Читать книгу Privatdetektiv Joe Barry - Das Erbe des Teufels - Joe Barry - Страница 7

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Der Chauffeur in der mausgrauen Livree sah aus wie ein Orang-Utan, den der Wärter mit weißen Handschuhen versorgt hat. Er bemühte sich um einen anständigen Ton, was ihm sichtlieh schwerfiel.

„Der Chef will Sie sprechen“, sagte er. „Jetzt gleich. Hol’s der Teufel! Er hat gesagt, schaff mir den Burschen her! Und da bin ich. Der Wagen steht unten.“

Joe fixierte den Mann kühl.

„Wer hat dich geschickt?“ fragte er.

„Hymnie, natürlich.“

Joe hob die Schultern.

„Kenn ich nicht.“

„Ist’s die Möglichkeit – er kennt Hymnie nicht!“ Der Chauffeur sprach zu einem unsichtbaren Publikum. „Gibťs so was auch?“

„Das gibťs“, bestätigte Joe nachdrücklich. „Du kannst also wieder abfahren und deinem Hymnie sagen, wenn er etwas von mir will, soll er persönlich kommen.“

Die Kinnlade des Mannes klappte nach unten. Er sah aus, als könne er es nicht fassen. Dann machte er kehrt und zwängte seinen faßartigen Körper durch die Tür.

Joe Barry wandte sich wieder der Vorbereitung seines Frühstücks zu, wobei der Besucher ihn unterbrochen hatte. Es war ein frostiger Märztag. Über Long Island City stand eine kraftlose Sonne und bemühte sich erfolglos, die eisige Luft zu erwärmen. Die große Fensterscheibe war beschlagen.

Hymnie! Der Name hatte bei Joe eine Saite zum Klingen gebracht, die weiterschwang, während er Eier in die Pfanne schlug. Hymnie hatte früher mal was bedeutet, aber was? Es mußte vor seiner Zeit gewesen sein, damals, als er selbst noch mit den Boys der Nachbarschaft „Gangster und Cops“ gespielt hatte.

Dann fiel Joe etwas ein. Er hatte in Ganders Kneipe in der 48. Straße von diesem Manne gehört. Dort saßen abends die pensionierten Kriminalbeamten und erzählten aus ihrer Zeit, als es noch die großen Schlachten gab, in Chikago und in New York. Damals herrschten die Verbrecherkönige, die inzwischen in die Geschichte eingegangen waren, und die Lebenserwartung eines Polizisten betrug fünfundzwanzig Jahre, nämlich gerade so lange, bis er seine Ausbildung hinter sich hatte und eingesetzt werden konnte.

So erzählten die alten Kriminalisten und wischten sich den Bierschaum aus dem Bart.

Und einen Namen erwähnten sie immer wieder: Hymnie!

Joe beendete sein Frühstück und trug das Geschirr in die kleine Küche. Dann ging er hinüber in sein spartanisch eingerichtetes Arbeitszimmer.

Das scharfe Schnarren des Summers nagelte ihn auf der Schwelle fest. Er machte die Tür auf. Der mausgraue Chauffeur fiel ihm fast entgegen.

„Mr. Hymnie A. Heywood“, verkündete er im Tonfall eines Ansagers im Madison Square Garden, der Sonny Listen ankündigt, den Champion aller Klassen. „Persönlich“, fügte er hinzu, was wiederum höchst überflüssig war.

Neugierig besah Joe sich den Besucher. Was er sah, sprach ihn nicht übermäßig an. Der Bursche schien hart, stur und gerissen. Manche Gangster werden im Alter fett und schwammig und sind dann nicht gefährlicher als eine Schreckscbußpistole. Hymnie gehörte offenbar nicht zu der Sorte. Obwohl er an die Sechzig sein mochte, wirkte er gefährlich wie eine Kobra.

Die beiden Männer starrten sich an. Joe tat das sehr eingehend. Er wollte genau wissen, wie ein Mann aussah, der in seinen sechzig Jahren noch nicht eine Stunde gearbeitet hatte, dabei, alles ohne Vorstrafe, reich geworden war wie Rockefeller.

