ihm dank­bar da­für, denn er hat mir ein glück­li­ches Le­ben er­mög­licht. Nicht ohne bit­te­ren Bei­ge­schmack, aber das liegt nicht an ihm.«

»Weil er dich ab­ge­wie­sen hat?«

»Nein, heu­te weiß ich, dass es rich­tig war, denn mei­ne Sehn­sucht be­ruh­te auf der Ver­eh­rung für sein Wis­sen, Kön­nen und sei­ner Aus­strah­lung, was er mir deut­lich vor Au­gen führ­te. Ich bin mir jetzt auch si­cher, dass es bald Kon­flik­te zwi­schen uns ge­ge­ben hät­te, denn sei­ne Art zu le­ben steht im kras­sen Ge­gen­satz zu mei­ner. Die­ses Un­s­te­te, we­nig Sess­haf­te passt nicht zu mir. Im ers­ten Mo­ment war ich wie ver­nich­tet, doch an­de­re Er­eig­nis­se tra­ten in den Vor­der­grund. Mur­si kam an die Macht und be­setz­te im­mer mehr Pos­ten mit is­la­mis­tisch ge­präg­ten Män­nern. Dum­mer­wei­se war un­ser Mi­nis­te­ri­um schon vor­her von Mu­stafa Amin über­nom­men wor­den. Er ist streng gläu­bi­ger Mus­lim und be­vor­zugt Män­ner als Mit­ar­bei­ter. Bald wur­den mir von al­len Sei­ten Stei­ne in den Weg ge­legt, und ich be­kam nur noch die Auf­ga­ben ei­ner bes­se­ren Se­kre­tä­rin. Eine Ent­las­sung droh­te mir nicht, aber die Ar­beit füll­te mich nicht mehr aus. In die­ser Pha­se öff­ne­te mir Ka­rim auch in an­de­rer Hin­sicht die Au­gen. Ich ar­bei­te­te schon ei­ni­ge Zeit mit Ha­ma­di zu­sam­men, hat­te aber durch mei­ne Fi­xie­rung auf Ka­rim nicht be­merkt, wie sehr er sich nach mir ver­zehr­te. Bei Ha­ma­di er­kann­te ich die wah­re Lie­be und bin über­aus glück­lich mit ihm.«

»Aber wie kommst du bei so ei­nem be­ruf­li­chen Wer­de­gang zu die­sem Ge­schäft?«, frag­te Sa­rah mit ei­nem Stirn­run­zeln.

»Durch Ka­rim Al-Kis­met­bahr. Er be­merk­te so­fort, dass mich der Be­ruf nicht mehr aus­füll­te, und bau­te mit mir zu­sam­men die­se neue Exis­tenz­grund­la­ge auf. Ohne sei­ne Mit­tel wäre das nie­mals mög­lich ge­we­sen. Das Schö­ne dar­an ist, dass ich an­de­ren Frau­en, die in ähn­li­chen Si­tua­tio­nen sind, hel­fen kann. In un­se­rer in­ti­men At­mo­sphä­re kann ich Be­zie­hun­gen auf­bau­en, in sol­chen Kaf­fee­ge­sprä­chen Hin­ter­grund­wis­sen er­wer­ben und über ein ge­hei­mes Netz­werk von Ka­rim Un­ter­stüt­zung an­bie­ten. Vie­len Frau­en, die un­ter den neu­en Ver­hält­nis­sen lei­den, konn­ten wir in der kur­zen Zeit, in der mein Ge­schäft be­steht, schon hel­fen. Aber das Bes­te ist, dass ich durch mei­nen Mann wei­ter­hin an der For­schung zur alt­ägyp­ti­schen Ge­schich­te be­tei­ligt bin, denn abends wird un­se­re Woh­nung zu ei­nem Büro für Ägyp­to­lo­gie.«

Bei­de Frau­en nipp­ten nach­denk­lich an ih­rem Kaf­fee. Nailah dach­te an ihre Zeit im Mi­nis­te­ri­um zu­rück, und Sa­rah frag­te sich, ob ihre Lie­be zu Ka­rim wirk­lich echt war und eine Zu­kunft hat­te.

