Читать книгу Judentum - Johann Maier - Страница 9

Оглавление

Teil II. Die geglaubte Geschichte in der jüdischen Religion

Vorbemerkung

Das Judentum gilt als geschichtsbewusste Religion mit der Vorstellung von einem linearen, zielgerichteten Geschichtslauf als Kennzeichen. Man hat oft versucht, Entsprechungen und Unterschiede zwischen griechisch-hellenistischem und biblisch-jüdischem Geschichts- und Zeitverständnis aufzuzeigen, und manchmal sogar Gegensätze postuliert.1 Wirklich eigentümlich ist Seite jedoch das Bemühen, die geglaubte Geschichte in einem universalgeschichtlichen Rahmen darzubieten, so dass der eigene Anspruch geschichtlich und sogar vorgeschichtlich begründet wird und die Realisierung dieses Anspruchs als Ziel aller Geschichte überhaupt erscheint. Die zielgerichtete Sicht schließt allerdings die Vorstellung von zyklischen Vorgängen keineswegs aus, und dazu trägt auch eine Neigung zu schematischen Periodisierungen bei. Alle religiösen Grundvorstellungen haben ihren eigentlichen Platz im Rahmen der geglaubten Geschichte,2 einige davon wurden infolge der Säkularisierung durch ideologisch motivierte teils ersetzt, teils durchsetzt,3 und die Vertreter solcher Geschichtsbilder übertragen gern den Autoritätsanspruch der Tradition auf die eigene Position.

1. Die Verankerung in Schöpfungs- und Urgeschichte

1.1 Die Schöpfungsgeschichten

Im Orient kannte man schon früh Überlieferungen bezüglich der Entstehung der Welt, der Bedrohung ihres Bestandes durch Chaosmächte, und der Entwicklung kulturell-zivilisatorischer Errungenschaften bis zur Katastrophe einer großen Flut. Was in der Umwelt im Rahmen der polytheistischen Götterwelt und auf der Basis mythischer Vorstellungen dargelegt wird, erscheint auf dem Boden der JHWH-Religion als Geschichte der Welt- und Menschenschöpfung durch einen Gott und als Urgeschichte der Menschheit.4 Aber das Interesse galt nicht spekulativen Weltentstehungserklärungen, sondern der Konstruktion eines nach Generationen bzw. Lebenszeitdaten geordneten Geschichtsverlaufs, der mit der Weltschöpfung (Gen 1–2) einsetzt, mit der Sintflut aber beinahe wieder endet, dann mit den Noahsöhnen Sem, Ham und Jafet neu beginnt, um diese universale Urgeschichte auf die eigene Gemeinschaft und den eigenen Kult hin zuzuspitzen. Die Urgeschichte der Menschheit dient als Vorspann zur Geschichte Israels.

1.2 Die Sprache der Schöpfung

Eine in der priesterlichen Bildungstradition ausgefeilte Darstellung (Gen 1,1–2,4) setzt eine Weltschöpfung durch Gottesworte voraus.5 Zehn Schöpfungsworte (ma′ amarôt) zählt man, und sie wurden in der weiteren Folge zu einem schöpfungstheologischen Hauptmotiv.6 Als direkte Gottesrede gelten auch die Proklamation der Zehn Gebote (dibberôt) am Sinai (Ex 20), und dreizehn Wirkungsweisen (middôt) Gottes, die man aus Ex 34,6b–8 herausliest Von daher hat das Hebräische seinen Ruf als Sprache der Schöpfung erhalten. Bis zur Moderne herauf wurden (auch unter Christen) die anderen Sprachen in ihrem Verhältnis zum Hebräischen beurteilt und diesem als der Ursprache nachgeordnet.7 Das Hebräische blieb demgemäß auch die Sprache der religiösen Tradition, insbesondere der gesetzlichen. Die Rolle als Schöpfungssprache gilt auch für die Schrift. Die 22 Schriftzeichen (Konsonanten) des Hebräischen, die zugleich als Zahlzeichen dienen, wurden als Schöpfungspotenzen gedeutet, was eine reiche Buchstaben- und Zahlensymbolik nach sich gezogen hat.8 Die 22 Konsonanten und die Zahlen 1–10 ergeben zusammen die 32 »Wege der Weisheit«, seit der Spätantike eine Grundlage für allerlei Spekulationen. Etwa die Gematrie, wobei der Zahlenwert von Buchstaben, Wörtern, Sätzen und ganzen Texteinheiten errechnet, daraus eine besondere Bedeutung erschlossen und mit der Zahlensymbolik verbunden wird. Solche Vorstellungen waren auch in der Umwelt gang und gäbe,9 das Besondere ihrer jüdischen Anwendung liegt im Bezug auf die Torah als Schöpfungsordnung. Und natürlich standen dabei Buchstaben und Zahlenwerte biblischer Gottesbezeichnungen im Zentrum des Interesses. Heute werden dafür (manchmal bis zum Exzess) die Möglichkeiten der EDV genutzt.

Für Juden blieb das Hebräische folglich die eigentlich angemessene, eigene Sprache,10 andere Sprachen bezeichnete man gern als Fremdsprache (la`az) oder als »ihre Sprache«.

1.3 Die Siebentagewoche und der Sabbat

Die Zahleneinheit Sieben wurde Grundlage für zahlreiche kosmologische und chronographische Ausführungen. Der Schöpfungsvorgang verteilt sich auf sechs Wochentage mit dem siebten Tag als Ruhetag als Abschluss. Im traditionellen liturgischen Jahreszyklus wird die Schöpfung mit dem Neujahrsfest verknüpft.

1. Tag Sonntag Schöpfung von Himmel und Erde, Tohu-wa-Bohu, Urfinsternis, Urlicht, Trennung zwischen Licht und Finsternis
2. Tag Montag Schöpfung des Firmaments und Trennung der Wasser darüber und darunter
3. Tag Dienstag Trennung zwischen Wasser und Festland, Erschaffung der Flora
4. Tag Mittwoch Erschaffung der Gestirne, Beginn der Kalender-Zeitrechnung
5. Tag Donnerstag Erschaffung der Meerestiere und Vögel
6. Tag Freitag Erschaffung der Landtiere und des Menschen
7. Tag Samstag Sabbat = Ruhe(tag). Gedenken der Schöpfung, Vorgeschmack des endgültigen Heilszustandes

1.4 Schöpfungsplan und Naturordnung

Der erste Schöpfungstag impliziert als Tag 1 der Woche, dass davor Sabbat war, ein Ur-Weltensabbat. Man nahm daher später an, dass die Weltgeschichte nach 6 Zeiteinheiten (vor allem 6 Millennien) wieder auf einen Weltensabbat hinausläuft. Die Sabbatzyklen sind also nicht jenem Zeitlauf unterworfen, der mit der Erschaffung der Himmelskörper am 4. Schöpfungstag einsetzt, sie sind vorzeitlich und strukturieren die geschichtliche Zeit auf eine übergeschichtliche Weise, bringen Ewigkeit in die Zeit. Und da die Kultdienstordnung, der Wechsel der Dienstabteilungen, an die Sabbatzyklen gebunden war, gilt auch sie als ewige Ordnung. Symbolik und Festlichkeit der Sabbatfeier erhielten von daher ihre besondere Note (s. Reader, Nr. 2). Auch die Erwähnung der Sabbatheiligung im Schöpfungsverlauf wurde als Hinweis darauf verstanden, dass die Sinai-Torah an sich vor- und überzeitlich ist, denn die Sabbatheiligung gilt als ja eines der Torahgebote vom Sinai und nur für Israel allein verbindlich.

Folglich sprach man von der Torah als Schöpfungsplan, gottverfügter Naturordnung (s. Reader, Nr. 1 und 3), und das Bild von der Torah als Bauplan der Schöpfung war im hellenistischen Judentum wie in der rabbinischen Tradition bekannt. Dies bestimmte auch das Verständnis des ersten Wortes der Bibel (br′ šjt) in Gen 1,1 als »mit Anfang« und nicht als »am Anfang (hat Gott geschaffen)«. Und dieser Anfang ist die Schöpferweisheit, die Torah, der schon in Prov 8,22.30 vorweltliche Existenz zugesprochen wird und in Prov 8,22 r′ šjt drkw, »Anfang Seines Weges« heißt. Folgerichtig hat man angenommen, dass die Torah als Gottes ewige Weisheit und unveränderlicher Wille auch auf Erden nicht aufgehoben oder geändert werden kann.

Drei Motive haben sich von dieser schöpfungstheologischen Voraussetzung her mit dem Begriff Torah verbunden. Das erste ist das Licht, wobei dem Licht des 2. Schöpfungstages – vor der Erschaffung der Himmelskörper am 4. Tag – besondere Bedeutung zukommt.11 Das zweite Motiv ist das Leben, und dazu gehört als drittes das Wasser im Sinne von »Wasser des Lebens/Lebenswasser.« Und selbstverständlich markieren die Gegensätze Finsternis, Tod und Torheit bzw. Unwissenheit, ein Leben ohne oder gar gegen die Torah. Damit war ein relativer dualistischer Ansatz vorgegeben, der jedoch wegen der schöpfungstheologischen Verankerung der Torah zu keinem absoluten Dualismus führen konnte. Die Torah wurde folglich als Lebensordnung und als Leben spendende Kraft begriffen, als Weg zum Leben, im Gegensatz zum Weg, der zum Tode führt. Im Mittelalter hat diese Torah- und Schöpfungstheologie in der Kabbalah ihre intensivste spekulative Ausprägung erfahren.12

Das theologische Konzept einer Torah im Sinne des offenbarten verbindlichen Gotteswillens ist offensichtlich älter ist als die inhaltliche Festschreibung. Schon in Dt 29,38 ist »Offenbares« das jeweils verbindliche, anwendbare Gottesrecht, das »Verborgene« der noch nicht offenbarte, aber vorhandene Gotteswille. Die Annahme, beides zusammen sei der Gotteswille schlechthin, die vollkommene Torah von Ps 19,8 (vgl. Josephus, Contra Apionem 2,184–189) und die Weltordnung, lag schon aufgrund der Kulttheologie mit ihrer Vorstellung von der kosmologischen Relevanz der kultischen Ordnung nahe. Dies alles verlieh der Torah eine universale und schöpfungstheologische Bedeutung, während erwählungstheologisch die Verpflichtung zur Torahverwirklichung auf Israel allein beschränkt blieb.

1.5 Kalender und Zeitrechnung

Weder die Orientierung am Mondlauf noch die Orientierung am Sonnenlauf ergibt eine volle Übereinstimmung mit den astronomischen Umlaufzeiten. Es kam daher zur Entwicklung unterschiedlicher Kalendersysteme, die einander aber nicht unbedingt ausschlossen, denn die Wahl eines Kalenders hing in erster Linie vom Zweck seiner Anwendung ab. Bis in die letzten vorchristlichen Jahrhunderte gab es in Israel auch einen Jahresbeginn im Frühjahr, vor allem in Verbindung mit einem vorrangig sonnenlauforientierten Kultkalender mit 364 Tagen, eingeteilt in 12 Monate zu je 30 Tagen (= 360) + 4 Quartals-Zusatztagen, wobei die Sabbat-bzw. Siebenerzyklen als vorgeschöpfliche Einheiten eine grundlegende Bedeutung für die Zeitrechnung hatten. Und in die Sabbatzyklen waren auch die Priesterdienstzyklen integriert.13

Seit dem 2. Jh. v. Chr. hat sich aber ein lunisolarer Kalender mit Jahresbeginn im Herbst durchgesetzt.14 Die Jahreslänge des durchgesetzten lunisolaren Kalenders richtet sich nach dem Sonnenjahr, der Monat wird nach dem Mondlauf bestimmt (Neumondfest) und zählt teils 29, teils 30 Tage. Die Monate heißen, nach den 4 Quartalen (teqûfôt) angeordnet:

I 1. Tišrî (Sept/Okt) 2. ešwan (Okt/Nov) 3. Kislew (Nov/Dez)
II 4. Ţebet (Dez/Jan) 5. Šebaţ (Jan/Febr) 6. ′Adar (Febr/März)
III 7. Nisan (März/Apr.) 8. `Ijjar (Apr/Mai) 9. Sîwan (Mai/Juni)
IV 10. Tammûz (Juni/Juli) 11. ′Ab (Juli/Aug) 12. ′Elûl (Aug/Sept)

Zum Ausgleich bedarf es eines Schaltmonats (Adar II) in jedem 7. Jahr. Der große Nachteil gegenüber dem alten 364-Tagekalender besteht darin, dass er kein feststehender Kalender war und die Neumondbestimmung bis in die späte Antike nur durch Beobachtung und anhand von Augenzeugen möglich war.

Die Wochentage werden nach ihrer Position zum folgenden Sabbat als dem »siebenten Tag«, mit Tag eins (Sonntag) sechs (Freitag) bezeichnet. Als liturgisch-halakisch maßgeblicher Tagesbeginn gilt der Vorabend, von alters her nach dem Erscheinen von mindestens drei Sternen; heute wird der Beginn im Voraus errechnet und publiziert. Die heilige Zeit des Sabbat oder eines Feiertags wird von der profanen zu Beginn mit dem Qiddûš (»Heiligung«) und zum Ausklang mit der Habdalah (»Trennung«) getrennt und in den betreffenden Benediktionen auf die Schöpfung und die Trennung zwischen Licht und Finsternis sowie zwischen Israel und den Völkern Bezug genommen.