Dann schraubte Hymnie ein Grinsen in sein lederartiges Gesicht.

„Hallo, Barry“, sagte er, „ich mußte doch persönlich sehen, wie ein Mann aussieht, der sich weigert, einer meiner Anordnungen zu gehorchen.“

Joe erwiderte das Grinsen nicht.

„Ist Ihre Neugier jetzt befriedigt?“

„Ja, und ich muß sagen, Sie gefallen mir.“

Hymnie steuerte durch den Raum und ließ sieh in einen Sessel fallen.

„Ich brauche Sie, Barry“, erklärte er schlicht.

Der Chauffeur wanderte inzwischen durch die Wohnung und sah sich die einzelnen Einrichtungsgegenstände an.

Joe blieb unbeeindruckt.

„Kommt drauf an“, sagte er.

„Worauf? Auf den Preis? Kein Problem. Hymnie zahlt immer das Doppelte. Altes Geschäftsprinzip, verstehen Sie?“

„Das sagt noch nichts. Ich lasse mich nicht kaufen.“

„Das sagte Grover Whalen auch, als er noch Polizeipräsident war. – Hören Sie zu, Barry, ich habe einen Auftrag für Sie. Es handelt sich um den gefährlichsten Job, der innerhalb der letzten fünf Jahre zu vergeben war. Yeah, und weil Sie einen so außergewöhnlich guten Ruf genießen, habe ich sofort an Sie gedacht.“

„Außerordentlich schmeichelhaft, Mister.“

„Entsprechend der Arbeit habe ich mir die Bezahlung gedacht. Ich glaube nicht, daß Sie normalerweise viel verdienen. Ihr normaler Tagessatz dürfte kaum über hundert liegen. Stimmťs?“

„Stimmt. Ein Hungerlohn …“

Hymnie ging nicht auf die Ironie ein. Seine Stimme blieb ungerührt. Sie klang wie durch Honig gefiltert.

„Von mir bekommen Sie mehr. Ich zahle täglich fünfhundert, alles im voraus. Was sagen Sie nun?“

„Endlich ein Weg, aus meinem bitteren Elend herauszukommen“, spottete Joe.

Sein Besucher sah sich um.

„Sie wohnen nicht schlecht hier. Komisch, ich dachte immer, Bronx wäre ein Viertel für arme Leute. Hatte keine Ahnung mehr, wie es hier aussieht. Ist wohl auch zu lange her, daß ich mit ’nem abgegriffenen Nickel in der Tasche nach Chikago fuhr und dort anfing.“

„Mister“, unterbrach Joe ihn, „was für einen Job wollen Sie mir verkaufen?“

„Gut, daß Sie mich daran erinnern, daß meine Zeit kostbar ist. Schon mal den Namen Bayard Swope gehört?“

Joe nickte.

„Ein Killer. Stimmťs?“

„Stimmt haargenau, Barry. Ein Mann mit ausdruckslosem Gesicht. Wissen Sie, was das bedeutet? In meiner Jugend hatte ich mal mit einem Mann zu tun, der hatte an der Börse spekuliert. Er gewann Millionen. Nach einem halben Jahr besaß er keinen roten Heller mehr. Wissen Sie, was er sagte? Die Leute mit den ausdruckslosen Gesichtern, die haben mich erledigt. Stille Wasser, unverbindlich, aber gefährlich. Gibt’s überall. Im Geschäftsleben und in der Unterwelt. Sie sollten sich vorsehen, wenn Sie mal mit so einem zusammenstoßen.“

„Worauf läufťs hinaus?“

„Machen Sie diesen Bayard Swope fertig!“

Joe zog überrascht die Brauen in die Höhe.

„Meinen Sie das im Ernst?“

„Wieso? Hat es wie ein Witz geklungen?“

„Well, Mister Hymnie, in Ihrer Branche hat es schon oft Überraschungen gegeben. Aber daß ihr euch Privatdetektive engagiert, das dürfte neu sein.“

Hymnie machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Alles, was ich gemacht habe, war neu. Später wurde es dann kopiert. Aber ich war immer der erste. Das ist das ganze Geheimnis des Erfolgs: Ideen haben und der erste sein.“

„Klingt wie ein Ratschlag von Dale Carnegie.“

„Wie steht’s also?“ fragte Hymnie ungeduldig. „Machen Sie mit?“

Joe schüttelte den Kopf.