Zur glei­chen Zeit saß Safi Al-Me­schwesch mit sei­nem Va­ter Za­rif un­weit der Py­ra­mi­den von Gi­zeh un­ter ei­nem Vor­zelt und trank ara­bi­schen Kaf­fee. Safi hat­te sich im Zelt sei­nes Va­ters um­ge­zo­gen und pass­te nun per­fekt in das be­dui­ni­sche Um­feld. Der ab­ge­grenz­te Be­reich mit den zehn Zel­ten und dop­pelt so vie­len Ka­me­len wirk­te wie aus ei­ner an­de­ren Zeit. Aber das war ge­wollt, denn die Be­woh­ner ver­dien­ten ih­ren Le­bens­un­ter­halt da­mit, den Tou­ris­ten ge­nau das vor­zu­gau­keln. Rei­se­ver­an­stal­ter buch­ten Wüs­ten­tou­ren bei ih­nen, und Ein­zel­per­so­nen konn­ten kur­ze Ka­mel­trips in die Um­ge­bung un­ter­neh­men. Vor ei­nem der Zel­te war ein Stand mit Sou­ve­nirs, und ge­gen Bak­schisch lie­ßen sich die Be­woh­ner fo­to­gra­fie­ren. Aben­de am La­ger­feu­er ge­hör­ten ge­nau­so zum An­ge­bot wie eine Ein­la­dung zum ara­bi­schen Kaf­fee.

So­eben hat­te sich eine jun­ge Eu­ro­päe­rin mit den bei­den Män­nern fo­to­gra­fie­ren las­sen, und Za­rif nahm mit ei­nem freund­li­chen Lä­cheln das Trink­geld in Emp­fang. Safi muss­te sei­ne gan­ze in­ne­re Kraft auf­wen­den, um kei­nen Ab­scheu zu zei­gen. So­bald die Tou­ris­ten au­ßer Hör­wei­te wa­ren, zisch­te er sei­nem Va­ter zu:

»Es ist er­nied­ri­gend! Ich kom­me mir vor wie ein Affe im Zoo. Wie kannst du nur so le­ben? Es geht si­cher auch ohne die­se de­mü­ti­gen­den Auf­trit­te, die ei­ner der Grün­de sind, warum ich nicht mehr hier le­ben möch­te.«

Da­bei stand sei­ne Mi­mik im kras­sen Ge­gen­satz zu sei­nen Wor­ten, und je­der Au­ßen­ste­hen­de hät­te einen ganz an­de­ren Ge­sprächs­in­halt ver­mu­tet.

»Es ist wei­ter nichts als ein Ge­schäft. Wenn du im Na­men Ka­rims Ver­hand­lun­gen führst, trägst du auch nicht dei­ne wah­ren Ge­dan­ken nach au­ßen. Es wäre ja auch un­pas­send, wenn du zeig­test, wie ein­träg­lich das Ge­spräch ge­ra­de war. Ge­nau­so ist es hier, ich kann die­se Men­schen freund­lich be­han­deln, ih­nen das Ge­fühl ge­ben, will­kom­men zu sein, und mei­nen Vor­teil dar­aus zie­hen. Der eine ist mir sym­pa­thi­scher als der an­de­re, doch nur in ganz sel­te­nen Fäl­len zei­ge ich das. Au­ßer­dem ver­die­ne ich gu­tes Geld da­mit, und es er­in­nert mich im­mer an die Ver­gan­gen­heit un­se­res Vol­kes.«

»Warum bist du nur so sehr dem Ver­gan­ge­nen ver­haf­tet? Wir le­ben doch jetzt in ei­ner völ­lig an­de­ren Zeit mit un­end­lich vie­len Mög­lich­kei­ten, die es frü­her nicht gab. Nut­ze die doch! Fahr die Tou­ris­ten mit dem Quad oder ei­nem Jeep in die Wüs­te. Auf die­se Wei­se kannst du sie viel wei­ter hi­n­ein­brin­gen und ih­nen Din­ge zei­gen, die sie hier, in der Nähe des Flus­ses, nie­mals zu se­hen be­kom­men«, zisch­te Safi zu­rück.

Trau­rig schüt­tel­te Za­rif den Kopf.

