Читать книгу Fee und der Schlangenkrieger - Joanne Foucher - Страница 4
ОглавлениеDer neue Dozent
Am Samstagnachmittag fuhr Fee zu Ela. Sie brachte ihre Bücher mit und setzte sich an Elas Schreibtisch, während Ela auf dem Bett lag und einen weiteren Artikel über ihre Wagengräber las. Allerdings hatte Fee keine Lust, die Bücher über die Zwischenprüfungsthemen ihres Nebenfachs zu lesen und surfte statt dessen im Internet. Als sie am späten Nachmittag zu einem Spaziergang mit Ela aufbrach, hatte sie ein schlechtes Gewissen.
„Ich weiß überhaupt nicht, wie ich jemals meinen Abschluss machen soll“, sagte sie mutlos. Ela lebte nicht direkt in Bonn sondern in Alfter. Nun gingen sie zusammen über die Felder. „Ich hab einfach keine Disziplin.“
Ela seufzte.
„Tja, das kann ich mir nicht leisten. Wenn ich jetzt aufhöre zu lernen, war’s das für mich. Durchgefallen.“
„Du wirst nicht durchfallen, Ela. Du, im Gegensatz zu mir, bist sehr diszipliniert.“
Ela lachte müde.
„Komm lass uns nicht über die Uni reden. Gibt’s was Neues von dir und, wie hieß er noch, David Ranseier?“
Fee brach in Gelächter aus.
„Wie bitte?“
„Nicht? Ich dachte, da läuft was.“
„Du liebe Güte, nein! Mit dem doch nicht.“
„Mit wem anders?“
Fee hob die Augenbrauen.
„Mit wem denn? Bei uns im Institut ist doch nichts zu holen.“
„Das stimmt allerdings.“
Ela ließ ihren Blick über die Felder schweifen, über die grünen Triebe, die dort aufgelaufen waren, und die den braunen Feldern nach dem Winter nun ein frisches grünes Aussehen gaben.
„Furchtbar. Ich meine, ich hab ja sowieso keine Zeit, aber ich hätt’ so gern mal wieder ’nen Mann.“
Fee zuckte mit den Achseln.
„Du bist jetzt auch schon ziemlich lange Single, oder?“, wollte Ela wissen.
„Über ein Jahr.“
Ela nickte. Fee hatte sich von ihrem Freund, mit dem sie vier Jahre lang zusammengewesen war, getrennt, weil sie nicht mehr verliebt in ihn gewesen war. Das Problem, das Ela sah, war, dass sie sich auch in niemand anderen verliebte. Fee selber fand das prima. Nachdem sie solange in einer festen Beziehung gewesen war, die begonnen hatte, als sie zwanzig war, tobte sich Fee seit einem Jahr aus, feierte, schleppte Männer ab und genoss ihr Leben.
„Woran liegt es, dass du dich auf niemanden einlassen kannst?“
Fee zog eine Grimasse. Sie redete nicht gern mit Ela über ihre Gefühle. Ela konnte sehr rechthaberisch sein und brachte sie in Situationen, in der Fee das Gefühl hatte, sich rechtfertigen zu müssen. Sie war im Moment vollkommen zufrieden damit, die Dinge einfach so weiterlaufen zu lassen, anstatt sich zu viele Gedanken zu machen.