„Glaube ich nicht, Hymnie. Ich bin vielleicht nicht so ideenreich wie Sie, und ich habe auch nicht so viele Dollars auf der Bank. Aber dafür steht mir frei, nur die Jobs zu übernehmen, die mir passen. Und dieser Job paßt mir nicht.“

„Warum? Angst?“

„Nein, das ist es nicht.“

„Liegt es daran, daß ich Ihr Auftraggeber bin?“

Joe steckte sich eine Zigarette an.

„Teils, teils! Sie denken für meine Begriffe in falschen Kategorien, Hymnie. Sie bilden sich ein, man könne mich auf einen Mann ansetzen wie einen scharfen Hund. Sie vergessen dabei, daß ich nicht dazu da bin, Privatstreitigkeiten austragen zu helfen.“

„Verstehe schon“, schnappte Hymnie böse. „Sie wollen sich nicht in Gangsterfehden einmischen. So ist es doch? Sie können ruhig offen zu mir sprechen.“

„Wenn Sie es schon so deutlich sagen, möchte ich Ihnen nicht widersprechen“, sagte Privatdetektiv Joe Barry lächelnd.

„Ich will Ihnen was erzählen, Barry. Über das, was ich früher gemacht habe, ist längst Gras gewachsen. Das ist erledigt, vorbei. Vor zehn Jahren habe ich mich zur Ruhe gesetzt. Damals war ich beim FBI der meistgefragte Kunde. Die besten Bullen saßen ständig auf meiner Fährte. Aber sie haben es nicht mal geschafft, mir ein Ticket wegen falschen Parkens an die Windschutzscheibe zu kleben. Damals habe ich mir gesagt – Hymnie, jetzt ist Schluß! Und ich habe Schluß gemacht.“

„Warum erzählen Sie mir das alles?“

„Weil ich Sie überreden will“, gab Hymnie offenherzig zu „Sie werden noch für mich arbeiten, das garantiere ich Ihnen. Hymnie hat bisher alles geschafft, was er sich vornahm.“

Er benutzte den Namen Hymnie wie ein Warenzeichen.

„Sie verschwenden Ihre Zeit, Chef“, mischte sich der Chauffeur ein. „Der Bursche ist hartgekocht wie ein Brikett im Heizwerk.“

„Halt den Schnabel, Dean!“ sagte der Chef. Er wandte sich wieder Joe zu.

„Hören Sie zu, Barry, der Fall Hymnie ist ausgestanden. Kein Bulle kann mir je mehr an den Wagen fahren. Es gibt keine Beweise gegen mich.“

„Warum bleiben Sie dann nicht bei Ihren Rosen?“

„Ich sagte doch schon, da gibt es einen Mann namens Bayard Swope. Ein Bursche, der auch für großzügige Buchhalter sein Konto überzogen hat. Ich will Ihnen ehrlich sagen, was mit ihm los ist. Er war früher mal mein Partner. Liegt schon zehn Jahre zurück. Ich konnte ihn nie recht ausstehen. Farbloser Bursche, glattes Gesicht, aber gefährlich. Sagte ich schon. Well, und mit dem Kerl habe ich mich gestritten.“

„Dacht ich mir’s doch“, sagte Joe. „Ich soll jetzt für Sie ins Feuer. Was denken Sie eigentlich von mir? Bilden Sie sich ein, ich würde als Killer für Sie arbeiten?“

„Unfug“, sagte Hymnie. „Die Grundsätze von Privatdetektiv Joe Barry kenne ich. Immer anständig, immer gesetzestreu. Daran will ich auch gar nicht rütteln. Weiß ich aus Erfahrung, es gibt nichts Stureres als Leute mit Grundsätzen. Nein, Sie sollen sich nur auf Swopes Fährte setzen. Dabei finden Sie sicher einige interessante Details heraus. Und damit gehen Sie zur Polizei, lassen ihn hochgehen. Daß ich es bin, der Sie bezahlt, können Sie meinetwegen vergessen. Geld stinkt nicht – stimmťs?“