»Und schon sind wir wie­der an dem Punkt, der uns ent­zweit hat. War­te hier, ich möch­te dir et­was zei­gen«, sag­te er beim Auf­ste­hen und ging ins Zelt.

Kur­ze Zeit spä­ter kam er mit ei­nem ak­ku­rat ge­web­ten Sitz­kis­sen zu­rück, ging in die Hocke, nahm das, auf dem er ge­ses­sen hat­te, in die an­de­re Hand und hielt bei­de Safi ent­ge­gen.

»Wel­ches Kis­sen ist bes­ser?«

»Was soll denn das jetzt wie­der?«, fauch­te Safi un­ge­hal­ten.

»Be­ant­wor­te ein­fach mei­ne Fra­ge, ohne gleich wie­der ag­gres­siv zu wer­den.«

Safi hol­te tief Luft, schloss kurz die Au­gen und dach­te an die Ge­sprä­che mit Ka­rim zu­rück. Der hat­te ihm oft sei­ne un­ge­dul­di­ge und in­to­le­ran­te Art, die er vor al­lem ge­gen­über sei­nem Va­ter an den Tag leg­te, vor Au­gen ge­führt. Mit ei­nem Lä­cheln öff­ne­te er die Li­der, mus­ter­te die Kis­sen ein­ge­hend und sag­te:

»Na­tür­lich das, auf dem du ge­ses­sen hast.«

Za­rif nick­te.

»Gut, und warum? Das an­de­re hier scheint doch per­fek­ter zu sein. Kei­ne Web­feh­ler, fei­ne­re Fä­den, ma­kel­lo­se Mus­ter. Wes­halb wür­dest du das alte Kis­sen dem neu­en vor­zie­hen?«

Schon wie­der woll­te Un­ge­duld in Safi auf­stei­gen, doch er be­herrsch­te sich und sag­te be­tont ru­hig:

»Weil ich das­sel­be weiß wie du. Das neue­re Kis­sen ist in­dus­tri­ell ge­fer­tigt und taugt nicht für das All­tags­le­ben. Je­den­falls nicht bei uns. Die fei­ne­ren Fä­den sind bei dem stän­di­gen Ge­brauch hier viel schnel­ler durch­ge­scheu­ert, der all­ge­gen­wär­ti­ge Sand tut ein Üb­ri­ges. Bei dem an­de­ren Kis­sen wur­de die Schaf­wol­le mit Ka­mel­haar ge­mischt, wo­durch die Fä­den viel halt­ba­rer sind. Die Fül­lung des al­ten Kis­sens ist auch bes­ser zum Sit­zen ge­eig­net. Sie …«

»Blei­ben wir mal beim Be­zug, denn der spielt bei dem, was ich dir er­klä­ren will, die Hauptrol­le«, un­ter­brach ihn sein Va­ter.

Er setz­te sich wie­der auf das alte Kis­sen und leg­te das an­de­re zwi­schen sie.

»Du weißt, dass un­se­re Frau­en die Kis­sen nach der al­ten Tra­di­ti­on fer­ti­gen. Da wir nicht aus­rei­chend Ka­mel­haar be­schaf­fen kön­nen, wer­den die meis­ten Be­zü­ge aus rei­ner Schur­wol­le ge­webt, was wir den Be­su­chern im­mer ge­sagt ha­ben, und wenn ei­ner ein tra­di­tio­nel­les ha­ben woll­te, hat er es für einen an­ge­mes­se­nen Preis auch be­kom­men. Eine Zeit­lang war die Nach­fra­ge so groß, dass wir we­der die einen noch die an­de­ren an­bie­ten konn­ten. Da ha­ben wir uns ent­schlos­sen, Be­zü­ge hin­zu­zu­kau­fen. Einen sol­chen siehst du hier.«

Za­rif zeig­te auf das Kis­sen zwi­schen ih­nen.

