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Hymnie A. Heywood, der Mann mit dem Unfehlbarkeitsruf, saß mit geistesabwesendem Gesichtsansdruck in einem Chippendalesessel. Sein Appartement im Marberry war das feudalste in diesem Luxushotel; eine Dreizimmersuite mit Dachgarten und Blick auf den East River.

Der Ausdruck geistesabwesender Isolation täuschte. Hymnie dachte scharf nach.

Er zog das niedrige Tischchen mit dem silbernen Sektkühler zu sich heran. Ohne hinzusehen, nahm er eine Flasche Veuve Cliquot aus dem Eis und drückte den Stöpsel mit dem Daumen heraus. Der Champagner fiel in schweres Bleikristall.

Langsam führte er das Glas an die Lippen. Mitten in der Bewegung unterbrach ihn das Schnarren der Sprechanlage.

„Mr. Heywood?“ quäkte es aus dem Lautsprecher.

„Was dachten Sie? Der Schah von Persien?“

Die Stimme im Lautsprecher blieb ungerührt. Der Portier des Marberry hatte in seinem Leben schon exzentrischere Kunden bedient.

„Miß Cynthia Capra ist da. Sie sagt, sie würde erwartet.“

„Geht in Ordnung.“

Hymnie blieb träge sitzen. Nur die Krawatte, die er gelockert hatte, zog er fest.

Zwei Minuten später öffnete sich die Vordertür.

Das Mädchen hätte gut ein Titelbild für „Vogue“ abgegeben. Sie war sehr schlank und nur da mit netten Rundungen versehen, wo sie hingehörten. Zu ihrem schlichten blauen Kostüm, das selbst auf der Fifth Avenue Aufsehen erregen mochte, trug sie blondes Haar. Es wurde durch ein Samtband zusammengehalten. Bei neunundneunzig von hundert Frauen hätte das nach nichts ausgesehen. Bei einer nicht. Hier war sie.

„Nun?“ fragte Hymnie.

„Ich habe die Adresse.“

Sie setzte sich ihm gegenüber und streifte die hellen Wildlederhandschuhe ab.

„Wo?“ erkundigte sich Hymnie.

Sie nahm einen Zettel aus der Krokodiltasche und warf einen Blick darauf.

„Ambrose Hotel, 74 East, 256 Bendix Street. Ich glaube nicht, daß es ein gutes Hotel ist.“

Ihre Stimme klang voll wie ein Toscanini-Orehester.

Hymnie nickte teilnahmslos.

„Gut gemacht, Cindy. War’s schwer?“

„Es war leicht. Ich verstehe nicht, warum du es nicht selbst gemacht hast.“

Er lachte ironisch.

„Ich habe in meinem Leben immer nur die schweren Dinge erledigt. Für die einfachen hatte ich meine Leute.“

Sie verzog den Mund; er beeilte sich hinzuzufügen: „Heute ist das anders. Heute sind mir die Hände gebunden. Der große Hymnie ist nur noch eine Legende, Ich habe zwar ’ne Menge Geld, aber ich kann mir nicht mal unkontrolliert die Zähne putzen. Jeder Tellerwäscher ist besser dran als ich.“

Er stand auf und trat ans Fenster.

„Komm her, Darling, ich will dir was zeigen. – Siehst du den grauen Chevrolet da unten?“

Sie trat zu ihm.

„Der Wagen ist mir vorhin gefolgt.“

„Glaubst du, daß sie wissen, worauf es dir ankam?“

„Nein. Ich habe mich genau an deine Anweisungen gehalten.“

Er stülpte nachdenklich die Unterlippe vor.

„Die sind auch wirklich nicht gefährlich. Das ist das FBI. Seit zehn Jahren belauern sie mich. Sie hoffen, mir mal etwas nachzuweisen. Du glaubst gar nicht, wieviel Dienststunden allein mit meiner Bewachung vertrödelt worden sind.“

Wenn Hymnie sprach, konnte man den Aufstieg des Mannes begreifen, der als abgerissener Bursche mit einem Nickel in der Tasche begonnen hatte, der so lange getreten wurde, bis er zurücktrat. Und der es dann nicht mehr lassen konnte.

„Woher Weißt du, daß es FBI-Leute sind?“ fragte Cindy.

