Читать книгу Traum oder wahres Leben - Joachim R. Steudel - Страница 6
Fehlverhalten mit Folgen
Оглавление»Der erste Tag, den ich in Japan zugebracht hatte, war relativ ereignislos vergangen. Am nächsten Vormittag war ich noch nicht lange im Gespräch mit Katakura Shigenaga, als wir von einem Boten des Daimyo gestört wurden. Mein Gastgeber wurde zum Fürsten gerufen, und ich wartete vor dem Haus auf seine Rückkehr. In Gedanken ging ich das durch, was er mir zuletzt beigebracht hatte, doch es dauerte nicht lange, bis Shigenaga zurückkam. Er steuerte direkt auf mich zu und teilte mir mit, dass der Daimyo wider Erwarten schon jetzt zur Berichterstattung bei dem alten Shogun erscheinen solle. Ihn hatte er beauftragt, das Schiff im Hafen aufzusuchen und dem Kapitän mitzuteilen, dass er ihn vorläufig nicht mehr benötige. Er möge zu seiner nächsten Handelsreise aufbrechen, sobald das Schiff zum Auslaufen bereit sei. Weiterhin sollte Katakura Shigenaga einen Vertreter der holländischen Delegation, die kurz nach uns in Edo eingetroffen war, aufsuchen und ihm wichtige Mitteilungen des Fürsten überbringen. Die Anwesenheit von Europäern in unmittelbarer Nähe weckte mein Interesse, und Shigenaga war gerne bereit, mich bei diesem Botengang mitzunehmen.
Durch die japanische Kleidung, die ich seit der Ankunft in Edo trug, fiel ich nicht mehr gar so sehr auf, und um meine fremden Gesichtszüge ein wenig zu verbergen, bekam ich einen großen Reisstrohhut. Da ich nicht dem Samuraistand angehörte, sollte ich seitlich hinter Shigenaga laufen. Es sah so aus, als wäre ich sein Diener. Aufmerksam folgte ich seinen mir zugeraunten Anweisungen. Nachdem der Kapitän des Schiffes unterrichtet war, wollten wir den Hafen verlassen, um die Holländer aufzusuchen. In dem Moment lief uns der Vorsteher der holländischen Faktorei von Hirado, den mein Begleiter schon mehrfach getroffen hatte, über den Weg.
Nach einer knappen Begrüßung, die von holländischer Seite demütiger ausfiel, als ich erwartet hatte, stellte mich Shigenaga als einen in China gestrandeten Europäer vor. Mich genau musternd, erkundigte sich der Faktoreivorsteher nach meiner Nationalität. Ich teilte ihm mit, dass ich aus Thüringen stammte, und sofort versuchte er es mit Holländisch, Französisch und einem Kauderwelsch, das nach Deutsch klang. Verlegen schüttelte ich den Kopf und versuchte es mit meinem Deutsch. Dabei hatte ich aber nicht bedacht, dass es diese Art von Deutsch zu jener Zeit noch gar nicht gab, weswegen er mich verständnislos ansah. Dabei war es mir nicht leicht gefallen, die richtigen Wörter zu finden, denn mittlerweile dachte ich in Chinesisch. Glücklicherweise erinnerte er sich in diesem Moment daran, dass Shigenaga mit mir chinesisch gesprochen hatte. Er wechselte in diese Sprache, die er ganz passabel beherrschte, und stellte sich als Cornelis van Neyenrode vor.
Da wir uns nun recht gut verständigen konnten, begann ein reges Hin und Her.
Als Erstes wollte er wissen, in was für einen seltsamen Dialekt ich geantwortet hatte. Ich versuchte mich damit herauszureden, dass es eine regional begrenzte Sprachvariante aus dem Thüringer Wald sei, die ich jedoch durch meinen langen Aufenthalt in China nicht mehr richtig beherrschen würde. Das akzeptierte er, erkundigte sich aber gleich nach den Umständen und der Länge meines China-Aufenthaltes. Wie schon bei meinen japanischen Freunden musste ich wieder zu einer Notlüge greifen, die mir gar nicht gefiel. Auch ihm erzählte ich, dass ich über die Marco-Polo-Route China erreicht hätte und schließlich in Shaolin gestrandet wäre. Van Neyenrode lauschte gespannt und fragte dann:
›Und Sie haben wirklich die letzten Jahre nur in diesem Kloster gelebt?‹
›Ja, was ist daran so erstaunlich?‹
›Nun, zum einen, dass Sie sich dort so eingelebt haben und anscheinend gar nicht mehr den Wunsch hegten, in Ihre Heimat zurückzukehren. Und zum anderen, dass Sie anscheinend gar keine Vorstellung davon haben, was in Ihrer Heimat los ist.‹
›Nein, hab ich wirklich nicht. Ich weiß ja nicht einmal genau, welches Jahr wir haben. Durch das Leben im Shaolin-Kloster habe ich irgendwie den Faden verloren.‹
Cornelis lachte kurz auf.
›Kaum vorstellbar. Doch egal. Wir schreiben das Jahr 1624 nach Christi Geburt, und es gibt seit sechs Jahren Krieg in Europa, in den mittlerweile auch Ihre Heimat verstrickt ist.‹
›Krieg? Was für einen Krieg?‹
Hier zeigte sich wieder einmal, dass ich von der deutschen Geschichte nicht viel behalten hatte.
›Nun, die katholische Liga und die protestantische Union bekämpfen sich wegen ihres Glaubens‹, er schnaubte verächtlich durch die Nase. ›Sagen sie jedenfalls, doch eigentlich will der Papst seinen Einfluss nicht verlieren, und mittlerweile hat der dänische König in den Krieg eingegriffen. Doch der will sicher nur sein Land vergrößern. Überall wird geraubt und gebrandschatzt. Der Handel kommt zum Erliegen, und die Menschen leiden Hunger.‹
Bei einem Blick in seine Augen, konnte ich wirkliches Bedauern bemerken.
›Seien Sie froh, dass Sie nicht in Ihrer Heimat sind, denn dort wären Sie entweder in einem der Heere oder Sie müssten vielleicht hungern wie viele der Einwohner Ihres Landes.‹
1624, was für ein Krieg herrschte damals? Ich brauchte eine ganze Weile, bis mir klar wurde, dass es nur der Dreißigjährige Krieg sein konnte. Dieser Krieg würde ja noch mehr als zwanzig Jahre dauern, und ich konnte wirklich froh sein, dass ich mich hier befand.
Cornelis deutete mein Schweigen anders und riss mich aus meinen Gedanken.
›Sie machen sich wohl Sorgen um Ihre Angehörigen?‹
›Oh, nein‹, sagte ich, ohne nachzudenken, worauf er mich fragend musterte.
›Nein, da brauche ich mir keine Sorgen zu machen, da ich von keinen Angehörigen weiß, die jetzt dort leben.‹
Er hob die Augenbrauen noch ein wenig weiter, und ich merkte, dass ihm diese Erklärung nicht genügte.
›Nun, ich habe alle, die mir lieb und teuer waren, durch einen tragischen Unfall verloren. Aus diesem Grund kam es auch zu dieser Reise, und es gibt nichts, was mich wieder in die Heimat zieht.‹
Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht und schob den Strohhut ein wenig ins Genick.
›Nach diesen Nachrichten schon gar nicht. Ich denke, dass ich im Moment hier viel besser aufgehoben bin.‹
›Na, da sind Sie sich mal nicht zu sicher. Hier ist es für einen Ausländer auch nicht leicht. Die Militärregierung macht seit einiger Zeit immer mehr Front gegen alles, was nicht japanisch ist. Besonders auf die Jesuitenmissionare und auf alle, die sich offen zum christlichen Glauben bekennen, hat es die Regierung abgesehen. Es wurden auch schon viele hingerichtet. Ich glaube, Ihre Heimat könnte sich vielleicht als weniger gefährlich herausstellen, denn es dauert immer lange, bis neue Nachrichten hier eintreffen. In der Zwischenzeit könnte der Krieg schon beendet sein.‹
›Hm, ich weiß nicht. Ich wurde vom Daimyo, Date Masamune, eingeladen, und Sie halten sich ja auch hier auf‹, antwortete ich und verschwieg mein Wissen über die lange Kriegsdauer in Europa.
Jetzt mischte sich Katakura wieder in das Gespräch ein.
›Ja es stimmt. Mein Herr hat ihn hierher eingeladen, und er steht als sein Gast unter seinem Schutz.‹
›Was will der Daimyo machen, wenn der Shogun etwas anderes im Sinn hat?‹
Eine fragende Geste begleitete die Worte des Niederländers.
›Nun, so ganz ohne Einfluss ist mein Herr nicht‹, stolz richtete sich Shigenaga ein wenig auf. ›Und genau deshalb sollte ich Sie auch aufsuchen. Date Masamune hat erfahren, dass Sie eine Audienz beim Shogun erbitten wollen. Er geht davon aus, dass Sie gegen die Auflagen protestieren wollen, die ihre Faktorei getroffen haben.‹
Cornelis van Neyenrode schnappte nach Luft.
›Woher weiß er das denn? Offiziell bin ich hier, um meine Aufwartung zu machen und die üblichen Geschenke zu überreichen.‹
›Ich sagte doch, mein Herr hat mehr Einfluss, als Sie denken.‹
Der leicht verärgerte Holländer wollte etwas erwidern, aber Shigenaga schnitt ihm das Wort ab.