Auf der Basis der 7-Tage-Woche (6 Wochentage + 1 Sabbat) wurden größere Siebenereinheiten konstruiert: Die Jahrwoche (sieben Jahre). Das siebente Jahr gilt teils als Brachjahr (keine Bestellung der Felder), teils als Erlassjahr. Die Jobelperiode zählt 7 Jahrwochen = 49 Jahre. Im 50. Jahr sollen die alten Familienbesitzverhältnisse wiederhergestellt werden und eine Sklavenfreilassung stattfinden, was eine symbolische Bedeutung als Vorwegnahme der endgeschichtlichen Befreiung bewirkt hat. Der Zeitabschnitt von 10 Jobelperioden (490 Jahre), also 70 Jahrwochen, diente in alter Zeit mit der Jobelperiode selbst als Mittel chronographischer Darstellungen.

Die traditionelle Zählung der Jahre ab der Schöpfung der Welt wurde durch die Vorstellungen von Weltzeitaltern und von Millennien (1000-Jahr-Perioden) angeregt, vor allem durch die biblische Folge von sechs bzw. sieben Schöpfungstagen, die man gemäß Ps 90,4 (tausend Jahre sind vor Dir wie ein Tag) als Millennien deutete. Auf dieser Basis wurden in Anlehnung an die biblischen Angaben über die Generationenfolgen schon in der Antike Schöpfungschronologien und die Dauer der Weltzeit überhaupt errechnet. Im Mittelalter wurde eine Zählung üblich, die als ersten Schöpfungstag den 7. Oktober 3760 v.Chr. voraussetzt. Das ergibt als Millenniumsdaten: 1000 = 2760 v.Chr.; 2000 = 1760 v.Chr.; 3000 = 760 v.Chr.; 4000 = 240 n.Chr.; 5000 = 1240 n.Chr.; 6000 = 2240 n.Chr. Weil aber das jüdische Jahr im Herbst beginnt, überlappen sich die beiden Jahre etwas, das Jahr 5768 nach der Schöpfung entspricht also unserem Kalenderjahr 2007/8 (von Herbst zu Herbst). Ab 5000 wird die Jahrtausendangabe meist nicht angegeben (also 767 für 5767), man nennt dies die »kleine Zählung«. Für die Umrechnung jüdischer Jahresdaten stehen eigene Nachschlagewerke zur Verfügung.15

Die von der Schöpfungsvorstellung her motivierte Buchstaben- und Zahlensymbolik und die Bemühungen um die Erstellung einer kalendarischen Ordnung, einer Zeitrechnung und einer Metrologie im Einklang mit den kosmischen Gegebenheiten sind Merkmale der jüdischen Religion geblieben. Was immer man dafür auch aus der Umwelt übernommen hat, es wurde der Torah untergeordnet, auch die Astrologie und die moderne Naturwissenschaft, denn nicht die Schöpfung bzw. die Natur selbst liegt im Brennpunkt des Interesses, sondern die Torah als dahinter stehende Schöpfungs- und Naturordnung.16

1.6 ′älohîm und JHWH

Israels Gott wurde zwar vom babylonischen Exil an als einziger Gott überhaupt proklamiert, aber die biblischen Gottesnamen und Gottesattribute haben immer für Spekulationen und Diskussionen gesorgt (s. Reader, Nr. 7.1–2). Zu geläufigen Umschreibungen wurden auch »der Ort« und »der Himmel« und sehr häufig wurde Gott durch sein Wort oder durch seine Gegenwart (šekînah) und dergleichen ersetzt. Das erweckte gelegentlich den Eindruck, dass zwei oder gar mehr göttliche Mächte oder neben Gott noch Engelwesen am Werk waren und sind, eine jenseitige Gottheit und eine Schöpfermacht, ein verborgener und ein sich (Israel) offenbarender Gott.17

Der erste, priesterliche Schöpfungsbericht verwendet die Gottesbezeichnung ′älohîm. Das ist ein Plural (von ′ äah), der auch »Götter« heißen kann, zumeist aber wie ′ el für den Begriff Gott allgemein steht. Im Lauf der Zeit wurde ′ älohîm ganz bewusst mit Gottes Schöpferrolle und Richterrolle verbunden, während der Name JHWH (das »Tetragramm«) dem gnädigen Gott gilt, der sich Mose bzw. Israel offenbart hat. Die beiden Bezeichnungen sind aber nur zwei von vielen. Manche antiken Quellen setzen für JHWH die Aussprache mit den Vokalen a – e voraus, was eine Verbalform im Kausativ (jahwäh: ruft ins Dasein, verursacht Seiendes) ergibt. Besser bezeugt ist die Lautfolge a – u (Jahû), die durch alte griechische Übersetzungen sowie durch theophore Namensformen wie Netanjahu/Jehonatan etc. gestützt wird. Schon in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten ersetzte man die Aussprache von JHWH durch jene von ′ aDoNaJ »Herr« (Murmelvokal – o – a), griechisch kyrios (artikellos wie ein Eigenname), später auch durch »der Name« oder »der Ewige«. Im Mittelalter wurde JHWH mit den Vokalzeichen von `adonaj (»Herr«) punktiert, was von Christen missverstanden wurde und den Namen Jehovah verursacht hat.

In Ex 3,14 beantwortet Gott die Frage des Mose nach dem Namen mit ′ähjäh ′ ašär ,ähjäh, wörtlich übersetzt, etwa: »Ich werde sein, der ich sein werde«. Man hat den Nahmen JHWH von diesem Verb hjh (werden, sein) her zu erklären versucht. Und weil es in Ex 3,14 danach heißt: »′ähjäh hat mich zu euch geschickt«, wurde auch ,ähjäh für sich als Gottesname verstanden. In der Kabbalah bezeichnete man damit die erste Sefirah, die erste Wirkungsweise bzw. Seinsstufe, die aus der verborgenen Gottheit emaniert, und aus der wieder alle weiteren neun Sefirot und alles darunter emanieren, während JHWH für die zentrale sechste Sefirah verwendet wurde, ′ el für die vierte Sefirah (absolute Güte) und ′ älohîm für die fünfte h(absolute Strenge), ′ ädonaj (Herr) für die zehnte.

1.7 Die Erschaffung des Menschen, die Gottebenbildlichkeit und die Natur des Menschengeschlechts

Der priesterliche Schöpfungsbericht setzt die Erschaffung des Menschen auf den letzten Tag der Schöpfungswoche an, den Freitag. Gen 1,26 spricht dem Menschen eine stellvertretende Herrschaftsfunktion über die Schöpfung zu, daher fungiert als Abbild bzw. Repräsentation des Herrschers. Und zwar Mann und Frau zusammen, als »männlich und weiblich«, ohne erkennbare Abstufung (Gen 1,26 f) und als Abschluss der mit »sehr gut« bewerteten Schöpfung (Gen 1,31).18 Diese schöpfungsmäßige Gleichheit begründete aber keine sozialrechtliche Gleichstellung, denn in der kultischen Tradition wurde die Position der Frau gegenüber jener des Mannes merklich herabgestuft. In der älteren und noch recht mythisch gestalteten Schöpfungserzählung (Gen 2,4b–25) erscheint Eva von vornherein als ein dem Adam beigeordnetes Geschöpf. Rolle und Status der Frau konnten im Judentum daher schöpfungstheologisch nicht einheitlich begründet werden.

Der Sündenfall im Paradies führt zum Verlust der Ebenbildlichkeit, die im Gehorsam gegenüber Gottes Willen begründet ist, und darum wird vorausgesetzt, dass die Torah-Offenbarung am Sinai die Ebenbildlichkeit für Israel(iten) potentiell wiederbringt (s. Reader, Nr. 3).

Der Begriff Ebenbild Gottes setzt aber nicht nur die Gottähnlichkeit des Menschen, sondern auch die Menschenähnlichkeit Gottes voraus, und das verursachte heftige Auseinandersetzungen. Ihre Verfechter wussten sich v. a. durch die prophetischen Visionsberichte in Jes 6 und in Ez 1–3 bestätigt, in denen Gott bzw. die Erscheinung seiner Gegenwart (kabôd, später: šekînah) im Heiligtum als überdimensionale Königsgestalt thront. Doch gab es schon früh Tendenzen, Gottes Übermenschlichkeit und Überweltlichkeit deutlicher hervorzuheben, und biblische Passagen, in denen Gott körperliche und psychische Eigenschaften und Verhaltensweisen (Anthropomorphismen und Anthropopathismen) zugeschrieben werden, als bildliche Rede zu verstehen. Für die Volksfrömmigkeit verbürgte eine solche Redeweise zusammen mit der Vorstellung eines persönlichen Gottes die Gottesnähe. Wann immer aber unter Juden philosophische Bildung zum Zug kam, wurde der Widerspruch zur Vorstellung einer transzendenten Gottheit bewusst und entsprechend thematisiert. Im 13./14.Jh. n.Chr. entbrannten darüber so heftige Kontroversen, dass es fast zu einem Schisma kam. Der Kabbalah des Mittelalters gelang es, diesen Konflikt aufzulösen, indem sie an der absoluten Transzendenz der Gottheit selbst festhielt und die anstößigen biblischen Aussagen auf die aus der transzendenten Gottheit emanierenden zehn Sefirot (Wirkungskräfte der Gottheit) bezog. Damit konnte der Wortsinn der betroffenen Bibeltexte unbeschadet der anderen (drei) Schriftsinne beibehalten werden.

1.8 Paradies und Sündenfall

Der »sehr gute« Urzustand, versinnbildlicht durch den Garten von Eden, wird durch die Übertretung des göttlichen Gebots beendet.19 In der Folge muss sich der Mensch durch Arbeit ernähren, mit unsicherem Erfolg, weil der Acker verflucht ist, und wegen der eingetretenen Sterblichkeit muss er sich – mit besonderen Risiken für die Frau – fortpflanzen. Das aber wird nicht nur auf das erste Menschenpaar zurückgeführt, denn da war noch die Schlange, im späteren Verständnis der Satan, eine Macht, die den Menschen versucht und verleitet.20 Die neuen Zwänge des Daseins, das Wissen um Gut und Böse, somit die Notwendigkeit moralischer Entscheidungen und die Unentrinnbarkeit der Verantwortung bestimmen die menschliche Existenz nach dem missglückten Versuch, »wie Gott« zu werden. Kennzeichnend für diesen neuen Normalzustand ist der Brudermord Kains an Abel und die Rückführung zivilisatorischer »Errungenschaften« auf die Kainiter. Der stufenweise Niedergang der Menschheit wird überdies auch mit abnehmenden Lebensalterdaten markiert.

In alter Zeit hat man von zwei Geistern gesprochen, die im Menschen um den Menschen ringen und zwischen denen man sich entscheiden muss, auch wenn sehr viel einfach vorgegeben bzw. determiniert ist, vor allem auch durch den Einfluss der Gestirnsmächte.21 In der talmudischen Literatur begegnet dafür die Rede von zwei Veranlagungen, einem guten und einem schlechten Trieb (jeçär ţôb und jeçär ra`), wobei der »schlechte Trieb«, wenn er im Torahgehorsam unter Kontrolle gehalten wird, auch positiv zur Wirkung gebracht werden kann, nämlich im Sinne berechtigter Selbsterhaltung und gebotener Fortpflanzung. Mittel und Wegweisung bei solchen Entscheidungen, die Grundlage des jüdischen Ethos, ist natürlich die Torah.22

Die Paradieserzählung mit dem Sündenfall (Gen 2–3) und der Totschlag des Kain an seinem Bruder Abel (Gen 4,1–16) markieren die Zäsur zwischen dem »sehr guten« Urzustand und den späteren Verhältnissen.23 Die ersten Errungenschaften der Zivilisation und die Gründung von Städten, im Alten Orient ein festes Thema, wurden in der Bibel im Rahmen des Kainiterstammbaums aufgeführt (4,17–24) und skeptisch beurteilt; zusammen mit fragwürdigen Künsten wie Magie, Kosmetik und Waffentechnik.24 Diese zunehmende Verderbnis wurde freilich auch durch übermenschliche Mächte mitverursacht (Gen 6,1–4; vgl. Hen 6–11; Buch der Giganten).25 Schließlich endet die schematisch konstruierte Generationenfolge von Adam bis Noah (Gen 5) beinahe in der Sintflut (Gen 6–9), ebenfalls ein altes, weit verbreitetes Motiv.26 Die Bewertung der Urgeschichte ist also vernichtend: einzig Noah überlebt mit seiner Familie die Katastrophe. Alles Weitere steht schöpfungstheologisch gesehen nicht mehr unter dem Prädikat »sehr gut«, doch für Israel bietet die Torah einen Heilsweg und begründet die Hoffnung auf eine Restitution des Urzustandes am Ende der Geschichte bzw. die Erwartung einer Neuschöpfung.