„Well, Hymnie, bevor ich Ihnen endgültig antworte, will ich den Grund wissen. Warum nehmen Sie sich diesen Swope nicht selber vor? Für einen Mann Ihrer Vergangenheit sollte das doch kein Problem sein.“

„Kann ich Ihnen genau sagen!“ Der Gangster zog eine Ledertasche heraus und öffnete sie. Zum Vorschein kamen Zigarren, wahre Atlasraketen, mit dezenter Banderole: „Handrolled for Mr. Hymnie A. Heywood“. Er biß die Spitze einer Zigarre ab und spuckte den Tabak auf den Boden.

Der Chauffeuer sprang herbel und gab ihm Feuer.

„Das ist so“, sagte Hymnie und dampfte los. „Ich habe mich vom Geschäft zurückgezogen. Erzählte ich schon. Will nichts weiter, als meine Rosen begießen. Kann ich aber nicht. Dieser Bayard Swope wird versuchen, mich umzubringen. Ich kenne die Gesetze der Branche. Das steht so fest wie das Pentagon in Washington. Darauf muß ich mich einstellen.“

„Und?“ fragte Joe.

„Ich habe jetzt zwei Möglichkeiten“, fuhr Hymnie fort. „Die eine ist, ich steige wieder in die Arena, besorge mir gute Leute und versuche, Swope zuvorzukommen. Das gibt eine hübsche kleine Auseinandersetzung, die ich hundertprozentig gewinnen werde. Aber die Sache hat einen Haken: Das FBI hat mich nicht vergessen. Die warten nur darauf, daß ich mich wieder rühre. Die glauben wahrscheinlich, sie könnten mich auf meine alten Tage hinter Gitter bringen. Und vielleicht schaffen sie’s sogar. Wenn man einen Gangster umbringt, ist das auch Mord, oder?“

„Natürlich. Und die andere Möglichkeit?“

„Die andere Möglichkeit sind Sie, Barry. Ich bezahle Sie anständig. Es gibt hundert Gründe, einen Bayard Swope vor Gericht zu bringen. Ein paar Tips können Sie von mir bekommen, wenn Sie ja sagen. Das ist eine saubere Sache, ohne Tote und ohne viel Aufsehen. Und ich habe meine Ruhe.“

Joe dachte einen Augenblick nach. Dann drückte er entschlossen die Zigarette aus.

„No, Hymnie, bei mir kriegen Sie kein Bein auf die Erde. Sie können erzählen, was Sie wollen, es läuft auf einen Familienkrach unter Gangstern hinaus. Und da mische ich nicht mit. Tut mir leid, aber Sie müssen selber sehen, wie Sie mit der Sache fertig werden.“

Hymnie warf die Zigarre fort. Sie war kaum angeraucht.

„Ich glaube nicht, daß es Ihr letztes Wort ist, Barry. Sie werden sich die Sache in Ruhe überlegen. Fünfhundert Dollar täglich sind eine Realität.“

„Eine Million auch, aber nicht mal dafür täte ich es.“

Achselzuckend erhob sich der Gangster. Sein Anzug saß makellos. Er war bestimmt unter der Schere eines New Yorker oder Londoner Modeschneiders entstanden.

„Sollten Sie es sich anders überlegen, ich wohne im Marberry Hotel“, sagte er. „Sie brauchen nur anzurufen.“

Er winkte seinem uniformierten Gorilla und ging zur Tür. Bevor er verschwand, wandte er sich noch einmal um.