„Erfahrung“, sagte er. „Kriminalbeamte tragen alle eine Uniform. Ich meine nicht die Trenchcoats und die Schlapphüte, auch nicht die unauffälligen grauen Limousinen. Ich meine den Gesichtsausdruck. – Hast du schon mal einen Bluthund gesehen, der eine Spur verfolgt? Ich schon. Als junger Bursche war ich mal unten in Georgia. Dort züchten sie solche Hunde. Da habe ich den Ausdruck gesehen. Genauso sehen sie aus.“

„Deine Erfahrungen habe ich leider nicht“, bemerkte sie ironisch.

Er wandte sich ab und nahm die Flasche aus dem Kühler. Sie war leer. Nach einigem Suchen fand er eine halbvolle Whiskyflasche.

„Das würde ich nicht tun“, sagte Cynthia kühl. „Sekt und Whisky vertragen sich nicht. Das eine ist Rebe, das andere ist Korn.“

Er stellte die Flasche weg und nickte ihr anerkennend zu.

„Das ist die Grenze, Cindy“, philosophierte er. „Darüber bin ich nie weggekommen. Ich habe mir vorgenommen, Geld zu scheffeln, und ich schaffte es. Dann lernte ich, damit umzugehen. Auch das gelang mir. Mein Geld imponierte den Leuten. Aber Anerkennung – die bekam ich nicht. Respekt, meinetwegen, und Haß, Angst und Wut – das bekam ich haufenwelse. Mehr nicht.

Vielleicht lag es daran, daß ich als armer Teufel geboren wurde. Manche Dinge muß man sicher von zu Hause mitbekommen. Ich bin nie hinter die Feinheiten gekommen. Daß Bourbon gut ist und Kornsprit aus der 38. Straße nicht gut ist, habe ich schnell begriffen. Aber sonst?“ Er zuckte die Achseln.

„Deshalb hast du dich auch in Texas angesiedelt, wie?“ fragte sie.

„Stimmt. Die Texaner gefallen mir. Sie fliegen viermotorige Privatjets und bauen dreißig Meter lange Swimmingpools in die Wüste, aber sie reden Speck und Dreck. ,Seht her, Leute, wir haben zwar Geld, aber wir leben noch genauso einfach wie Opa Anno 1860!‘ Dieser Ton gefällt mir schon besser.“

Er musterte Cynthia.

„Du solltest das von deinem Alten wissen.“

Sie schwieg und zündete sich eine Zigarette an. Hymnie trat wieder ans Fenster.

„Jetzt haben sie Wachablösung“, berichtete er. „Zwei Mann. Sie lösen sich alle acht Stunden ab. Arme Teufel. Arbeiten völlig umsonst.“

„Immerhin beschneiden sie dich in deiner Handlungsfreiheit“, sagte Cynthia sachlich.

„Die da unten? Nein! An die habe ich mich gewöhnt. Wenn ich will, drehe ich sie so durch den Wolf, daß sie das FBI für ein Wohlfahrtsinstitut halten. Ich fürchte den anderen.“

„Den anderen?“

Er nickte.

„Den Mann mit dem ausdruckslosen Gesicht. Ich habe ihn noch nicht gesehen. Aber ich weiß, daß er da ist. Er will mich töten.“

Cynthia erschauerte. Einen Moment herrschte lastende Stille im Raum. Dann ertönte das Plopp, mit dem eine gut gekühlte Sektflasche geöffnet wird. Hymnie hatte noch eine Flasche Veuve Cliquot gefunden. Er lachte spöttisch.

„Keine Sorge, Darling! Ich gebe nicht kampflos auf. Meine Chancen sind sogar gut. Jetzt, wo du die Adresse gefunden hast …“

„Was hast du vor?“ fragte sie. Ihre Stimme klang nicht neugierig.

Er griff in die Tasche und beförderte einen Zettel zutage. Es war die Hälfte eines zerrissenen Schecks.

„Nimm das und fahr zum Ambrose-Hotel. Wenn Chet Gwynn dort wohnt, bedeutet das, daß er abgebrannt ist. Ich schulde ihm von früher her noch fünftausend Dollar. Hier ist ein Scheck über diesen Betrag, aber nur ein halber. Sag ihm, daß er einen ganzen Scheck bekommt, wenn er sofort ins Marberry kommt.“

„Er scheint nicht gerade zu deinen Freunden zu zählen“

„Ich habe die Erfahrung gemacht, daß Freunde bedeutend riskanter sind als Leute, die man gut bezahlt. Also los beeil dich. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Als Cynthia fort war, griff er wieder nach der Sektflasche. Er hatte sich an dieses Getränk gewöhnt, weil es anregte und er dabei einen klaren Kopf behielt.

Einen klaren Kopf – den hatte Hymnie sein ganzes Leben lang gebraucht.

