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(3) Bereitstellung von Web- oder Filespace

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Die Bereitstellung von Webspeicher oder Filespeicher ist rechtlich gesehen ein wenig komplexer anzusehen. Im Wesentlichen sind dabei zwei Fragen zu beantworten: die vertragstypologischen Zuordnung und das Leistungsstörungsrecht.

(a) Vertragstypologische Zuordnung

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Die Bereitstellung von Webspeicher und Filespace kann sicherlich nicht mit den gesetzlichen Regelungen ausreichend geregelt werden. Somit bedarf es eindeutiger vertraglicher Absprachen, wie z.B. ein Service-Level-Agreement und weiterer Regelungen.

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Zur rechtlichen Einordnung von Cloud-Verträgen, in denen Webspeicher und Filespace zur Verfügung gestellt werden, werden in der Rechtsprechung nahezu alle Auffassungen bis auf die, dass es sich um einen Vertrag eigener Art handle, vertreten.[393] Es kann noch nicht von einer herrschenden Meinung gesprochen werden. Jedoch ist erkennbar, dass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der Gerichte der Auffassung ist, dass der RZ-Vertrag als Werkvertrag zu qualifizieren ist.[394] Rechtlich gesehen dürften die meisten Cloud-Verträge zunächst einmal Dauerschuldverhältnisse sein.[395]

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Die Einordnung von Cloud-Verträgen in die vertragstypologische Einordnung der im BGB gesetzlich normierten Verträge richtet sich nach der tatsächlich geschuldeten Leistung. Das Abspeichern der Daten und deren Sicherung auf dem Host des Cloud-Anbieters kann aber auch eine Verwahrung gemäß § 688 BGB darstellen.[396] Auch bei der Verwahrung werden nur bewegliche Gegenstände erfasst, so dass sich hier das gleiche Problem wie bei der Miete stellt. Vorteil dieses Vertragstyps ist, dass der Application Service Provider weder die Daten selbst nutzen[397] noch bei Dritten gemäß § 691 BGB hinterlegen, also etwa bei anderen Providern, speichern darf. Stellt der Auftragnehmer vor allem Rechenkapazität zur Verfügung, so liegt zeitweise bzw. teilweise Überlassung und somit Miete vor.[398] Dabei ist unerheblich, dass der Cloud-Kunde über Terminals oder PC (via Internet Explorer oder GUI = Graphical User Interface) Zugriff auf den Host des Cloud-Anbieters erhält. Dem Cloud-Vertrag, bei dem nicht auch die Erfüllung einer bestimmten betrieblichen Funktion geschuldet ist, entspricht insbesondere im Hinblick auf die Langzeitbindung am ehesten die Miete. Wichtig ist dies, weil dann die mietrechtlichen, evtl. dienstvertragsrechtlichen Kündigungsregeln und nicht § 649 BGB zur Anwendung kommen.[399] Somit handelt es sich bei Cloud-Verträgen grundsätzlich erst einmal um Miete von IT-Infrastrukturen.[400]

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Kein Mietvertrag dürfte dann vorliegen, wenn der Cloud-Anbieter nicht nur Kapazitäten zur Verfügung stellt, sondern der Cloud-Anbieter mit eigenen Programme bzw. Applikationen Daten des Cloud-Kunden bearbeitet. Hierbei liegt die Einordnung ins Werkvertragsrecht sehr nah.[401]

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Das reine Operating (Hosting), sprich das Betreiben des Rechenzentrums des Kunden, lässt sich eher dem Dienstvertragsrecht nach §§ 611 ff. BGB zuordnen, sofern kein Erfolgsmoment vorliegt.[402] Solche Modelle sind aber meist nicht Bestandteil von Cloud-Verträgen.

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Beim Web-Hosting (ggf. auch für das Storage-Management), der auch auf dem Host des Cloud-Anbieters gespeichert wird, wird vertreten, dass es sich hierbei nicht um einen Mietvertrag nach §§ 535 ff. BGB handelt, sondern um einen Werkvertrag nach §§ 631 ff. BGB; Der Cloud-Anbieter schuldet als Leistung lediglich, dass die Website des Kunden bei ihm irgendwo gespeichert wird und dass sie im Internet aufgerufen werden kann. Eigentliche Leistung ist daher die Aufbewahrung der Information und ihr Zurverfügunghalten für den Abruf im Internet. Dies lässt am Vorliegen eines Mietvertrages ernsthaft zweifeln. Für den Kunden ist vor allem wichtig, dass die Inhalte dauernd abrufbar sind. Wie der Cloud-Anbieter diese Leistung erbringt, ist dem Cloud-Kunden gleichgültig. Damit wird nicht primär Speicherplatz überlassen, sondern primär ein Erfolg, nämlich die Abrufbarkeit im Internet geschuldet.[403] Das Einspeichern der Website ist nur technische Voraussetzung des geschuldeten Erfolgs. Dies führt eher zur Annahme eines Werkvertrags.[404]