„Hm“, machte sie, um Zeit zu gewinnen, „ich such einfach keine Beziehung…“, ein Konzept, das, wie sie wusste, Ela nicht verstehen konnte, „ich find es super, Männer kennenzulernen, wir machen, was wir wollen, finden uns gegenseitig großartig, haben Spaß miteinander, aber es ist völlig unverkrampft, weil es nicht zwangsläufig auf eine Beziehung hinauslaufen soll. Was ist mit dir?“
„Tja, nach der Pleite mit Mark… ich hab gedacht, er wär anders…“, sie verließen die Feldwege und kehrten auf die asphaltierten Straßen zurück. „Ich könnt manchmal wirklich brechen! Nur am lernen, ewig nur Stress, die Männer sind alle Lügner… ich find das unfair. Wieso krieg ich eigentlich nur die Scheiße ab und Schlotte hat immer Glück?“
Weil du jedesmal ohne lange zu fackeln mit beiden Händen beherzt in die Scheiße greifst, dachte Fee, hütete sich aber, das zu sagen. Schlotte stand noch am Anfang ihrer Magisterarbeit. Sie arbeitete konsequent daran und hatte nicht dass Gefühl, dass ihr Privatleben und ihre Beziehung zu kurz kamen. Fee wusste, dass Ela dazu neigte, sich mit ihren Freundinnen zu vergleichen, und das, was sie, Fee, oder Schlotte hatten, erschien ihr dann erstrebenswerter, als das was sie selbst hatte. Besonders, dass sie Single war, machte sie traurig. Ela wünschte sich so sehr einen Freund, der sie liebte und den sie glücklich machen konnte, dass sie sich, so schien es Fee, unreflektiert in jede Beziehung stürzte, die sich anbot. Es überraschte Fee nicht, dass diese Beziehungen beinahe immer im Chaos und in Tränen endeten. Schlotte hingegen war seit über drei Jahren mit ihrem Freund glücklich.
Fee zuckte mit den Achseln.
„Lass uns mal langsam wieder zu dir gehen. Die Sonne geht unter, und mir wird kalt.“
Der Sonnenuntergang war außergewöhnlich schön. Fee sah verzaubert zu, wie der Himmel sich orange färbte und die Wolken in ein orange-rotes Licht getaucht wurden. Als sie später in Elas Küche bei einer Tasse heißem Kakao saßen, dachte sie darüber nach.
„War der Sonnenuntergang heute besonders schön oder liegt es nur daran, dass ich in einer blöden Stadt wohne und einfach seit Wochen keinen Sonnenuntergang mehr gesehen hab?“
Ela lächelte Fee mitleidig an. Fee kam aus einem kleinen Dorf in der Altmark und sie wusste, wie unglücklich es sie machte, in der Stadt zu wohnen.
„Hör mal, Fee, du kannst gerne öfter vorbeikommen. Ich weiß ja, dass du lieber auf dem Land wohnen würdest und dann hab ich ein bisschen Gesellschaft, das würde mich auch freuen.“
„Danke, Ela, das ist echt lieb.“ Fee nahm einen Schluck Kakao. „Ich hab das Gefühl, das wird ein interessantes Semester.“
„Was?“ fragte Ela ungläubig, „Du willst echt wieder studieren?“
„Klar. Ich will mein Studium eigentlich nicht abbrechen. Ich hab zwar keine große Lust, aber jetzt nachdem ich das Jahr Auszeit genommen hab, muss ich mich schon wieder mehr auf die Uni konzentrieren. Ich denke, ich bin soweit. Im letzten Sommer ging gar nichts, aber letztes Semester war ich motiviert und kreativ!“
„Ja“, sagte Ela spöttisch, „nur nicht in deinem Studium.“
Fee zog eine Grimasse. „Is ja richtig. Das Studium, Ela, macht mich einfach nicht glücklich. Deswegen habe ich mich ja auch die ganze Zeit so leer gefühlt.“ Sie lächelte. „Das letzte Jahr war schön, zu singen und zu töpfern, das hatte ich mit dem Horrorstudium total vernachlässigt. Ich hab mir zwischendurch wirklich überlegt, alles hinzuschmeißen, ich war ganz kurz davor. Aber jetzt mit diesem neuen Professor und seinem Bronzezeitkurs probier’ ich’s noch mal. Dann kann ich zwar weniger arbeiten, wenn ich wieder regelmäßig in die Uni muss, aber das ist eigentlich auch nur gut. Wenn ich weiterhin fünf Tage die Woche auf Grabung muss, krieg ich eine Macke!“
Sie trank ihre Tasse aus und strahlte Ela an.