„Jeder Mann hat einen Preis, Barry. Die Schwierigkeit ist nur, den herauszubekommen. Bei Ihnen ist es wohl besonders schwierig.“

„Erraten.“ Joe nickte. „Einen Tip will ich Ihnen geben: Löschen Sie die letzten vierzig Jahre Ihrer Laufbahn, und ich bin bereit, Ihnen zu helfen.“

„Dreißig“, verbesserte Hymnie grinsend. „Mit zwanzig habe ich angefangen, mit fünfzig aufgehört. Sind nur dreißig Jahre.“

„Meinetwegen. Machen Sie diese Jahre ungeschehen, wenn Sie können.“

„Ich will darüber nachdenken“, sagte Hymnie ruhig. „Jedenfalls danke ich für den Tip.“

Sie gingen. Joe stellte sich ans Fenster und beobachtete, wie Hymnie unten in einen schwarzen Chrysler, Modell 63, kletterte. Gleich darauf rollte das Schlachtschiff durch die Gun Hill Road davon.

Joe blieb noch einen Augenblick am Fenster stehen und sah dem Wagen nach. Seine grauen Augen zeigten einen nachdenklichen Ausdruck. Er spürte, daß dieser Besuch Folgen haben würde.

Barry hatte eigentlich vorgehabt, an diesem Vormittag nach Newark zu fahren, um einen Klienten zu besuchen. Aber das verschob er. Statt dessen fuhr er ins Police Headquarter nach Manhattan.

Der Paternoster brachte ihn in die vierte Etage des altertümlichen Gebäudes. Ohne Anklopfen öffnete er die Tür mit der Aufschrift „Mordkommission“.

Lieutenant Antony Starr, Barrys bester Freund seit der Steinzeit, saß hinter seinem Schreibtisch. Er kniff die Augen zusammen, als er Joe sah.

„Bring mir bloß keine Leiche!“ brummte er. „Du hast so einen Gesichtsausdruck …“

Joe ließ sich in den Besuchersessel fallen.

„Davon ist keine Rede“, versicherte er. „Ich habe eine ganz harmlose Frage an dich: Ist dir ein Mann namens Hymnie A. Hevwood schon untergekommen?“

Der Captain auf der Unfehlbarkeitsseife des Schreibtisches spitzte die Ohren.

„Hymnie – aber sicher. Du willst mir doch nicht einreden, du hättest noch nie von ihm gehört?“

„Das nicht. Ich wollte mich nur mal aus erster Hand informieren, was an dem Burschen alles dran ist.“

„Erzähl schon, was ist passiert?“ Tom holte die Whiskyflasche aus dem Aktenschrank. Gespannt hörte er zu, während Joe ihm Bericht erstattete.

Tom machte ein zweifelndes Gesicht.

„Unmöglich ist ďas nicht. Übrigens bin ich nicht unvorbereitet.“ Er tippte auf einen dünnen Schnellhefter, der vor ihm auf dem Tisch lag. „Das da ist ein Bericht, den uns die FBI-Zentrale von Dallas gestern zugeschickt hat. Darin macht man uns auf Hymnie aufmerksam. Normalerweise lebt er nämlich in Texas. Warum er jetzt nach New York gekommen ist, weiß keiner. Das FBI hielt diese Tatsache immerhin für so bemerkenswert, daß es uns davon unterrichtete.“

„Ich weiß nicht, worauf Hymnie hinauswill“, schloß Barry. „Irgendwo ist da ein Haken. Der Kerl kann doch nicht im Ernst geglaubt haben, ich würde für ihn arbeiten.“

„Erwähnt das FBI auch jemanden namens Bayard Swope?“

Tom schüttelte den Kopf.

„No, das scheint eine reine Untergrundtype zu sein. Ich habe den Namen noch nie gehört.“

„Ich auch nicht. Möglicherweise existiert er gar nicht.“

„Wer weiß? Jedenfalls werden wir uns den Namen merken.“

Joe öffnete die Flasche. Es war ein alter Bourbon, die Marke, die Antony Starr nur mit Freunden trank.