1.9 Das Wissen der Vorzeit

Abgesehen vom Kainiterstammbaum (Gen 4,17 ff) behaupten Überlieferungen, die in Gen 6,1–4 knapp angedeutet und in anderen Kontexten (wie Hen 1–36) breiter ausgeführt werden, dass die Entwicklung der Menschheit maßgeblich durch ein Wissen bestimmt wird, das ambivalent bis negativ zu werten ist. Vor allem, weil ein Teil dieses Wissens durch gefallene Engel vermittelt wurde. Dem gegenüber stehen positive Wissenstraditionen, die von der Urzeit her über die Sintflut hinweg weitergegeben werden konnten. Auch dies beruht auf verbreiteten altorientalischen Vorstellungen.27 Das positive Wissen wurde teils von Adam her über Set weitergegeben, teils auf den Urvater Henoch (Gen 5,21–24; Jub 4,16–26; Henoch-Bücher), der sie von seinem Aufenthalt in himmlischen Regionen mitgebracht haben soll. Dahinter steht der Anspruch einer Bildungselite, von Schreibern, die vorrangig an Heiligtümern wirkten, also an Orten, deren mythische Qualität sowieso eine enge Beziehung zwischen himmlischem und irdischem Kultpersonal voraussetzte. Die Henochfigur wurde für die Folgezeit zum Inbegriff einer Bildungstradition, für die überirdischer Ursprung und eine Kontinuität von der Urzeit her behauptet wird.28 Henochs Lebensjahre, 365, entsprechen der Zahl der Tage des natürlichen Jahres fast genau, in den Kalendersystemen war aber diese schlecht teilbare Zahl nicht praktikabel anwendbar. Man wusste um diesen richtigen Sachverhalt und damit auch um die Unzulänglichkeit der gängigen Systeme. Der Gedanke, dass die Urverderbnis der Menschen eine gewisse Unordnung in der Schöpfungsordnung bewirkt hat, lag also nahe. Umso wichtiger erschien die Kontinuität einer Tradition dank einer genealogischen Reihe von Auserwählten, die das positive Urwissen kennen, das mit der »vollkommenen Torah« in eins fällt und auf »himmlischen Tafeln« von ewig her und auf immer festgeschrieben ist. Es ging dabei nicht nur um Spekulationen, sondern um die Begründung und Verteidigung von bestehenden Ordnungen und Ansprüchen. Das hat einen gewissen Zwang zur Systematisierung mit sich gebracht und in der Folge zu mehr oder weniger geschlossenen Weltbildern geführt. In der Spätantike bot die Stoa dafür Parallelerscheinungen, die man kaum als fremd empfinden konnte.

Mit der Gleichsetzung von Weisheit und Torah wird postuliert, dass alles Wissen aus der Torah als der Schöpfungsordnung stammt. Das hatte zwei gegenläufige Tendenzen zur Folge, die eine ist exklusiv, möchte sich mit der eigenen Überlieferung begnügen und lehnt alle »fremde« Weisheit ab, die andere ist inklusiv, begreift die fremde Weisheit als ursprüngliche Torahinhalte, die in die Völkerwelt geraten sind, und befürchtet in deren Annahme keinen Fremdeinfluss. In diesem Sinne wurden heidnische Philosophen wie Plato und Aristoteles sogar als Schüler des Mose bezeichnet und das Studium ihrer Werke als gebotene Wiedergewinnung von verlorenem, eigenem Bildungsgut gewertet. Die Spannung zwischen den beiden Tendenzen, die jener zwischen dem Hebräischen und der »fremden« Sprache entspricht, kennzeichnet die gesamte jüdische Kultur- und Geistesgeschichte.29

2. Neubeginn und erneute qualitative Differenzierung

2.1 Der Noahbund und die sieben noachidischen Gebote

Noah anerkennt die Gnade Gottes mit dem Bau eines Altars und einem Opfer, also mit einer Kultgründung. Von daher wurde erschlossen, dass es eine für alle Menschen mögliche und angemessene Gottesverehrung gibt. Gott verheißt, die Erde wegen der Menschen in Zukunft nicht mehr so heimzusuchen, was dann laut Gen 9,8–12 in einem »Bund« besiegelt wurde. Die Verheißung, die Schöpfung in Zukunft zu erhalten, schließt nach manchen Auslegern die Forderung nach entsprechendem umweltgemäßem Verhalten auch des Menschen ein.30 Das Hauptanliegen gilt indes auch hier der Torah. Um das Tun und Lassen der Nichtjuden als verantwortbares Handeln ahnden zu können, wird Noahs Kultgründung mit einer Bundesverpflichtung ergänzt. Gen 9 setzt mit einem göttlichen Segen für Noah und dessen Söhne ein, der die Aussagen in Gen 1,28–30 aufnimmt und der neuen Situation anpasst. Gott sagt die Herrschaft über die belebte Schöpfung zu, die Erlaubnis Fleisch (nicht aber Blut) zu essen, und stellt das Vergießen von Menschenblut unter Todesstrafe. Man hat schon in der talmudischen Literatur von Geboten Gottes gesprochen, die bereits vor der Torahoffenbarung am Sinai allen Menschen gegeben wurden (s. Reader, Nr. 4). Diese sog. sieben Gebote Noahs enthalten bemerkenswerter Weise das Gen 9,7 ausdrücklich erwähnte Vermehrungsgebot nicht, das allein auf Israel bezogen wird.

Als noachidische Gebote wurden schließlich festgehalten: die Verbote von (1) Götzendienst und (2) Gotteslästerung, (3) Blutvergießen, (4) Diebstahl, (5) Inzest, sowie (6) des Genusses von rituell nicht zulässigem Fleisch. Und dazu kommt noch (7) das Gebot zur Einrichtung einer gerechten Rechtsordnung. Dieses Konzept einer Uroffenbarung, die alle Menschen verpflichtet und einer Verantwortung unterwirft, spielt im jüdischen Denken und im jüdischen Recht eine grundlegende Rolle bei der Bestimmung des Verhältnisses zur nichtjüdischen Welt.31 Die traditionelle Aufzählung wird in der Moderne meist modifiziert. Dabei kommt dem Gebot zur Erstellung einer gerechten Rechtsordnung ein besonderes Gewicht zu, weil die Existenz einer solchen für die meist in vielen Ländern und Staaten zerstreut lebenden, auf die Torah verpflichteten Juden die Möglichkeit eines modus vivendi bietet.

Der monotheistische Anspruch wird nicht auf Grund philosophischer und theologischer Überlegungen gestellt, sondern für den Gott Israels, und dieser Unterschied zwischen einem – wenn auch richtig – erdachten Gott und dem lebendigen Gott der Heilsgeschichte Israels wurde von Zeit zu Zeit immer wieder betont. Da ein monotheistischer Anspruch selten als solcher, also nur theoretisch, angemeldet wird, sondern fast durchwegs durch eine organisierte Religion oder/und eine politische Macht, wird davon das Verhältnis zur nichtmonotheistischen Umwelt in hohem Maß belastet. Im Fall des Judentums ist dieses Konfliktpotential noch größer, denn es handelt sich um den Anspruch einer Minorität für seinen Gott als den Gott überhaupt, und auf Grund der Torahtheologie wird auch noch ein Anspruch auf Vorrang und die Forderung nach Gottesherrschaft (Theokratie) verbunden. Die Konkurrenz zwischen Torahgeltung und einer fremden Rechtsordnung war stets gefahrenträchtig, das Konzept einer allgemein akzeptablen Rechtsordnung konnte das Risiko begrenzen. So setzt ausgerechnet das Judentum, das sich selbst durch die Torah heteronom bestimmt und gebunden weiß, mit dem Konzept der noachidischen Gebote für Nichtjuden die Verpflichtung bzw. die Chance einer so gut wie autonomen Rechtssetzung voraus. Allerdings wurde betont, dass die Rechtsaufsicht bei Israel liegen soll. Auch die beiden ersten Gebote des Dekalogs, die Götzendienst und Gotteslästerung verbieten, setzen eigentlich eine monotheistische Universalreligion voraus, doch man verstand darunter eher eine Aufforderung zur Anerkennung des Gottes Israels als des einzigen Gottes. Die Konsequenz war, dass man Nichtjuden, welche die noachidischen Gebote auf sich nehmen, Anteil am endgültigen Heilszustand zuerkennt. Nichtjuden müssen und sollen nicht zum Judentum übertreten und die ganze Torah auf sich nehmen. Hingegen wird für die Endperiode der Geschichte, für die Zeit der messianischen Herrschaft, sehr wohl erwartet, dass alle Menschen ihre angestammten Religionen aufgeben und die sieben noachidischen Gebote auf sich nehmen, so die Autorität der Torah grundsätzlich und den Gott Israels praktisch als den einzigen Gott anerkennen. Da Muslime beschnitten werden und die rituelle Schlachtmethode des Schächtens befolgen, stand ihre Anerkennung als Noachiden außer Frage. Christen wurden hingegen lange als götzendienstverdächtig eingeschätzt und erst in der Neuzeit, aber wegen der Trinitätslehre und Christologie mit Vorbehalt, allgemein als Monotheisten anerkannt.

Die Spannung zwischen schöpfungs- und erwählungstheologischer Sicht wird auch an der Wertung des individuellen menschlichen Lebens deutlich. Das Problem begegnet in einer unterschiedlichen Textüberlieferung des berühmten Satzes: »Wer ein Menschenleben (aus Israel) rettet/vernichtet, der rettet/vernichtet eine ganze Welt«. Die Passage ist mehrfach überliefert, teils mit, teils ohne »aus Israel«, und wird dementsprechend gegensätzlich verwendet (s. Reader, Nr. 4d). Das Verbot des Blutvergießens ist als noachidisches Gesetz allgemeinverbindlich, aber das betrifft ebenso wie das Dekalogverbot des Tötens nur die ungesetzliche Tötung, schließt also die Exekution von Todesstrafen und das Töten im Krieg nicht aus. Wer einem Israeliten an Leib und Leben Schaden zufügt, begeht allerdings ein gewichtigeres Verbrechen, und im jüdischen Recht wird darum auch häufig in diesem Sinne differenziert. In Bezug auf einen Israeliten gilt daher das spezielle Gebot der Lebensbewahrung (piqqûa näfäš) und das Verbot der Unterlassung von Hilfeleistung bzw. der Verletzung der Beistandspflicht (Lev 19,16). Die Lebensbewahrung hat sogar Vorrang vor Gebotserfüllungen, Lebensgefahr verdrängt z. B. das Gebot der Arbeitsruhe am Sabbat. Der Lebensbewahrung dient auch das Konzept der Notwehr (nach Ex 22,1), und von daher wurde auch die Berechtigung einer präventiven Verteidigung zum Schutz des Volkes und des Landes Israel abgeleitet.

2.2 Der ethnogeographische Raum der Heilsgeschichte

Die Söhne Noahs, Sem, Ham und Jafet, gelten als Stammväter der Menschheit, doch mit einer geschichtlich folgenreichen, qualitativ abgestuften Wertung. Sem ist der Erbe der positiven alten Traditionen. Jafet steht ihm näher als Ham, dessen Nachkommenschaft über seinen Sohn Kanaan in Gen 9,26 f mit dem Stigma der Versklavung behaftet wird und das bis in die Moderne auch bleibt.32 Die drei Noahsöhne verteilen die Welt unter sich auf, die sog. »Völkertafel« in Gen 10 teilt die Menschheit entsprechend ein und verteilt sie geographisch auf, und die Geschichte vom Turmbau zu Babel (Gen 11,1–9) begründet auch noch die Entstehung der sprachlichen Vielfalt.

Die Zuweisung der Siedlungsgebiete für Semiten, Jafetiten und Hamiten, wie sie in Gen 10 vorliegt, entspricht einer ethno-geographischen Situation im 8./7. Jh. v.Chr. Im Lauf der Zeit wurde diese »Völkertafel« wiederholt neuen Verhältnissen angepasst, um das Verhältnis des eigenen Volkes zur Völkerwelt und damit auch den eigenen Lebensraum zu bestimmen.33 Das geschah immer von einem Blickwinkel aus, der das Heiligtum in Jerusalem als Zentrum der Welt voraussetzt, von da aus das Land Israel definiert, und die weitere und nähere Nachbarschaft so wie die ganze jeweils bekannte Welt nachordnet. Es ist das klimatisch günstigste Gebiet, das den Nachkommen Sems zuteil wird, und innerhalb dieses geographischen Raumes erhält dann auch Israel seinen zugewiesenen Platz. Auf dieses Ziel hin führt die Generationenfolge von Sem bis Abram/Abraham.

Sem wurde übrigens mit Melchizedek von Gen 14,18–20 identifiziert, dem Priesterkönig von Salem, worunter man Jerusalem verstand. Melchizedek galt in diesem Sinne als Urtyp der engeren Jerusalemer Tempelpriesterschaft und schließlich auch als ihr überirdischer Repräsentant.34 Und die Szene der Zehententrichtung in Gen 14,18–20 diente als Begründung der kultischen Abgabenordnung, die damit noch vor der Offenbarung und Kultgründung am Sinai angesetzt wird.

3. Bund und Erwählung

3.1 Der Abrahamsbund. Die Erwählung und das Bundeszeichen der Beschneidung

Laut Gen 12 befahl Gott dem Abraham, ins Land Kanaan zu ziehen. Die Konstruktion der Genealogie auf Abraham hin und danach von Abraham aus über Isaak, Jakob und die Jakobssöhne begründet »Israel« vorweg, eine Größe, die historisch erst viel später zustande kam.

Zeichen dieses Bundes zwischen Abraham und Gott (Gen 15 und 17) ist die Beschneidung der männlichen Israeliten, der erste wichtige Ritus im Lebenszyklus (s. Teil IV 6.1). Inhalt dieses Bundes ist die Verheißung einer Nachkommenschaft über Isaak/Jakob (s. Reader, Nr. 5) und der Besitz des Landes. Das Land Israel und darin wieder Jerusalem/Zion, die »Stadt des Heiligtums«, bilden mit der Torah, deren eigentlicher Geltungsbereich das Land Israel darstellt, den zentralen Bezugspunkt für alle traditionsbewussten Juden (s. Reader, Nr. 11).