„Mir geht’s jetzt echt wieder besser und ich glaub, dieser Bronzezeitkurs könnte wirklich interessant werden. Ich freu mich direkt aufs nächste Semester.“
Ela, die an ihre Prüfungen und den Stoff, den sie noch vor sich hatte, dachte, seufzte.
Am Montagmorgen saß Ela wieder im Arbeitsraum des Instituts, vergraben in eine weitere Monographie über wikingerzeitliche Handelsplätze. Wieder war es ein sonniger Tag, aber Ela war so daran gewöhnt, über ihren Büchern zu brüten, während sich draußen das Leben ohne sie abspielte, dass sie nicht darauf achtete. Sie saß noch nicht lange da, als die Tür aufging und Tom hereinkam.
„Hallo“, sagte Ela und lächelte ihm zu. Tom blieb in der Tür stehen. Er trug heute eine dunkelblaue, etwas verwaschene Jeans und dazu einen schwarzen Wollpullover. Über der Schulter trug er eine Umhängetasche. Wie er da stand, kam er Ela sehr groß und schlank, beinahe zu schlank, vor. Gleichzeitig zeichnete sich unter dem Pulli sein kräftiger Oberkörper ab, was eine merkwürdige Mischung war. Tom sah sie nur an, ohne zu reagieren, und Ela hoffte, dass sie ihn nicht allzu sehr angestarrt hatte. Aber dann erinnerte sie sich, dass Tom irgendwo einfach ein bisschen merkwürdig war. Und dann überraschte er sie, indem er mit einem Mal lächelte.
„Hallo Michaela“, sagte er und betrat den Arbeitsraum. Er legte seine Tasche auf einen Tisch und sah sich um. „Es ist immer so leer hier, studiert hier keiner?“
„Naja“, Ela strich sich die Haare aus dem Gesicht, „das Semester beginnt erst nächste Woche. In den Ferien ist so gut wie nie jemand in der Institutsbibliothek. Im Laufe der Woche trudeln sie so langsam wieder ein.“
„Um so besser. Dann kann man sich besser konzentrieren.“
Er ging an den Regalen entlang und überflog die Titel, die auf den Buchrücken standen. Ela wandte sich wieder ihren Handelsplätzen zu.
Als sie hungrig wurde, fiel es Ela schwerer, sich zu konzentrieren. Sie hob den Kopf und sah sich um. Tom saß eine Reihe vor ihr, über seinen Block gebeugt und machte sich Notizen. Sie waren noch immer die einzigen Studenten in der Bibliothek. Es war halb eins, keiner von beiden hatte in den vergangenen zwei Stunden ein Wort gesagt.
„Du, Tom?“
Er drehte sich um.
„Ich geh kurz zum Bäcker. Bist du noch was hier? Dann würde ich meinen Kram hier einfach liegenlassen, wenn du ein Auge drauf hättest.“
Er nickte.
„Danke. Soll ich dir was mitbringen?“
Tom überlegte kurz.
„Einen Becher Kaffee. Schwarz, kein Zucker.“
Als Ela zurückkehrte, setzte sie sich Tom gegenüber. Er gab ihr das Geld für den Kaffee zurück und nahm einen Schluck.
„Ich wundere mich trotzdem, dass wirklich überhaupt niemand kommt außer dir“, sagte Tom. Ela wiederholte, was sie vorher schon gesagt hatte. „Es sind Semesterferien.“
Tom hob abfällig eine Augenbraue.
„Kein Grund, nicht zu arbeiten, wenn du mich fragst.“
„Bald ist ja wieder Semesterbeginn“, sagte Ela achselzuckend, „dann werden schon wieder Studenten kommen. Wenn ihnen einfällt, dass sie noch Hausarbeiten abgeben müssen.“
„Wenn es ihnen einfällt?“
„Naja“, lästerte Ela, „die Abgabefristen sind immer am letzten Semesterferientag. Der kommt dann immer ziemlich überraschend.“
Durch die offene Tür drang der Lärm der Bauarbeiter herein, die das Büro renovierten, das der Bronzezeitler bekommen sollte, der neu am Institut war. Tom warf einen genervten Blick zur Tür, erhob sich und schloss sie.