»Es hat uns nichts als Är­ger ge­bracht. Die Käu­fer ha­ben be­merkt, dass sie die glei­chen an­ders­wo zu ei­nem güns­ti­ge­ren Preis kau­fen konn­ten. Dass die Her­stel­lung nichts mit der Le­bens­we­se hier zu tun hat, und sie fühl­ten sich be­tro­gen. Wir muss­ten für eine ge­wis­se Zeit einen ge­wal­ti­gen Image­scha­den hin­neh­men, von dem wir uns nur mit Mühe er­holt ha­ben. Jetzt ver­zich­ten wir auf das Ge­schäft, wenn wir kei­ne Be­zü­ge vor­rä­tig ha­ben, aber den Frau­en kann ge­gen ein Bak­schisch beim We­ben zu­ge­se­hen wer­den. Es kommt so­gar vor, dass wir Be­stel­lun­gen ent­ge­gen­neh­men und den Be­zug, des­sen Her­stel­lung ge­se­hen wur­de, zu ei­nem deut­lich hö­he­ren Preis zu­sen­den. Die Käu­fer füh­len sich aber nicht be­tro­gen, im Ge­gen­teil, sie sind glück­lich über das ein­ma­li­ge Pro­dukt. Die Men­schen kom­men hier­her, weil sie für eine be­grenz­te Zeit ih­rem hek­ti­schen Le­ben ent­flie­hen wol­len. Sie ge­nie­ßen es, das Ur­sprüng­li­che zu se­hen und zu füh­len. Des­halb wer­den sie bei ei­nem Ka­mel­ritt viel in­ten­si­ve­re Er­in­ne­run­gen mit­neh­men als bei ei­ner Fahrt mit dem Jeep. Sie wis­sen, dass sie auf Dau­er ih­rem All­tag nicht ent­flie­hen kön­nen und tra­gen oft eine große Sehn­sucht nach dem ein­fa­chen Le­ben in sich, das sie hier se­hen. Auch wenn ih­nen die Wirk­lich­keit hier viel­leicht nicht ge­fal­len wür­de, die Träu­me dazu kön­nen wir ih­nen ge­ben.«

Er rück­te sich zu­recht und füll­te die Tas­sen noch ein­mal mit ara­bi­schem Kaf­fee.

»Aus die­ser Sicht musst du un­se­re Le­bens­wei­se beim Um­gang mit den Frem­den se­hen. Das an­de­re, was du mit dem in der Ver­gan­gen­heit ver­haf­tet sein meinst, be­ruht zu ei­nem großen Teil auf mei­nem Wis­sen über die Ge­schich­te un­se­res Vol­kes. Den Teil, der mit dem Grab zu­sam­men­hängt, wirst du in den nächs­ten Ta­gen durch Ka­rim er­fah­ren. Ich möch­te dem jetzt nicht vor­grei­fen, denn wenn er wirk­lich den Fluch bre­chen kann, ist es nicht mehr nö­tig, dir die Ge­schich­te auf die alt­her­ge­brach­te Wei­se mit­zu­tei­len.«

Safi setz­te zu ei­ner Ent­geg­nung an, doch sein Va­ter un­ter­brach ihn.

»Lass es bit­te da­bei be­wen­den. Ich möch­te dir aber einen an­de­ren Teil un­se­rer Fa­mi­li­en­ge­schich­te wei­ter­ge­ben, da­mit du mei­ne Le­bens­wei­se bes­ser ver­stehst.«

Fra­gend sah Za­rif sei­nen Sohn an:

»Wenn du nicht selbst nach­ge­forscht hast, dürf­ten dir kaum Hin­ter­grün­de zu un­se­rem Fa­mi­li­enna­men be­kannt sein.«

»Ja, es hat mich bis­her we­nig in­ter­es­siert und heu­te habe ich zum ers­ten Mal et­was von der al­ten Ge­schich­te der Me­schwesch ge­hört. Bis­her ging ich im­mer da­von aus, dass Me­schwesch nicht mehr als ein Clan- oder Fa­mi­li­enna­me ist.«

Za­rif nick­te.