›Sie müssten doch mittlerweile gemerkt haben, dass alle Ausländer schärfer beobachtet werden. Mein Fürst hat sehr gute Kontakte, er erfährt manches sogar eher als der Shogun.‹
Er wurde immer leiser, als er sagte:
›Date Masamune war längere Zeit nicht im Lande und bekommt jetzt nach und nach alle wichtigen Informationen. Er bittet Sie, die Audienz noch ein wenig hinauszuzögern oder, wenn sie schon in den nächsten Tagen stattfinden sollte, wirklich nur den Anstandsbesuch bei Tokugawa Iemitsu zu machen.‹
Wieder schaute sich Shigenaga verstohlen um und fuhr fast flüsternd fort:
›Mein Herr ist jetzt bei Tokugawa Hidetada, dem alten Shogun, und wird vorsichtig auch Ihre Sorgen zur Sprache bringen. Sie wissen sicher, dass Tokugawa Hidetada ein nicht ganz so strenges Vorgehen wünscht, doch auch er ist verärgert wegen der illegalen Ausfuhr bestimmter Waren.‹
›Was soll denn das heißen? Wollen Sie uns des Diebstahls bezichtigen?‹, warf van Neyenrode mit gespielter Entrüstung ein.
›Wie könnte ich‹, schnaubte Shigenaga belustigt. ›Wir wissen doch beide, dass verschiedene Daimyos Geschäfte mit Ihnen machen, die nicht beim Handelsministerium angezeigt werden. Und genau das verärgert Tokugawa Hidetada und Tokugawa Iemitsu. Doch vielleicht ...‹
Ich verlor das Interesse an diesem Disput, hier ging es um Intrigen, die mich nicht betrafen und in die ich auch nicht verstrickt werden wollte. Da ich vorläufig keine Gelegenheit sah, mit dem Holländer wieder ins Gespräch zu kommen, ging ich einige Schritte zur Seite und schaute mir das Hafengetümmel an. Ein kleineres Schiff hatte, aus der Flussmündung kommend, den Hafen angesteuert und wurde entladen. Hafenarbeiter schleppten mit Reis gefüllte Körbe in ein Lagerhaus, und ein Beamter prüfte, ob sie auch bis zum Rand gefüllt waren. Auf einer Liste wurde jeder Korb registriert, und zwei Samurai, die die Arbeiten mit überwachten, trieben die Träger immer wieder an. Von der Stadt her näherte sich ein offensichtlich hochrangiger Samurai. Er war gut gekleidet, und vor ihm scheuchten zwei weniger gut ausgestattete Krieger die einfachen Leute zur Seite.
Gebannt beobachtete ich diesen Aufzug und musterte dabei den Samurai genau. Er hatte hochmütige Gesichtszüge, eine kleine Nase, aber einen kräftigen Schnauzbart. Ein weißes Stirnband mit einer Art Wappen zeigte anscheinend seinen Rang an. Seine Oberbekleidung bestand aus einem weißen Kimono mit weiten, am unteren Rand schwarz gemusterten Ärmeln. Der Kimono war vorn offen, und man konnte einen bunt gemusterten Brust- und Bauchpanzer sehen. Im Obi, dem traditionellen Gürtel der Samurai, steckten ein kleines und ein großes Schwert, so wie ich es schon von meinen neuen Freunden kannte. In der rechten Hand hielt er einen geschlossenen Fächer, und aus seinem schwarzen Hosenrock schauten die nackten Füße, die in Reisstrohsandalen steckten. Zwei offensichtlich niederrangige Samurai folgten ihm und die einfachen Menschen am Wegesrand versuchten entweder Abstand zu gewinnen, oder sie neigten ehrerbietig das Haupt.
Dieser Zug kam direkt an uns vorbei, und ich konnte den Blick nicht abwenden. Plötzlich, ohne dass ich wusste, wie mir geschah, stürmt einer der vorauslaufenden Samurai auf mich zu. Ein wütender Wortschwall ergoss sich über mich, und er schwang sein Schwert, das noch in der Scheide steckte, wie einen Knüppel. Reflexartig hob ich die Arme, um die drohenden Schläge abzuwehren, doch das war nicht nötig. Katakura Shigenaga war durch die Schimpftirade aufmerksam geworden und stand blitzartig zum Schutz vor mir. Alles ging sehr schnell, und durch das, was mir Shigenaga zurief, ging mir langsam ein Licht auf.
›Schnell, beuge dein Knie, und neige das Haupt!‹
Auch er hatte das Haupt geneigt, doch sein Schwert hielt er plötzlich, mit der linken Hand an der Scheide, waagerrecht in Brusthöhe. Die rechte konnte jederzeit das Schwert ziehen, und sein ganzes Auftreten machte nicht den Eindruck, dass er von der Stelle weichen würde. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Cornelis van Neyenrode mit geneigtem Kopf auf das linke Knie gesunken war, und ich folgte seinem Beispiel. Ich hatte offensichtlich einen schweren Fehler begangen, als ich diesen anscheinend bedeutenden Mann so unverhohlen anstarrte.
Mein Beschützer lieferte sich mit dem Angreifer ein hitziges Wortgefecht, von dem ich leider nur einzelne Worte verstand. Ich schärfte meine Sinne und versuchte seine Gedanken aufzunehmen, und mir stockte der Atem. Bilder nahmen Gestalt an, die mehr als bedrohlich waren. Katakura Shigenaga beschäftigte sich schon mit dem Gedanken, dass Schwert gegen diese Männer zu ziehen. Das konnte ich nicht zulassen und wollte mich erheben, als sich eine Hand auf mein Knie legte. Es war Cornelis, der an meine Seite gerutscht war. Er hatte mich aus dem Augenwinkel beobachtet und raunte mir leise zu:
›Um Gottes willen, bleiben Sie unten! Unternehmen Sie auf keinen Fall etwas! Ihr Begleiter schützt Sie mit seinem Leben und seiner Ehre. Wenn Sie sich jetzt einmischen, eskaliert die Situation, und es kommt unweigerlich zum Kampf.‹
In der Zwischenzeit war der hochrangige Samurai herangetreten und fuhr Shigenaga in barschem Tonfall an. Aber auch wenn mein Beschützer ihm offensichtlich ehrerbietig gegenüberstand, schien er nicht bereit, seinen Platz zu räumen.
›Was haben Sie nur getan?‹, flüsterte van Neyenrode. ›Das ist der Polizeipräfekt von Edo, und jeder, der nicht mindestens seinen Rang innehat, muss vor ihm das Haupt neigen. Sie haben ihn begafft wie einen Bettler und wurden zudem noch als Ausländer erkannt. Das ist für diesen Mann eine der schlimmsten Beleidigungen, und wie Ihr Freund die Situation retten will, ist mir schleierhaft.‹
Ich zuckte bei diesen Worten wieder ein Stück nach oben, doch die Hand des Holländers drückte weiterhin auf mein Knie.
›Wenn Sie uns nicht alle zum Tode verurteilen wollen, unternehmen Sie um Himmels willen nichts. Ich habe es nicht erwartet, aber Ihr Freund hat offensichtlich ein paar Trümpfe in der Hand, die nicht zu verachten sind.‹
Die Aggressivität des Wortwechsels ließ langsam nach, und kurze Zeit später drehte sich der Präfekt um und setzte seinen Weg fort. Nachdem er sich einige Schritte entfernt hatte, holte Katakura Shigenaga tief Luft und wandte sich uns zu. Cornelis erhob sich, und ich folgte seinem Beispiel. Dabei schaute ich in das Gesicht meines Beschützers und erwartete, Wut oder mindestens Verärgerung zu sehen. Doch das was ich nun erlebte, konnte ich kaum fassen. Shigenaga neigte vor mir mit einem bestürzt-beschämten Ausdruck den Kopf.
›Es ist unentschuldbar! Ich habe kläglich versagt! Ich kann nur hoffen, dass du und mein Herr mir irgendwann vergeben könnt.‹
›Wie, was? Vergeben? Ich versteh gar nichts mehr.‹
Ich starrte, nach Aufklärung suchend, in sein Gesicht.
›Das ist es ja. Ich habe dich nicht richtig vorbereitet. Habe dir zu wenig über unsere Gebräuche mitgeteilt und hätte dich deshalb niemals hierher mitnehmen dürfen.‹
Bekümmert schüttelte er den Kopf.
›Es ist allein meine Schuld, und ich muss mich dafür verantworten.‹
Er hob den Blick.
›Vor dir, vor meinem Herrn und vor ihm‹, dabei nickte er mit dem Kopf in die Richtung des Davonschreitenden.
Seine Augen zeigten einen Kummer, den ich nicht begreifen konnte.
›Das verstehe ich nicht. Ich habe aus Unverstand einen Fehler begangen, und für den kannst du doch unmöglich verantwortlich sein.‹
›Oje, Sie verstehen noch nicht viel von dem, was diese Gesellschaft ausmacht‹, warf van Neyenrode ein. ›Er hat vom Daimyo die Verantwortung für Sie übertragen bekommen. Er bürgt also mit seinem Leben für Ihre Sicherheit.‹
Ich schluckte und ich blickte in der Hoffnung, dass all das nur ein schlechter Scherz sei, von einem zum anderen. Doch es stimmte, und mir waren in diesem Moment noch nicht einmal alle möglichen Konsequenzen bekannt.
›Was kann ich tun, um das Unheil, dass ich angerichtet habe, wieder gutzumachen?‹
›Du kannst und musst gar nichts unternehmen. Ich bin dafür verantwortlich und werde auch dafür geradestehen.‹
›Aber ...‹, ich wurde mit einer wegwischenden Geste von Katakura Shigenaga unterbrochen. ›Nicht jetzt und hier! Wir gehen zurück zum Anwesen, und wenn der Fürst da ist, wird alles weitere besprochen.‹
Er wandte sich noch einmal kurz an den Holländer.