„Haben die Studenten alle keine Lust?“, nahm er das Thema wieder auf, als er zurückgekehrt war, „Sind die alle so unmotiviert?“
Ela dachte an Fee.
„Teilweise schon. Aber der größte Teil ist, glaub ich, einfach nur faul.“
Tom nickte, als hätte Ela nur bestätigt, was er sowieso schon gedacht hatte.
„Wieso interessiert dich das so?“, fragte Ela, „Kann dir das nicht egal sein?“
Tom schnaubte nur abfällig. Ela beschloss, nicht nachzufragen. Gerade als sie sich wieder um ihre Wikinger kümmern wollte, sagte Tom: „Naja, immerhin gibt es ja fleißige Studentinnen.“
Ela begriff, dass das ein Kompliment war. Zu ihrer eigenen Überraschung stellte sie fest, dass sie sich über die Anerkennung des gutaussehenden Mannes freute und sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete.
Als Schlotte am Abend die Wohnungstür aufschloss, hörte sie die Fee in der Küche einen Within Temptation Song singen und grinste. Fee konnte ganz gut singen und sie sang aus vollem Halse und mit tiefster Inbrunst. Sie warf sich völlig in den Text hinein, immer, und sehr oft weckte sie Schlotte am Wochenende damit auf.
„Hallo“, rief Schlotte und blieb in der Küchentür stehen. Fee stand am Spülbecken, aus dem der Schaum quoll und rief lächelnd, „Hallo.“
„Ich hab eine gute Nachricht für dich… wieso riecht’s hier so fruchtig?“
Fee stellte einen Teller ins Abtropfsieb. Schlotte warf einen Blick auf die Plastikflasche neben dem Spülbecken.
„Du wäscht unser Geschirr mit Shampoo ab?!?“
„Ist auch nur Chemie“, antworte Fee achselzuckend.
„Spinnst du?“
Fee sah sie verständnislos an.
„Wieso denn? Krieg dich mal wieder ein. Spülmittel war alle.“ Sie stellte einen weiteren Teller ins Sieb und wandte sich mit einem amüsierten Blitzen in den Augen wieder an Schlotte. „Außerdem haben unsere Teller jetzt einen ganz seidigen Glanz.“
Schlotte sortierte sich einen Moment lang und schüttelte kurz den Kopf.
„Wie du meinst. Jedenfalls“, sie zog ihre Jacke aus und hängte sie neben der Wohnungstür an die Garderobe, „hab ich eine gute Nachricht für dich.“
„Ja? Was denn?“
„Sie suchen ’ne Aushilfe in dem kleinen Schokoladen in der Brüdergasse. Ab sofort.“
Fee sah Schlotte verständnislos an.
„Du bräuchtest nicht mehr zu graben!“
„Oh! Fantastisch!“
Am nächsten Tag ging Fee bei dem Schokoladen vorbei und blieb direkt für einen Probetag da. Die Besitzerin war sehr nett und obwohl Fee noch nie in einem Laden gejobbt hatte und sie Angst hatte, dass ihr alles über den Kopf wachsen könnte, lief alles gut. Sie bekam den Job und fing am nächsten Tag an. Das Dixieklo, die dummen Sprüche der anderen Studenten und das Chaos der de facto nicht existenten Organisation der Grabung fehlten ihr überhaupt nicht.
Da sie das letzte Jahr eine Auszeit genommen hatte, ging Fee pünktlich zur Einführungsveranstaltung des Instituts. Normalerweise wurde auf der „Muppet Show“, wie die Studenten, und auch die meisten der Dozenten, diese Veranstaltung nannten, jedes Semester das selbe erzählt, und die höheren Semester sparten sie sich meist. Aber Fee dachte sich, dass es gut möglich war, dass sie etwas verpasst hatte. Sie wunderte sich allerdings, dass Ela auch gekommen war.
