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3. Kapitel

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Am anderen Morgen fand eine kleine Versammlung von sehr zwielichtigen Gentlemen auf der Zubringerstraße nach Benedict statt. Die Herren trugen großkrempige Stetsonhüte und sahen aus wie aus dem Warenhaus entsprungene Cowboys.

„Ich wiederhole noch einmal, was ihr zu tun habt“, sagte der Anführer der fünf, ein Mann namens Jeff Jefferson, den die District-Attorneys von mindestens fünf Staaten zur Zeit nur allzugern bei sich willkommen geheißen hätten. „Frank und Bill stellen sich neben den Buick und winken, wenn das Transportauto auftaucht. Ich habe euch beide ausgewählt, weil ihr noch am ehesten wie anständige Menschen ausseht.“

Die beiden Strolche grinsten. Frank stammte aus Chikago, wo er unter dem Spitznamen „der Richter“ bekannt war. Bill hingegen war vor Jahren einmal wegen Bigamie verurteilt worden und galt seitdem bei seinen Freunden als großer Lebemann.

„Ihr übrigen haut euch hinter dem Buick in den Straßengraben“, fuhr Jeff fort. „Nehmt die Knarren und haltet euch bereit. Wenn der Transportwagen angehalten hat, nehmt ihr nicht eher den Finger vom Drücker, bis die Bullen erledigt sind klar?“

„Wenn er aber nicht hält?“ wandte einer der Männer ein.

„Dann zerfetzt ihm die Reifen, damit er stehenbleiben muß. Aber er wird halten. Ich habe da einen kleinen Einfall gehabt“, erklärte Jefferson grinsend.

Er öffnete den Kofferraum des moosgrünen Buicks und brachte ein Nummernschild zum Vorschein.

Frank, „der Richter“, kratzte sich am Kopf.

„Das soll ein Trick sein, Jeff? Ich muß sagen, das ist zu hoch für mich.“

„Klar“, höhnte Jeff. „Das bißchen Seetang, das du statt eines Gehirns im Kopf hast, reicht zum Begreifen nicht aus. Also, paß auf. Das hier ist ein Regierungsnummernschild.“

„Aha“, sagte Frank, ohne wirklich zu begreifen.

„Das Ding habe ich direkt vom Cadillac des Gouverneurs von Texas geklaut“, fuhr Jeff prahlerisch fort.

„Du bist ein Held“, versicherte Bill ironisch.

Jefferson sah seine Kumpane traurig an. „Jetzt hört mal zu, ihr Armleuchter. Ein Gefangenentransportwagen hat strikte Anweisung, unterwegs nicht anzuhalten. Wenn wir also am Straßenrand stehen und einfach winkewinke machen, wird er vorbeifahren. Natürlich könnten wir ihm die Reifen kaputtschießen, aber dann würden die beiden Bullen in ihrem kugelsicheren Fahrerhaus Sitzenbleiben, und sie sind genauso schwer bestückt wie wir.“

„Ob sie so gut treffen wie wir, bezweifle ich“, sagte phlegmatisch einer der Männer, der bisher geschwiegen hatte.

„Wenn schon. Aber warum sollen wir uns überhaupt gefährden? Stellt euch vor, der Gouverneur von Texas hat mitten in der Prärie eine Panne. Ich möchte den Bullen sehen, der es wagt, an ihm vorbeizufahren.“

Jetzt endlich kapierten die anderen. Sie schraubten das Nummernschild an und warteten.

Es war eine harte Sache. Die Sonne stieg immer höher, und das Innere des Wagens glich trotz der Klimaanlage immer mehr einem Backofen.

Endlich tauchte am Horizont eine Staubwolke auf.

„Da sind sie“, zischte Jeff. „Auf eure Posten! Und wenn ihr schießt, denkt daran, daß Ike im Wagen sitzt!“

Die Männer langten sich die Maschinenpistolen und verschwanden hinter dem Buick im Straßengraben. „Der Richter“ drückte sich den Stetson korrekt aufs eisgraue Haar, während Bill die Motorhaube aufklappte und im Vergaser herumstocherte.