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Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass es im Wesentlichen auf die vereinbarten Leistungen ankommt, um diese rechtlich beurteilen zu können. Die rechtliche Betrachtung von Cloud-Verträgen richtet sich nach der konkreten Frage, welche Art von Rechenleistung der Cloud-Anbieter dem Cloud-Kunden zur Verfügung stellt. Die vertragstypologische Einordnung von Cloud-Verträgen (hierunter fallen auch Hosting-Verträge)[405] steht rein praktisch trotz zahlreicher Stellungnahmen in der Literatur noch am Anfang – Rechtsprechung, gar obergerichtliche Rechtsprechung, gibt es nur ganz selten.[406]

(b) Leistungsstörungsrecht

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Treten Mängel an der Hardware und/oder Applikationen des Cloud-Anbieters auf und lässt sich der Cloud-Vertrag grundsätzlich dem Mietvertrag gem. §§ 535 ff. BGB zuordnen, so hat der Cloud-Anbieter gem. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Mängel während der gesamten Vertragslaufzeit einzustehen. Denn nach § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB darf der Cloud-Kunde verlangen, dass der Cloud-Anbieter ihm während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache gewährt. Gebrauchsgewährung bedeutet nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB dreierlei:[407]

Überlassung,
Belassen und
Erhaltung der Mietsache im vertragsgemäßen Zustand.

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Der Anspruch (sofern Mietrecht unterstellt werden kann) des Cloud-Kunden beruht somit darauf, dass der Cloud-Anbieter gem. § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet ist, die Software/Application (inkl. Hardware) beim ASP und die Hardware inkl. Betriebssystem (OSS wie BS2000) beim Hosting (Datenbank– bzw. Application-Hosting) in einem zu dem vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Dies beinhaltet auch, dass der Cloud-Anbieter die Applikationen (beim ASP) bzw. den Host im Rahmen der vereinbarten Service-Level zur Verfügung stellt. Die Mängelhaftung der §§ 535 ff. BGB ist daher grundsätzlich verschuldensunabhängig und unterscheidet u.a. nicht nach besonderen Sachkenntnissen.[408]

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Während der Vertragslaufzeit kommt die verschuldensunabhängige Sachmängelhaftung des Mietrechts zur Anwendung. In der Praxis wird deshalb z.T. vertreten, dass man die strenge Sachmängelhaftung des Mietrechts umgehen müsse.[409] Dabei vertritt die Praxis die Ansicht, dass der Cloud-Anbieter nicht dafür zur Verantwortung gezogen werden könne, wenn er die Applikation bzw. Soft- und/oder Hardware von einem Dritten erworben habe und diese dann später Mängel aufweise. Auch habe der Cloud-Anbieter oftmals nicht das Know-how Mängel an Soft- und Hardware zu beseitigen. Fraglich ist unter solch praxisrelevanten Gesichtspunkten allerdings, ob dies dem Provider gerecht würde. Diese Betrachtungsweise ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei den Cloud-Verträgen, in denen Web- und Filespeicher zur Verfügung gestellt wird, vertragstypologisch wohl um einen Mietvertrag handelt und die Mängelhaftung des Mietvertrages nun einmal verschuldensunabhängig ausgerichtet ist.[410]

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Vorrang des Mietrechts: Aufgrund der Schuldrechtsmodernisierung ist zudem unklar, inwieweit neben besonderen Mietrechtsregelungen z.B. noch das allgemeine Schadensersatzrecht der §§ 280 ff. BGB und die Rücktrittsregelungen der §§ 323 ff. BGB anwendbar sind.[411] Der Gesetzgeber hat sich damit nicht ausdrücklich befasst. Allerdings geht aus den allgemeinen Grundsätzen des BGB wohl hervor, dass die mietrechtlichen Regelungen vor denen des allgemeinen Schuldrechts vorrangig sind. Eine Doppelregelung mit unterschiedlichen Rechtsfolgen wäre übrigens auch nicht begrüßenswert, weil dies dann u.a. zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen würde.[412]

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Die Abgrenzung von Haupt- und Nebenpflichten stellt sich wie folgt dar: Die Anwendung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts sollte nur hinsichtlich der Verletzung von Nebenpflichten in Betracht gezogen werden (z.B. bei fehlerhaftem Applikation-Support, Einweisung etc.). Unklar ist derzeit allerdings noch die genaue Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistungspflichten des Cloud-Vertrages. Eine genaue Abgrenzung, wann eine Hauptpflicht und wann genau eine Nebenpflicht verletzt wurde, bleibt damit der künftigen Rechtsprechung überlassen.