„Was machst du hier?“ fragte sie und ließ sich neben ihr in die Bank fallen.
„Naja, ich kam gerade aus der UB und dachte mir, man kann ja mal 'reinschauen.“
„Und wie geht’s dir?“
„Beschissen. Ich hab überhaupt keine Zeit mehr für irgendwas, ich bin total überarbeitet und überanstrengt…“
Fee nickte mitleidig und sah sich unauffällig um. Es tat ihr leid, dass Ela so überarbeitet war, aber war das normal? Ging das jedem so, der in der Magisterprüfung steckte? Andere Freundinnen, die schon fertig waren, hatten nicht so darunter gelitten und wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, dann hatte sie Ela schon zu oft zugehört… Sie sah sich im Hörsaal um, der sich langsam füllte und nickte nur ab und zu, wenn sie das Gefühl hatte, dass die Pausen in Elas Gejammer sie dazu aufforderten.
„Ich kenn kaum mehr jemanden“, murmelte sie, „die sind alle so jung… wo sind denn die ganzen Leute, mit denen ich angefangen hab… Ah, da ist Herr Richter.“
Ela warf einen Blick auf den großgewachsenen jungen Mann, der eben hereingekommen war. Herr Richter hatte ein Semester vor Fee angefangen und hieß mit vollem Namen Marcus Richter. Fee, die ihn konsequent immer nur „Herr Richter“ genannt hatte, war nicht ganz unschuldig daran, dass ihn niemand Marcus nannte.
„Du hattest mal was mit ihm, oder?“
„Elaaaaaaaaa!“, Fee verdrehte die Augen, „Du nervst.“
„Wieso“, sagte Ela beleidigt, „es stimmt doch, oder etwa nicht?“
Fee sah Ela an.
„Du weißt doch genau, dass es stimmt!“, zischte sie, „wieso fragst du mich jedes Mal danach? Du hast das doch mitgekriegt!“ Und wieso, zur Hölle, musste Ela sie jetzt danach fragen, mitten in einem brechend vollen Hörsaal, wo jeder zuhören konnte? Ela hatte nicht mal leiser gesprochen. Manchmal war sie echt trampelig.
„Ich hab aber nicht mitgekriegt, wieso ihr euch getrennt habt.“
„Wir haben uns getrennt, weil er ein Spongo ist. Du weißt doch, dass er drei Jahre lang mein bester Freund war, und als ich das mit Sedat beendet hab, haben wir halt diese Affaire angefangen. Er war verliebt, ich war es nicht, er sagte er kann damit umgehen, konnte es aber nicht, hat sich super kindisch benommen und mich ziemlich unmöglich behandelt, ich hab ihn in die Wüste geschickt. Fertig. Zufrieden?“
„Ach, Fee, das tut mir so leid“, sagte Ela voller Anteilnahme und Fee atmete tief durch.
„Wieso, das ist doch über ein Jahr her“, sagte sie beherrscht, „und ich hab doch gerade gesagt, dass ich keine Gefühle für ihn hatte.“
Ela begann, ihr auf die Nerven zu gehen. Gespräche wie dieses hier waren typisch. Ela schaffte es immer, alles furchtbar dramatisch zu sehen und Fee weigerte sich, diese Sichtweise zu teilen. Es war nicht alles einfach im Leben und angenehm, aber Ela hatte eine Tendenz, sich immer als Opfer zu sehen und sie, Fee, hatte einfach keine Lust, sich auch diesen Schuh anzuziehen. Oder sich ewig dasselbe Lied anzuhören.