Gebot und Praxis der Beschneidung implizieren eine vorrangige Stellung des Mannes. Und dem entspricht auch seine erbrechtliche Stellung, insbesondere die Sonderstellung des erstgeborenen Sohnes. Nur der Mann ist auf die volle Torahpraxis verpflichtet, er gilt mit dem 13. Lebensjahr als bar miçwah (Gebotspflichtiger), was die zweite wichtige Station im Lebenszyklus (s. Teil IV 6.4) bedeutet. Im Reformjudentum wurde für die Töchter eine entsprechende Feier eingeführt und man spricht von einer bat miçwah. Traditionell ist der Mann – insbesondere in seiner Rolle als Familienoberhaupt – für die Erfüllung der religiösen Pflichten der Seinen verantwortlich. Und das, obwohl bereits in der Antike als Jude nur anerkannt wurde, wer von einer jüdischen Mutter abstammt. Die schöpfungstheologische Begründung des Verhältnisses von Mann und Frau (Gen 1,27) wird also durch eine erwählungstheologische ergänzt und differenziert. Die Kultgründung am Sinai (s. u.) bringt eine weitere, kultisch-rituelle Differenzierung von großer sozialer Reichweite mit sich.

Die Bestimmung der Frau besteht so gesehen in erster Linie in der Erfüllung ihrer Rolle als Mutter, indem sie ihrem Mann zur Erfüllung des Fortpflanzungsgebots verhilft, dadurch die Kontinuität der Erwählungsgemeinschaft garantiert, und einen – nicht zuletzt auch religiös – intakten Hausstand gewährleistet. Das bedeutet im Alltag eine durchaus gewichtige Funktion, die auch unternehmerische Qualitäten erfordert (vgl. Prov. 31,10–21), und nach dem traditionellen Bildungsideal gilt es darüber hinaus, dem Mann möglichst viel freie Zeit zum Studium der Torah (s. u.) zu verschaffen.35 Nur in Ausnahmefällen erreichten Frauen selber eine dem männlichen Bildungsziel der Torahgelehrsamkeit vergleichbare Kompetenz.36 Hinsichtlich profaner Bildungsinhalte blieb der Frau aber ein weit größerer Spielraum, weil nur der Mann zum vollen Torahgehorsam verpflichtet ist. Das moderne Frauenbild hat auch im Judentum dieses traditionelle Rollenverständnis weithin in Frage gestellt.37

Die für den Bestand der Erwählungsgemeinschaft zentrale Bedeutung der Rolle der Frau und die Bindung der Zugehörigkeit zum Judentum an eine jüdische Mutter bedingt eine eher negative Einstellung zu nichtjüdischen Frauen.38 Eine Mischehe ist grundsätzlich unmöglich, eine Nichtjüdin muss also zuerst zum Judentum konvertieren, bevor ein Jude mit ihr eine nach jüdischem Recht gültige Ehe eingehen kann. Heutzutage sehen sich die Gemeinden allerdings mit einer wachsenden Zahl von Mischehen konfrontiert.39 In Kreisen des modernen Reformjudentums hat sich in diesen Fragen eine relativ liberale Praxis durchgesetzt, was aber den Abstand zu den orthodoxen Gemeinschaften vergrößert.

Man kann im Einzelfall auch Israelit bzw. Jude werden, also sich zum Judentum bekehren und so Mitglied sowohl der religiösen wie ethnischen Größe »Israel« werden.40 Ein solcher ger çädäq oder »Proselyt« (griechisch: »Hinzugekommener«) muss sich vom »Fremdkult« lossagen, sich beschneiden lassen, ein rituelles Tauchbad (»Proselytentaufe«) nehmen und dann die erste Kultteilnahme bzw. Gebotserfüllung vollziehen; danach gilt er als ein »Sohn Abrahams«. Missioniert wurde kaum, aber die Haltung nichtjüdischen Personals erforderte zumindest dessen teilweise Bekehrung zum Judentum, um eine korrekte rituelle Praxis im jüdischen Haushalt zu gewährleisten.

In der Tradition wurde Abraham zum ersten Philosophen und zum ersten Monotheisten stilisiert.41 In seiner Heimat Ur in Mesopotamien entdeckte er die Nichtigkeit der Götzen und wurde dafür unter Nimrod, dem ersten in einer Reihe gottfeindlicher Herrscher, beinahe zum Märtyrer. Im verheißenen Land errichtet er Altäre für den Kult seines Gottes und begründet den wahren Gottesdienst bzw. den Kult des wahren und einzigen Gottes. Dabei nahm er Gebote der Sinai-Torah vorweg, der an sich vorzeitlichen Torah. Abraham wird bei Juden, Christen und Muslimen als Vater des wahren Gottesglaubens geehrt.42

Nach Gen 22 hat Gott Abraham auf die Probe gestellt, indem er ihm befahl, seinen »einzigen« Sohn, Isaak (im Islam: Ismael), als Ganzbrandopfer darzubringen. Und da Abraham gehorsam war, durfte er anstelle seines Sohnes einen Widder darbringen. In der jüdischen Tradition diente diese Geschichte als Kultätiologie des Sühnopferkults am Jerusalemer Tempelberg, den bereits 2 Chr 3,1–2 mit dem Berg Moria gleichsetzte. An der Stelle dieses Altars soll sich zudem das Grab Adams befinden und christliche Legenden verknüpfen damit auch noch Golgotha. Schon in der Spätantike verbanden sich mit der Opferszene, die auch in Fußbodenmosaiken von Synagogen auftaucht, Motive der Martyrologie. Isaak soll bereits erwachsen gewesen sein und sich dem Gebot Gottes freiwillig gefügt haben. Im Mittelalter kam es gelegentlich zu Selbstmord- und Tötungsaktionen zur Vermeidung von Zwangsbekehrungen. Diese grausame Szenerie wurde als `aqedah verstanden und in einer eigenen liturgischen Gedichtgattung beschrieben, was die emotionale Komponente verstärkt hat. Gen 22,1–24 wird im täglichen Morgengebet rezitiert und dient als Festlesung am Tag II des Neujahrsfestes.

3.2 Abrahams Söhne und Enkel

Mit Abraham und seinen unmittelbaren Nachkommen erreicht der heilsgeschichtliche Verlauf nach Sem eine zweite Verengung, doch die Nachkommenschaft besteht noch nicht aus Erben der Verheißung allein, denn der Ahnherr hatte Kinder von mehr als einer Frau: (1) Ismael, Sohn der Magd Hagar, gilt als Stammvater der Araber und symbolisiert später die islamische Weltmacht. Als geläufige Metapher dafür diente »Wildesel« (pärä′) aus Gen 16,12. Im Islam wird darum die Abrahamsgestalt entsprechend hoch verehrt. (2) Isaak, Sohn der Sarah, gilt als der erste Erbe der Verheißung. Doch auch Isaak hatte zwei Söhne, Zwillinge, (1) den Erstgeborenen Esau und (2) den jüngeren Jakob. Esau verkaufte seine Rechte als Erstgeborener (Gen 25,29–34) dem Jakob, bereute es jedoch und grollt diesem seither.

Esau gilt als Stammvater von Edom, Seit dem 1.Jh. n.Chr. diente der Name Edom als Bezeichnung für das Römische Reich, später auch für die christliche Weltmacht bzw. für das Christentum überhaupt.

Jakob, mit dem Alternativnamen »Israel«, wurde (Gen 29–30) zum Stammvater der gleichnamigen 12 Stämme Israels: Reuben, Simeon, Levi, Juda, Issachar, Sebulon (Kinder der Lea, dazu als Tochter Dinah); Josef bzw. Manasse und Efraim, Benjamin (Rahel-Söhne); Dan, Naftali (Bilha-Söhne); Gad, Ascher (Zilpa-Söhne).

Der Jakobssohn Levi gilt als Ahnherr des Jerusalemer Kultpersonals insgesamt. Er ist als solcher ebenfalls schon vor der Sinaioffenbarung im Amt, und seine Investitur erfolgte nach Jub 32 im Himmel. Er empfing von Jakob die Urtraditionen und gab sie seinen Nachkommen weiter. Der priesterliche Autoritäts- und Vorranganspruch wird damit ganz gezielt vor der Torahoffenbarung angesetzt, als vor- und überzeitlich ausgewiesen, in Analogie zur vorzeitlichen Torah, zum Sabbatzyklus und zur Priesterdienstordnung.

4. Das Exil im »Sklavenhaus« Ägypten und der Auszug unter Mose (Ex 1–15)

Der nach jüdischer Zeitrechnung im Jahr 2666 angesetzte »Exodus«, hebräischer Sippen aus Ägypten wurde in der Tradition zur Basis einer Befreiungs- und Erwählungsgeschichte der gesamten Jakobsnachkommenschaft »Israel« und zum Modell für Zukunftshoffnungen. Liturgisch wird der Exodus im jährlichen Päsach-Matzot-Fest vergegenwärtigt (s. Teil IV). Das Kollektivbewußtsein der Erwählungsgemeinschaft ermöglicht eine Identifizierung über alle Generationen hinweg: Jeder Israelit soll sich am Päsach-Abend (s. Reader, Nr. 6) so fühlen, als wäre er damals persönlich dabei gewesen. Der Pharao des Exodus, der mit seinem Streitwagenheer in den Fluten des Meeres versank, wurde nach Nimrod zum zweiten Typus des gott- und israelfeindlichen Herrschers. Und da Israel in Ägypten versklavt war, wurde die Befreiung durch den Exodus auch als Befreiung durch Gott und als Erwerb durch Gott verstanden. Israel gilt von daher als Gottes Volk im Sinne eines Sondereigentums (segûllah). Folglich ist im Unterschied zu ′ älohîm (Gott) der Gottesname JHWH auch der besondere Name des Gottes Israels. Aber wie dieses »Tetragramm« JHWH zugleich mit der Gottheit selbst von aller Schöpfung abgehoben wird, wird auch Israel von den anderen Völkern abgehoben.

5. Offenbarung bzw. Bundesschluss und Kultstiftung am Sinai (Ex 19ff)

5.1 Die Offenbarung durch Mose

Das Ziel des Exodus ist der Gottesberg, die Offenbarung der Torah und die Kultgründung durch Mose; und am Wochenfest, 50 Tage nach dem Päsachfest, wird dieses Ereignis liturgisch vergegenwärtigt. Erst am Sinai ist nach jüdischer Tradition Israel erst richtig als Gottesvolk konstituiert worden, und zwar als ein heiliges Volk unter priesterlichlevitischer Herrschaft (Ex 19,5). Gott habe damals dem Mose während 40 Tagen und Nächten eine Schriftliche Torah (im biblischen Pentateuch) diktiert, 248 Gebote (entsprechend der Zahl der Körperteile des Menschen) und 365 Verbote (nach der Anzahl der Tage des Jahres), und ihn außerdem eine Mündliche Torah gelehrt, die in der rabbinischen Tradition enthalten ist.43

Diese Torah wird dem Volk Israel allein und kollektiv als Erwählungsverpflichtung auferlegt, als Grundlage für alles weitere jüdische Recht (halakah) (s. Reader, Nr.8).44

Die Dekaloggebote (s. Reader, Nr. 8e) gelten als Teile der Schriftlichen Torah, ohne Sonderstatus, um eine Abwertung andere Torahinhalte zu vermeiden.45 Manchmal wurde der Dekalog allerdings auch als Inbegriff der Torah dargestellt, oder es wurde versucht, alle Torahgesetze aus ihm abzuleiten bzw. die gesetzliche Tradition anhand der Zehn Gebote zu ordnen. Auch eine gewisse Einwirkung der hohen Wertung in der christlichen Umwelt ist festzustellen,46 aber nur im Reformjudentum ist es zu einer besonderen Hervorhebung des Dekalogs gekommen.47 Die beiden ersten Dekalogverbote, das Verbot der Verehrung anderer Gottheiten und das Bilderverbot,48 haben für die jüdische Religion allerdings grundsätzliche Bedeutung und die beiden Dekalogtafeln wurden zu einem geläufigen Bildsymbol für die Torah.

Den Gott Israels als den einzigen Gott zu bekennen, die Torah als ewig geltende Offenbarung zu bewahren und sie zu praktizieren, und sich von allem abzugrenzen, was mit Fremdkult bzw. Götzendienst zu tun hat, sind die Hauptanliegen dieses Gesetzes (s. Reader, Nr. 10). Die jüdische Tradition sieht aber in der Sinaiszene keinen Glaubensinhalt, sondern ein durch alle damals anwesenden Israeliten (600.000) bezeugtes historisches Faktum.

Der Levi-Nachkomme Mose tritt in einer dreifachen Funktion in Erscheinung: (1.) als Torah-Offenbarer/Gesetzgeber, und in dieser Rolle wird ihm unmittelbare göttliche Offenbarung zuteil, während normale Propheten nur vermittelte Offenbarungen empfangen; (2.) Als Kultgründer (Priester), und (3.) als militärisch-politischer Anführer Israels. Noch zu Lebzeiten verteilt Mose diese Aufgaben für die Zukunft auf mehrere Instanzen. Sein Bruder Aaron wird zum Priester geweiht und seine Nachkommen erhalten mit der Kultgründung die priesterliche Funktion als erbliche Aufgabe zugeteilt; die anderen Levi-Nachkommen dienen als Leviten in kultischen und staatlichen administrativen Funktionen. Wie schon anhand der Figuren des Melchizedek (Gen 14,18–20) und des Jakobsohnes Levi vorgezeichnet, ist diese Kultdienerschaft als Institution urzeitlich und himmlisch verankert. Sie überdauert daher Heiligtumszerstörungen und steht auch heute noch für einen dritten Tempel und eine Wiederaufnahme des Kultbetriebes bereit.49

Josua übernimmt die politisch-militärische Führungsrolle, und auch die Torah-Offenbarerfunktion wird zunächst für diese – sozusagen staatliche – Seite in Konkurrenz zur priesterlichen beansprucht. Im Mittelalter wurden die drei Funktionen als die des Propheten, Philosophen und Staatsmannes definiert. Hinter diesen Funktionen tritt Mose als Person eher zurück.50

Mit Ex 32 wird zwischen der Herabkunft des Mose vom Berg und der Übermittlung der (ersten) Dekalogtafeln und der Torah an Israel die Episode vom goldenen Kalb eingeschoben, die auslegungsgeschichtlich und theologisch eine enorme Nachwirkung hatte, auch in der christlich-jüdischen Auseinandersetzung.51 Dieses Versagen des ungeduldigen Volkes und sogar Aarons wurde als Ursache für nicht angemessenes Funktionieren der religiös-kultischen Institutionen verstanden und auch andere negative Konsequenzen wurden damit begründet. Nur die Autorität des Mose und das Eingreifen seiner levitischen Gefolgsleute haben eine Katastrophe am Sinai verhindert.