„Nun mal los!“ sagte Joe. „Warum ist das FBI so besorgt um Hymnie?“

„Weil man immer noch hofft, ihm eines Tages etwas nachweisen zu können. Hymnie gehört noch zu der alten Garde, die während der Prohibition groß geworden ist. Aber er war raffinierter als die anderen. Al Capone wurde geschnappt, Lucky Luciano ausgewiesen, nur Hymnie kam ungeschoren durch. Dabei weiß man ziemlich genau, was er auf dem Kerbholz hat.“

„Gibt es da irgendeine Spezialität?“

„Yeah, Unfälle!“

„Unfälle?“

„Hymnie hat eine Menge Leute auf dem Gewissen. Aber er stellte es raffiniert an. Ein anderer sorgte vielleicht nur für sich persönlich, indem er sich ein Alibi verschaffte oder etwas Ähnliches. Hymnie ging von einem anderen Gedanken aus: Er sagte sich, es darf erst gar nicht zu einem Prozeß kommen. Er verhinderte, daß man einen Mord als solchen überhaupt nachweisen konnte. Alle seine Gegner verunglückten eines Tages. Kein Mensch glaubte je an Unfall, aber das allein reichte nicht zu einem Prozeß.“

„Hymnie scheint keine gute Meinung von den Geschworenengerichten unseres Landes gehabt zu haben.“

„Dazu hatte er allen Grund. Wenn es nur einmal gelungen wäre, ihn vor Gericht zu schleifen, dann wäre er bestimmt verurteilt worden. Notfalls auf Grund von Gefühlsmomenten, wobei diese Gefühle gar nicht falsch gewesen wären. Dieses Risiko hat er stets vermieden.“

Joe dachte einen Augenblick nach.

„Er hat mir erzählt, er habe sich seit zehn Jahren zur Ruhe gesetzt.“

„Stimmt, das erwähnte das FBI auch. Zehn Jahre hat er sein Haus in Texas kaum verlassen. Deshalb erregte diese Reise nach New York ein solches Aufsehen.“

Es summte, und dann knackte es im Sprechgerät.

„Captain“, sagte die Stimme von Leutnant Myers, „da ruft einer an und verlangt Barry. Ist Joe da?“

„Geben Sie’s nur durch, Ron“, sagte Tom. Er reichte Joe den Hörer und grinste.

„Ich wette zwei zu eins, das ist Hymnie.“

„Mr. Barry“, tönte es, „ich vermute, Ihr Freund Rowland kann Ihnen nicht alle Fragen, die Sie ihm hinsichtlich meiner Person stellen, beantworten. Deshalb schlage ich Ihnen vor, daß Sie direkt zu mir kommen. Ich bin im Marberry, habe einen erstklassigen Whisky da und kann Ihnen jede gewünschte Auskunft geben.“

„Haben Sie Schokoladeplätzchen?“ erkundigte sich Joe.

„Schokoladeplätzchen? Äh – hein!“

„Dann komme ich nicht.“

„Seien Sie nicht so bockig, Barry. Sie sind doch nicht die Garbo.“ Pause. Joe hatte das sichere Gefühl, daß Hymnie jetzt grinste. Vermutlich hatte er sich in der Zwischenzeit etwas ausgedacht.

„Sind Sie noch da?“ fragte Hymnie.

„Nur zu, ich lausche!“

„Also passen Sie auf. Ich erhöhe mein Angebot auf tausend täglich. Das ist mehr, als der Präsident der Vereinigten Staaten verdient.“

„Abgelehnt, Hymnie.“

„Sehr dumm von Ihnen, Barry. Wenn Sie schon für mich arbeiten, sollten Sie auch mein Geld nehmen.“

„Ich denke nicht daran, für Sie zu arbeiten. Schlagen Sie sich das aus dem Kopf.“

„Irrtum. Sie werden für mich arbeiten. Wollen Sie wissen, warum? – Ich erfahre soeben, daß Bayard Swope mit seinen Leuten hier aufgetaucht ist. Demnächst wird das New Yorker Klima sehr ungemütlich werden.“

„Was geht mich das an?“

„Mehr als Sie denken. Ich habe mir die Freiheit genommen, ein paar alten Bekannten zu erzählen, Sie hätten meinen Schutz übernommen. Die Geschichte ist schon am ganzen Broadway herum. Hoffentlich haben Sie nichts dagegen. Es könnte nämlich passieren, daß die Story Bayard Swope zu Ohren kommt und dann. Hallo, hören Sie noch?“