„Aber dass die Männer immer so unreif sein müssen. Und jetzt hast du deinen besten Freund verloren. Ach Fee, warum müssen die Männer alle so ätzend sein? Ich hab das ja auch schon oft genug erlebt.“
„So schade ist es auch nicht drum. Außerdem reden wir ja wieder miteinander“, sagte Fee und winkte Herrn Richter zu. Sie wurde langsam sehr ungeduldig. Fing die Muppet Show nicht bald an? Ela war ein lieber Mensch, aber manchmal war sie zuviel für Fee. Ela wollte immer alles wissen und über alles reden, und Fee lag das einfach nicht. Sie machte immer alles zuerst einmal mit sich selbst aus, bevor sie mit irgend jemandem über ihre Gefühle redete. Deswegen würde sie sich auch hüten, Ela von der Affaire mit Christoph, der auch im Schokoladen arbeitete, zu erzählen. Die Geschichte lief jetzt seit etwas mehr als einer Woche und sie wusste selbst noch nicht, was sie davon hielt. Herr Richter begrüßte Fee und setzte sich neben sie.
Herr Duhler, der Institutsdirektor, erhob sich und trat ans Rednerpult. Die Muppet Show begann, aber Fee hörte nicht zu. Christoph war charmant und sah sehr gut aus, aber Fee war ziemlich sicher, dass sie sich nicht in ihn verlieben würde. Er war zu selbstsicher und mochte die Frauen zu sehr, schon als sie nur eine kurze Zeit mit ihm zusammengearbeitet hatte, hatte sie das gesehen. Es war die Art und Weise, wie er mit den Kundinnen flirtete. Er wusste, wie er auf Frauen wirkte, und sie war nicht blöd genug, sich in jemanden zu verlieben, der sie zwangsläufig verletzen würde.
Fee stützte das Kinn in die Hand und beobachtete Herrn Duhler, der immer noch sprach, ohne aufzunehmen, worum es ging.
Vielleicht war sie aber auch einfach nur beziehungsgestört. Schließlich konnte sie nicht von vornherein wissen, was Christoph tun würde oder nicht. Sie selbst war es, die sich nicht einlassen wollte. Manuel war das beste Beispiel. Er lebte im selben Haus wie Schlotte und Fee, war sehr attraktiv und der freundlichste Mensch gewesen, den man sich nur vorstellen konnte. Fee hatte die Sache beendet, weil sie sich eingeredet hatte, Manuel sei ihr zu bieder und langweilig. Von dem hatte sie Ela auch nichts erzählt. Wieso auch? Es war nicht notwendig, weil die Geschichten nicht wichtig waren. Ela hatte gesagt, sie könne sich nicht einlassen. Stimmte das? Fee hatte gedacht, wenn sie sich verliebte, dann verliebte sie sich. Aber es passierte nicht. Vielleicht verliebte sie sich nicht, weil sie sich verabschiedete, bevor es ernst werden konnte? Vielleicht hatte sie tatsächlich einfach nur Angst. Nachdenklich warf sie Herrn Richter von der Seite einen Blick zu. Ach Quatsch. Ela brachte sie mit ihrem Gerede völlig durcheinander. Irgendwann würde sie sich wieder verlieben, und bis dahin... warum sich nicht die Zeit vertreiben mit einem Schokoladenverkäufer, der ein spitzbübiges Blitzen in den blauen Augen hatte, dem man überhaupt nicht widerstehen wollte?
Fee fiel wieder ein, weshalb sie hergekommen war und wandte ihre Aufmerksamkeit Herrn Duhler zu, der gerade den neuen Dozenten willkommen hieß: „…Herrn Thomas Maler, der auf die vorrömischen Metallzeiten mit dem Schwerpunkt Bronzezeit spezialisiert ist, und der von jetzt an an unserem Institut tätig sein wird.“
Ela riss die Augen auf. Aus der ersten Reihe erhob sich Tom, trat zum Rednerpult und begann einige Sätze zum Seminar zu sagen, das er im Sommersemester halten wollte. Tom war Dozent am Institut!
Fee grinste.
„Schlotte lacht sich tot, wenn ich ihr das erzähle“, murmelte sie, „ich hoffe, sie hat kein Problem mit älteren Männern.“
Ela, die nicht wusste, worauf sich Fee bezog, blickte verwirrt von Fee zum Rednerpult und wieder zurück.