Israels Verhalten am Sinai wurde in der Tradition als ambivalent empfunden und beschrieben. Einerseits wird die vorauseilende Bereitwilligkeit der Israeliten zur Torahpraxis hervorgehoben, wie sie die Wortfolge hören und tun in Dt 5,27 andeutet, im Gegensatz zu den Völkern, denen die Torah auch angeboten worden war. Nach anderen Aussagen hat Gott am Sinai sein Eigentumsvolk zur Annahme der Torah gezwungen. Torahgehorsam wird einerseits als Aufsichnehmen des Joches der Gottesherrschaft bezeichnet, andererseits als Auftrag verstanden, dem man sich nicht entziehen kann, in jedem Fall auch als Mittel der Befreiung von den Folgen des Sündenfalls und als Schutz vor den Fährnissen dieser Welt. Auch das Verhältnis zwischen Israel und seinem Gott konnte daher je nach Kontext als eines zwischen Herrn und Knechten oder zwischen Vater und Söhnen beschrieben werden.52

5.2 Die Kultstiftung

5.2.1 Kultstätte und erwählter Kultort

Am Sinai wird zwar der Kult Israels initiiert, aber örtlich ist dieser an Jerusalem und sein Heiligtum gebunden. Wie jeder Altarbau der Patriarchen gilt auch die Zelt-Wohnstatt Gottes (Ex 25 ff laut Ex 35 ff) nur als vorläufiges Heiligtum. Der eigentliche und im Land Israel einzig zulässige Kultort ist Jerusalem, der »Ort, den der HERR sich erwählt«; alle anderen Kultstätten, auch solche in Militärlagern, sind vorläufige Kultorte oder von untergeordneter Bedeutung.

5.2.2 Heiligkeit, rituelle Reinheit und Unreinheit

Mit dem kultischen Denken eng verbunden sind Vorstellungen von Heiligkeit und ritueller Reinheit (s. Teil IV, 2).53 Gott ist heilig schlechthin, was ihm zugehört, muss heilig sein, sei es eine Sache oder eine Person. Gott verheißt Israel, in seiner Mitte einzuwohnen, und zwar im Heiligtum, seine Gegenwart ist vorrangig eine kultische.

Im Brennpunkt des Kultes steht das Allerheiligste im Tempel mit der kultischen Gegenwart Gottes, seinem kabôd (später: šekînah). Von da aus erstrecken sich konzentrisch abgestufte Heiligkeitsbereiche, über den Priesterbereich und Altarbereich im Tempel, die Tempelhöfe, die Stadt des Heiligtums (Jerusalem/Zion), die umwallten Städte im Land, bis an die Grenzen des Landes (s. Reader, Nr. 9). Der Status der Heiligkeit bzw. rituellen Reinheit ist somit abgestuft, es gibt im Zentrum Allerheiligstes bzw. Hochheiliges. Und Dinge und Personen, die damit in Berührung kommen, müssen ebenfalls den entsprechenden Heiligkeitsgrad aufweisen, d. h.: den entsprechenden Grad ritueller Reinheit. Trifft das zu, ist die Sache bzw. die Person für das entsprechend Heilige kašer (tauglich) bzw. geeignet oder zulässig; andernfalls ist es unrein und verunreinigt das Heilige, bzw. macht es untauglich. Zu wissen, was verboten und was erlaubt ist, gehört darum zu den Grundvoraussetzungen der Religionspraxis. Hochgradige Unreinheit ist gewissermaßen ansteckend, es verunreinigt nicht nur beim Erstkontakt, sondern darüber hinaus. Die höchsten Unreinheitsgrade verursachen Götzendienst, Leichname und Aussatz, derartige Verunreinigungen bedürfen daher einer siebentägigen Reinigungsprozedur, geringere erfordern zur Reinigung nur drei Tage, leichte nur einen Tag, mit dem Sonnenuntergang als Abschluss, wobei Waschen der Kleider und ein Vollbad die wichtigsten Voraussetzungen bilden. Zur Zeit des Tempels gehörte zum Abschluss des Rituals eine Opferdarbingung.54

Heilig sind auch kultisch relevante Zeiten; der Sabbat und die Feiertage sind heilig und erfordern entsprechendes Verhalten, z. B. Arbeitsruhe. Folgerichtig besteht ein Grundanliegen der jüdischen Religion in der Abgrenzung von allem, was rituell unrein ist, vor allem vom Götzendienst und von den Götzendienern, aber auch von Israeliten, die ihre Bundesverpflichtungen bewusst verletzen (s. Reader, Nr. 10.2).

5.2.3 Kultfähigkeit und Kultgemeinschaft

Die kultische Institution hatte auch weitreichende Auswirkungen auf das Bild und die Rollenverteilung von Mann und Frau. Die Kultdienerschaft (Priester und Leviten) stellt eine Kaste dar, in der nur (diensttaugliche) Männer zum Kultdienst zugelassen sind und in der die Berufsbestimmung nach der männlichen Abstammung vererbt wird. Die Frau gilt wegen der periodischen und gebärbedingten Blutungen als zeitweilig unrein (niddah), durfte im Heiligtum nur den äußeren Hof (Frauenvorhof) betreten und hat sich auch im Alltag möglichst abseits zu halten. Erst Reformjudentum und z.T. auch konservatives Judentum haben diese kultisch bedingten Einschränkungen relativiert.

Da die Torah als Schöpfungsordnung gilt, entspricht eine torahgemäße Lebensweise dem Schöpferwillen und der Naturordnung. Aber allein Israel ist zum Torahgehorsam, zum Gottes-Dienst, erwählt, aus allen Völkern, und damit es so bleibt, muss es sich mittels dieser Reinheitsgesetze auch von den Völkern absondern (s. Reader, Nr. 10). Und wenn innerhalb Israels Differenzen aufbrachen, dienten kultisch-rituelle Abgrenzungsvorschriften auch zur Markierung der Gruppenpositionen. Ursprünglich auf den Kult beschränkte Regelungen sind nach der Zerstörung des Tempels konsequent auf das Leben aller Israeliten ausgedehnt worden, mit sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen, in der Umwelt stets ein Anlass zu Misstrauen und Anfeindung. Durch die Befolgung der Torahvorschriften wird Israel geheiligt. Dingliche Heiligkeit und personale Erwählungsheiligkeit sind von diesem kultischen Weltbild aus nicht zu trennen, erst das Reformjudentum hat die kultische Sichtweise aufgegeben und die personale, ethische Heiligung verabsolutiert. Dingliche und personale Heiligkeit wurden dabei wie in der christlichen Polemik gern gegeneinander ausgespielt, doch das kultische System setzt trotz aller betriebsartigen Merkmale durchaus eine angemessene Intention der Kultteilnehmer voraus, und das gilt für die Torahfrömmigkeit insgesamt: Die Forderung nach der rechten kawwanah (inneren Ausrichtung) spielt darum in der Erbauungsliteratur eine prominente Rolle.55 Von geringer Bedeutung ist demgegenüber die Rolle von Einzelpersonen als typenhafter Verkörperung von Heiligkeit,56 denn die Erfüllung der Erwählungsaufgabe ist eben Sache des Kollektivs als einem heiligen Volk und einer jeden Gemeinde für sich als einer heiligen Gemeinde Israels.

6. Der Wüstenzug

Aus den Erzählungen über die 40 Jahre der Wüstenwanderung (Lev-Num), deren Vergegenwärtigung am Sukkot-Fest bzw. Laubhüttenfest im Herbst liturgisch begangen wird, haben zwei Episoden eine nachhaltige Bedeutung erlangt.

Der Krieg mit Amalek (Ex 17,8–16): Der Esau-Enkel Amalek wurde zum Typus des jeweils aktuellen Todfeindes Israels.57 Seine Vernichtung und die Austilgung jeder Erinnerung an ihn ist verbindliche Pflicht (Dt 25,17–19).

Der Tod des Priesters Aaron und die Einsetzung seines Sohnes Eleazar als Nachfolger (Num 20,22–29) setzt zwar die Erbfolge schon voraus, aber diese wird noch einmal durch den Zelotismus des Priesters und Heerführers Pinchas (Num 25) genauer definiert, und dabei ist von einem Priesterbund die Rede. Pinchas wird neben dem Propheten Elias zum Vorbild für zelotisches Handeln im Fall eines Rechtsnotstandes. Demgegenüber erfolgt – teilweise konkurrierend – die Einsetzung des nicht aus dem Stamm Levi stammenden Josua als Nachfolger des Mose in dessen politisch-militärische Funktion (Num 26,12–23). Diese herrscherliche Gewalt ist delegierte Gewalt, Josua wird (Num 27,19) durch den Priester Eleazar eingesetzt. Die Spannung zwischen priesterlichem Vorranganspruch und königlich-staatlicher Gewalt kennzeichnet die jüdische Geschichte bis zur Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n.Chr. Danach tritt an die Stelle des priesterlichen Anspruchs und der priesterlichen Torah-Kompetenz der Anspruch der rabbinischen Torahgelehrsamkeit. So blieb diese Spannung eigentlich weiter erhalten, und im modernen Staat Israel kommt sie auch wieder institutionell verankert zur Wirkung.

Da die Torah alle Lebensbereiche abdeckt, also auch die richtige politische und soziale Ordnung beinhaltet, ist grundsätzlich ein theokratisches Herrschaftskonzept vorgegeben und säkulare Staatskonzepte für einen Judenstaat stoßen auf traditionalistischer Seite auf tief verwurzelte Vorbehalte,58 andrerseits können sich moderne jüdische Richtungen und säkulare Juden mit der Torah-Theokratie der Tradition nicht mehr identifizieren.

Im Blick auf nichtjüdische Staaten hingegen verlangt das oben erwähnte Konzept der Noachidischen Gebote eher ein religiös neutrales Staatswesen bzw. eine staatliche Ordnung, die der jüdischen Torahpraxis möglichst keine Schranken setzt.

Der Zug durch die Wüste hin an die Grenzen des verheißenen Landes hat für jüdisches Geschichtsbewusstsein den Charakter einer Periode der Erprobung und Läuterung, als Vorbereitung auf die Erfüllung der Verheißungen erhalten. Auch die Heimkehr aus dem babylonischen Exil 538 v.Chr. und die Übergangszeit zum endgeschichtlichen Heilszustand, der messianischen Herrschaft bzw. Gottesherrschaft, wurden darum später als Wüstenzug umschrieben.

7. Die Landnahme und das Land Israel

Die Landverheißungen setzen voraus, dass Gott über das Land verfügt und er es Israel zur Verfügung stellt. Die dort ansässigen sieben Völker hatten daher die Wahl, sich zu unterwerfen und das Land für die Israeliten freiwillig zu räumen, oder dem Bann zu verfallen, der kriegerischen Unterwerfung mit Ausrottung aller männlichen Bewohner.

Dem verheißenen Land kommt nach jüdischer Tradition eine einzigartige Qualität zu, denn es ist als Land Israel der Bereich, in dem die Torah in allen ihren Detailbestimmungen praktiziert werden und damit die Gottesherrschaft durchgesetzt werden kann, und auch Prophetie ist nur in diesem Lande möglich.59 Die Grenzen des Landes Israel markieren also einen heiligen Bereich, in dem kein Fremdkult geduldet werden darf. Es ist folgerichtig ein Gebot, Fremdkultstätten im Land Israel zu zerstören, und Götzendiener darin nicht zu dulden. Wer sich als Fremder im Land Israel vorübergehend (als ger tôšab, Beisasse) aufhalten möchte, muss daher seine angestammte Religionsausübung aufgeben und die noachidischen Gebote einhalten (s. Reader, Nr. 4 und 11). Eine klare und einheitliche Definition der Grenzen des Landes gibt es im jüdischen Recht allerdings nicht, so dass die Vorstellungen über sein Ausmaß noch heute differieren. Die Landnahme wird im Buch Josua der Bibel als planvolle, gesamtisraelitische Eroberung des Landes Kanaan dargestellt. Und nach jüdischem Recht gilt zudem: Was immer durch einen autorisierten Wahlkrieg bzw. Angriffskrieg hinzu erobert wird, gilt genau so als Land Israel wie das einst unter Josua eingenommene.

Die jüdische Rechtstradition hat mit der Landnahme drei Vorschriften verbunden: »Drei Gebote sind Israel zur Zeit des Eintritts ins Land befohlen worden: (1) Sich einen König zu ernennen, denn es heißt (Dt 17,15): sollst du über dich setzen einen König (vgl. Mose b. Maimon, Sefär ha-Miçwôt, Gebot 173). (2) Die Nachkommenschaft Amaleks auszurotten, denn es heißt (Dt 25,19): Du sollst austilgen das Andenken Amaleks (a.a.O. Gebot 188); (3) Das Haus der Erwählung (den Tempel) zu bauen, denn es heißt (EX 24,8): Und sie sollen mir ein Heiligtum machen (MT, Hilkôt melakîm I, 1).«

8. Von der Landnahme bis zur Zerstörung des Ersten Tempels

8.1 Die Richterzeit

Die Bücher Josua, Richter, 1–2 Samuel und 1–2 Könige, die »Frühen Propheten«, werden in der atl. Wissenschaft als deuteronomistisches Geschichtswerk bezeichnet. Kennzeichnend ist eine schematisierte Geschichtsauffassung, auf Grund deren Personen und Ereignisse danach positiv oder negativ bewertet werden, ob sie den Forderungen der Torah entsprechen oder nicht. Israels Geschick hängt also von seiner Torahpraxis ab, und weil Israel als einziges Volk auf die Torah verpflichtet ist, kommt ihm eine Art Stellvertreterrolle zu: für den Lauf der Heilsgeschichte ist allein Israels Verhalten relevant, die Völker ringsum sind nur soweit von Bedeutung, als sie Israel behindern oder gewähren lassen und eventuell sogar fördern. Diese Überzeugung kennzeichnet das jüdische Geschichtsbewusstsein insgesamt.