Der Portier des Marberry beobachtete Cynthia, als sie wie ein rassiger Jaguar die Halle durchquerte.

„Lecker“, sagte er zu seinem Kollegen von der Telefonzentrale. „Kannst du verstehen, wie unser Killerveteran an so etwas gekommen ist?“

Der Kollege schraubte düstere Falten in sein Gesicht.

„Dollars“, sagte er bedeutungsvoll. „Hymnie hat haufenweise Geld. Das macht es.“

„Bei Gott, das ist wahr“, stimmte der Portier zu. „Eine Schande, aber wahr.“

Der Mann namens Chet Gwynn stand eine halbe Stunde später in Hymnies Appartement. Der alte Gangster hatte sich nicht geirrt. Der Anblick des Schecks hatte besser gewirkt als eine schußbereite Automatic.

Chet Gwynn und Hymnie waren ungefähr gleichaltrig miteinander. Sie waren gleich groß und beide noch überraschend gut gebaut. Was bei Hymnie allerdings intensives Training bewirkt hatte, hatte bei Chet die Tatsache erreicht, daß mit fünfzig Dollar wöchentlich kein Bauch gepflegt werden kann. Beide Gesichter erinnerten an Leder, in das tiefe Falten hineingeätzt sind. Auf den ersten Blick hätte man sie für Zwillingsbrüder halten können.

Aber die Kleidung machte den Unterschied. Hymnies Anzug stammte aus der Bond Street in London, sein Hemd war aus federleichter Seide und seine Krawatte von der Fifth Avenue.

Bei Chet Gwynn waren derart präzise Angaben unmöglich. Mit Sicherheit ließ sich nur sagen, daß er einen reichlich heruntergekommenen Eindruck machte.

Hymnie blieb sitzen und strahlte seinen Besucher wohlwollend an. Nur seine Augen blieben kalt; sie strahlten nicht mit.

„Hallo, Chet!“ sagte er. „Lange nicht gesehen, nicht wahr?“

„Du sagst es überdeutlich“, brummte Gwynn und besah sich die Pracht ringsum. „Gut wohnst du, Alter. Das hier muß ’ne Menge kosten.“

„Tut es auch, Chet.“

Gwynn beendigte die Besichtigung des Appartements und wandte sich Hymnie zu.

„Was willst du von mir?“

„Nichts Besonderes. Ist es so ungewöhnlich, daß man sich mal wieder um seine alten Freunde kümmert? Ich war lange nicht mehr in New York.“

„Mach mir nichts vor, Hymnie. Du schuldest mir noch fünftausend Dollar. Die Zuckermaus hat gesagt, du willst sie zurückzahlen.“

„Das stimmt auch. Ich will vorher nur eins wissen: Hast du die Zehn damals mit ’nem Pasch gewürfelt?“

„No“, knurrte Chet. „Eine Vier und eine Sechs, kein Pasch.“

„Zu dumm“, fuhr Hymnie fort. „Du hast damals so gewürfelt, daß ich nichts sehen konnte. Und als ich mich überzeugen wollte, waren plötzlich deine Leibwächter in der Ebene. Ich war leider ganz allein.“

„Was regst du dich auf? Du hast ja nicht bezahlt, sondern mir einen wertlosen Schuldschein gegeben.“

„Ich hätte dich damals bezahlt, Chet, aber ein paar Tage später gingst du mit deinen Leuten hoch, erinnerst du dich noch?“

„Was soll’s? Willst du alte Geschichten aufwärmen?“

„Natürlich nicht, alter Junge!“

„Was willst du also? Krieg ich das Geld oder nicht?“

„Du bekommst es, Chet. Mußt mir nur vorher einen kleinen Gefallen tun.“ Er trat ans Fenster und schob den Vorhang etwas zur Seite. „Da unten stehen meine Bewacher vom FBI. Die mußt du mir vom Hals schaffen.“

„Bist du verrückt? Wie soll ich das anstellen?“

„Hast du vergessen, daß man uns früher die ,Zwillinge vom Broadway‘ genannt hat? Wir haben uns mal ziemlich ähnlich gesehen. Auch unsere Methoden waren ähnlich. Der einzige Unterschied ist, daß deine Laufbahn vom Staat unterbrochen wurde und du zwölf Jahre in Pension geschickt wurdest. Bei mir haben sie es nicht geschafft. Deshalb überwachen sie mich heute noch.“

„Und das Geld?“ fragte Chet Gwynn lauernd.

„Kriegst du, hundertprozentig. Und zwar in bar, nicht als Scheck. Ein Scheck könnte ein Beweismittel sein.“

Chet machte ein bestürztes Gesicht.