›Ich denke, alles Notwendige ist gesagt. Sollte es Neuigkeiten geben, werden wir Sie informieren.‹
Cornelis van Neyenrode nickte zur Bestätigung und sagte bedrückt zu mir:
›So viel zu dem Gedanken, dass Sie hier sicherer sind als in Ihrer Heimat. Ich hoffe, es geht alles gut aus und wir sehen uns noch einmal wieder.‹
Er nickte mir zu und entfernte sich.
Ich schaute ihm hinterher, und in meinem Kopf ging alles wirr durcheinander. Doch Shigenaga drängte zum Aufbruch. Ich wollte mit ihm über das Geschehene sprechen, doch er winkte nur mürrisch ab. Bedrückt folgte ich ihm und hing, im Gästezimmer seines Hauses allein gelassen, meinen Gedanken nach. Doch ich kam zu keinem Ergebnis. Ich verstand nicht einmal vollständig, was eigentlich geschehen war. Um diesen ziellosen Grübeln zu entgehen, versenkte ich mich in Meditation.
Es war Abend geworden, als ich von Katakura Shigenaga abgeholt wurde. Ohne dass er sich auf ein Gespräch einließ, führte er mich zum Empfangsraum des Fürsten. Als wir den Raum betreten hatten, bedeutete er mir, dass ich warten sollte, und ging allein nach vorn. Dort fiel er auf die Knie und sprach in traurigem, unterwürfigem Ton mit Date Masamune. Dessen Miene wurde bei jedem Wort ernster, und schließlich scheuchte er ihn mit einer unwirschen Handbewegung zur Seite und winkte mich heran.
Nachdem ich, wie ich es gelernt hatte, nach vorn gekommen war, übersetzte Shigenaga seine Worte ohne mich dabei anzusehen.
›Ich bin bestürzt! Mein Diener hat kläglich versagt, und er muss nun für seine Fehler geradestehen! Ich bin sehr betrübt, dass Sie wegen dieser Unachtsamkeit in Gefahr gekommen sind. Aus diesem Grund werde ich vorläufig auch nicht erlauben, dass Sie dieses Gelände verlassen.‹
Abweisend hatte er Shigenaga beobachtet, bis dieser mit der Übersetzung fertig war.
›Doch nun zu einem wichtigeren Thema.‹
Ich riss erstaunt die Augen auf. Was sollte wichtiger sein als das eben Angesprochene.
›Das Gespräch mit dem alten Shogun verlief so, wie Sie es erwartet haben, und er war zufrieden mit dem Verlauf der Mission. Aber leider wurde ich nach der Audienz, als ich schon den Rückweg antreten wollte, von einem Diener seines Sohnes abgefangen. Tokugawa Iemitsu hatte erfahren, dass ich zuerst bei seinem Vater Bericht erstattet hatte, und schäumte vor Wut. Er ließ eine andere Audienz absagen, und ich musste sofort bei ihm vorsprechen.‹
Ich folgte Masamunes Worten mit immer größerem Unbehagen. Dass er jetzt über solche Dinge sprechen wollte, konnte ich nicht verstehen. Für mich war es viel wichtiger, wie die missliche Lage, in die mein Beschützer durch mich gekommen war, entschärft werden konnte. Ich musste allerdings auf die Wünsche des Fürsten eingehen, denn links und rechts an den Wänden saßen andere Samurai und verfolgten das Geschehen.
Masamune hatte erklärt, dass der amtierende Shogun durch die Art des Berichtes zwar besänftigt wurde, doch das er offen Zweifel am Wahrheitsgehalt anmeldete. Er zweifelte die Kampftauglichkeit der Shaolin-Mönche an, und das war schon fast eine Beleidigung des Daimyo. Irgendwie hatte Iemitsu von meiner Anwesenheit erfahren und wollte, weil er mich für einen dieser Mönche hielt, eine Vorführung von mir haben. Da ich aber Masamunes Gast war, wollte dieser das nur zugestehen, wenn ich mich damit einverstanden erklärte.
Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass er eine solche Wahl hatte, und fragte deshalb:
›Können Sie denn diesen Wunsch ablehnen?‹
Kopfschüttelnd antwortete er:
›Das ist kein Wunsch, das ist eine Aufforderung, der ich eigentlich nachkommen muss. Da Sie aber mein Gast sind, bin ich nicht bereit, es ohne Ihr Einverständnis zuzulassen, egal, was für Konsequenzen es hat.‹
Na prima, er sagte, er wolle es nicht zulassen, wenn ich nicht will, und setzte mich gleichzeitig unter Druck, indem er mir kundtat, dass es Konsequenzen für ihn haben würde. Außerdem nahm ich Bilder aus Shigenagas Gedanken wahr, die mich beängstigten. Wie ich erkannte, sah er sich schon in einen Schwertkampf mit dem Polizeipräfekten verwickelt, dem er sich offenkundig unterlegen fühlte.
Nachdenklich senkte ich den Kopf und suchte nach einer Lösung aus diesem Dilemma. Eine Bewegung des Fürsten veranlasste mich, hochzuschauen, und ich bemerkte seine Ungeduld. Ich holte schon Luft, um mein Einverständnis zu dieser Schaustellung zu geben, als mir ein Gedanke kam. Ein kurzer Blick in Shigenagas bedrücktes Gesicht, und ich wusste, was zu tun war.
›Wie sehen die Folgen aus, die Katakura Shigenaga wegen meiner Unachtsamkeit zu erwarten hat?‹
Stille! Mein Beschützer wagte es nicht, das zu übersetzen, und schaute mich bestürzt an.
›Übersetz es bitte.‹
Er schwieg immer noch.
›Keine Sorge, ich denke, ich kann sein und unser Problem gemeinsam lösen. Sag ihm das bitte auch.‹
Zögernd kam er meinem Wunsch nach. Im ersten Moment machte der Fürst eine zornige Bewegung, doch nachdem auch der Rest übersetzt war, schaute er mir in die Augen und fragte:
›Wie?‹
›Damit ich mir ganz sicher sein kann, muss ich verstehen, was im Hafen geschehen ist.‹
Date Masamune forderte Shigenaga auf, meinem Wunsch nachzukommen, und dieser fragte mich daraufhin, was mir denn unklar sei.
›Ich habe zwar begriffen, dass ich es diesem bedeutenden Mann gegenüber an Respekt habe fehlen lassen. Aber mir sind die Folgen, die dieses Fehlverhalten nach sich ziehen können, nicht klar. Außerdem verstehe ich nicht, wie es dir gelungen ist, diese wenigstens für den Moment abzuwenden.‹
Er holte tief Luft.
›Die Folgen einer solchen Beleidigung, denn das ist dein Verhalten für ihn gewesen, wären in diesem Augenblick im günstigsten Fall mit Schlägen abgegolten worden. Da du aber als Ausländer erkannt wurdest, hätte es auch mit deinem Tod enden können.‹
Ich schluckte. Das hatte ich nicht erwartet.
›Ich konnte das durch mein Eingreifen erst einmal verhindern. Der Metsuke, Sanada Masanori, will das aber nicht auf sich beruhen lassen.‹
›Metsuke?‹
›Der Holländer Cornelis van Neyenrode übersetzte es als Polizeipräfekt, doch bin ich mir nicht sicher, ob das die Position richtig umschreibt. Die Metsuke stehen nämlich über der Polizei, also den Sicherheitskräften, die für die öffentliche Ordnung zuständig sind. Sie sind für weit mehr zuständig. Selbst mein Herr muss sich ihnen gegenüber vorsichtig verhalten und darf sie sich nicht zum Feind machen.‹
Oje, das war kein Fettnapf, in den ich getreten war, das war siedendes Öl. Doch es kam noch schlimmer.
›Sanada Masanori ist der Metsuke von Edo und als ein hervorragender Schwertkämpfer bekannt. Gerüchte besagen, dass er jede Gelegenheit zu einem Zweikampf nutzt. Die Aussicht auf einen solchen hat ihn dann auch davon abgehalten, dich zu bestrafen.‹
›Ein Duell mit dir, nehme ich an?‹
›Ja, ich denke, so könnte man es ausdrücken.‹
›Aber ich war es doch, der ihn, wenn auch aus Unwissenheit, beleidigt hat.‹
›Und ich bin für deine Sicherheit verantwortlich. Ich konnte es nicht zulassen, dass du Schaden nimmst, und habe ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass du Gast von Date Masamune bist, dass ich für dich verantwortlich bin und für deinen Fehler einstehe. Daraufhin hat er Genugtuung gefordert und wollte sich zu diesem Zweck mit meinem Herrn in Verbindung setzen.‹ Seine Miene wurde noch betrübter. ›Der Fürst hat mir vorhin mitgeteilt, dass dies bereits geschehen ist. Ich werde also mit ihm kämpfen und mein Bestes geben.‹
Das klang überhaupt nicht zuversichtlich. Ich sann über das weitere Vorgehen nach, doch Date Masamune zeigte immer mehr Ungeduld.
›Gut, übersetz jetzt dem Daimyo alles genau so, wie ich es sage. Frag nicht nach, und unterbrich mich bitte nicht.‹
Er nickte, und ich begann:
›Ich werde nicht zulassen, dass ein anderer für meine Fehler büßen muss!‹
Shigenaga schaute mich mit großen Augen an und schwieg. Erst nachdem ich eine auffordernde Handbewegung gemacht hatte, begann er stockend zu übersetzen.
›Also, ich werde diesem Mann zur Genugtuung zur Verfügung stehen.‹
Masamune setzte zu einer Antwort an, daher sprach ich schnell weiter:
›Ich denke, dass wir in diesem Zusammenhang auch das andere Problem lösen können.‹
In diesem Moment hatte ich seine volle Aufmerksamkeit.
