Читать книгу Das Gesetz des Blutes - Johann Chapoutot - Страница 23

Die Juden als Volk des Gesetzes

Оглавление

Am Anfang war das Recht unmittelbarer Ausdruck einer Naturmoral, die den Lebensgesetzen gehorchte. Mittlerweile ist das deutsche Volk aber zum Sklaven einer Vielzahl von abstrakten Gesetzen geworden und hat darüber das konkrete Recht vergessen, das einst sein Leben bestimmte. Man ergeht sich seit langem gerne in Ausführungen zur Intellektfeindlichkeit der Nationalsozialisten, sagt doch Hitler in Mein Kampf, dass ihm der Boxsport mehr zusagt als Grammatikstunden … Ist das der ewige Faschismus? Mag sein. Gleichwohl gibt es Tiefergehendes als der – gewiss reale – Hass auf Intellektuelle und der – ebenso unbezweifelbare – Komplex der Aufsteiger gegenüber dem akademischen Adel. Die Rückkehr zur Natur mit Hilfe ihrer unmittelbaren Erfassung durch den Instinkt geht deutlich weiter und weist eine programmatische Tiefenstruktur auf, die den schlichten und banalen „faschistischen“ Anti-Intellektualismus weit hinter sich lässt. Vor einem Juristen-Kolloquium erklärt Hans Frank in klassischer Manier:

Man hat einmal unter dieser jüdischen Vorherrschaft den Gelehrten in seine Gelehrtenstube eingesperrt und ihn vom Volke trennen wollen. Man hat einmal als Kriterium der Gelehrsamkeit geradezu die Fremdheit gegenüber dem Volkstümlichen, dem sogenannten Populären aufgestellt. Der Nationalsozialismus verlangt von Ihnen, meinen Herren Professoren, eine Wissenschaft, die, aus dem Volke kommend, dem Volke dient.304

„Volk“ wird dabei verstanden als rassische Wirklichkeit und biologischer Imperativ. Die Feinde des Volkes werden in diesem Kolloquium klar benannt. Es sind die Vertreter „des Judentums in der deutschen Rechtswissenschaft“305:

Die Zeiten des Träumens, des Sinnens und Sinnierens, die Zeiten des formalen Disputierens, des Abstrahierens, des übersteigerten Systematisierens und des wortreichen Dozierens müssen vorüber sein.306

Der Mann der Abstraktion, das ist eben der Jude, der das Reale hasst. Dieser Hass veranlasst ihn dazu, etwas Künstliches zu schaffen und Zuflucht bei Nicht-Existierendem zu suchen, bei den Hirngespinsten, die sein kranker Kopf ersinnt. Die Juden sind es, die Gesetze verfasst haben: Sie bilden das „Volk des Gesetzes“, denn sie sind unfähig, das Recht zu denken und zu leben – das Recht, das reiner Ausdruck einer Natur ist, der sie misstrauen. Die Juden wissen, dass sie minderwertige und unfertige Wesen sind. Sie hassen Natur und Welt sowie das, was die Natur an Bestem hervorgebracht hat, allem voran die nordische Rasse.

Da sie nun einmal unfähig sind, in der Natur und den Naturgesetzen zu leben, haben sie künstliche Gesetze erdacht und formuliert, die eine Negation der Natur darstellen.307 Auch in ihrer Eigenschaft als unausgeglichene Mischlinge haben sie sich in eine Zwangsjacke aus toten Buchstaben gezwängt, aus Misstrauen gegenüber diesem anarchischen, nervösen und kranken Leben, das ihnen keinerlei beständiges Wesen verlieh. Da die Juden nicht in der Lage sind, sich selbst in Zucht zu nehmen, suchen sie Zuflucht in der verbalen Fixierung, die ihr einziger stabiler Bezugspunkt ist, denn durch ihr Herumwandern auf der Erde, aber auch aufgrund ihrer seelischen Instabilität finden sie sonst weder Ruhe noch Richtung. Carl Schmitt stellt fest: „Es gibt Völker, die ohne Boden, ohne Staat, ohne Kirche, nur im ‚Gesetz‘ existieren; ihnen erscheint das normativistische Denken als das allein vernünftige Rechtsdenken.“308

