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Teil I. Definitionen

1. Selbstbezeichnungen und Bezeichnungen

Israel und Israeliten bzw. Söhne Israels sind die traditionellen, in religiösen Texten vorherrschenden Selbstbezeichnungen für eine sowohl ethnische wie religiöse Einheit, die man demographisch-statistisch Judenheit (vgl. englisch jewry) und als Religion Judentum (vgl. englisch judaism) nennen kann. Für diese Gesamtheit gibt es im Hebräischen seit der Spätantike den übergreifenden Begriff kenäsät Jiśra′ el (Versammlung Israels), literarisch-dramatisch zu einer weiblichen Figur personifiziert, die vor Gott für Israel eintritt, während ansonsten der Erzengel Michael (»Wer ist wie Gott?«) Israel vor Gott und gegenüber den anderen (siebzig) Völkerengeln vertritt. Die Bezeichnung Synagoge als Gegenstück zu Kirche entspricht christlichem Sprachgebrauch.

Juden/Judäer nannte man ursprünglich Bewohner das Landes Juda/Judäa, nach dem babylonischen Exil (586–538 v.Chr.) immer öfter die Anhänger jener Richtung, die sich als Heimkehrergemeinschaft gegenüber anderen Israeliten abgrenzten. Schließlich wurde diese Bezeichnung – vor allem unter Nichtjuden – anstelle von Israeliten verwendet. Das griechische Wort judaismos bezeichnet hingegen vorrangig die Religion Israels. Hebräer deutet auf eine ethnische und sprachliche Gemeinsamkeit, und manchmal verweist es einfach auf die biblischen Ursprünge. In der Zeit der Aufklärung und der Emanzipation hat man die Bezeichnung Jude wegen ihrer Verwendung als Schimpfwort weithin vermieden und es wurden Selbstbezeichnungen gewählt, die den Akzent auf die biblischen Grundlagen rücken sollten, nämlich: hebräisch, israelitisch und mosaisch, und diese begegnen auch im staatlichen Sprachgebrauch. Heute sind Jude, Judentum und jüdisch wieder ohne negative Beiklänge allgemein üblich.

2. Zugehörigkeitskriterien

Die Zugehörigkeit zu Israel wird in erster Linie abstammungsmäßig definiert, und zwar (außer für den Stamm Levi) von der mütterlichen Seite her, was sich durch die moderne Genforschung als objektiv begründet erwiesen hat.1 Nach jüdischem Recht gilt als Jude, wer von einer jüdischen Mutter abstammt oder rite zum Judentum übergetreten ist. Dies wurde auch ins Personenstandsrecht des Staates Israel aufgenommen, mit der ausdrücklichen, ergänzenden Klarstellung: »und sich nicht zu einer anderen Religionsgemeinschaft bekennt«. Allerdings bereitet liberalen und v. a. säkularen Juden bzw. Israelis die Begrenzung der Religionsfreiheit Unbehagen, die durch die Bindung der Nationalität an die Religionszugehörigkeit vorgegeben ist. Einem jüdischen israelischen Staatsbürger wird nämlich im Reisepass unter Nationalität jüdisch eingetragen, doch wechselt er die Religion, verliert er die jüdische Nationalität. Zudem scheiden sich die Geister in Bezug auf die Bedeutung der Formulierung rite (also: ritualgerecht) übergetreten. Orthodoxe verlangen einen Übertritt nach orthodoxen Kriterien und auf Anerkennung durch ein orthodoxes Gericht, und da im Staat Israel das Judentum Staatsreligion ist und die Orthodoxie diesbezüglich ein Monopol hat, ergeben sich laufend Differenzen. Die Fronten haben sich zwar in den letzten Jahrzehnten etwas aufgeweicht, aber auch neue Hürden wurden errichtet, etwa wenn das Reformjudentum als Zugehörigkeitskriterium auch die Abstammung von einem jüdischen Vater anerkennt.

Die Einheit und Besonderheit Israels unter den Völkern wird in der Tradition nicht nur abstammungsmäßig, sondern auch traditionsgeschichtlich und erwählungsgeschichtlich begründet: Von Adam über Seth, Henoch und den Noah-Sohn Sem führt eine Linie von Urahnen und Traditionsträgern zu Abraham, Isaak und Jakob/Israel. Die 12 Söhne Jakobs gelten als Ahnherren der 12 Stämme Israels; darunter gilt Levi als Kultdiener-Stamm. Das ergibt eine dreigeteilte Rangfolge bzw. soziologische Makrostruktur: Priester (mit dem Hohepriester an der Spitze), Leviten (Kultdiener, Funktionäre in Verwaltung und Rechtswesen) und (normale) Israeliten bzw. Laien, eventuell mit einem König Israels an der Spitze. Mit der Tempelzerstörung im Jahr 70 n. Chr. verloren Priester und Leviten zwar ihre bis dahin dominante Position, die Voraussetzung einer (patrilinear!) abstammungsmäßig definierten Kultdienerschaft (Priester und Leviten) blieb aber in Geltung und bedingt gewisse Ehren-Vorrechte. Seither werden Sozialgefüge und Sozialprestige durch zwei Faktoren dominiert: die wirtschaftliche Elite, die in der Lage ist, den Bestand der Gruppe zu gewährleisten, und eine Gelehrtenschicht, deren Autorität die alte priesterliche Autorität und religiöse Kompetenz ersetzt.

1 Vgl. dazu KLEIMAN, Y., DNA and Tradition, Jerusalem 2004.

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