„Aber vorhin hast du gesagt …“

„Das war ein Köder. Bilde dir doch nicht ein, daß du von mir ohne Gegenleistung fünftausend Dollar bekommst!“ Hymnie lief durch den Raum, riß die Schranktür auf und nahm einen Mantel heraus.

„Da, zieh das an! Kannst ihn behalten. Hat mich zweihundert Dollar gekostet.“

Chet nahm den schwarzen Ulster und befühlte den Stoff. Sein Ledergesicht verzog sich anerkennend.

„Nicht schlecht“, murmelte er.

Hymnie gab ihm noch einen weißen Schal, seinen Hut und eine dunkle Brille. Dann musterte er Chet prüfend.

„Ausgezeichnet. Genau die Aufmachung, in der ich die letzten Tage herumgelaufen bin. Darauf fallen sie herein. Man muß die Leute nur an etwas gewöhnen, dann kriegt man sie.“

„Und das Geld?“ fragte Chet Gwynn hartnäckig. In seiner Aufmachung sah er Hymnie wirklich täuschend ähnlich. Man mußte schon genau hinsehen, um nicht darauf hereinzufallen.

„Das Geld bekommst du nicht von mir“, sagte Hymnie knapp. „Ich bestelle dir jetzt ein Taxi. Du fährst in die 38. Straße zu Ganders Kneipe. Die kennst du doch?“

„Natürlich.“

„Dort fragst du nach einem gewissen Bayard Swope. Das ist ein alter Freund von mir. Der bringt dir dann die fünftausend Bucks. Danach kannst du heimfahren und hast Feierabend.“

„Wenn’s weiter nichts ist!“ In Chets Augen glomm Mißtrauen. „Aber warum gibst du soviel Geld dafür aus? Ich kenne dich, Hymnie. Du hast noch nie in deinem Leben einen Dollar zuviel bezahlt.“

„Richtig. Aber ich bin in Zeitnot. Ich muß zu einer Verabredung, von der die vom FBI nichts zu wissen brauchen. Wenn ich Zeit hätte, würde ich es anders machen. Aber jetzt geht es nicht anders. Du kannst dich darauf verlassen, wenn ich fünftausend Dollar bezahle, ist es mir die Sache auch wert.“

Das leuchtete Chet Gwynn ein. „Okay“, brummte er. „Außerdem ist es ja eine alte Schuld.“

„Daran erinnere mich lieber nicht mehr“, gab Hymnie zurück, Er nahm den Telefonhörer und beauftragte den Portier, ihm ein Taxi zu besorgen.

Dann öffnete er die Tür zum Nebenraum.

„Cindy!“ rief er.

Das Mädchen erschien. Sie hatte der Besprechung nicht beiwohnen dürfen.

„Cindy, du fährst mit Chet! Laß dich an der Madison Avenue absetzen. Wenn du mitfährst, klappt die Täuschung besser.“

„Und dann? Soll ich zurückkommen?“ fragte sie.

„Nein. Du bleibst mindestens drei Stunden in der Stadt. Ist mir lieber so.“

Chet Gwynn grinste anzüglich.

„Ich würde an Ihrer Stelle auf ihn aufpassen“, sagte er zu Cynthia. „Wer weiß, was er vorhat.“

„Halt den Schnabel, Chet!“ sagte Hymnie grob. „Alles klar? Dann beeilt euch. Und seht zu, daß alles klappt.“

Er schloß die Tür hinter den beiden. Kaum waren sie fort, da begann er hastig zu packen.

Ein paar Minuten später warf er einen Blick aus dem Fenster. Der graue Chevrolet war verschwunden.

„Na also“, brummte er vor sich hin. „Ist nur schade um den Mantel. Da wird nicht mal mehr Kunststopfen helfen …“

Chet Gwynn fühlte sich unbehaglich neben Cynthia. Er hatte lange nicht mehr neben einem so hübschen Mädchen gesessen. Vor zwanzig. Jahren, ja, da war das noch anders gewesen. Aber dann hatten sie ihn eingesperrt, und als er nach zwölf Jahren herauskam, war nichts mehr übriggeblieben. Nur die schale Hülle eines Mannes, der in einem billigen Hotel wohnt und den Alkohol nicht mehr so verarbeiten kann wie in seinen jungen Jahren.

Ab und zu sah er sich um. Der graue Chevrolet blieb beharrlich hinter ihnen.

„Jedenfalls klappt etwas brummte er. „Die halten mich weiß Gott für Hymnie.“

Cynthia sagte nichts. Der Driver bremste.