Als Volk von Rassenbastarden, also aus einer Mischung unterschiedlicher Substanzen bestehend, sind die Juden zudem geistig wie seelisch schizophren. In den Augen der Rassenkundler sind die Juden, wie wir gesehen haben, eine „Unrasse“ oder eine „Gegenrasse“. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass sie ein Kompositum unterschiedlicher Rassenelemente sind, sie sind nie aus einem Guss, aus einem Stück: „Der Jude (ist) ein Bastard“, erklären die Rassenexperten der SS, ein Kompositum aus „Orientalen, Vorderasiaten, Hamiten und Negern“309. Sie vereinen unterschiedliche, ja widersprüchliche Wesensarten in sich, die koexistieren, aber auch im Widerstreit miteinander liegen. Sie können sich daher nicht auf ihren Instinkt verlassen, sie haben ja keinen. Der Instinkt ist unmittelbarer Ausdruck einer widerspruchs- und problemlosen Rassenidentität; a contrario bedeutet Rassenmischung Widersprüchlichkeit, ja nachgerade Schizophrenie: „Durch Kreuzung wird naturgemäß diese Harmonie zerstört, es entsteht eine Unausgeglichenheit“310 im Blut, in den Hormonen und in der Folge in der Seele. Auf der Ebene von menschlichen Gruppen und Ländern führt das zu revolutionären Einheiten, zu Ländern, die „von Aufständen, Revolutionen und Machtkämpfen ständig in ihrer Entwicklung unterbrochen“311 werden. Auf der Ebene des Einzelnen erzeugt die Rassenmischung Wesen, deren Psyche genauso trübe und unrein ist wie ihr Blut. Die „Rassenbastarde“ sind von einem „Zwiespalt“ gekennzeichnet: „Es streiten sich zwei Wesen in ihnen“312 – mindestens. Die „Rheinlandbastarde“, Ergebnis der kriminellen Politik Frankreichs, das afrikanische Truppen in Deutschland eingesetzt hat, aber auch der Verantwortungslosigkeit bestimmter deutscher Frauen, die mit „Negern“ Kinder gezeugt haben, sind „traurige Zeugen jenes Verrats an der weißen Rasse“ und gehen „in den verschiedenen Städten am Rhein ihren traurigen Lebensweg“313. Schuld daran sind die sträfliche Nachlässigkeit einiger Leute und die üble Absicht einer feindlichen Macht, die die nordische Rasse zu beflecken suchte, um sie entarten zu lassen. Diese armen unglücklichen, da schizophrenen Wesen fallen der barmherzigen Behandlung anheim, die ihnen die staatliche Medizin in Form der Sterilisierung zuteil werden lässt.

Der Jude, dieses Mischwesen schlechthin, muss sich an ein Gesetz halten, an ein Gesetzbuch, an eine geschriebene Norm. Keinerlei Instinkt wird ihm diese je diktieren, er benötigt einen Gesetzestext. Hierin liegt der Grund für die wesentliche kulturelle und psychologische Bedeutung von Rabbinern und Exegeten, der Lese- und Schreib-Kultur des jüdischen Volks, dieses unsicheren, unreinen und verunsicherten Volks der Yeshiva und der Thora. Die Juden haben auch den Formalismus geschaffen, diese Hypertrophie von Gesetz und Legalismus. Positivismus und Formalismus, diese beiden Schreckgespenster für die Erneuerer des deutschen Rechts, sind also jüdische Hervorbringungen.

Die Ontologie des Juden und die juristische Erkenntnistheorie sind nach Carl Schmitt eng miteinander verbunden, denn das jüdische Gesetz ist bestimmt vom Gegensatz zwischen jüdischem Chaos und jüdischer Rechtsauffassung, zwischen anarchistischem Nihilismus und positivistischer Normativität, zwischen einem groben sinnlichen Materialismus und der abgehobensten Morallehre.314

In der Tat: welch Chaos! Ein Sammelsurium von Antagonismen, von Marx bis Rothschild. Der Jude ist eine regelrechte Chimäre, er ist alles und das Gegenteil, eine hervorragende Projektionsfläche für alle Arten von Phantasmen, so widersprüchlich diese je nach Zeit, Ort und sozialer Gruppe auch sein mögen. Juristisch gesprochen ist der Jude sowohl Anarchist als auch hypernormativ oder, wie Hans Frank schreibt, „liberalistisch-marxistisch“315, eine kuriose Verbindung von Begriffen, die aber aus nationalsozialistischer Sicht noch nicht einmal als Widerspruch oder Oxymoron erscheint. Der Jude ist nachgerade formlos. Wegen der charakteristischen Mischung seiner Substanz ist er so chaotisch.