»Ja, über die Jah­re wur­de vie­les über un­se­re Her­kunft ver­ges­sen und von man­chen un­se­rer Vor­fah­ren auch be­wusst ver­drängt. Ei­ner­seits kön­nen wir stolz auf das große Volk der Me­schwesch sein, an­dern­teils gibt es auch dunkle Fle­cken. Dein Groß­va­ter hat mir al­les, was ihm be­kannt war, über­lie­fert, an­ge­fan­gen von den Kampf­hand­lun­gen, die Al-Kis­met­bahr heu­te bei dem Grab er­wähn­te. Aus de­nen ging die Streit­macht des Pha­rao sieg­reich her­vor und un­ser Volk war ge­zwun­gen, sei­ne Le­bens­wei­se grund­le­gend zu än­dern, denn Ram­ses III oder sei­ne Rat­ge­ber ver­folg­ten eine gut durch­dach­te Stra­te­gie. Das No­ma­den­le­ben un­se­res Vol­kes hat­te ein Ende, und wir wur­den im Nil­del­ta an­ge­sie­delt. Un­ser Volk be­kam Land, aber nicht zu­sam­men­hän­gend, son­dern ver­streut zwi­schen den ur­sprüng­li­chen Be­woh­nern. Fast alle gu­ten Krie­ger wur­den in die Streit­macht des Pha­rao in­te­griert, an­de­re ka­men ent­spre­chend ih­ren Fä­hig­kei­ten bei Hand­wer­kern oder Vieh­züch­tern un­ter. Die Stam­mes­füh­rer er­hiel­ten hohe Po­si­tio­nen in der Ver­wal­tung oder in lo­ka­len Tem­peln. Kei­ner hat­te mehr Grund, Feind­schaft ge­gen das ägyp­ti­sche Volk zu he­gen, da sie selbst zu Ägyp­tern ge­wor­den wa­ren. Es leb­te sich nicht schlecht in die­ser neu­en Ge­sell­schaft, zu­mal es un­se­ren Füh­ren mit der Zeit ge­lang, ein klei­nes Fürs­ten­tum der Me­schwesch zu bil­den. Der Ah­nen­li­nie un­se­rer Fa­mi­lie ent­stam­men die Fürs­ten, die durch klu­ge Po­li­tik im­mer wei­ter in die Füh­rungs­rie­ge Ägyp­tens auf­stie­gen. Schließ­lich wur­de Sche­schonq I Kö­nig von Un­terägyp­ten und in sei­nem fünf­ten Re­gie­rungs­jahr Herr­scher über ganz Ägyp­ten. Oso­chor, sein On­kel, war schon vor ihm als ers­ter Me­schwesch Kö­nig im gan­zen Reich, doch er steht nicht in di­rek­ter Ah­nen­fol­ge zu uns. Na­milt, der ers­te Sohn von Sche­schonq I, ist der Nächs­te in un­se­rer Ah­nen­li­nie und wur­de zum Be­fehls­ha­ber der ägyp­ti­schen Ar­mee.«

Za­rif be­merk­te die un­ge­dul­di­ge Ges­te sei­nes Soh­nes und mach­te eine klei­ne Pau­se, in der er an sei­nem Kaf­fee nipp­te.

»Die kom­plet­te Ah­nen­lis­te er­spa­re ich dir vor­erst und be­rich­te dir nur vom wei­te­ren Wer­de­gang un­se­rer Fa­mi­lie. Bis die Rö­mer in un­ser Land ein­dran­gen, war es un­se­ren Vor­fah­ren ge­lun­gen, stets wich­ti­ge Po­si­tio­nen in­ne­zu­ha­ben. Doch schon als die As­sy­rer und spä­ter die Per­ser das Reich re­gier­ten, wur­de der Ein­fluss der Me­schwesch im­mer ge­rin­ger. Das Fürs­ten­tum zer­fiel, und un­ser Volk ver­misch­te sich mehr und mehr mit al­len an­de­ren Volks­grup­pen. Nur un­ser Fa­mi­li­en­clan hat­te Be­stand. Un­ter der Herr­schaft der rö­mi­schen Kai­ser ver­ließ eine klei­ne Grup­pe Me­schwesch, an­ge­führt von ei­nem dei­ner Ur­vä­ter, das Nil­del­ta. Sie züch­te­ten Ka­me­le, Rin­der und eine Zeit lang Pfer­de. Der west­li­che Rand­be­reich der Ni­le­be­ne war ihre neue Hei­mat, und so lebt ein Teil un­se­rer Fa­mi­lie jetzt im­mer noch.«

