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Vorwort

Wer war der erste Narr?

Der Narr bejahte es, wusch sich die Federn vom Leib, zog sich wieder an und ging dann in den Stall, wo er allen Schafen die Augen ausstach und diese in seinem Rock versteckte. Sobald die Braut kam, ging er ihr entgegen und warf ihr die Augen, soviel er nur hatte, ins Gesicht, weil er glaubte, dass man so und nicht anders „die Augen auf jemand werfen muss“.

Aus einer frühzeitlichen Narrenposse

Niemand weiß, wann der erste Narrenschwamm aus dem Schatten der Erdgeschichte in das Licht des Bewusstseins getreten ist. Niemand weiß, wann der erste Mensch den ersten Schwamm verzehrt hat. Niemand weiß, wer der erste Narr war. Denn – so erscheint es mykophoben Personen – nur Narren begehen die Torheit, eine höhere Wirklichkeit außerhalb der Alltagsbanalität zu suchen. Und das auch noch mit Hilfe dieser merkwürdigen Dinger, die wie Gaias Unrat unheimlich aus schwülem Boden, faulem Holz und stinkendem Kuhmist hervorsprießen. Diese Schwämme oder Pilze, die seit der Antike Angst und Schrecken verbreiten, die aus dem giftigen Geifer der Schlangen entstehen, die als unreiner Auswurf böser Geister erscheinen, konnten Tod und Verderben, Blähbäuche und Narrheit erzeugen. Noch heute sagt der aalglatte Wiener von einem gesellschaftlichen Aussenseiter, „Er hat verrückte Schwammerln gegessen!“

Aber da ist auch die andere Tradition.

Die Alte Welt: Die mykenische Kultur beginnt mit einem Pilztrip. Der Ambrosia des Dionysos war mit Pilzen vermischt. Porphyrius, der lateinische Dichter aus der Zeit Kaiser Konstantins (4. Jh.), weiß von den Pilzen, dass sie die Kinder der Götter sind. Denn wahrhaft göttlich wird einem zumute, hat man die Kinder der Götter in einem quasi kannibalistischen Akt verzehrt. Aber nicht alle Pilze lassen den Menschen am göttlichen Bewusstsein teilhaben. Es sind nur jene, die im christlichen Europa des späten Mittelalters und der früheren Neuzeit als giftige, vom Teufel gesandte Narrenschwämme galten.

Die Neue Welt: Die Azteken in Mexiko nannten eine Reihe kleiner unscheinbarer Pilze Teonanacatl, „Fleisch der Götter“. Diese heiligen Pilze wurden rituell gegessen, um mit den Göttern in Kontakt zu treten, um Erkenntnisse über Gott und die Welt zu erhalten. Den katholischen Spaniern waren diese Pilzrituale unheimlich. Den Pilzessern, gewöhnlich Teufelsanbeter genannt, wurde die Inquisition auf den Hals geschickt. Aber da sich alles Gute bewährt, ist der Kult der Pilzesser nicht ausgestorben. Er ist wie ein Myzel im Untergrund weitergewachsen und zum richtigen Zeitpunkt in der geschriebenen Geschichte, nämlich 1957, wieder als Fruchtkörper in das öffentliche Bewusstsein getreten. Valentina und Gordon Wasson wurden zu den Heroen der neo-mykophilen Bewegung.

Zurück in die Alte Welt: So wunderbar wie die Offenbarungen der psychedelischen Pilze, so wunderbar war die Erkenntnis, dass unsere einheimischen, gewöhnlich als ungenießbar geltenden „Narrenschwämme“ mit den mexikanischen Zauberpilzen, dem Fleisch der aztekischen Götter, nahe verwandt sind. Die Seelen der mexikanischen und deutschen Zauberpilze sind aus demselben Stoff gemacht, dem Psilocybin.

Neue Narren braucht das Land

Es ist der ganz große Verdienst von Jochen Gartz, sich dieser Narrenschwämme angenommen zu haben, sie wissenschaftlich untersucht und getestet zu haben. Bei einer Forschung wie dieser, die dem vorliegenden Buch zugrunde liegt, bedarf es eines unerschrockenen, mutigen und tapferen Bewusstseins, frei von Voreingenommenheit und Mykophobie. Ich bin überzeugt davon, dass das forscherische Bewusstsein, vom Geist des Pilzes durchtränkt, zu weitaus tieferen und wertvolleren wissenschaftlichen Erkenntnissen gelangt als der distanzierte Lehnstuhlprofessor, der sich an unseren Steuergeldern sattfrisst.

Ich habe Jochen Gartz kurz nach dem Fall der Mauer beim 3. Symposium des Europäischen Collegiums für Bewusstseinsstudien (ECBS) in Freiburg kennengelernt. Es war für mich der erste Kontakt zu einem Wissenschaftler aus der damaligen DDR. Jochens enthusiastischer Vortrag wurde eine echte Bewusstseinserweiterung und Grenzüberschreitung. Die Pilze sprachen durch ihn – frei von jeglicher Ideologie – ganz anarchisch, wie diese Wunderwesen nun mal sind. Die neuen Narren brauchen dieses Buch als Begleiter in das Wunderland der Narrenschwämme.

Christian Rätsch


Abb. 2 Anthropomorphen beim Pilztanz. Felszeichnung aus Tassili (Sahara, Algerien). Einzelnen dieser Zeichnungen wird ein Alter von weit über 12 000 Jahren zugeschrieben.

Narrenschwämme

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