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2 ENTFREMDUNG VON KULTUR UND NATUR

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Unter dem Einfluss des jüdischen Monotheismus und dann seiner christlichen Variante zieht sich das Göttliche aus der Welt zurück bzw. es wird aus ihr vertrieben. Die jüdisch-christliche Weltauffassung „macht die übrige belebte Natur zu etwas schlechthin Unterwertigem“267. Diese „Verachtung der Natur“ geht einher mit der „Leibesverachtung des Christentums“268. Sie macht aus dieser Welt, der Welt der Natur, der einzigen, die es gibt, ein Universum der entzauberten Verzweiflung, und diese lässt ihrerseits den typisch orientalischen Ruf nach einem Heiland, der uns aus diesem Jammertal erlöst, entstehen. Das Schwarze Korps verurteilt derartige „jüdisch-vorderasiatische Erlösungstheorien der hellenistischen Zeit“269. Die Figur des Erlösers ist „erwachsen auf einem vorderasiatisch-babylonischen Urgrund und dann durch den arischen Mythraskult weitgehend umbestimmt (worden) […] Was dann auf dem Umweg über alexandrinische, jüdisch-hellenistische Philosophie daraus geworden ist, zeigt am besten das letzte Buch des neuen Testaments mit seiner verschrobenen Phantastik.“270 Diese „vorderasiatische Fabelwelt“ mit ihren „artfremde(n) Vorstellungen“ verdient es nicht, als Religion bezeichnet zu werden.271

Die aus der asiatisch-jüdisch-christlichen Vorstellung von Mensch und Welt abgeleitete Ethik ist eine Anti-Natur, denn sie gebietet die Ablehnung des Seins und das Verschwinden des Selbst auf mehrfache Art: in der Askese, die den Körper abtötet, im Weltverzicht sowie in der Demutshaltung, die es gebietet, auch die andere Wange hinzuhalten, und die es verbietet, sich zu verteidigen:

Auch den Griechen war dies ohne weiteres klar. Aristoteles sagte hundert Jahre später als der Chinese272: Wir sollen uns gegen andere benehmen, als wir wünschen, dass andere gegen uns handeln sollen. Hier liegt nun der wesentliche Unterschied gegenüber dem christlichen Denken. Denn die eben zitierten Leitsätze gehen von einer außerordentlich hohen Selbstachtung aus, die das eigene Gewissen und die eigene Selbstverantwortlichkeit sozusagen zum Weltenrichter machen. Im Gegensatz hierzu ist der oberste Begriff der christlichen Ethik die Überschätzung der Nächstenliebe auf Kosten der Selbstachtung.273

Die christliche Ethik ist eine „unverschämte Zumutung, feige und demütig zu sein“. Sie gebietet es, dem, der ein Stück Stoff haben will, gleich den ganzen Mantel zu geben, und ist damit, genau betrachtet, eine „Aufforderung zum Diebstahl“.274 Wer der Natur entsagt oder wer ihr von denen entrissen wird, die ein Interesse an dieser De-naturierung haben, der schafft eine verkehrte Welt, eine Anti-Natur.

Das Gesetz des Blutes

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