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Natur, Nacktheit, Ursprünglichkeit

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Wer Natur sagt, sagt auch Nacktheit. Die ansonsten durchaus viktorianisch eingestellte NS-Hierarchie unterstützt die Freikörperbewegung, die der nationalistischen und rassistischen Rechten nahesteht. Im Hermanns- (und nicht etwa, horresco referens, im Adams-) Kostüm auftreten, bedeutet, im unmittelbaren Kontakt mit den Elementen und Mutter Natur, der großen Gebärerin, zu stehen. Es gilt, zur gesunden Entwicklung und zum allgemeinen Wettstreit der zur Schau gestellten Körper aufzufordern. Die Zeitschrift Deutsche Leibeszucht sowie die zahlreichen und weit verbreiteten Publikationen eines Hans Surén, des wichtigsten und hochpopulären Förderers des Nacktsports, veröffentlichen zahlreiche Bilder nackter Menschen: Vor Wald, See oder Meer abgebildete Körper verschmelzen mit dem Sand und dem Wasser, aus denen sie hervorgegangen sind. Durch ihren Einklang mit den Elementen, braungebrannt, glücklich und aufgeblüht, führen sie dem eingeschnürten Asphaltbewohner das Bild der wiedergefundenen Einheit mit der großen kosmischen Matrix vor. Die Zensur hat nichts dagegen einzuwenden. Wir sind uns sicher, dass diese (schönen) Bilder in den Sommerlagern der HJ so manche Aufwallung nach sich zogen, von offizieller Seite wurde ihr erotischer Charakter jedoch abgestritten. Die unschuldige Wiedergabe des nackten Körpers ist unverstellter, authentischer Ausdruck einer Rasse von schönen Körpern, die ohne Geschlechtertrennung so leben, wie die Natur es vorsieht – im Unterschied zu krankhaften Vorschriften orientalischen Ursprungs. Mehr noch, auf der Nacktheit gründet eine neue Moral, denn die Wertschätzung und Befürwortung nordischer Nacktheit bedeutet für die NS-Zeitschrift Neues Volk, „mit der Natur (zu) denken und (zu) werten“73 und nicht gegen sie.

Zwar empören sich einige Kritiker über die zahlreichen Nacktdarstellungen in der Staatskunst seit 1933, doch Das Schwarze Korps bläst zum Kampf gegen die christlichen und jüdischen Heuchler: „Fremde Lehren haben in unser Land den Zwiespalt getragen und haben den Stolz unserer Frauen gebrochen.“74 Die Nacktheit ist aus der Kunst wie aus dem Leben verbannt worden. Daher „wissen viele im deutschen Volk nicht mehr, was würdig und was unwürdig ist“:

Das Reine und Schöne war dem deutschen Volke noch nie Sünde. So wie die Griechen es verstanden, den nordischen Körper in seiner Harmonie darzustellen, so wird es auch Aufgabe unserer Kunst sein, den Idealen des deutschen Volkes in der Plastik und Malerei gerecht zu werden. Aber weit weisen wir jene Prüderie von uns, die mit dazu beigetragen hat, in unserem Volk den Instinkt für körperlichen Adel und seine Schönheit zu vernichten. Und wieder müssen wir auf die Griechen verweisen, die um die züchterische Auslese ihres Volkes wußten, und deren Wettkämpfer bei öffentlichen Spielen unbekleidet auftraten, was mit dazu beitrug, die rassische Auslese zu fördern.75

Die SS-Zeitschrift verdammt nachdrücklich eine „artfremde Moral“ und bedauert eine jahrhundertelange Akkulturation, die die nordische Rasse ihrer Herkunft und Natur entfremdet hat. Allerorten ist diese Ansteckung zu beobachten:

Selbst in den Gesündesten von uns spukt auch heute noch die durch generationslange Beeinflussung und Erziehung tief in uns verwurzelte Scheu vor wirklicher Ehrlichkeit körperlichen Dingen gegenüber […] In diesem Sinne ist der griechische Begriff des Schönen und Guten als welterhaltende und weltregierende Kraft auch unser Lebensideal [… im Gegensatz zu] mittelalterliche[r] Dunkelmännerei.76