„Schon gut, Hymnie Sie halten sich wohl für einen ganz Schlauen?“

„Das bin ich auch. Also, Barry, das wollte ich Ihnen gesagt haben. Falls Sie noch irgendwelche Fragen haben, kommen Sie nur ins Marberry. Ich bin zu jeder Tages- und Nachtzeit für Sie zu sprechen. Ergebenster Diener, lieber Barry! Sagen Sie dem Captain hello von mir.“

Es knackte. Er hatte aufgelegt.

Joe sah Tom an.

„Man erlebt doch immer wieder Zeitgenossen, die den Begriff Unverschämtheit weit ausdehnen.“

„Ich weiß nicht recht.“ Tom rieb sich das Kinn. „Da steckt ein Trick dahinter. Aber ich kann ihn noch nicht erkennen. Worauf will der Kerl hinaus?“

Joe hob erst die linke Schulter, dann die rechte.

„Am besten, ich warte ab. Wenn ich richtig verstanden habe, wird dieser Swope demnächst versuchen, mich umzubringen.“

„Vorausgesetzt, er existiert überhaupt.“

„Wenn nicht, besteht auch die Möglichkeit, daß Hymnie selbst etwas Derartiges inszeniert Jedenfalls wird es langsam spannend.“

Der Captain ließ seine Scheinwerfer auf Joe fallen.

„Sieh nach, ob deine Flinte geölt ist! Das ist das beste Mittel gegen schießwütige Gangster.“

Joe grinste. Er war sich immer noch nicht sicher, ob es sich nicht doch um einen Scherz handelte.

Einen sehr schlechten Scherz allerdings.

Es stand für Joe außer Zweifel, daß Hymnie jemanden hinter ihm hergeschickt hatte, der ihm meldete, daß Barry ins Headquarter gefahren sei. Der Gangster hatte zwar so getan, als hätte er es erraten, aber das war Theater. Es gab Leute, die viel Mühe darauf verwandten, ihre Qualitäten ins rechte Licht zu stellen. Zweifellos gehörte Hymnie zu ihnen.

Nach diesem Jemand hielt Joe jetzt Ausschau. Er kletterte in den SL und drehte gemächlich eine Runde durch die 50. Straße. Als er die Fifth Avenue erreichte, tauchte ein schwarzer Chrysler im Blickfeld des Rückspiegels auf.

Na also, dachte Joe und ließ den Wagen die Fifth Avenue entlangrollen. Ausgerechnet dieser Kinderschreck!

An der 42. Straße bog Joe ab und kurvte hinüber zum Lincoln-Tunnel. Der schwarze Chrysler blieb stur hinter ihm hängen.

Sie passierten den Tunnel und erreichten Jersey City. Joe nahm Kurs auf den Pennsylvania Turnpike. Er war sich klar darüber, daß er den Chrysler bei einem Wettrennen nicht abhängen konnte. Aber das hatte er auch nicht vor. Vielleicht klappte etwas anderes.

An der Einfahrt zum Turnpike stoppte er und ließ den Chrysler dicht aufrücken. Deutlich konnte er das Affengesicht des Fahrers erkennen.

Joe entrichtete den Straßenzoll und trat dann das Gaspedal voll durch. Einen Augenblick blieb der Chrysler zurück. Vor ihm fädelte sich der Zubringer in den Turnpike ein. Der SL jagte mit quietschenden Bremsen um den Parkplatz und raste im nächsten Augenblick in entgegengesetzter Richtung davon.

Er passierte den Chrysler auf halber Höhe der Auffahrt. Deutlich konnte Joe das verblüffte Gesicht des Fahrers sehen.

Pech gehabt, mein Junge, dachte Joe. Der Chrysler konnte auf dem verkehrsreichen Zubringer nicht wenden. Er mußte dazu dieselbe Strecke fahren wie Joe, und bis er das geschafft hatte, war Barry verschwunden.