Stil­le trat ein. Sa­fis Neu­gier­de war ge­weckt, doch sein Va­ter be­merk­te es nicht und leer­te ge­dan­ken­ver­lo­ren sei­ne Tas­se. Er er­in­ner­te sich dar­an, wie ge­bannt er sei­nem Va­ter ge­lauscht hat­te, als die­ser ihm von der Ver­gan­gen­heit er­zähl­te. Die Un­ge­duld und das Des­in­ter­es­se sei­nes Soh­nes mach­ten ihn trau­rig. Er fand sich schon mit dem Ge­dan­ken ab, es bei dem Ge­sag­ten zu be­las­sen, wes­halb ihn Sa­fis Fra­gen kurz aus dem Kon­zept brach­ten.

»Mir ist nie­mand be­kannt, der sei­ne Ah­nen­fol­ge über einen so lan­gen Zeit­raum zu­rück­ver­fol­gen kann. Warum wird bei uns so viel Wert dar­auf ge­legt? Und aus wel­chem Grund ist un­se­re Fa­mi­lie wie­der in die Wüs­te ge­gan­gen?«

»Warum … Ach so, ja, das hat bei­des den glei­chen Grund. Es hängt mit dem Grab zu­sam­men, bei dem wir heu­te wa­ren, und ver­bin­det uns zu­gleich mit den Kis­met­bahr.«

»Das ist kei­ne Er­klä­rung. Wes­halb also?«

»We­gen des Flu­ches, den der ers­te männ­li­che Be­kann­te in un­se­rer Ah­nen­fol­ge – Me­scha­scher – ver­ur­sacht hat. We­gen ihm und sei­nen Mit­kämp­fern sind wir seit die­ser Ge­ne­ra­ti­on an das Grab ge­bun­den. Ein­mal im Jahr müs­sen wir es auf­su­chen, doch mehr wer­de ich dir vor­erst nicht dar­über er­zäh­len. Ich hof­fe, dass Ka­rim Al-Kis­met­bahr ge­lingt, was er vor­hat, und das Gan­ze ein Ende fin­det.«

Safi war­te­te, dass der Va­ter wei­ter­spre­che, doch der blick­te trüb­sin­nig auf die Tas­se, die er in sei­nen Hän­den dreh­te.

»Wes­halb willst du, jetzt, wo du mein In­ter­es­se ge­weckt hast, nichts wei­ter preis­ge­ben?«

»Weil ich hof­fe, dass du nicht das er­dul­den musst, was ich er­lebt habe. Nur so viel: Me­scha­scher be­ging mit ei­ni­gen sei­ner Gar­de eine ver­werf­li­che Schand­tat. Sei­ne Mit­strei­ter be­zahl­ten es mit dem Le­ben, doch er ent­kam. Dem Fluch je­doch konn­te er nicht ent­ge­hen. In sei­nem ers­ten Sohn leb­te der wei­ter, und des­sen ers­ter Sohn über­nahm ihn spä­ter auch. Und so wei­ter bis zu mir. Starb ein­mal der ers­te Sohn, ging er auf den zwei­ten über. Es gab kein Ent­kom­men.«

»Flü­che sind doch Aber­glau­be«, warf Safi ver­ächt­lich hin.

»Das glaubst du nicht mehr, wenn dir wie­der­fah­ren soll­te, was ich er­lebt habe!«

Die Über­zeu­gung, mit der die­se Ant­wort kam, ließ Safi un­si­cher wer­den, und nach­dem er die trüb­sin­ni­ge Mie­ne sei­nes Va­ters ei­ni­ge Zeit be­ob­ach­tet hat­te, wech­sel­te er das The­ma.

Bei ih­ren lan­gen Ge­sprä­chen ka­men sich Va­ter und Sohn wie­der nä­her. Sie fan­den vie­le Ge­mein­sam­kei­ten, aber auch ge­gen­sätz­li­che An­sich­ten, doch Safi be­her­zig­te den Rat Ka­rims und ver­such­te, sich in die äl­te­re Ge­ne­ra­ti­on hi­n­ein­zu­ver­set­zen. Es half ihm, vie­les zu ak­zep­tie­ren, und mach­te die­sen Tag zu ei­nem der schöns­ten im Le­ben der Fa­mi­lie.

Traum oder wahres Leben

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