Die Periode der Richter hat vergleichsweise wenig Eindruck hinterlassen. Es gilt vielmehr, dass die nach dem Tod Josuas amtierenden »Ältesten« ihren Aufgaben nur unzureichend gerecht geworden sind. Gott musste Israel daher von Zeit zu Zeit durch eine charismatische Retterfigur vor dem Schlimmsten bewahren. Der Höhepunkt der Fehlentwicklung wurde unter dem Priester Eli am Heiligtum der Bundeslade zu Schilo erreicht, doch mit der Berufung des Samuel und danach mit der Herrschaft Davids und Salomos setzt wieder eine positivere Entwicklung ein. Das Feindbild, das die Schilderung dieser Periode bestimmt, stellen die (unbeschnittenen!) Philister dar, die aus dem Heiligtum von Schilo die Bundeslade als Beute mit sich genommen hatten und Israel lange Zeit zu unterwerfen suchten.

8.2 Saul und David: Der ungehorsame und der gehorsame Gesalbte des HERRN

Im jüdischen Recht wird für den Fall der Verfügung über das Land Israel die Einsetzung eines Königs (einer eigenen Regierung) zwar als Gebot verzeichnet, aber nicht ohne Vorbehalte. Gemeint ist nämlich eine Herrschaft nach Gottes Willen, also eine theokratisch legitimierte, in alter Zeit durch die priesterliche Institution, später durch den rabbinischen Großen Sanhedrin, unter der Ägide der Torah-Autorität.60 Der König untersteht nämlich der Torah und seine Befugnisse werden im Vergleich zur Umwelt und als Reaktion auf eigene Erfahrungen erheblich eingeschränkt. Seine Befugnisse reichen indes immer noch derart weit, dass die Monarchie ausdrücklich negativ gewertet wird. Schon in 2 Sam 8–10 wird nachdrücklich auf die Schattenseiten der monarchischen Staatsordnung verwiesen, sie wird sogar als Missachtung des alleinigen Herrschaftsanspruchs Gottes über Israel bezeichnet. Gegen 100 n.Chr. vertrat der jüdische Historiker Flavius Josephus die Meinung, dass diese Herrschaftsform für Israel unangemessen sei, da die Torah (und deren priesterlich kontrollierte Anwendung) völlig genüge, um Israel zu regieren. Und am Ende des Mittelalters hat der Exeget Isaak Abrabanel ausdrücklich festgestellt, dass Dt 17,14–20 eine Kannbestimmung enthält: falls Israel sich entschließt, einen König einzusetzen, dann muss nach dem Königsrecht der Torah verfahren werden. Hat man aber einmal einen König eingesetzt, ist man vertraglich gebunden, wie gut oder schlecht der Monarch dann auch regieren mag.

Von da aus beurteilt, konnte die Richterzeit als Periode einer unmittelbareren Herrschaft Gottes über Israel gelten und auch glorifiziert werden; so in der Moderne durch Martin Buber, der dafür den Begriff Theopolitik geprägt hat, bei ihm allerdings abgelöst von der traditionellen Torahtheologie. Das politische Denken des Judentums ist jedenfalls bis heute von der Voraussetzung bestimmt worden, dass die Torah im Grunde auch die gottgewollte politisch-soziale Ordnung Israels darstellt.61

Die monarchische Herrschaftsform hat nach dem 1. Samuelbuch in Israel als Mittel der Selbstbehauptung angesichts kriegerischer Bedrohung Eingang gefunden. Der vorprogrammierte Konflikt mit dem Alleinherrschaftsanspruch Gottes scheint aufgelöst, wenn das Gottesvolk (und damit ein jüdischer Staat) sich als Werkzeug Gottes zur Durchsetzung der Gottesherrschaft versteht und damit eine messianische Funktion zu erfüllen glaubt. Die messianische Erwartung bzw. eine (pseudo-) messianische Bewegung erweist sich sowohl politisch wie religiös als Versuchung, die eigene aktuelle Situation als eine endzeitliche zu verabsolutieren.

Nachhaltig hat auf das spätere Geschichtsbild die Schwarz-Weiß-Malerei der Bücher Samuel eingewirkt. Saul versagte als »Gesalbter des JHWH«,62 als theokratisch legitimierter Herrscher, der die »Kriege des JHWH« zu führen hat, weil er das Gebot der Ausrottung Amaleks nicht befolgte (1 Sam 15/1 Chr 10). Er wurde als Typus des ungehorsamen Gesalbten stilisiert.63 David hingegen wird ungeachtet manch dunkler Seiten seiner Geschichte zum Typus des torahgehorsamen Gesalbten. Durch seine Kriege sicherte er den Besitz des Landes und weitete dessen Grenzen aus, und sein Torahgehorsam gewährleistete nach 2 Sam 7 auch die dynastische Erbfolge. Für die Geschichte der jüdischen Religion war seine in Personalunion und im Namen des JHWH-Kultes ausgeübte Herrschaft über die beiden vereinten Königreiche Judah und Israel von grundlegender Bedeutung. Sie begründete verklärt das Bewusstsein einer Einheit namens Israel, für die später Jerusalem/Zion zum Symbol wurde, und gab dem Begriff Gott Israels einen dementsprechenden Inhalt. So wurde auch der Davidssohn zum Idealherrscher der Heilszukunft, zum »Gesalbten (König)« schlechthin, zum Repräsentanten der Gottesherrschaft,64 die man allen Enttäuschungen zum Trotz immer wieder erhofft.65 Der erwartete »Gesalbte« soll Israel von aller Fremdherrschaft befreien und Verhältnisse schaffen, die eine ungehinderte Torahpraxis ermöglichen. Aber er ist kein Erlöser im Sinne der christlichen Messiasauffassung bzw. Christologie (s. Reader, Nr. 12.2).

David gilt auch ferner als geistbegabter Autor liturgischer Dichtungen (s. Reader, Nr. 13) und als Organisator des Jerusalemer Kultbetriebes. Denn nachdem er die Bundeslade nach Jerusalem überführt hatte (2 Sam 6/1 Chr 15,1–16,6) soll er alles Nötige für den Tempelbau und den Kultbetrieb vorbereitet haben, alles gemäß der Torah und nach einem himmlischen Modell (2 Sam 24/1 Chr 21; 1 Chr 22–26; 28,11–21).

8.3 König Salomo und der Erste Tempel

Mit König Salomo haben sich drei Vorstellungskomplexe verbunden. Er gilt als friedliebender und weiser König, und daher werden die alten jüdischen Weisheitstraditionen auf ihn zurückgeführt. Zu seinen Kenntnissen gehörte angeblich auch die Magie, und mit ihrer Hilfe soll er in der Lage gewesen sein, Dämonen dienstbar zu machen.66 Am meisten Nachruhm brachte ihm aber der Tempel- und Palastbau in Jerusalem ein.67 Im Alten Orient galt jedes große Heiligtum als Repräsentation des Kosmos und als Nabel der Welt, als mythischer Ort, wo Himmlisches und Irdisches ineinander greifen. Der regelmäßige Kult hat die Aufgabe, die Ordnung des Kosmos aufrecht zu erhalten, und die Opfer sorgen für die Entsühnung des Kultpersonals, des Königs, des Volkes und des Landes. Auch die Feier der großen, jahreszeitlich gebundenen agrarischen Feste war an den Tempel gebunden, doch erhielten diese auch noch eine heilsgeschichtliche Bedeutung im Sinne der Vergegenwärtigung der großen Heilstaten Gottes an Israel.

8.4 Die Könige von Juda und Israel

Unter Salomos Sohn und Nachfolger Rehabeam trennten sich die Nordstämme von der davidischen Dynastie und gründeten unter Jerobeam I. das Königreich Israel. Vom Jerusalemer Hof aus beurteilt, war dies mehr als nur politische Abtrünnigkeit. Nach der Reichsteilung kam es nämlich zur Einrichtung eigener Staatsheiligtümer, Dan im Norden und Bethel im Süden, und diese Sünde Jerobeams ist sprichwörtlich geworden und hat wohl auch die Ausformung der Geschichte vom Kult des goldenen Kalbes am Sinai (Ex 32) inspiriert. Die Jerusalemer Tradition sah in der Eroberung und Annexion des Nordreichs durch die Assyrer im Jahr 722 v.Chr. folgerichtig die Strafe für den Abfall. Sie behauptet, dass fast alle Nordisraeliten nach Mesopotamien deportiert und dort verschollen sind und spricht daher von den zehn verlorenen Stämmen, deren Wiederauftauchen man zu Beginn der messianischen Herrschaft erhofft.68

Die Könige, auch die eigenen Könige aus Davids Geschlecht, beurteilte die Jerusalemer Tradition nach deren Verhalten im Sinne der Torahnormen.69 Und da 701 v.Chr. die Assyrer nach einer längeren Belagerung Jerusalems unter Sanherib unversehens abzogen, wurde diese Rettung zu einem heilsgeschichtlichen Exempel und eine Bestätigung des Jerusalemer Anspruchs, ganz Israel zu repräsentieren und den einzig gültigen Kult Israels, den JHWH-Kult, zu praktizieren. In der Tat sind in der letzten Phase der Königszeit die regionalen und lokalen Heiligtümer aufgelöst und der Kult in Jerusalem zentralisiert und »levitisiert« worden.

Im Jahr 587/6 v.Chr. eroberte der babylonische König Nebukadnezar das rebellische Königreich Juda, verwandelte es in eine babylonische Provinz und zerstörte den Tempel von Jerusalem. Diese Negativerfahrung stellte den Glauben an die Macht des Gottes Israels in Frage. Von nun an war das Problem der übermächtigen Weltmacht ein zentrales Thema der jüdischen Religion und man wünschte sich natürlich, dass der jeweilige fremde Herrscher zur Anerkennung des Gottes Israels als des einzigen wahren Gottes gelangt, was in allerlei Legenden auch so dargestellt wird.70

Das Ende der staatlichen Selbstständigkeit und der davidischen Herrschaft wurde als tiefer Einschnitt in den Lauf der Geschichte Israels erfahren, aber als noch folgenreicher empfand man die Zerstörung des Tempels. Sie musste angesichts seiner kosmologischen Symbolik als Katastrophe empfunden werden, und darum hat man sie chronographisch auch als Periodengrenze angesetzt.71 Der Grundüberzeugung nach hoben die Zerstörung der Anlage und die Unterbrechung des Kultes den mythischen Charakter des gotterwählten Kultortes jedoch nicht auf. Die Stadt des Heiligtums, Jerusalem bzw. Zion, hat daher ihre Bedeutung als zentraler Bezugspunkt jüdischen Selbstbewusstseins allen Realitäten zum Trotz behalten (s. Reader, Nr. 11bc).72 Die gefallene Stadt wurde zum Gegenstand liturgischer Klagetraditionen, und der Zerstörung des ersten – und zweiten – Tempels wird im Jahreszyklus bis heute mit einem Fasttag am 9. Ab gedacht.

9. Das babylonische Exil und die Heimkehr

Nebukadnezar veranlasste die Deportation der Oberschicht und der städtischen Eliten nach Mesopotamien. Man sprach rückblickend von einer Exilierung aller Judäer, ja des Volkes Israel überhaupt, und maß dem Ereignis paradigmatische heilsgeschichtliche Bedeutung zu. Auf Grund der herrschenden Geschichtsauffassung sollte auf diese bislang größte Katastrophe eine Heilswende folgen. Gerade seit damals verkündete man darum den Gott Israels auch als den einzigen Gott und Schöpfer schlechthin.

Eine Jobelperiode (49 Jahre) dauerte es, bis der Perserkönig Kyros (538 v.Chr.) die Heimkehr der Exilierten und den Wiederaufbau des Tempels zu Jerusalem gestattete, und 70 Jahre zählte man von der Tempelzerstörung bis zur Weihe des Zweiten Tempels (517/6 v.Chr.), symbolträchtige Zahlen, die zu spekulativen Berechnungen anregten, insbesondere zur Rechnung mit Geschichtsperioden zu 490 Jahren. Das Ende des Exils wurde als Heimkehr des ganzen Volkes dargestellt, als eine Art zweiter Exodus, und als Beginn einer neuen Ära, vor allem aber als Triumph der Macht des Gottes Israels (Jes 40 ff).