Langsam gondelte Joe durch Jersey City zurück. Dann entschloß er sich, den Abstecher nach Newark zu machen.

Der Besuch hielt ihn eine halbe Stunde auf. Gegen Mittag war er wieder in Bronx, dem nördlichen Stadtteil von New York. Der Tacho zeigte neunzig Meilen, die dazugekommen waren.

In der Gun Hill Road betrat er das Appartementhaus mit der Nummer 234. Mac, der Hausmeister, verließ seinen Glaskasten und kam ihm entgegen.

„Tag, Joe.“

„Hallo, Mac! Was gibťs Neues?“

Grundlos verließ der Hausmeister seinen bequemen Platz nicht, das war Joe klar. Seit Jahren bestand zwischen ihm und Mac ein Abkommen. Der Hausmeister registrierte alle Besucher, die zu Joe wollten, und stufte sie ein. Sagte Mac, daß sie okay waren, dann stimmte das meistens auch, und umgekehrt. Joe gab viel auf sein Urteil. Als Menschenkenner hatte Mac sich bislang noch immer bewährt.

„Da war einer, der wollte dich sprechen“, sagte Mac.

Joe hob die rechte Hand, spreizte den Daumen und bewegte ihn abwechselnd nach oben und unten.

Mac wiederholte die Bewegung. Sein Daumen zeigte nach unten.

„Der Knabe sah aus wie ein wandelnder Kleiderschrank. Habe selten eine solche Type gesehen. Wenn der in einem Gangsterfilm mitspielen wollte, brauchte man ihn nicht mal zu schminken.“

„Will er wiederkommen?“

„Hat er jedenfalls gesagt. Ich habe ihn gar nicht erst nach oben gelassen. Er sah mir aus wie einer von denen, die Bomben ins Haus praktizieren. Und ich muß dann den Dreck zusammenkehren.“

Mac war heute ungewöhnlich gesprächig. Joe grinste.

„Warten wir’s ab, Mac. Wenn er wiederkommt, gibst du Vorwarnung, ja?“

Er fuhr mit dem Lift nach oben.

Eine halbe Stunde später war es soweit. Das Telefon läutete. Es meldete sich Mac.

„Al Capone ist eben durch“, sagte er.

„Okay, Mac.“

Joe lief in die kleine Küche und nahm das Steak vom Feuer. Falls er aufgehalten wurde, sollte es nicht anbrennen.

Dann stellte er sich neben die Tür. Die Sicherungskette hatte er gelöst, das Schloß geöffnet. Er war bereit, die Tür blitzschnell zu öffnen.

Auf dem Gang näherten sich Schritte. Joe verstand es, einen Menschen nach dem Geräusch zu beurteilen, das er beim Gehen machte. Dieser hier war ein schaukelndes Nilpferd.

Joe wartete, bis der Besucher läutete. Dann wollte er blitzschnell öffnen. Er war auf alles vorbereitet; auf einen schußbereiten Revolver ebenso wie auf einen erhobenen Totschläger. Er war sicher, daß das Überraschungsmoment auf seiner Seite liegen würde.

Der Summer schnarrte. Scharf und kurz.

Joe drehte am Türknopf und riß dann die Tür auf. Gleichzeitig legte er den Oberkörper zur Seite.

Vor ihm stand Hymnies Chauffeur. Verblüfft starrte er Joe an. In seiner grauen Livree wirkte er wie ein Hotelpage, der in einen warmen Regen gekommen und zu schnell gewachsen ist.

„Barry“, ächzte der Mann, „Hymnie läßt dir sagen …“

„Was ist mit Hymnie?“

Der erstaunte Ausdruck wich nicht vom Gesicht des Mannes. Er fuhr zusammen und rollte mit den Augen.

„Barry!“ ächzte er nochmals.

Joe fing ihn auf. Der massige Körper glitt ihm durch die Hände und rutschte wie ein Sack zu Boden. Barry richtete sich auf und sah seine Hände an. Sie waren rot von Blut.

Im Rücken des Mannes steckte ein Dolch.

Privatdetektiv Joe Barry - Das Erbe des Teufels

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