›Der Kampf, den der Metsuke zur Herstellung seiner Ehre wünscht, sollte im Beisein des alten und des neuen Shogun stattfinden. Date Masamune würde damit die Forderung des Shogun erfüllen, und ich kann meine Ehre verteidigen.‹
Ich bediente mich dieses Schachzugs, da ich bemerkt hatte, wie hoch die Ehre eines Mannes in dieser Gesellschaft eingestuft wurde, und der Erfolg blieb nicht aus.
›Wieso deine Ehre?‹, fragte Shigenaga nach, ohne vorher zu übersetzen.
›Denkt ihr denn, dass es ehrenvoll für mich ist, wenn ein anderer für meine Fehler einstehen muss?‹
›Ich wusste nicht, dass es in deiner Heimat so ...‹
›Bitte, übersetze es und diskutiere jetzt nicht mit mir!‹
Resignierend kam er meiner Aufforderung nach.
Beim Daimyo erreichte ich genau das, was ich beabsichtigt hatte. Ich schien in seiner Achtung zu wachsen, obwohl er einige Bedenken hatte. Er erkundigte sich sofort, ob ich Erfahrungen im japanischen Schwertkampf hätte. Als ich das verneinte, machte er ein bedenkliches Gesicht, doch ich hatte zwei Argumente, die ihn überzeugten.
Zum Ersten fragte ich ihn, ob er in China den Eindruck gewonnen hätte, dass ich mich nicht verteidigen könne. Das verneinte er sofort, und ich wies zum Zweiten darauf hin, dass der Shogun etwas von den Kampffertigkeiten der Shaolin sehen wollte. Das überzeugte ihn, und wir begannen sofort mit der Planung.
Ich bat den Fürsten, mir mehr über die Regeln und den Verlauf eines solchen Kampfes mitzuteilen. Aufmerksam lauschte ich den Ausführungen und forderte ihn dann auf, mir einen Übungspartner zur Verfügung zu stellen. Er benannte Katakura Shigenaga, der nach seiner Rüstung schicken ließ, denn ich wollte, dass es möglichst realistisch stattfand.
Bei näherer Betrachtung der Umstände wurden uns einige Probleme bewusst. Der Daimyo hegte Zweifel, dass es überhaupt zu einem Kampf kommen würde. Da ich kein Samurai war, würde es der Metsuke vermutlich für unter seiner Würde erachten, sich auf einen Zweikampf mit mir einzulassen. Ich überlegte kurz und fragte dann:
›Was bin ich denn in seinen Augen?‹
›Nun, zuallererst ein Ausländer und dann vielleicht ein Mönch. Beides wäre aber unter seiner Würde.‹
Katakura Shigenaga gab zu bedenken:
›Aber er ist ein kämpfender Mönch. Meinem Sohn gegenüber habe ich ihn als einen Sohei ausgegeben. Vielleicht würde Yamabushi es noch besser treffen.‹
Die anderen Samurai hatten sich bisher an dem Gespräch nicht beteiligt. Vermutlich wurde Shigenaga deshalb auch zurechtgewiesen, weil er den Fürsten sehr vertraulich angesprochen hatte. Unterwürfig verbeugte er sich vor dem Daimyo, übersetzte mir aber auf dessen Befehl hin seinen Einwurf.
Um die Situation zu entschärfen, antwortete ich schnell.
›Wenn ich ihm als Sohei oder Yamabushi vorgestellt werde, was ja, wenn ich richtig verstanden habe, Kriegermönche sind, wird er dann den Kampf immer noch ablehnen?‹
›Das sind zwar alles keine Samurai, wenn er aber Lust auf ein Duell haben sollte, könnte es vielleicht klappen.‹
Ich lächelte etwas zweideutig.
›Vielleicht könnte man ihm den Gedanken eingeben, der Shogun wolle diesen Kampf gern sehen, um die Kampffähigkeit des Sohei zu testen.‹
Date Masamune schnaubte leicht und verzog den Mund zu einem Grinsen.
›Schon wieder der Diplomat! Ja, ich denke, das könnte man, und es könnte auch funktionieren. Aber dann haben wir schon das nächste Problem. Da Sie kein Samurai sind, besitzen Sie keine Schwerter und keine Rüstung. Es kann Ihnen auch keiner sein Schwert geben, denn das Schwert gehört zum Samurai und sein Verlust wäre der Verlust seiner Ehre. Außerdem dürfen nur Samurai Schwerter tragen.‹
›Was benutzen denn die Sohei für Waffen? Vielleicht ... Oder Moment, noch besser, Date Masamune hat doch die Waffen der chinesischen Angreifer als Trophäen mitgenommen?! Hat er sie hier? Da waren Schwerter dabei, mit denen ich schon geübt habe und die ich gut beherrsche.‹
Der Fürst bestätigte, dass sich die Schwerter im Anwesen befanden, und ließ sofort einige holen.
Ich wählte eins mit einer Klingenlänge von etwa sechzig bis fünfundsechzig Zentimetern, das gut in der Hand lag und scharf geschliffen war.
Der Daimyo forderte einen anderen Samurai auf, ihm das Schwert zu bringen, und betrachtete es eingehend. Er schwang es einige Male prüfend und schüttelte dann den Kopf.
›Hm, es mag für einen Kampf in China mit gleichwertigen Schwertern taugen, doch hier ist es eine unterlegene Waffe.‹
Er ließ es mir durch den Samurai zurückbringen und fuhr fort:
›Ich habe schon einige Kämpfe von Sanada Masanori miterlebt, bei denen er fast immer ein langes Tachi benutzte. Dessen Klinge ist bestimmt sieben Sun länger als dieses chinesische Schwert und hat deshalb eine viel größere Reichweite. Damit sind Sie ihm unterlegen.‹
›Tachi, Sun?‹, fragte ich.
Katakura Shigenaga verstand, dass ich mit diesen Begriffen noch nichts anfangen konnte, und holte sich beim Fürsten die Erlaubnis, mir sein Tachi zu zeigen. Diese Waffe war in der Zwischenzeit mit der Rüstung, die sich in einer großen Kiste befand, hergebracht worden. Dann entließ der Fürst alle anderen mit der Begründung, der Platz werde für die Übungen gebraucht. Einige verließen den Raum mit verstimmter Miene, doch Masamune atmete erleichtert auf, als wir nur noch zu dritt im Raum waren. Er wartete, bis alle außer Hörweite waren, und sagte dann:
›Es ist ermüdend, immer diese Zwänge und dieser äußere Schein‹, bei diesen Worten stand er auf und setzte sich neben uns. Nachdem er kurz mit Shigenaga gesprochen und dieser mehrfach genickt hatte, wandte er sich schließlich an mich.
›Date Masamune hat mich daran erinnert, dass ich die Etikette wahren muss, sobald andere anwesend sind, was natürlich auch für dich gilt. Sobald wir aber unter uns sind, möchte er, dass wir zwanglos miteinander umgehen. Er wird dich deshalb, wenn du damit einverstanden bist, in Zukunft mit du ansprechen.‹
Ich nickte erfreut.
›Gut, der Einfachheit halber werde ich es in Zukunft immer so übersetzen, außer ich weiß, dass einer die chinesische Sprache beherrscht.‹
›Ich fühle mich geehrt!‹
Masamune winkte ab.
›Lass den Unsinn, in China war es auch nicht nötig, und ich empfinde es seit einigen Jahren als belastend! Früher waren mir solche Dinge sehr wichtig, doch jetzt denke ich anders darüber. Außerdem bist du mein Lebensretter, und ich stehe in deiner Schuld!‹
Jetzt war ich es, der abwinkte, doch er fuhr schon fort, und sein Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an.
›Im ersten Augenblick war ich sehr angetan von deinem Vorschlag, doch nun mehren sich meine Bedenken. Ich fürchte, dass es für dich nicht gut ausgehen wird, und das möchte ich verhindern. Vielleicht finden wir doch noch eine andere Möglichkeit, um den Metsuke zu besänftigen.‹
›Nein, zum einen stehe ich zu meinem Wort, und zum anderen habe ich keine Angst. Seit einigen Jahren, habe ich fast täglich Kampfübungen absolviert, und die Shaolin haben mich in den Meisterstand erhoben, was doch zu irgendwas gut gewesen sein muss. Ich möchte auch nicht mehr darüber reden, denn wir haben Wichtigeres zu tun.‹
Ich sah Shigenaga an und fragte:
›Wolltest du mir nicht erklären, was Tachi und Sun ist?‹
Er nickte, stand auf und holte sein Schwert, zog es aus der Scheide und legte es neben das chinesische, das ich ausgewählt hatte.
›Ein solches Schwert nennt man Tachi. Es wird mit zwei Händen geführt, obwohl es einige Meister gibt, die es einhändig benutzen.‹
Er deutete auf die Schwerter, die er so gelegt hatte, dass das Stichblatt seines Schwertes auf gleicher Höhe mit der Parierstange des chinesischen war.
›Mein Tachi ist vierundzwanzig Sun lang und überragt deines um eine Handbreit. Das von Sanada Masanori ist, nach dem, was der Fürst sagt, etwa achtundzwanzig Sun lang. Er hat also eine viel größere Reichweite, daher dürfte es dir schwerfallen, mit diesem kürzeren Schwert an ihn heranzukommen.‹
›Hmmm, es kommt immer darauf an, wie man kämpft. Ich habe nicht vor, es auf die gleiche Art wie der Metsuke zu tun, da ich diese nicht beherrsche. Aber ich kann recht gut, was ich in Shaolin und Wudang gelernt habe. Würdest du jetzt bitte die Rüstung anlegen und mir einiges von eurer Schwertkampftechnik zeigen, damit ich mir ein Bild machen kann.‹
Er nickte, und ein Diener, der vor der Tür gewartet hatte, wurde hereingerufen. Dieser half beim Anlegen der Rüstung, und ich beobachtete genau, wie die einzelnen Teile miteinander verbunden wurden.