10. Die Zeit des Zweiten Tempels

10.1 Babylonier, Perser und Griechen

Die Restauration des Tempelkults unter der toleranten persischen Herrschaft hatte eine derart massive Privilegierung des Kultpersonals und eine dementsprechende Ausweitung des Kultbetriebs zur Folge, dass diese neue Situation auch in die Vergangenheit zurückprojiziert und auf diese Weise gerechtfertigt wurde. Sie erschien nun teils im Rahmen der Kultstiftung am Sinai, teils als Verfügung des Königs Davids auf Basis der Torah. Ansonsten hatten Daten der persischen Periode außer dem Kyros-Edikt von 538 v.Chr. und der Tempelweihe von 517/16 wenig heilsgeschichtstheologische Nachwirkungen. Im Nachhinein, nach negativen Erfahrungen unter hellenistischer Herrschaft, wurde aber auch das persische Weltreich mit einem großen Makel behaftet. Die Esther-Erzählung setzt eine Bedrohung der Existenz Israels in Persien voraus, verursacht durch den bösen Haman, einen Agag-Nachkommen, also einen Amalekiter. Und die Rettung erfolgt durch Mordekaj und die jüdische Königin Esther, gefolgt von der Vernichtung der Feinde. Man gedenkt dieser sagenhaften ersten großen Judenverfolgung und Rettung am Purimfest. Ansonsten wird in der jüdischen Überlieferung das Perserreich durchaus positiv bewertet, die Perser gelten wie die Griechen als Nachkommen des Noah-Sohnes Jafet.

Die jüdische Tradition schreibt eine Reihe von Reformen und Verordnungen einer »Großen Versammlung« (Ha-kenäsät ha-gedôlah) zur Zeit des Esra und Nehemia zu und sieht darin die Basis für das Judentum im rabbinischen Sinne. Esra wurde dabei gar zu einem zweiten Mose stilisiert.

10.2 Unter Jawan – Griechenland. Die Religionsverfolgung unter Antiochus IV. und die Rettung durch die Makkabäer

Der Name des Jafet-Sohnes Jawan bezeichnet auch die hellenistische Herrschaft nach Alexander dem Großen. Alexander hatte nach 333 v.Chr. mit dem Vorderen Orient auch Juda/Judäa seinem Reich einverleibt und dabei die Privilegien des Tempelstaates unangetastet gelassen. Sein Ruf als Weltherrscher blieb daher unter Juden ein durchwegs positiver, der Name Alexander wurde gern verwendet und Fassungen des in Antike und Mittelalter weit verbreiteten Alexanderromans wurden im Mittelalter hebraisiert und judaisiert.73

Unter der Herrschaft der Ptolemäer in Ägypten und der Seleukiden in Kleinasien/Syrien wurde die Verfügung über das Land Israel Anlass zu fünf Kriegen und die negativen Erfahrungen aus dieser Zeit haben das Bild von Jawan sehr getrübt. Als düsterstes Kapitel zeichnet die Tradition die Herrschaft des Seleukidenkönigs Antiochus IV. Epiphanes.74 Dieser hat demnach in Jerusalem/Judäa eine hellenisierende Richtung unterstützt, deren Ziel die Abschaffung der Torah und der spezifisch jüdischen Lebensweise war. Der König soll zur Durchsetzung dieser Ziele eine Religionsverfolgung und Zwangshellenisierung verfügt haben, Ansatz zu einer nachhaltigen martyrologischen Tradition.75 Dem Aufstand der Makkabäer/Hasmonäer und der Glaubenstreue der Verfolgten wird es zugute gehalten, dass die Religion Israels auf Basis der Torah gerettet und gestärkt aus den kriegerischen und religiösen Auseinandersetzungen hervorgehen konnte.76 Dieses Bild, von der hasmonäischen Geschichtsschreibung dramatisch entworfen und propagiert, hat infolge seiner Übernahme durch Flavius Josephus auch die christliche Sicht der Ereignisse bis heute bestimmt.

10.3 Die vier letzten Weltreiche

In hellenistischer Zeit kam im Orient ein Motiv auf, das zu einem historiographischen Schema von weit reichender Wirkung geworden ist. Man behauptete, dass der Geschichtslauf mit einer Reihe von 3–4 Weltreichen abschließt. Im Buch Daniel zählte man entsprechend der damaligen weltpolitischen Lage vier solche Weltreiche, mit »Jawan« als letztem (s. Reader, Nr. 14), später setzte man Rom an diese Stelle.

10.4 Edom/Esau: Rom als viertes Weltreich Daniels

Rom wurde nach der Einverleibung Judäas ins Römische Reich als eine immer bedrohlichere Macht empfunden, obwohl unter Caesar für die Juden Privilegien festgeschrieben wurden, die eine freie Religionsausübung gewährleisteten. Der zwiespältige Eindruck verfestigte sich unter der Herrschaft des durch Rom eingesetzten Königs Herodes, der aus einer idumäischen Familie stammte. Als Ahnvater Edoms galt von alters her Esau, der Zwillingsbruder Jakobs. Als geläufiges Bild für diesen gefährlichen Nachbarn im Süden diente das »Wildschwein« aus Ps 80,14. Im 1.Jh. n.Chr. war Edom zur Bezeichnung des Römischen Reiches geworden, und nach der Tempelzerstörung im Jahr 70 n.Chr. kam dazu die Parallelisierung mit Babel, der Weltmacht, die den ersten Tempel zerstört hatte, und beide Heiligtümer sollen sogar am selben Jahrestag zerstört worden sein, am 9. Ab, der folglich als jährlicher Fast- und Bußtag begangen wird. Die martyrologischen Traditionen aus der Makkabäerzeit wurden auf dir römische Herrschaft übertragen und verdichtet, der Gegensatz zwischen Israel und den Weltvölkern erhielt dadurch noch schärfere Konturen und es entstand eine bis in die Gegenwart wirksame literarische Konvention drastischer Verfolgungs- und Bedrohungsszenerien in Darstellungen der jüdischen Geschichte.

Die Edom- und Babel-Symbolik wurde auch in das Vierreiche-Schema eingetragen (s. Reader, Nr. 14) und Edom/Esau, das Wildschwein aus dem Wald von Ps 80,14, galt von nun an als letzte Weltmacht, deren Fall man erhofft, damit der Übergang zur messianischen Herrschaft erfolgen kann. Bis dahin muss sich der kleinere Jakob, der das Erstgeburtsrecht erworben hat und dem daher der Vorrang eigentlich zusteht, mit dem großen, gewalttätigen Zwillingsbruder Esau arrangieren. Wann nach dem göttlichen Heilsplan diese Frist zu Ende geht, war allerdings schwer zu kalkulieren. Im Falle kriegerischer Bedrohungen hoffte man auf den Fall Roms und wagte sogar den militärischen Aufstand. Seit den verlustreichen und vergeblichen Revolten von 66–70 n.Chr. und 135–138 n.Chr. galt Rom als die gottfeindliche, frevelhafte Herrschaft schlechthin.77 Diese Einschätzung ging nahtlos auf das christliche Rom über, das Christentum erschien daher in jüdischen Augen nicht primär als Religion, sondern als feindliche Weltmacht. Der Antagonismus Jakob-Esau beherrscht das traditionelle jüdische Geschichtsdenken bis heute. In geringerem Maß gilt dies auch für den Antagonismus Isaak-Ismael (der islamischen Weltmacht). Und wann immer weltpolitische Veränderungen anstanden, eine der beiden Mächte zu fallen schien, knüpften sich daran auf der jüdischen Seite messianische Hoffnungen.

11. Die messianische Herrschaft

Die endgeschichtliche Verwirklichung der Gottesherrschaft besteht in der Durchsetzung der Torah, insbesondere im Land Israel (s. Reader, Nr. 12.2). Und dies ohne Behinderung durch Weltvölker, die auf ihre angestammte Religion verzichten, den Gott Israels als einzigen Gott und die Torah grundsätzlich als oberste Autorität anerkennen, und die sieben noachidischen Gebote einhalten müssen. Diese theokratische Friedensordnung muss gegebenenfalls mit Gewalt durchgesetzt werden, und das ist die Aufgabe des Gesalbten (des HERRn) aus dem Haus Davids. Nur in diesem politisch-militärischen Sinn kommt dem Gesalbten (Messias) eine Erlöserfunktion zu. Erst in der Neuzeit kam über spätkabbalistische und häretische Tendenzen (Sabbatianismus) eine Erlöserfunktion hinzu, die das Seelenschicksal betrifft und gewisse Entsprechungen zu Christologie aufweist. Unterwerfen sich die Völker freiwillig, erübrigt sich ein endzeitlicher König Israels, denn die Verfassung Israels ist ja die Torah, und tatsächlich taucht die Messiasfigur nicht in allen Darstellungen der Endzeitereignisse auf. Der ideale Davidssohn repräsentiert als Herrscher ja nur auf vorbildliche Weise den Torahgehorsam und damit die theokratische Ordnung. Für das seit der Tempelzerstörung rabbinisch geprägte Judentum galt die eigene Verfassungsvorstellung als Inhalt der Torah, und darum wurden die Institutionen des rabbinischen Establishments, vor allem das Große Sanhedrin, auch bis in die Zeit der Sinaioffenbarung zurückprojiziert. Da aber die Torah bei genauerem Hinsehen keine eindeutige Verfassungsdefinition enthält, blieb die konkrete Gestalt der messianischen Herrschaft durchwegs vage und variabel definiert. Sie konnte auch nicht zum maßgeblichen Glaubensgegenstand werden, weil die entscheidende Glaubensfrage nie im WIE, sondern immer im WANN bestand. Wird durch die Behauptung, die Zeit sei gekommen, also durch das Einsetzen einer messianischen Bewegung, die Terminfrage aktuell, steht jeder vor der Entscheidung, ob er diese Einschätzung der Gegenwart teilt oder ablehnt. Das Zusammenspiel zwischen konkreter Politik und utopischen Gesichtspunkten verlieh den messianischen Bewegungen eine eigentümliche Dynamik, denn man kämpfte im Bewusstsein, dass es um die letzte Chance Israels in der Geschichte geht. Die Folge war ein Trend zu Intoleranz, sowohl gegenüber abweichenden Einschätzungen der geschichtlichen Lage, als auch in der Frage der »richtigen« Torahpraxis.

Die messianische Zeit wird in antiken Quellen teils als ideale, aber doch geschichtlich-irdische Endperiode beschrieben, teils auf üppige Weise ins Übernatürliche verklärt, weil eine klare begriffliche Unterscheidung zwischen Diesseits und Transzendenz noch nicht üblich war. Die Übergangsphase wird oft als harte Krisen- und Verfolgungsperiode dargestellt, als Zeit der »Wehen des Gesalbten«. Anfangserfolge bestärkten solche Annahmen, aber die Realität wird alsbald an der Utopie gemessen, und entspricht sie der Utopie nicht, spricht man von einer pseudo-messianische Bewegung. Die systemgerechte Konsequenz lautet dann: die Generation war noch nicht würdig, es bedarf einer intensiveren Torahfrömmigkeit, um zum Ziel der Heilsgeschichte zu gelangen. Damit alle Israeliten diese Möglichkeit vollkommener Torahpraxis wahrnehmen und Versäumtes nachholen können, wird die Auferstehung der Toten (Israels) für den Beginn dieser Heilsperiode erwartet. Die Möglichkeit ungehinderter Torahverwirklichung für ganz Israel ist somit der eigentliche Zweck der messianischen Herrschaft, alle anderen Begleiterscheinungen sind demgegenüber zweitrangig (s. Reader, Nr. 12i).

12. Die Kommende Welt – der transzendente Heilszustand

In der Antike und zum Teil auch noch später wurde zwischen der endgeschichtlichen Heilszeit und dem endgültigen Heilszustand nicht oder nicht eindeutig unterschieden. Im Mittelalter wurde die übliche Rede von »messianischer Zeit« und »Kommender Welt« dazu benutzt, um einen vorbereitenden, endgeschichtlich -irdischen, und einen endgültigen transzendenten Heilszustand systematisch zu unterscheiden. Gebildete waren sich darin einig, dass man über die Kommende Welt genau so wenig auszusagen vermag, wie über die jenseitige Gottheit. Neuplatonisch Orientierte, weitaus die Mehrheit, glaubten zudem an eine präexistente, unsterbliche Seele, die nach ihrer Zeit in einem irdischen Leib wieder an ihren überirdischen Ursprung zurückkehrt, sofern sie sich als würdig erweist und nicht erst (durch Seelenwanderung bzw. Wiederinkorporierung) geläutert werden muss. Aristotelisch Orientierte sahen im erworbenen Intellekt ihre Unsterblichkeit verbürgt. Beide hielten die Torahpraxis für das beste Mittel zur Erreichung der göttlichen Zweckbestimmung des Menschen. Der Volksglaube malte freilich die messianische Zeit weiterhin in übernatürlichen Farben aus, versah die Kommende Welt phantasievoll mit übertriebenen irdischen Zügen und schwelgte in Beschreibungen eines Paradieses, in dem die Frommen nach dem Tod oder nach dem Endgericht Aufnahme finden.

1 So auch wieder STERN, S., Time and Process in Ancient Judaism, Oxford/Portland, OR 2003.

2 PATAI, R., Ethnohistory and Inner History: The Jewish Case, JQR 67 1976/7, 1–15; KOCHAN, L., The Jew and his History, 1977; YERUSHALMI, Y. H., Zakhor: Jewish History and Jewish Memory, Seattle/London 1982.

3 OHANA, D./WISTRICH, R. S. (Hg.), Mîtûs we-zikkarôn, Tel Aviv 1996/7.

4 KEEL, O./SCHROER, S., Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorientalischer Religionen, Fribourg/Göttingen 2002; VAN KOOTEN, G.H. (Hg.), The Creation of Heaven and Earth: Re-interpretations of Genesis I in the Context of Judaism, Ancient Philosophy, Christianity, and Modern Physics, Themes in Biblical Narrative 8, Leiden 2005; NEUSNER, J., Judaism’s Story of Creation, Leiden 2000; GATTI, R., bere’shit. Interpretazioni filosofiche della creazione nel Medioevo latino ed ebraico, Genf 2005.