Langsam näherte sich der Transportwagen. Die beiden Polizisten im Fahrerhaus hatte ihre Krawatten abgebunden und ihre Revolver hinter sich an die Wand gehängt. Sie verschwendeten keine Sekunde an den Gedanken, daß es Ärger geben könnte.

Der Fahrer deutete geradeaus, wo der Buick am Straßenrand stand.

„Armer Teufel“, brummte er voll Mitgefühl. „Eine Panne bei der Hitze.“

Sein Kollege murmelte nur schläfrig etwas Unverständliches vor sich hin. Plötzlich fuhr er in die Höhe.

„Sieh dir mal das Nummernschild an!“

Der Fahrer bekam runde Augen.

„Teufel, das muß ein ganz hohes Tier sein. Wie kommt der hierher?“

Jetzt hob „der Richter“ gemessen den Arm und winkte. Selbst Abraham Lincoln hätte nicht würdevoller aussehen können.

Der Fahrer des Polizeiwagens beging den letzten Fehler seines Lebens. Er trat auf die Bremse.

Der Transportwagen kam genau neben dem Buick zum Stehen. Der Beifahrer kurbelte das Fenster herunter. „Panne, Sir?“ fragte er.

„Irgend etwas mit dem Motor stimmt nicht, junger Mann“, sagte „der Richter“ und fixierte den Polizisten wohlwollend nach Art großer Herren. „Mein Chauffeur kann nicht herausfinden, woran es liegt.“

„Ich werde sofort nachsehen“, erklärte der Polizist dienstbeflissen und klappte die Tür auf. Der Feuerstoß aus einer MP warf ihn zurück.

Der Fahrer reagierte zu spät. Er griff nach seinem Revolver, aber seine Hände schafften nicht einmal die Hälfte des Wegs. Der „Richter“ hielt plötzlich einen rauchenden Revolver in der Hand und sah gar nicht mehr würdevoll aus.

„Na also“, brummte Jefferson zufrieden und klopfte sich den Staub vom Anzug. „Mein Grips und eure Kanonen. Dazu fehlt nichts als Kennedys Millionen.“

„Geistreich wie immer, der gute Jeff“, sagte Frank, grinste und holte einem der ermordeten Polizisten die Schlüssel aus der Tasche. Er ging um den Wagen herum und schloß die hintere Tür auf.

„Hallo, Ike“, sprach er den Gefangeneu an, der in das helle Licht blinzelte. „Wie paßt dir das?“

„Nicht schlecht! Ich dachte schon, ihr würdet mich schmoren lassen.“

„Du weißt doch genau, daß man in Texas nicht auf den Stuhl steigt“, brummte Jefferson, der um den Wagen gekommen war. Er gab Frank einen Wink, worauf der die Handschellen des Gefangenen aufschloß.

„Mich hätten sie bestimmt nach New York verfrachtet“, versicherte der Mann namens Ike und dehnte seinen hageren Körper. „Dort wäre ich in jedem Fall auf den Stuhl gekommen.“

„Wäre kein Unglück für die Menschheit gewesen“, versicherte „der Richter“

„Keine langen Reden jetzt“, befahl Jefferson. „Sorgt dafür, daß die Fingerabdrücke verschwinden. Alles Weitere können wir im Wagen besprechen.“

Fünf Minuten später fuhr der Buick mit hoher Geschwindigkeit in nördlieber Richtung davon.

„Nun zu dir, Ike“, sagte Jefferson. „Der Boß ist gewaltig sauer auf dich. Wie konnte diese Panne geschehen?“ „Mir unerklärlich. Tony und ich blieben wie ausgemacht in dem Wäldchen zurück. Gerade als wir losfahren wollten, um dem Boß Bescheid zu sagen, entdeckten wir in der Ferne die Scheinwerfer eines Autos. Der Kerl kam direkt über die Prärie auf das Wäldchen zu.“

„Weiter!“ bellte Jefferson.