Von jedem Teil der Rüstung nannte mir Shigenaga den Namen und die Funktion. Es war gleichzeitig wieder Sprachunterricht, und mir wurde zum ersten Mal bewusst, dass es mir diesmal leichter fiel als beim chinesischen. Da ich seine Gedankenbilder wahrnahm, konnte ich mir die Begriffe viel besser einprägen. Das Erlernen der lautlosen Sprache, wie sie Wang Lee immer genannt hatte, war also noch bei anderen Dingen hilfreich.
›Das, was ich jetzt anlege, ist eine do-maru-Rüstung. Sie wird im Feld kaum noch verwendet, denn sie bietet keinen ausreichenden Schutz vor Feuerwaffen. Bei einem Duell hingegen wird sie der modernen tosei-gusoku-Rüstung vorgezogen, da sie leichter ist und der Kämpfer in ihr mehr Bewegungsfreiheit hat.‹
Er benannte jedes einzelne Teil, und mir fiel auf, dass diese Rüstung Schwachstellen hatte, die ich auszunutzen gedachte. Als er fertig war, sollte ich eine gleichartige Rüstung aus Masamunes Besitz anlegen, doch ich wehrte ab.
›Nein, ich werde ohne Rüstung in meiner Shaolin-Kleidung gegen ihn antreten.‹
Sie sahen mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Dann wollten sie mich sofort vom Gegenteil überzeugen.
›Ohne Schutz kann er dir mit einem einzigen Hieb den Schädel spalten oder den Arm abtrennen! Du hast ...‹
Hier unterbrach ich sie:
›Er hat den Vorteil der größeren Schwertreichweite und des besseren Schutzes durch die Rüstung, doch ich bin ohne Rüstung viel beweglicher. Ich habe ein kürzeres Schwert und noch nie in einer solchen Rüstung gekämpft, wäre also noch mehr behindert, weil ich an Beweglichkeit verliere. Ihr habt mir gesagt, dass dieses Tachi zweihändig geführt wird und ich mit meinem Schwert nicht direkt parieren darf, da ein gutes Tachi dieses zerschlagen könnte. Wenn ich diesen Kampf überleben will, bleibt mir also nur eine Art des Kampfes, die mein Gegner nicht kennt und einschätzen kann. Ich habe vor, ihn mit Schnelligkeit und List zu schlagen.‹
›Nein, du verstehst immer noch nicht. Dieser Kampf kann in wenigen Augenblicken vorbei sein, denn dein Gegner baut wie du auf Schnelligkeit und die sichere Führung seines Tachi. Oft stehen sich die Kämpfer lange gegenüber, beobachten und umkreisen einander. Sie suchen nach einer Schwachstelle in der Verteidigung oder sind darauf aus, sich gegenseitig einzuschüchtern. In manchen Duellen wird nur ein einziger schneller Hieb ausgeführt, der alles entscheidet. Deshalb ist eine gute Rüstung so wichtig, sie rettet dir unter Umständen das Leben.‹
Bei diesen Erläuterungen wurde ich unsicher. Ich hatte eine ganz andere Vorstellung von so einem Schwertkampf gehabt. In meinen Erinnerungen, die vor allem auf Filmen basierten, hatten sich die Samurai ausdauernde Schwertkämpfe geliefert. Ähnlich wie bei einem Fechtkampf in Europa hatten sich ihre Klingen oft gekreuzt. Doch nun wurde ich von Shigenaga eines Besseren belehrt, und ich musste umdenken.
›Ohh, gut, dann muss ich eine andere Taktik anwenden. Aber trotzdem werde ich es erst einmal ohne Rüstung versuchen.‹
Beide schüttelten den Kopf und wollten wieder auf mich einreden, aber ich bat sie um eine Probe. Natürlich sollte dabei das Schwert in der Scheide bleiben, denn so sicher wie vorher war ich mir nicht mehr.
Widerwillig stellte sich mein Dolmetscher in Position. Mein Schwert wurde ebenfalls mit einem Schutz versehen, und wir standen uns fixierend gegenüber. Langsam begann Shigenaga mich zu umkreisen und wechselte dabei immer wieder die Position seines Tachi. Einmal hatte er es hoch erhoben, so dass er mit einem starken zweihändigen Hieb von oben beginnen konnte. Dann wieder hielt er es mehr seitlich, mal rechts, mal links, und er fixierte mich dabei genau. Der Angriff erfolgte so plötzlich, dass ich kaum noch ausweichen konnte. Das Ende der Schwertscheide streifte noch meinen Hals, und ohne den Schutz hätte ich bestimmt eine kräftige Schnittwunde davongetragen. Ich war nicht wenig erschrocken, doch ich ließ mir nichts anmerken. Das jahrelange Training hatte mich gelehrt, mit solchen Situationen umzugehen. Aber ich merkte auch, dass der Trainingsausfall, den ich durch unsere Reise gehabt hatte, nicht leicht zu kompensieren war.
Der Fürst und Shigenaga versuchten noch einmal, mich zum Anlegen der Rüstung zu überreden, doch ich bat sie um eine kleine Pause. Kopfschüttelnd beobachteten sie, wie ich mich in Meditation versenkte. Nun ließ ich mich vollkommen fallen und übergab alles an mein Chi. Es sollte mich führen und alle meine Reaktionen übernehmen. Des weiteren gedachte ich, zum ersten Mal auch meine anderen Fähigkeiten mit einzubeziehen, was ich in China immer vermieden hatte.
Nach kurzer Zeit stand ich wieder auf, und Shigenaga begann mich erneut zu umkreisen. Ich hatte die Augen auf meinen Gegner gerichtet und nahm die Bilder doch nicht direkt war. Mein Chi verarbeitete all diese Informationen. Alle unwichtigen Gedanken waren ausgeblendet, und mein Geist konzentrierte sich auf das, was in Katakura Shigenagas Kopf vorging. Wieder erfolgte nach kurzer Zeit ein rascher Angriff. Diesmal zielte der Schlag von oben auf meine rechte Schulter, doch ich nahm die Bewegung wahr, bevor sie ausführt wurde. Mit einer schnellen Drehung wich ich im gleichen Moment zur Seite aus und ließ den Schlag ins Leere laufen. Damit hatte mein Trainingspartner nicht gerechnet, so dass er von dem Schwung des Hiebes nach vorn gerissen wurde. Ich verzichtete auf eine Gegenwehr, da ich erst noch einiges herausfinden wollte. Verblüfft schauten mich die beiden an, aber ich wollte keine Pause entstehen lassen und bat Shigenaga, gleich weiterzumachen.
Wir trainierten die halbe Nacht, und am Ende hatten beide keine Einwände mehr gegen das Duell.
Der Fürst wollte am nächsten Morgen alle notwendigen Schritte einleiten, damit der Kampf nach unseren Wünschen stattfinden konnte. Mein Schwert sollte noch einmal geschliffen werden, um eine möglichst hohe Schärfe der Schwertspitze zu erreichen, denn das war der Schlüssel zu meinem Plan. Wir trennten uns, und ich fiel in meinem Quartier in einen ruhigen kurzen Schlaf.
Den nächsten Morgen begann ich mit Tai-Chi-Übungen. Gleich zu Beginn stellten sich Shigenaga und, wie ich später erfuhr, auch Mitglieder der Date Familie ein, von denen keiner es wagte, mich zu stören. Sie standen oder saßen still am Rande des gut gepflegten Ziergartens und beobachteten genau, was ich tat. Zwei junge Frauen, die nicht unterschiedlicher sein konnten, fielen mir besonders auf. Die zwei Schritte vorangehende Frau trug einen hellgelben eng anliegenden, mit schönen Mustern versehenen und von einem Stoffgürtel zusammengehaltenen Kimono. Er war so straff bis in Brusthöhe gewickelt, dass man von ihren Körperformen kaum etwas wahrnehmen konnte. Im Rücken war ein Polster mit einer großen Schleife befestigt. An den nackten Füßen trug sie Holzsandalen, und durch den engen Kimono konnte sie nur sehr kleine Schritte machen. Die rechte Hand hielt einen bunten Sonnenschirm, und in der linken hatte sie einen geöffneten Fächer. Ihr tiefschwarzes hochgestecktes Haar wurde von einer bunten Spange zusammengehalten. Zwei Blumenblütenarrangements vervollständigten ihre Frisur. Doch am auffälligsten war ihr stark geschminktes Gesicht. Von der normalen Hautfarbe konnte man nur am Hals ein Stück sehen.
Die zweite Frau, die seitlich hinter der ersten lief, war das ganze Gegenteil. Ihr Äußeres war weniger herausgeputzt. Auch sie trug einen Kimono, der aber weit geschnitten war, damit die Beine mehr Bewegungsfreiheit hatten. Obwohl weniger auffällig gemustert, wirkte er dennoch edel. Ein schmaler, nicht ganz so eng gewickelter Stoffgürtel hielt ihn zusammen. Das Rückenpolster fehlte ganz, und statt des Sonnenschirmes trug sie in der rechten Hand einen Stab, auf den sie sich beim Gehen stützte. Ihr Haar war ähnlich arrangiert, aber nur wenige Blüten und eine kleine Spange zierten die Pracht. In dem dezent geschminkten Gesicht war die hellbraune Haut gut zu erkennen. Am auffälligsten war aber ihr wiegender Gang. Es sah so aus, als müsste sie ein Bein immer mit etwas Schwung nach vorn setzen und sich dann wiegend nach oben drücken. Um das zu gewährleisten, steckten ihre Füße in fest geschnürten Reisstrohsandalen und nicht in zierlichen Holzsandalen.