Gerade weil er formlos ist, flüchtet er sich in den Formalismus. Seine Ontologie ist instabil und unsicher, deshalb sucht er Sicherheit und Struktur in und durch die Starre von nicht hinterfragten zwingenden Normen. Die Juden sind das Volk des Gesetzes, weil ihnen erst dieses normative Rückgrat zum Dasein verhilft. Gleichwohl gestattet dieses Gesetz es ihnen nicht, einen Kosmos zu errichten: Ihr Gesetz heißt sie eine Tätigkeit auszuüben, die ihrer Natur entspricht, nämlich Chaos und Verheerung zu verbreiten. In seiner Formlosigkeit, ja Unförmigkeit ist der Jude auf Verformung und Zerstörung aus, im Gegensatz zum Arier, der Form gibt und Konformität sucht. Somit wird verständlicher, dass die jüdischen Elemente vollständig aus dem deutschen Rechtsleben auszuschließen sind: Der jüdische Geist muss verfolgt und die jüdischen Rechtspraktiker müssen schonungslos ausgeschlossen werden.

Die Juden in juristischen Berufen sind ja nichts weiter als blanke Rabbiner, die mit ihrer zerstörerischen und perversen Dialektik die Entfremdung der deutschen Intelligenz betreiben. Ihre Ausschaltung mit Hilfe gesetzlicher Bestimmungen dient der öffentlichen Wohlfahrt: So erhalten Richter, Anwälte und Professoren durch das Gesetz vom 7. April 1933 Berufsverbot. Diesen Bestimmungen gehen Aggressionen und Belästigungen voraus, die sie physisch von den Orten vertreiben, an denen in Deutschland Justiz ausgeübt wird. So beschreibt etwa Sebastian Haffner den Angriff der SA auf das Kammergericht, an dem er 1933 als junger Referendar tätig war.316 Im Laufe dieses Jahres kommt es immer häufiger zu solchen Einschüchterungs- und Lynchvorgängen: u.a. in Köln, wo das Justizgebäude nach dem Bericht des Historikers Eric Johnson am 31. März von braunen Gewalttätern zwangsarisiert wird.317

Das germanische Recht lebt, das Gesetz dagegen, diese Ausscheidung von Rabbinern, ist tot und todbringend. Aufgrund dieser Auffassung der Beziehung von Recht und Gesetz kann Himmler das Recht für sich in Anspruch nehmen und zugleich die Gesetze missachten. Er ist dabei absolut ehrlich und kann so auch ohne eine Spur von Zynismus Sätze wie diese über die Tätigkeit der deutschen Polizei sagen:

Wir Nationalsozialisten haben uns dann – es mag absonderlich klingen, wenn ich das in der AfDR318 sage, aber Sie werden das verstehen – nicht ohne Recht, das wir in uns trugen, wohl aber ohne Gesetz an die Arbeit gemacht. Ich habe mich dabei von vornherein auf den Standpunkt gestellt, ob ein Paragraph unserem Handeln entgegensteht, ist mir völlig gleichgültig; ich tue zur Erfüllung meiner Aufgaben grundsätzlich das, was ich nach meinem Gewissen in meiner Arbeit für Führer und Volk verantworten kann und dem gesunden Menschenverstand entspricht. Ob die anderen Leute über die ‚Brechung der Gesetze‘ jammerten, war in diesen Monaten und Jahren, in denen es um Leben oder Sterben des deutschen Volkes ging, gänzlich gleichgültig. Das Ausland […] sprach natürlich von einem rechtslosen Zustand in der Polizei und damit im Staate. Rechtslos nannten sie ihn, weil er nicht dem entsprach, was sie unter Recht verstanden. In Wahrheit legten wir durch unsere Arbeit die Grundlagen zu einem neuen Recht, dem Lebensrecht des deutschen Volkes. 319

Und dieses ist das seit Jahrhunderten vergessene, dabei aber elementarste und älteste Recht: „Was wir tun, das ist lediglich die Wiederinkraftsetzung des ältesten Rechtes unseres Volkes.“320 Genau das tut die Polizei. Himmler verlangt von den Juristen, an die er sich mit dieser Rede wendet, dass sie das – vereinfachte – deutsche Recht in Übereinstimmung mit den Gesetzen von Natur und Rasse bringen, so wie das früher der Fall war:

Die Grundbegriffe [des Rechts] müssen dem Blut und dem aus dem Blut entsprungenen Geist und Körper unseres Volkes entsprechen. Glückt es Ihnen, dieses Recht zu formulieren, und in Sätze zu fassen, nicht in Paragraphen niederzulegen, sondern in weise und kluge Sätze, die selbst dem einfachsten, juristisch nicht gebildeten Menschen einleuchten, dann werden Sie ein großes Werk getan haben.321

Das Gesetz des Blutes

Подняться наверх