Gegen die Scham wird die Ästhetik und Ethik des griechischen Modells ins Feld geführt: Die Winckelmann-Anhänger müssen beim Wort genommen werden. Es reicht nicht aus, dass das Bildungsbürgertum vor den Marmorakten in Verzückung gerät, die griechische Nacktheit muss zum praktischen und nicht bloß schulischen Gebot werden. Dieses ist auch biologischer Natur, denn die jüdisch-christliche Kultur wirkt tödlich, sie ist „Kasteiung des Fleisches und Vernichtung […] aller echten Lebenskräfte“77.

Die nordische Rasse dagegen verbirgt und verdeckt nichts, ihr Geist ist rein und frank wie der von Kindern. Die NS-Zeitschrift für Freikörperkultur Deutsche Leibeszucht betont immer wieder: „Nackt sein in der Natur ist nicht unsittlich. […] Frei von den Hüllen der Zivilisation und Kultur“ erfährt der Mensch, was Freiheit und Gesundheit bedeuten. Ohne Angst vor Klischees führt der Autor an Orte der natürlichen Umwelt, an denen sich der Menschen frei bewegen kann: „auf blumiger Wiese, im schattigen Wald, im lichtblauen See, im sonngeglühten, körnigen Sand oder auf schroffen, himmelsnahen Bergeshöhen“78.

Diese Freikörperkultur umfasst Physis, Ästhetik und Moral, sie ist aber auch ein ontologisches Projekt der Rückkehr zu sich selbst, „ein Anlauf zur Selbstheilung, eine Befreiung vom Schutt der Jahrhunderte“79. Nur so wird der Mensch zurückfinden zu seinem Menschsein: „Nur wer auf den natürlichen Grundlagen des Lebens aufbaut und die natürlichen Gesetze erkennt und getreulich erfüllt, ist Mensch. Er ist ein gesunder und vollgültiger Mensch, wenn er ein natürlicher Mensch geworden ist.“80 FKK ist keine textilfreie Tändelei, sondern eine Rückkehr zum Wesen der Rasse, ihrer Ursprünglichkeit:

Um ein solches Leben bewußt leben zu können, dazu bedarf es freilich einer gewaltigen Umstellung […]. Sie müssen erst innerlich nackt werden, geistig nackt! Das ist es! – Alle Hüllen der Erziehung, der Konfession, der vielen Ismen, die der Mensch sich im Laufe der Zeit wie Jahresringe umgelegt hat, müssen fallen. Er muß völlig unberührt dastehen und Gehversuche unternehmen wie ein Kind, denn es ist ein ganz neuer Boden, den er zu betreten hat.81

Heuchler und Tugendlehrer misstrauen ihrer inneren Natur, weil sie diese dem Zwang unterworfen und ihr Gewalt angetan haben. Wer wie sie Engel sein will, fürchtet das Tier in sich. Die Freikörperkultur dagegen „ist der Anfang des Weges, der uns heimwärts führt. Dabei werden auf dem Wege unserer Wanderung zu uns selbst langsam von uns abfallen auch die anderen Zeichen der Verirrung: […] Lüsternheit […] Unzucht in jeder Form“82 – der alte Voyeur, der Bathseba im Bad auflauert, ist dagegen natürlich ein Jude – und am Ende des Weges steht dann „die alte verlorengegangene, aber von uns wiedergefundene Wesensreinheit“83.

Die von der Deutschen Leibeszucht propagierte Freikörperkultur stimmt vollkommen mit Prinzipien und Zielen des Nationalsozialismus überein. Bereits der Untertitel der Zeitschrift, „Blätter für naturnahe und arteigene Lebensgestaltung“, macht deutlich, dass dessen Programm auch ihres ist.

Das Gesetz des Blutes

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