„Madison Avenue, Ecke Dreiunddreißigste“, sagte er. Cynthia stieg aus. Sie gab dem Driver einen Schein und entfernte sich eilig.

Der Mann beäugte die Banknote.

„Das reicht für drei Rundfahrten und noch ein Abendessen“, bemerkte er.

„Fahren Sie weiter!“ befahl Chet Gwynn ungeduldig. Der Chevrolet hinter ihnen rückte beängstigend dicht auf.

Der Fahrer riß sich vom Anblick des Mädchens los und schaltete.

„So was Hübsches!“ brummte er, während er sich wieder in den Verkehr der Avenue einfädelte.

Chet Gwynn schwieg. Er fühlte sich in seiner Rolle von Minute zu Minute unbehaglicher, ohne einen Grund dafür angeben zu können.

Er wollte die Angelegenheit jedenfalls so rasch wie möglich hinter sich bringen.

Zehn Minuten später stoppte das Taxi vor Ganders Kneipe in der 38. Straße. Der Fahrer beugte sich nach hinten und öffnete die Tür.

„Bekommen Sie noch etwas?“ fragte Chet.

„No, Sir. Mit dem, was die junge Dame bezahlt hat, fahre ich Sie den ganzen Abend spazieren, wenn Sie wollen.“

Wütend stieg Chet aus. Hätte selbst zahlen sollen, dachte er. Bei Gott, soweit bin ich doch noch nicht.

Dann dachte er wieder an die fünftausend Bucks, und seine Laune besserte sich. Er warf einen flüchtigen Blick auf den Polizeiwagen, der jetzt vor dem Lokal stand, und schleuste sich entschlossen durch die Drehtür.

Das Lokal war schwach besucht. In Ganders Kneipe ging der Rummel immer erst nach Mitternacht los.

Chet Gwynn stellte sich an die Theke.

„Kaffee!“ knurrte er.

Während die vernickelte Espressomaschine zischte, sah er sich um. Er bemerkte, daß einige Leute ihn verstohlen betrachteten. Es war offensichtlich, daß man ihn für Hymnie hielt.

Schließlich schob sich ein Mann an ihn heran.

„Suchen Sie jemanden?“

„Stimmt! Ich suche einen Bayard Swope.“

Der andere massierte sich das Boxerkinn. Nachdenklich besah er sich Chet.

„Warten Sie!“ Er verschwand.

Nichts rührte sich. Das Warten dauerte eine halbe Stunde. Dann tauchte der Mann wieder auf.

„Bayard Swope ist da. Er erwartet Sie im Flur. Nehmen Sie die Hintertür, da werden Sie nicht gesehen.“

„Okay“, knurrte Chet Er warf ein Geldstück auf den Tisch und durchquerte das Lokal.

Er fühlte sich plötzlich wie in seinen besten Zeiten. Der große Boß, der im Hintergrund bleibt, die Fäden in der Hand hält und abkassiert, wenn es an der Zeit ist.

Chet Gwynn vergaß, daß es diese Rolle nicht mehr für ihn gab.

Der Flur war schwach beleuchtet. Er führte zu einem kleinen Hof, auf dem die Feuerleitern der umliegenden Gebäude endeten. Ganze Batterien von überfüllten Mülltonnen verliehen ihm ein trostloses Aussehen.

Suchend sah Chet sich um. Er war diese Umgebung gewohnt. Aber wo war Bayard Swope?

Dann sah er ihn. Einen mittelgroßen Mann mit einem Dutzendgesicht. Er gehörte zu den Leuten, die so unauffällig aussehen, daß sie bereits in einer Ansammlung von drei Leuten spurlos untergehen. Sein Gesicht zeigte nicht den geringsten Ausdruck; die Augen blickten leblos wie Austern.

Blitzartig begriff Chet Gwynn, daß etwas nicht stimmte. Er öffnete den Mund zu einer Erklärung. Aber es war zu spät.

Chet Gwynn sollte seine Erklärung nie mehr abgeben.

Der Mann bediente die Pistole mit dem aufgesetzten Schalldämpfer so sachlich wie andere einen Zigarettenautomaten. Er brauchte nur den Abzug durchzudrücken.

Das tat er dann auch.

Sechsmal!

Aus, Chet Gwynn. vorbei. Du hast davon geträumt, in die Arena zurückzukehren. Sie haben dir bewiesen, daß es für dich kein Comeback mehr gibt. Sie haben es gründlich getan.

Zu einem Gegenbeweis wirst du nie mehr kommen.

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