Was mich aber bei meinen Übungen fast ein wenig aus dem Gleichgewicht brachte, war ihre Ausstrahlung. Obwohl die erste Frau ohne Makel und äußerlich schöner zu sein schien, hatte die hinter ihr gehende eine innere Schönheit, die vielleicht nur einem unvoreingenommenen Beobachter auffiel. Das Gesicht war nicht ganz so voll wie bei der anderen Frau, und ein schmaler Mund wurde von zwei schalkhaften Grübchen begrenzt. Die nicht zu kleine Nase gab dem Gesicht eine angenehme Form und machte es wett, dass die Augen in allzu flachen Augenhöhlen lagen. Aber diese Augen hatten es in sich. Sie waren lebhaft, und ein zufriedener Glanz ging von ihnen aus. Ihr ganzes Wesen strahlte große innere Zufriedenheit aus, was bei der körperlichen Behinderung erstaunlich erschien.
Als ich bemerkte, dass sich unsere Blicke trafen, schlug ich beschämt meine Augen nieder. Ich wollte niemanden begaffen, denn was daraus entstehen konnte, wusste ich ja. In diesem Fall konnte es zudem verletzend sein, was ich auf keinen Fall beabsichtigte.
Ich richtete meinen Blick wieder nach innen und konzentrierte mich auf mein Tai Chi. Nach einiger Zeit ging ich zum Shaolin-Boxen über. Besser gesagt, ich trainierte eine Mischung aus Shaolin- und Wudang-Stil, die ich mir in China angeeignet hatte. Dabei blendete ich die Beobachter vollkommen aus, um mich gut auf den Kampf vorzubereiten.
Als ich nach mehreren Stunden aufhörte, war nur noch Katakura Shigenaga anwesend. Er kam zu mir und sagte:
›Jetzt weiß ich, was uns in Shaolin vorenthalten wurde. Beherrschen das alle Mönche so?‹
Ich schüttelte den Kopf.
›Nein, der Stil, den ich hier trainiert habe, wird nur von wenigen verwendet, doch auch der normale Shaolin-Stil hat seine Vorzüge, nur dass er viel kraftaufwendiger und offensiver ist. Was ich bevorzuge, ist mehr auf Verteidigung ausgerichtet, womit ich mich auch gut gegen unseren Großmeister behaupten konnte.‹
Jetzt erst bemerkte ich das chinesische Schwert in seiner Hand.
›Oh, ist es das, das ich ausgewählt hatte?‹
›Ja, der Schwertschleifer hat es gerade zurückgebracht, du bist mit seiner Arbeit bestimmt zufrieden.‹
Er reichte es mir, und ich begutachtete die Klinge. Dann schwang ich es leicht mit der Spitze durch das Gras zu unseren Füßen. Mehr als zufrieden blickte ich auf die liegen gebliebenen Halme.
›Sehr gut, doch ich muss achtgeben und den Abstand genau einschätzen. Das Beste wird sein, wenn ich noch ein wenig mit diesen Schwert trainiere, damit ich beim Kampf keine Fehler mache.‹
›Wie du meinst, doch ich glaube nicht, dass das Duell schon heute stattfindet.‹
›Umso besser, da ich viel nachholen muss. Schon zu lange habe ich nicht mehr richtig trainiert.‹
›Wird dir dann nicht die Kraft im Kampf fehlen?‹
Ich lachte auf.
›Wo denkst du hin?! Wir haben im Kloster von früh bis zur Dämmerung trainiert und die Übungen nur für eine Mahlzeit mit anschließender Gebets- und Meditationspause unterbrochen.‹
Er machte große Augen.
›Ich glaube, unsere Informanten am chinesischen Kaiserhof haben weit untertrieben.‹
Schmunzelnd winkte ich ab und wollte mich schon umdrehen, als mir die weiteren Beobachter einfielen.
›Wer waren denn die anderen, die vorhin hier standen?‹
›Date Masamunes älteste Tochter, Irohahime. Sie ist die Frau von Matsudaira Tadateru, was leider keine Empfehlung mehr ist, da ihr Mann verbannt wurde. Ihr steht es aber frei, den Verbannungsort zu verlassen. Zur Zeit weilt sie hier, um ihren Vater zu besuchen.‹
›Und die anderen?‹
›Ach, das waren nur zwei ihrer Leibwächter und Diener.‹
›Die andere Frau war auch eine Dienerin?‹
›Kazuko, nein, das ist keine Dienerin. Es ist ihre Halbschwester, doch das zählt nicht, obwohl sie einen gewissen Sonderstatus hat. Aber es steht mir nicht zu, darüber zu sprechen.‹
O weh, nun hatte ich auch noch an ein Familiengeheimnis gerührt. Ich musste unbedingt vorsichtiger werden, denn in dieser Gesellschaft gab es mehr Geheimnisse und Regeln, als ich mir hatte träumen lassen. Um abzulenken, sagte ich Shigenaga, dass ich weitertrainieren wolle, woraufhin er mich verließ.
Am Nachmittag saß ich meditierend unter einem Baum, der neben Shigenagas Haus stand. Nach einer Weile hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden, und öffnete die Augen.
Katakura Shigenaga stand vor mir, hatte es aber nicht gewagt, mich zu unterbrechen. Allem Anschein nach wollte er mich sprechen. Ich machte eine einladende Geste und deutete auf einen Platz neben mir, doch er winkte ab.
›Ich möchte dich nicht weiter stören. Der Fürst hat mich beauftragt, dir mitzuteilen, dass alles nach unseren Wünschen zu verlaufen scheint. Wie du angeregt hast, wurde dem Metsuke der Eindruck vermittelt, dass der Shogun gerne ein Kräftemessen zwischen dir, dem fremden Yamabushi, und einem guten Bushi sehen möchte. Daraufhin hat er selbst dem Shogun angeboten, ein Duell, das zu seiner Genugtuung stattfinden soll, dafür zu nutzen. Tokugawa Iemitsu war hoch erfreut und verfügte, dass der Kampf morgen, wenn die Sonne am höchsten steht, in einem der Burgvorhöfe stattfinden soll. Sein Vater und einige andere hohe Würdenträger werden anwesend sein.‹
›Date Masamune doch auch, oder?‹
›Ja, er wurde aufgefordert zu erscheinen, schließlich bist du sein Gast. Auch ich soll mitkommen, weil zur Zeit kein anderer verfügbar ist, der chinesisch spricht.‹
›Gut, ich hoffe der Fürst ist zufrieden?‹
›Sehr sogar. Aus diesem Grund sollte ich es dir auch sofort mitteilen.‹
Wir verabschiedeten uns, denn ich wollte mich, so gut es ging, auf den kommenden Tag vorbereiten.
Am nächsten Tag, eine ganze Weile vor der festgelegten Zeit, betraten wir den Vorhof. Ein Beamter des Shogun teilte mir die Verhaltensregeln mit. Katakura Shigenaga übersetzte gewissenhaft alle Anweisungen und ermahnte mich mehrfach, alles genau einzuhalten.
Der Shogun wurde angekündigt, und wir warfen uns auf die Knie. Den Kopf gesenkt und auf unsere Hände blickend, warteten wir, bis die Erlaubnis zum Sicherheben kam.
Mir war es unter Androhung des Todes verboten, den Shogun anzublicken. Deshalb fixierte ich den Boden vor mir, doch aus den Augenwinkeln konnte ich das weitere Geschehen verfolgen. Für den Shogun war unter einem Baldachin ein mit Polstern versehener Stuhl bereitgestellt. Rechts daneben, aber nicht mehr unter dem Baldachin, stand eine Sitzgelegenheit ohne Rückenlehne, über die eine reichverzierte Decke gebreitet war. Unmittelbar nachdem der Shogun Platz genommen hatte, ließ sich ein Mann auf dieser nieder, der viel Ähnlichkeit mit ihm hatte. Später bestätigte sich meine Vermutung, dass es der Vater des amtierenden Shogun sei. Date Masamune erhielt die Genehmigung, nach vorn zu kommen und in einigem Abstand seitlich vom Shogun auf einem Kissen Platz zu nehmen. Eine Ehre, die auch einigen weiteren hohen Persönlichkeiten zuteil wurde.
Als alle ihren Platz gefunden hatten, wurde der Metsuke nach vorn gerufen. Vor dem Shogun kniend, sprach er kurz mit ihm. Danach begab er sich zu Katakura Shigenaga, der neben mir den Boden anstarrte. Nachdem Sanada Masanori einige Worte an ihn gerichtet hatte, erhob er sich und forderte auch mich dazu auf. Wie mir eindringlich mitgeteilt worden war, sollte ich möglichtst nicht direkt zum Shogun schauen. Ich drehte mich also etwas seitlich und hielt den Kopf leicht gesenkt, konnte dabei aber sehen, dass mein Gegner schon in voller Rüstung war. Er trug, wie meine neuen Freunde vermutet hatten, eine do-maru-Rüstung. Sie ähnelte der von Katakura Shigenaga, nur ein Detail war anders, doch das erschien mir eher noch hilfreich zu sein. Zusätzlich zum Helm trug er eine Halbmaske, die Stirn und Wangen schütze. Dieser Typ von Gesichtsmaske, Happuri genannt, hatte an den Wangen Ösen, durch die Schnüre liefen, die den Helm hielten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit der Strategie, die ich mir zurechtgelegt hatte, erfolgreich sein würde, erschien mir nun sehr hoch. Ich war froh, dass mir an jenem Abend so viel über die Rüstungen und ihre einzelnen Teile erklärt worden war.