„Tony und ich warteten, bis er heran war. Der Mann fuhr einen Mercedes-Sportwagen.“

„Weiß ich längst!“

„Der Bursche stieg aus und stolperte über den Leichnam des Negers. Ich wollte schon meinen Colt auf ihn abfeuern, aber da fiel mir ein, daß sich der Boß für einen so komischen Kunden interessieren könnte. Ich drückte dem Burschen meinen Revolver ins Genick und forderte ihn auf, mitzukommen.“

„Habt ihr ihn niedergeschlagen?“

„Nein – er hatte doch überhaupt keine Chance gegen uns.“

„Idioten!“ warf „der Richter“ ein.

„Und weiter?“ erkundigte sich Jefferson.

„Wir wollten ihn zum Boß bringen und fuhren mit dem Jeep los. Unterwegs setzte plötzlich der Motor aus. Komischerweise war er aber völlig intakt.“

„Du hast wohl noch nie etwas von einem Benzinhahn gehört, wie?“ fragte Jefferson spöttisch.

Ike machte ein überraschtes Gesicht.

„Das war also ein Trick. Seit gestern nacht grüble ich darüber nach, wie er es gemacht hat.“

Der „Richter“ wiederholte seine Bemerkung wie zuvor.

„Halťs Maul!“ brummte Jefferson. „Jedenfalls habt ihr beide es fertiggebracht, euch von dem Burschen aufs Kreuz legen zu lassen. Tony mußte daran glauben und dich bekam der Sheriff in die Finger. Eine reife Leistung!“

„Was sollten wir machen?“ verteidigt sich Ike. „Der Bursche, mit dem wir es zu tun hatten, war ganz große Klasse. Ich spüre jetzt noch seine Handkante.“

„Das wird bald vergehen“, versicherte ihm Jefferson vieldeutig, „Erzähl jetzt weiter! Was hast du den Bullen erzählt?“

„Nichts!“ erklärte Ike.

„Haben sie rausgefunden, wer du bist?“

„Sie haben meine Prints verschlüsselt und nach Washington gefunkt. Die Antwort kam noch in der Nacht. Gleichzeitig der Befehl, mich noch heute ins Zentralgefängnis von Waco zu bringen.“

„Die wissen auch, daß das Gefängnis in Benedict nichts taugt“, brummte Jefferson, „Du kannst von Glück reden, daß wir die Telefonleitung angezapft und mitgehört haben, wie sie in Waco den Transportwagen bestellten.“

„Der Boß hat eben immer gute Ideen“, sagte Ike überzeugt.

„Besonders in bezug auf dich!“ Jefferson gab dem Fahrer ein Zeichen, zu halten. Er fuhr fort: „Falls es dich interessiert – den Mann, der euch fertiggemacht hat, habe ich heute nacht aus seinem Hotel in Benedict geholt.“

„Eine große Leistung!“ sagte Ike anerkennend.

Jefferson verschwieg die Tatsache, daß er dabei nicht allein gewesen war. Und keiner der anderen mochte ihn daran erinnern.

„Ich werde ihn dem Boß vorführen“, fuhr Jeff fort. „Das gleiche, was du wolltest – nur mit dem Unterschied, daß ich Erfolg habe und du nicht.“

Er holte seinen Revolver aus der Tasche und entsicherte ihn.

„Jeff, was hast du vor?“ fragte Ike ahnungsvoll mit zitternder Stimme.

„Versager können wir nicht brauchen. Die Bullen kennen dich jetzt, und wahrscheinlich hast du ihnen auch eine ganze Menge erzählt. Du hattest deine Chance, Ike, eine zweite gibt’s nicht.“

„Jeff!“ schrie Ike.

Der Schuß dröhnte im Wageninneren doppelt laut. Ike stöhnte auf und sackte zusammen.

Die Tür des Buick wurde geöffnet. Der leblose Körper rollte in den Sand.

Ungerührt legte der Mann am Lenkrad den Gang ein. Eine Staubwolke hinter sich lassend, raste der Buick davon.

Privatdetektiv Joe Barry - Die Uhr ist abgelaufen

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