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Ein Recht zur Minderung sieht Folgendes vor: Tritt ein Mangel an der Applikation bzw. Soft- oder Hardware im Rahmen einer Hauptleistungspflicht auf, kann der Anwender gem. § 536 BGB sofort eine angemessene Minderung der Vergütung vornehmen. Dieses Minderungsrecht seitens des Anwenders ist verschuldensunabhängig und fällt ihm automatisch zu, es sei denn, er hat den Mangel zu vertreten. Allerdings ist dies nur für Ausnahmefälle vorstellbar, weil er auf die Applikation bzw. Software direkt keinen Zugriff hat, da diese sich ja auf dem Server des Cloud-Anbieters befindet. Daher bleibt es wohl dem Cloud-Anbieter überlassen, das Minderungsrecht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) z.B. so einzuschränken, dass es der Cloud-Kunde nur dann geltend machen kann, wenn es unbestritten oder gerichtlich festgestellt ist.[413]

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Nach Vertragsschluss auftretende Mängel: Die verschuldensunabhängige Haftung des Cloud-Anbieters gilt grundsätzlich auch für erst nach Vertragsschluss auftretende Mängel, sofern diese bei Vertragsschluss bereits vorhanden (aber noch nicht hervorgetreten) waren.[414] Ein Haftungsausschluss oder aber eine Haftungsbegrenzung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist aber z.B. wohl auch bei Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB möglich, da die verschuldensunabhängige Haftung für das Haftungssystem des Zivilrechts atypisch ist und regelmäßig auch in AGB abbedungen werden kann.[415]

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Dies sollte zumindest auch bei Cloud-Verträgen gelten, die im unternehmerischen Verkehr abgeschlossen werden. Ein solcher Haftungsausschluss ist für den Cloud-Anbieter auch besonders wichtig, da etwaige Mängel bei der Soft- oder Hardware üblicherweise bereits bei Abschluss des Cloud-Vertrages vorliegen. Fraglich ist demgegenüber, wie die verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung des Cloud-Anbieters gem. § 536a BGB gegenüber dem Anwender zu behandeln und möglicherweise zu beschränken ist.

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Schadensersatz: Gemäß § 536a Abs. 1 BGB kann der Cloud-Kunde unbeschadet der Rechte aus § 536 BGB u.a. Schadensersatz verlangen, wenn die gemietete Applikation bzw. Software oder Hardware bereits bei Vertragsschluss einen Mangel aufweist oder ein solcher im Laufe der Vertragszeit wegen eines Umstandes entsteht, den der Cloud-Anbieter zu vertreten hat. Gleiches gilt, wenn der Cloud-Anbieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug gerät. Im Rahmen dieses Schadensersatzes kann der Cloud-Kunde den Minderwert des Gebrauchs der Applikation bzw. Software, den entgangenen Gewinn sowie sonstige Begleitschäden geltend machen.[416]

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Kündigung: Kommt es infolge eines Mangels der Applikation bzw. Soft- oder Hardware sogar zu einem längerfristigen Systemausfall, d.h. der Anwender des Cloud-Kunden kann die Applikation oder die Datenbank ganz oder teilweise gar nicht mehr nutzen, so ist er weiterhin berechtigt, den Cloud-Vertrag gem. §§ 543 ff. BGB außerordentlich aus wichtigem Grund zu kündigen.

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Anzeigepflicht: Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadensersatz ist, dass der Cloud-Kunde dem Cloud-Anbieter unverzüglich gem. § 536c BGB den Mangel anzeigt. Ansonsten kann er sich selbst schadensersatzpflichtig machen.

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AGB-rechtliche (Un-)Beschränkbarkeit: Zudem darf die verschuldensabhängige Haftung nicht wirksam durch AGB eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen sein. Hier haben sich durch die Schuldrechtsmodernisierung einige Neuerungen ergeben:

Neu ist jetzt insbesondere die Verbotsnorm des § 309 Nr. 7 lit. a BGB. Danach ist es dem Provider ausdrücklich nicht gestattet, die Schadensersatzhaftung wegen der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit des Anwenders in AGB abzubedingen.
Ein Haftungsausschluss bzw. eine Haftungsbegrenzung bei grober Fahrlässigkeit ist nunmehr gem. § 307 Abs. 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht zulässig (und zwar unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung zu § 9 ABG-Gesetz dann wohl auch nicht im unternehmerischen Verkehr).
Allenfalls kommt in AGB eine Haftungsbeschränkung für Schäden infolge leichter Fahrlässigkeit in Betracht. Jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, dass bei der Verletzung von vertragswesentlichen Pflichten (sog. Kardinalpflichten) lediglich eine Begrenzung auf das vertragstypische vorhersehbare Risiko zulässig ist.[417]

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Die „sonstigen“ Leistungen des Cloud-Anbieters können je nach Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung unterschiedlich beurteilt werden. In Betracht kommt dabei vor allem dienst- oder werkvertragliche Gestaltung. Hotline, Support, Fehlerhilfe werden eher dem Dienstvertragsrecht unterfallen. Will der Cloud-Anbieter bei bestimmten Leistungsbereichen, beispielsweise der Fehlerbehebung, für einen bestimmten Leistungserfolg eintreten, kann Werkvertragsrecht anwendbar sein. Wenn das Ergebnis in der Herstellung einer beweglichen Sache besteht, kann nach § 651 BGB Kaufrecht zur Anwendung kommen.[418]

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