Der Metsuke sprach mich an, und Shigenaga übersetzte alles ohne Umschweife.
›Sanada Masanori möchte wissen ob du bereit bist, für die Schmach, die du ihm angetan hast, einzustehen?‹
›Ja, das bin ich!‹, mein Dolmetscher übersetzte alles laut und deutlich, damit es jeder der Anwesenden verstehen konnte.
›Dann wird er dich jetzt auf dem Kampffeld in der Mitte des Hofes erwarten. Du sollst deine Rüstung anlegen und mit deinem Schwert dort erscheinen.‹
Ich verbeugte mich vor dem Metsuke, deutete auf meine Shaolin-Kleidung und sagte:
›Ich werde keine Rüstung anlegen, denn ich bin es gewohnt, in dieser Kleidung zu kämpfen.‹
Alle außer denen, die es schon wussten, sahen mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Doch Masanori brachte es auf den Punkt.
›Willst du mich beleidigen, oder bist du einfach nur lebensmüde?‹
Bei diesen Worten machte er ein mehr als wütendes Gesicht.
›Weder das eine noch das andere. Ich komme aus einem anderen Land, bin es nicht gewohnt, in einer solchen Rüstung zu kämpfen, und habe auch kein Tachi. Meine Waffe ist ein einfaches chinesisches Schwert, und ich habe bisher immer ohne Rüstung gekämpft. Von einer Beleidigung kann also keine Rede sein, da es meine traditionelle Kleidung ist, und ob ich lebensmüde bin, mag der Kampf entscheiden.‹
Sanada Masanori machte eine wegwerfende Handbewegung, ging in die Mitte des Hofes und schnaubte einige mürrische Worte vor sich hin.
›Das ist keine Ehre für mich‹, übersetzte Shigenaga, doch ich hatte den Eindruck, dass es nicht alles war, was der Metsuke gesagt hatte.
Mein chinesisches Schwert wurde mir gebracht, und ich folgte meinem Gegner. Bei diesen Schritten ließ ich mich vollkommen fallen und übergab alles an mein Chi. Das Schwert in meiner Hand wurde eins mit meinem Körper. Die Umgebungsgeräusche reduzierten sich auf das Wesentliche, und alles um mich herum wurde von meinem Chi präzise ausgewertet. Jede Bewegung eines Schattens, jeder Lufthauch, durch eine Bewegung verursacht, wurde gewertet und alles ausgeblendet, was nicht unmittelbar wichtig war für meinen Kampf.
Ich stand vor Masanori, verneigte mich leicht und nahm eine vollkommen entspannte Haltung ein. Der Metsuke antwortete seinerseits mit einem leichten Nicken und begann mich fixierend zu umkreisen. Wie ich es schon bei meinem nächtlichen Training mit Katakura Shigenaga erlebt hatte, wechselte auch er ständig die Schwertposition. Nach wenigen Sekunden hätte ich die Augen schließen können, denn seine Gedanken waren so stark auf seine Schwertführung konzentriert, dass ich jede Positionsänderung schon vor der Ausführung wahrnahm. Ich passte meine Bewegungen den seinen an, was ihn sichtlich irritierte. Aus diesem Grunde dauerte es eine ganze Weile, bis er seinen ersten Angriff startete.
Er täuschte einen Positionswechsel des Schwertes von rechts nach links an. Doch als er mit seinem Tachi nur ein klein wenig am Kopf vorbei war holte er Schwung und zielte mit einer ziehenden, schneidenden Bewegung auf meinen rechten Oberarm. Mein Vorteil war, dass ich in seinen Gedanken schon gesehen hatte, was er beabsichtigte. Im selben Moment, wie sein Angriff begann, erfolgten meine Ausweichbewegung und sogleich auch mein Gegenangriff. Mit einer Rechtsdrehung um meine Achse und drei kurzen Schritten verhinderte ich, dass er effektiv darauf reagieren konnte. Dann nutzte ich die Blöße, die er sich durch die erhobenen Arme gegeben hatte. Ein schneller Schnitt und sein Obi war durchtrennt.
Als wirklich guter Schwertkämpfer reagierte er sofort auf meine Bewegung. Da er wegen des Überraschungseffektes nur wenig Schwung holen konnte, gelang es ihm, dem Tachi eine neue Richtung zu geben. Um nicht doch noch getroffen zu werden, musste ich den Schwung meiner Drehung nutzen. Der Abwärtsbewegung, die ich machte, um den Gürtel zu durchtrennen, folgte ich mit meinem ganzen Oberkörper. Als mein Gesicht und die Hände nur wenige Zentimeter über dem Boden waren, schwang sein Tachi über meinen Rücken und hinterließ einen Schnitt in meinem Obergewand. Ich stand nur auf dem rechten Bein, holte mit dem linken Schwung und wirbelte mich durch die gesammelte Energie aus Drehung und Beinschwung in einen sicheren Stand außerhalb seiner Reichweite. Aber das wäre gar nicht notwendig gewesen, denn er war auf Grund des durchtrennten Obi in seinen Bewegungen eingeschränkt.
Wie mir Shigenaga erklärt hatte, verlagerte ein gut gebundener Obi einen Teil der Rüstungslast auf die Hüften, während bei ihm jetzt die ganze Last auf den Schultern lag. Die konnte er nach diesem Gegenangriff nicht mehr so gut heben und die Oberarme auch nicht mehr effektiv drehen. Er war mit seinem Schwertstreich meiner Drehung gefolgt und bemühte sich wieder um einen sicheren Stand. Sein Tachi hatte er erneut in Angriffsposition erhoben, und seine Augen funkelten mich wütend an.
Das Ganze hatte nur wenige Augenblicke gedauert. Ein kaum wahrnehmbares Raunen war zu hören gewesen, doch ich konnte keinen Blick zur Seite wagen, denn schon umkreiste er mich wieder, und nur kurze Zeit später erfolgte der nächste Angriff. Er schwang sein Schwert von rechts nach links, wieder in einer ziehenden, schneidenden Bewegung. Doch auch diesmal gelang es mir, gleichzeitig mit seiner Attacke meine Ausweichbewegung zu starten. Glücklicherweise hatte ich durch meine guten Lehrmeister in Shaolin meine Beweglichkeit so verbessert, dass es mir möglich war, meinen Oberkörper nach hinten fast in die Waagerechte zu drücken. In dieser Position führte ich eine leicht drehende Bewegung aus, zog dabei das Schwert über meinen Bauch hinweg und führte es dann ziehend nach oben. Ich war seinen Händen gefolgt und hatte das Befestigungsband, das nur wenige Zentimeter oberhalb des Handgelenks den Hand- und Unterarmschutz am rechten Arm hielt, durchtrennt. Anschließend schwang ich den Oberkörper wieder nach oben, nahm eine Abwehrhaltung ein und schaute meinem Gegner in die Augen.
In seinen zornigen Blick mischte sich langsam achtungsvolles Staunen. Ohne in seiner Aufmerksamkeit nachzulassen, schaute er auf sein rechtes Handgelenk. Sobald er seinen Arm seitlich oder mit dem Handrücken nach unten hielt, rutschte der Hand- und Unterarmschutz weg, da er nur noch unterhalb des Ellenbogens gehalten wurde. Das Handgelenk war in diesem Augenblick ungeschützt und die Bewegungsfreiheit behindert. Schnell kamen seine nächsten Angriffe. Bei einem trug ich eine kleine Schnittwunde am Unterarm davon, bei anderen wurde meine Kleidung wieder in Mitleidenschaft gezogen. Doch fast jedes Mal konnte ich einen Gegenangriff ausführen, und nach einiger Zeit stand er in einer Rüstung vor mir, die ihn mehr behinderte als schützte. Der linke Schienbein- und Wadenschutz, der nur noch unten befestigt war, hing lose an seinem Bein und brachte ihn bei manchen Bewegungen fast zu Fall. Die rechte Reisstrohsandale hatte sich gelöst, so dass er auf der Socke stand. Bei diesem Schnitt hatte er auch die einzige Verletzung davontragen müssen, eine kleine Wunde auf dem Oberfuß. Der rechte Schulter- und Oberarmschutz war nur noch vorn befestigt und schlug in bestimmten Situationen vor sein Gesicht.
Als er sich noch einmal eine Blöße auf der rechten Seite gab, konnte ich die untere Verschnürung des Kürass durchtrennen. Den effektivsten Schaden richtete aber mein letzter Gegenangriff an. Es war mir gelungen, die Schnur zu durchtrennen, mit der der Helm unter dem Kinn befestigte war, so dass er nur noch von dem Haarzopf gehalten wurde, der durch das Loch in der Mitte des Helms gezogen war. Er rutschte immer wieder ins Gesicht, und die Halbmaske verdeckte die Augen. Wenn er die nicht getragen hätte, hätte ich diesen Schnitt nicht gewagt, denn eine Verletzung des Gesichtes wollte ich auf keinen Fall provozieren. Doch da die Schnur über die Halbmaske gezogen war, hatte ich nur auf dieser einen starken Kratzer hinterlassen.
Schwer atmend stand er vor mir. Ihm war mit Sicherheit klar, dass er aus diesem Duell nicht mehr siegreich hervorgehen konnte, aber eingestehen wollte er es nicht. Um ihm die Entscheidung abzunehmen, trat ich drei Schritte zurück, senkte das Schwert und neigte den Kopf.