5 LAU, D., Wie sprach Gott: »Es werde Licht«? Antike Vorstellungen von der Gottessprache, Lateres 1, Frankfurt a. M. 2003.

6 SAMUELSON, N.M., Judaism and the Doctrine of Creation, Cambridge 1994. Erst seit der späten Antike wurde ebenso wie im Christentum die Schöpfung aus dem Nichts postuliert; vgl. MAY, G., Schöpfung aus dem Nichts. Die Entstehung der Lehre von der creatio ex nihilo, AKG 48, Berlin 1978. Der hebr. Ausdruck lautet (Schöpfung) ješ me-′ ajin (Bestehendes aus Nichts). Neuplatonisch und kabbalistisch orientierte Denker des Mittelalters verstanden dies als Emanation aus dem Nichts als transzendenter Gottheit.

7 COUDERT, A. P. (Hg.), Die Sprache Adams, Wolfenbütteler Forschungen 84, Wolfenbüttel 1999.

8 HARALICK, R.M., The Inner Meaning of the Hebrew Letters, Northvale, NJ 1995; ISAACS, R.H., The Jewish Book of Numbers, Northvale, NJ 1996.

9 ENDRES, F. C./SCHIMMEL, A., Das Mysterium der Zahl, Köln 1984; GLAZERSON, M., The Geometry of the Hebrew Alphabet, Jerusalem 2004.

10 GRÖZINGER, K.E. (Hg.), Sprache und Identität im Judentum, Wiesbaden 1998.

11 GOTTLIEB, F., The Lamp of God. A Jewish Book of Light, Northvale, NJ 1989.

12 GLAZERSON, M., Torah, Light and Healing, Jerusalem 22004.

13 MAIER, J., Die Qumran-Essener, Bd.3 München 1996, 52–100.

14 BASNITZKI, L., Der jüdische Kalender. Entstehung und Aufbau, Königstein/Ts. 1986.

15 MAHLER, E., Handbuch der jüdischen Chronologie, Leipzig 1916 (Nachdruck Hildesheim 1967); AKAVIA, A.A., Lûa le-šeššet ′alafîm šanah. Calendar for 6000 Years, Jerusalem 1976.

16 NOVAK, D./SAMUELSON, N. (Hg.), Creation and the End of Days: Judaism and Scientific Cosmology, Boston 1986; AVIEZER, N., Am Anfang. Schöpfungsgeschichte und Wissenschaft, Frankfurt a. M. 2000.

17 SEGAL, A. F., Two Powers in Heaven, Leiden 1977.

18 CHIESA, B., Creazione e caduta dell’uomo nell’esegesi giudeo-araba medievale, Brescia 1989; LUTTIKHUIZEN, G. H. (Hg.), The Creation of Man and Woman, Leiden 2000.

19 LUTTIKHUIZEN, G.P. (Hg.), Paradise Interpreted, Leiden 1999.

20 MARTINEK, M., Wie die Schlange zum Teufel wurde, Wiesbaden 1996.

21 VON STUCKRADT, K., Das Ringen um die Astrologie. Jüdische und christliche Beiträge zum antiken Zeitverständnis, RVV 49, Berlin 1999; DERS., Geschichte der Astrologie. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2003.

22 MAIER, J., Jüdische Kultur, in: GRABNER-HAIDER, A. (Hg.), Ethos der Weltkulturen. Religion und Ethik, Göttingen 2006, 183–248.

23 LUTTIKHUIZEN, G.P. (Hg.), Eve’s Children. The Biblical Stories Retold and Interpreted in Jewish and Christian Traditions, Leiden 2003.

24 VON MUTIUS, H.-G., Der Kainiterstammbaum Genesis 4,17–24 in der jüdischen und christlichen Exegese, Judaistische Texte und Studien 7, Hildesheim 1978.

25 AUFFAHRT, CHR./STUCKENBRUCK, L.T. (Hg.), The Fall of the Angels, Leiden 2004; WRIGHT, A., The Origin of Evil Spirits. The Reception of Genesis 6,1–4 in Early Jewish Literature, WUNT II/198, Tübingen 2005.

26 CADUFF, G.A., Antike Sintflutsagen, Hypomnemata 82, Göttingen 1996; GARCÍA MARTÍNEZ, F./LUTTIKHUISEN, G. P., Interpretation of the Flood, Leiden 1999; BOSSHARD, E., Vor uns die Sintflut, Stuttgart 2005.

27 KVANVIG, H.-S., Roots of Apocalyptic, WMANT 61, Neukirchen 1988.

28 VAN DER HORST, P. W., Japheth in the Tents of Shem: Studies on Jewish Hellenism in Antiquity, Leuven 2002, 139–158; ORLOV, A.A., The Enoch-Metatron Tradition, TSAJ 107, Tübingen 2005.

29 ZIMMERMANN, CH., Torah and Reason, Jerusalem 1979.

30 TIROSH-SAMUELSON, H. (Hg.), Judaism and Ecology, Cambridge, MA 2002.

31 NOVAK, D., The Image of the Non-Jew in Judaism, New York 1983; CLORFENE, CH./ROGALSKY, Y., The Path of the Righteous Gentile, Southfield, MI 1987; BINDMAN, Y., The Seven Colors of the Rainbow, San Jose, CA 1995; LICHTENSTEIN, A., The Seven Laws of Noah, New York 21986; RAKOVER, N., Law and the Noahides, Jerusalem 1999.

32 GOLDENBERG, D.M., The Curse of Ham, Princeton 2003.

33 MAIER, J., The Relevance of Geography for the Jewish Religion, in: HELM, J./WINKELMANN, A. (Hg.), Religious Confessions and the in the Sixteenth Century, Leiden 2001, 136–158.

34 BALLA, P., The Melchizedekian Priesthood, Budapest 1995.

35 LAZARUS, N.R., Das jüdische Weib, Berlin 31896; 1922 (Frankfurt a.M. 1999); BIALE, R. T., Women and Jewish Law: An Exploration of Women’s Issues in Halakhic Sources, New York 1984; HERWEG, R. M., Die jüdische Mutter. Das verborgene Matriarchat, Darmstadt 1994; GREENSPOON, L.J./SIMKINS, R.A. (Hg.), Women and Judaism, Lincoln, NE, 2003.

36 PANTEL ZOLTY, SH., »And All Your Children Shall Be Learned«. Women and the Study of Torah in Jewish Law and History, Northvale, NJ 1993.

37 RUUD, I. M., Women and Judaism. A select Annotated Bibliography, New York 1988. WOLOWELSKY, JOEL B., Women, Jewish Law, and Modernity, New York 1997; BAUMEL, J.T./COHEN, T. (Hg.), Gender, Place and Memory in the Modern

38 BENVENUTO, CH., Shiksa: The Gentile Woman in the Jewish World, New York 2004.

39 SELTZER, S., Jews and Non-Jews Getting Married, New York 1984; PACKOUZ, K., How to Stop an Intermarriage, Jerusalem 1976; MEDDING, P.Y. (Hg.), Jewish Identity in Conversionary and Mixed Marriages, New York 1992.

40 ROSENBLOOM, J. R., Conversion to Judaism. From the Biblical Period to the Present, Cincinnati 1978; SCHWARTZ, Y., Jewish Conversion, Jerusalem 1994; TREPP, L./WÖBKEN-EKERT, G., »Dein Gott ist mein Gott«, Stuttgart 2005; FINKELSTEIN, M., Conversion, Ramat Gan 2006; FORSTER, Brenda, Jews by Choice. A study of converts to Reform and Conservative Judaism, Hoboken, NJ, 1991.

41 KLINGHOFFER, D., The Discovery of God: Abraham and the Birth of Monotheism, New York 2003.

42 SHINAN, A., Abraham in the Three Monotheistic Faiths, Jerusalem 1999.

43 FENDEL, Z., Legacy of Sinai, New York 1981.

44 JACOBS, L., A Tree of Life, London 22000.

45 Daher wurde der Dekalog auch aus dem Gebetskomplex des Šema` Jiśra′ el ent fernt; s. STEMBERGER, G., Der Dekalog im frühen Judentum, JBTh 4 (1989), 91–103.

46 CHOURAQUI, A., Les dix commandements aujourd’hui, Paris 2000.

47 BEN-CHORIN, SH, Die Tafeln des Bundes, Tübingen 1979.

48 Variierend zwischen absolutem Bilderverbot und Kultbildverbot (s. auch Lev 26,1).

49 GORENBERG, G., The End of Days. Fundamentalism and the Struggle for the Temple Mount, New York/London 2002.

50 WEISFELD, I.H., This Man Moses, 1966; SILVER, D. J., Images of Moses, New York 1982; SILVER, D. J., Moïse. Images et reflets, Paris 1984.

51 LIPTON, B. Y., The Sin of the Golden Calf According to Rashi, Brooklyn 1998; BO-RI, P.C., The Golden Calf and the Origins of the Anti-Jewish Controversy, Atlanta 1990.

52 TÖNGES, E., »Unser Vater im Himmel«, BWANT 147, Stuttgart 2003.

53 JENSON, PH., Graded Holiness, JSOT.S 106, Sheffield 1992; MACCOBY, H., Ritual and Morality, Cambridge 1999; POORTHUIS, M. J.H.M./SCHWARTZ, J. (Hg.), Purity and Holiness, Leiden 2000.

54 KIUCHI, N., The Purification Offering in the Priestly Literature. Its Meaning and Function, JSOT.S 56, Sheffield 1987.

55 MACCOBY, H., Ritual and Morality, Cambridge 1999.

56 PODHURST, M./SCHWARTZ, J. (Hg.), Saints and Role Models in Judaism and Christianity, Leiden 2004.

57 FELDMAN, L.H., »Remember Amalek!«, Cincinnati 2004.

58 WEILER, G., Jewish Theocracy, Leiden 1988.

59 DAVIES, W. D., The Territorial Dimension of Judaism, Berkeley 1982; SHARON, M. (Hg.), The Holy Land in History and Thought, Leiden 1988; SCHWEID, E., The Land of Israel, Rutherford 1985; WOLFSON, M., Wem gehört das Heilige Land?, München 1992.

60 ROTH, S., Halakhah and Politics, New York 1988; WEILER, G., Jewish Theocracy, Leiden 1988.

61 ELEAZAR, D. J./COHEN, ST.A., The Jewish Polity, Bloomington 1985.

62 Der Ausdruck Messias entspricht mit seinem üblichen Begriffsinhalt christlichem Sprachgebrauch; der hebräische Terminus technicus lautet ha-mäläk hamašîa, »der gesalbte König«.

63 DIETRICH, W., David, Saul und die Propheten, Stuttgart 1987.

64 COHN-SHERBOK, D., The Jewish Messiah, Edinburgh 1997; LENOWITZ, H., The Jewish Messiahs. From the Galilee to Crown Heights, New York 1998; ATTIAS, J.C./GISEL, P./KAENNEL, L.(Hg.), Messianismes, Paris 2000.

65 SILVER, A. H., A History of Messianic Speculation in Israel, Boston 19592; SCHÄ FER, P./COHEN, M.R. (Hg.), Toward the Millennium. Messianic Expectations from the Bible to Waco, Numen Book Series 77), Leiden 1998; KOCHAN, L., Jews, Idols and Messiahs, Oxford 1990.

66 TORIJANO, P.A., Solomon the Esoteric King, JSJ.S 73, Leiden 2002.

67 ZWICKEL, W., Der Tempelkult in Kanaan und Israel, FAT 10, Tübingen 1994; HERR, B., »Deinem Haus gebührt Heiligkeit, Jhwh, alle Tage«, BBB 124, Berlin 2000; KEEL, O./ZENGER, E., (Hg.), Gottesstadt und Gottesgarten, Freiburg i.Br. 2002; MCCORMICK, C.M., Palace and Temple, Berlin 2002; PARK, K.-CH., Die Gerechtigkeit Israels und das Heil der Völker, BEATuAT 52, Frankfurt a. M. 2003. hielten diese auch noch eine heilsgeschichtliche Bedeutung im Sinne der Vergegenwärtigung der großen Heilstaten Gottes an Israel.

68 AVIHAIL, E., Šibţê Jisra′el. The Tribes of Israel, Jerusalem 1987; GONEN, R., To the Ends of the Earth, 2002; PARFITT, T., The Lost Tribes of Israel. The History of a Myth, London 2002.

69 LOWERY, R.H., The Reforming Kings, JSOT.S. 120, Sheffield 1991.

70 WILLS, I.M., The Jew in the Court of the Foreign King, Minneapolis 1990.

71 LAUER, S. (Hg.), Tempelkult und Tempelzerstörung, Bern 1995; HAHN, J. (Hg.), Zerstörungen des Jerusalemer Tempels, Tübingen 2002.

72 PURVIS, J. D., Jerusalem the Holy City. A Bibliography, London 1989; HENGEL, M. u.a (Hg.), La Cité de Dieu. Die Stadt Gottes, WUNT 129, Tübingen 2000.

73 DELLING, G., Alexander der Große als Bekenner des jüdischen Gottesglaubens, JSJ 12 (1981), 1–51.

74 WEITZMAN, ST., Plotting Antiochus’ Persecution, JBL 123 (2004), 219–234.

75 VAN HENTEN, J.W./DEHANDSCHUTTER, B.A.G.M./VAN DER KLAAUW, H.J. (Hg.), Die Entstehung der jüdischen Martyrologie, Leiden 1989.

76 VAN HENTEN, J.W., The Maccabean Martyrs as Saviours of the Jewish People. A Study of 2 and 4 Maccabees, JSJ.S 57, Leiden 1997.

77 HADAS-LEBEL, H., Jérusalem contre Rome, Paris 1990.

Judentum

Подняться наверх