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Bürger, zur Sonne!

Liebe Bürgerinnen und Bürger, sehr geehrte Ex-Menschen,

heute, im April 2012, begrüße ich Sie zu einem historischen Neubeginn in der Stadt. Willkommen in der ersten Bürgerkolumne.

Mitten im Bürgerwahlkampf um das Amt des Bürger-Rathauschefs versammelten sich acht Bürgerinnen und Bürger, darunter eine Frau, für ein Zeitungsfoto. In Höhe ihres primären Geschlechtsmerkmals hielten sie Schilder vor ihren Körper: »Bürger-OB Sebastian Turner e.V.«. Damit auch der Bürger-OB wusste, wo er herumstand, packte er sich ebenfalls Propaganda-Pappe vor den Bauch: »Bürgerstadt Stuttgart«.

Der Schildbürgerverein für zwielichtige Kassenmanöver besteht aus Mitgliedern von CDU, Freien Wählern und FDP – letztere ein Sektiererclub, den der Amtschef des Stuttgarter SPD-Finanzministers neulich auf Facebook als »FD-Pisser« würdigte. Diese verbale Inkontinenz löste eine Bürgerkrieg zwischen FDPennern und SPDeppen aus, beschädigte aber nicht den Ruf des bürgerlichen Lagers. Das bürgerliche Lager ist sowieso eine Latrine. Der »Bürger-OB«-Verein hatte sich bereits vor dem Parteienkrach im Landtag für ein Gruppenbild mit Dame (letzte Reihe) formiert. Der Fotograf sagte: »Alle mal lächeln«, und fertig war der Cheese-Bürger.

Der gequält grinsende Cheese-Bürger hat mithilfe seines Leithammels aus der Reklamebranche, er heißt Turner, ein neues Berufsbild erfunden: »Bürger-OB« heißt auf Deutsch Bürger-Oberbürgermeister – eine Art Polit-Tampon für alle.

Unser neuer Mitbürger Bürger-Oberbürgermeister ist eine typische Marketing-Marke. Nach Art des Marketing-Vermarkters hat er den Oberbürgermeister auf den Bürger »runtergebrochen«. Ziel ist es, die Bürger mit der Marke »Bürger-Oberbürgermeister« im gebrochenen Sprachgebrauch der Politiker-Analphabeten »abzuholen« und »mitzunehmen«. So will man verhindern, dass der Bürger als Wähler des Bürger-Oberbürgermeisters »wegbricht«, bevor er selber bricht.

Der Bürger-Oberbürgermeister versprach den Menschen, als Weltbürger die Stuttgarter Bürgerwelt zu »einen« und zu »entfalten«. Diese bürgernahen Worthülsen bedeuten: designen, leimen, schleimen.

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

ich bringe meine Freude darüber zum Ausdruck, welche Wertschätzung der Bürger in diesen Tagen erfährt.

Vor dem Auftritt des Bürger-Oberbürgermeisters hatte der Bürger ein miesen Ruf. Das Bürgertum vom Killesberg bis nach Kaltental galt als Horde protestierender Penner und Anarchisten. Ein Hambürger Journalist schuf gar den Stuttgarter »Wutbürger«, als er sämtliche Teile des Klein- und Spießbürgers in seiner hanseatischen Kloschüssel zusammenrührte.

Bald darauf brüllte die CDU: Bürger, wehrt euch! Seitdem ist die Bürgerwehr überall. Sie tut so, als sei der Bürger King. Der selbsternannte Bürger-Oberbürgermeister macht uns vor, er befreie den Bürger aus seinem »Wutbürger«-Käfig, kaum dass man in der Stadt den Schlossgarten abgeholzt und den Bahnhof zerstört hat. Auferstanden aus Ruinen ist die Bürger-Rechte – ein reaktionärer Haufen von Grün bis Schwarz.

Ein anderer Reklametyp hat inzwischen vorgeschlagen, dem werten Bürger das Neue Schloss als Stuttgarter »Bürgerschloss« zu widmen. Das bedeutet: Der Bürger darf hie und da das von seinen Steuern bezahlte Schloss in der Stadt betreten. Seine Freude darüber ist groß, weil er sich die Bürgermiete in den Investorenburgen seiner Bürgerstadt sowieso nicht mehr leisten kann.

Um auch diese Sauerei im Ton der Marketing-Vermarkter »wegzukommunizieren«, rief der Bürger-Oberbürgermeister gleich noch die »neue Bürgerstadt« aus. Das Würgewort »Bürgerstadt Stuttgart« erleichtert es dem Bürger, die Bürgerstadt Stuttgart vom Tierheim Botnang zu unterscheiden. Zuvor hatte der Bürger-Oberbürgermeister mit einem Witzbold-Witz über das Ross im Stadtwappen seinen Köter für ein Youtube-Videos in die Kamera gehalten. Wow!, entfuhr es dem Hundsbürger. Und der brave Bürger hob das Bein. Endlich wusste der Bürger: Eine Stadt mit Hunderttausenden Bürgern ist eine Bürgerstadt. Und kein Hundezwinger, kein Kirmesplatz und keine Scheißwerbeagentur.

Wenn das Bürgerschloss eröffnet ist, bitte ich, dem neuen Stuttgarter Gutbürger weitere große Bühnen anzubieten. Um dem Bürgerstadt-Bürger Demokratie unter seinem Bürger-Oberbürgermeister vorzugaukeln, wird in Zukunft nicht genügen, Bürger-Maultaschen und Königsbürger Klopse mit Energie der Firma Bürgergas aufzukochen. Auch das Bürgerhospital signalisiert keine bürgerliche Mitbestimmung – trotz geschlossener Abteilung, wo die Reklamefritzen gut aufgehoben wären.

Verehrte Bürgerinnen und Bürger,

wir Bürgerstadt-Bürger haben die Schnauze voll von herrschaftlichen Herrschaftsverhältnissen. Weg mit dem Kaiserschmarrn. Es lebe der Bürgerschwachsinn. Ab sofort heißt die Königstraße Bürgersteig. Das turnt voll.

Im Kessel brummt der Bürger King

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