Es war für ihn ein Dilemma, denn er hatte mich züchtigen wollen, weil ich es ihm gegenüber an Respekt hatte fehlen lassen und nun war ihm die nächste Schmach zugefügt worden. Er, ein Meister des Schwertkampfes, musste sich eingestehen, dass meine Angriffe auch andere Folgen hätten haben können. Wenn er sich jetzt geschlagen gab, war seine Ehre noch mehr befleckt.
Doch nun tat Date Masamune, was wir vorher abgesprochen hatten. Er wandte sich mit der Bitte, etwas sagen zu dürfen, an den Shogun. Nachdem er die Erlaubnis erhalten hatte, stand er auf, trat an Sanada Masanori heran und sagte so laut, dass alle es hören konnten:
›Metsuke Sanada Masanori, es ist keine Schande, diesem Mann unterlegen zu sein. Er ist ein Großmeister der chinesischen Yamabushi und in vielen Kampfarten bewandert. Er hat mir und meinen Dienern das Leben gerettet, und ich bin ihm verpflichtet, weshalb ich ihn in unser Land einlud. Leider haben ich und auch Katakura Shigenaga versagt, denn wir haben ihn nicht genügend mit unseren Sitten und Gebräuchen vertraut gemacht. Also trifft uns die Schuld an seinem unhöflichen Verhalten. Wir müssten dir Genugtuung geben, doch das verweigerte er uns. Bei einem Gespräch vor diesem Kampf teilte er mir mit, wie sehr er sein Fehlverhalten bedauert und dass er nichts sehnlicher wünscht, als diese Schmach zu tilgen.‹
Er wandte sich kurz mir zu und gab mir damit ein verabredetes Zeichen.
›Wenngleich es seine Ehre nicht zulässt, sich schwächer zu zeigen, als er ist, wird er sich deiner Gnade oder Ungnade unterwerfen.‹
Bei diesen Worten hatte ich mich auf mein linkes Knie herabgelassen, das Schwert neben mein angewinkeltes rechtes Bein auf den Boden gelegt und meinen Kopf gesenkt. In dieser Stellung wartete ich auf seine Entscheidung, denn der Daimyo meinte, er könne nichts anderes mehr tun, als die Sache friedlich beizulegen. Da der Fürst indes nichts dem Zufall überlassen wollte, hatte er noch ein paar Fäden gezogen.
Die Entscheidung fiel dem Metsuke nicht leicht, denn er empfand es als beschämend, einem wie mir so offensichtlich unterlegen zu sein. Auf der anderen Seite wäre es nicht mehr ehrenvoll gewesen, mich in dieser Situation zu züchtigen. Die Zeit verrann, und unschlüssig schaute er auf mich herab. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass sich Tokugawa Hidetada zu seinem Sohn hinüberbeugte und ihm etwas zuraunte. Unwillig sah der Shogun seinen Vater an, erhob sich jedoch und forderte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden.
Es waren nur wenige Sätze, die er sprach, doch in seiner Stimme lag etwas Bestimmendes. Als er geendet hatte, schaute er fragend zu dem Metsuke. Der verneigte sich tief vor ihm, drehte sich um, kam auf mich zu und forderte mich mit einer Geste zum Aufstehen auf. Als ich mich langsam, das Schwert liegenlassend, erhoben hatte, schaute er sich kurz um und rief Katakura Shigenaga heran, mit dem er ein paar Worte wechselte, die Shigenaga übersetzte:
›Sanada Masanori hat mich gefragt, ob du verstanden hast, was der Shogun gesagt hat?‹
›Nein.‹
›Das sagte ich ihm auch schon, da du erst einige wenige Worte unserer Sprache verstehst. Deshalb soll ich dir das Gesagte übersetzen.‹
Er machte eine kurze Pause und verneigte sich leicht in Richtung des Shogun.
›Tokugawa Iemitsu hat den Metsuke aufgefordert, die Streitigkeiten mit dir beizulegen. Er sagte, für ihn sehe es so aus, als würde deine vermeintliche Unhöflichkeit auf zwei Missverständnissen beruhen. Zum einen, weil Sanada Masanori annahm, dass du mit unseren Umgangsformen vertraut seist, und zum anderen, weil du nach deinem äußeren Erscheinungsbild anscheinend im Rang weit unter ihm stehst. Natürlich schützt Unwissenheit nicht vor Strafe. Da du aber ein Gast von Date Masamune bist und er die Verantwortung übernommen hat, wünscht er eine friedliche Beilegung des Konflikts. Außerdem wurde ihm berichtet, du seist so etwas wie ein General.‹
Erstaunt zog ich die Brauen hoch, doch Shigenaga gab mir mit den Augen einen Wink und fuhr fort:
›Was ja bedeuten würde, dass ihr beide in etwa den gleichen Rang habt, weshalb die Höflichkeitsformen deinerseits gar nicht so hätten ausfallen müssen, wie er es erwartet hatte.‹
Er deutete nun auf meinen Gegner und übersetzte, was dieser dazu gesagt hatte.
›Sanada Masanori hat erkannt, dass du ein großer Bushi bist, und er ist sehr beeindruckt von deinen Fähigkeiten. Aus diesem Grund und natürlich weil der Shogun es so wünscht, wird er damit diese unglückliche Begegnung als vergessen betrachten. Doch er stellt eine Bedingung!‹
Katakura Shigenaga holte tief Luft und sah mir unsicher in die Augen.
›Er möchte mehr über deine Art zu kämpfen erfahren. Aus diesem Grund wünscht er, dass weitere Treffen stattfinden, in denen du ihn unterweist.‹
Das gefiel mir nicht so sehr, denn ich wusste ja nicht, was daraus entstehen würde. Andererseits war es in diesem Moment kaum möglich, abzulehnen, ohne ihn schon wieder zu beleidigen. Deshalb versuchte ich es mit einem Kompromiss.
›Ich werde seinem Wunsch natürlich nachkommen, doch der Metsuke sollte eins bedenken. Um den Stand der Kampffertigkeiten zu erreichen, den ich jetzt habe, musste ich acht Jahre lang täglich von morgens bis abends trainieren. Es gab in dieser Zeit nur wenige Tage, an denen das Training ausfiel, und viele andere erreichen diesen Stand nie oder erst nach vielen Jahren.‹
Shigenaga übersetzte synchron, was ich gesagt hatte, und ich konnte beobachten, wie sich die Miene von Masanori wandelte, erst ins Ärgerliche, dann ins Interessierte und schließlich in ein Lächeln.
›Ich merke schon, es gibt viel zu erfahren und zu lernen, auch wenn ich Ihre Kampffertigkeit vielleicht niemals erlange.‹
In seiner Miene war der Schalk nicht zu übersehen, also hatte er meine Taktik durchschaut.
›Ich freue mich auf die Treffen mit ... Oh, ich kenne ja noch nicht einmal den Namen meines neuen Freundes. Wie darf ich Sie denn nennen?‹
›In Shaolin nannte man mich Gü Man und später als Meister Xu Shen Po.‹
Er lachte kurz auf, bückte sich, hob das chinesische Schwert auf und prüfte die Klinge.
›Nun denn, Xu Shen Po! Denn der andere Name wäre eine Beleidigung.‹
Bei diesen Worten hielt er mir das Schwert mit Heft entgegen, doch als ich zugreifen wollte, zog er es wieder etwas zurück.
›Aber bitte vorsichtig, denn aus Erfahrung weiß ich, dass die Schneide recht scharf ist.‹
Ich nahm es entgegen und stellte es mit der Spitze auf den Boden.
›Ich wünschte, es wäre nie geschehen‹, dabei neigte ich leicht den Kopf.
›Oh, nein, nein. Es ist gut so, denn ich merke, dass diese Begegnung eine Bereicherung für mich sein wird. Es wäre nur besser, wenn auch alle anderen Sie als das erkennen könnten, was Sie sind, und Sie nicht wegen ihres Äußeren für einen Chonin halten.‹
Jetzt mischte sich Date Masamune, der immer noch neben uns stand, ins Gespräch.
›Das soll auch geschehen, doch leider geht es nicht so schnell, wie ich es wünschte. Zum einen möchte ich, da er ja kein Einheimischer ist, die Erlaubnis unseres Herrn einholen‹, er nickte mit dem Kopf in Richtung Shogun. ›Und es ist auch noch zu klären, welche Familie ihn aufnimmt. Ich habe zwar schon einige in der engeren Wahl, doch ich muss erst mit deren Familienoberhäuptern sprechen.‹
Als Shigenaga das übersetzte, horchte ich auf und schaute ihn verblüfft an.
›Nicht jetzt. Der Fürst wollte und wird es dir erklären. Er ....‹
Tokugawa Iemitsu unterbrach unser Gespräch und forderte den Daimyo auf, ihm zu folgen. Date Masamune kam der Aufforderung sofort nach, denn der Shogun hatte sich schon erhoben. Tokugawa Hidetada und zwei weitere hohe Beamte schlossen sich an. Kaum waren die hohen Herren unseren Blicken entschwunden, wurden wir auch schon aufgefordert, das Burggelände zu verlassen. Mir war es nur recht, hoffte ich doch, noch einmal glimpflich aus dieser Situation herausgekommen zu sein. Zusammen mit Katakura Shigenaga ging ich zurück zum fürstlichen Anwesen. Unterwegs erklärte mir mein Dolmetscher alles, was ich nicht verstanden hatte. Dabei wurde mir bewusst, dass ich die Sprache so schnell wie möglich erlernen musste, um nicht noch einmal in derlei Schwierigkeiten zu geraten.«