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Kara

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Wie betäubt saß ich an einem der großen Tische in der Aula der Schule. Doch der große Raum war nicht wie sonst mit lautem Geplapper erfüllt, sondern mit Schweigen.

Alle saßen mit gesengten Köpfen und hängenden Armen da, weil sich heute entscheiden würde, mit wem und wo sie ihr künftiges Leben verbringen würden.

Nach dem Test durfte man noch ein Jahr, bis man siebzehn wurde, bei seiner Familie wohnen, dann musste man in die Quartiere seiner Fraktion umziehen.

Xenia stieß mich an.

„Vielleicht ist das der letzte Tag, den wir zusammen in der Schule verbringen.“, flüsterte sie. Ich nickte geistesabwesend. Xenia wandte sich wieder ab und es herrschte Schweigen. Dann knackte der Lautsprecher. Alle hoben die Köpfe, und instinktiv hoffte ich, dass mein Name nicht aufgerufen wurde.

„Aurun, Dolly. Merger, Ken. Sterington, Xenia. Bolton, Murin. Murdock, Padma.”, schallte es durch den Saal. Meine beste Freundin schnappte nach Luft.

„Ok. Na dann mal los.“, wisperte sie und umarmte mich kurz. Dann ging sie mit den anderen vier in den Klassensaal.

Wieder scheinbar endlos langes Warten. Ich wippte mit meinen Füßen auf und ab. Nach etwa vierzig Minuten knackte der Lautsprecher erneut.

„Euron, Sally. Urani, Dennis. Kolbert, Collin. Walters, Mia. Drake, Kara.”

Ich zuckte innerlich zusammen und stand wie in Trance auf. Hinter den anderen bewegte ich mich auf den Klassensaal zu und spürte, wie alle Blicke auf uns hafteten.

Als sich die Tür hinter uns schloss, hatte ich das beklemmende Gefühl, in der Falle zu sitzen. Die Frau vom vorherigen Tag – Aurelia Flint – stand lächelnd vor der Tafel.

„Willkommen. Setzt euch bitte.“, begrüßte sie uns.

Als wir alle unsere Plätze eingenommen hatten, fuhr sie fort.

„Wie ihr seht, haben wir einen Fragebogen für euch erstellt, den ihr ausfüllen müsst. Dafür habt ihr fünfzehn Minuten Zeit. Anschließend werdet ihr einzeln in den Nebenraum gerufen, und beantwortet mir und meinem Assistenten Ron eine Reihe von Fragen. Ihr beantwortet sie mit dem Ersten Gedanken, der euch in den Sinn kommt. Für diesen Testabschnitt seid ihr an eine Maschine angeschlossen, die diesen ersten Gedanken lesen kann, und messen kann, welche Reaktionen in dem Augenblick in eurem Körper vorgehen. Dadurch können wir bestimmen, zu welcher Fraktion ihr gehören werdet.“

Wir alle blickten sie gebannt an. Sie schaute lächelnd in die Runde.

„Noch irgendwelche Fragen? Nein? Gut. Dann legen wir los. Dreht die Blätter um und beginnt.“

Leises Rascheln erklang, als die Blätter gewendet wurden.

1. Wie würden sie ihren Charakter beschreiben?

Ich runzelte die Stirn. So etwas hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Ich überlegte kurz, und dann legte ich los.

Ich würde mich als sanfter und zurückhaltender Mensch beschreiben, aber auch als entschlossen und ehrgeizig. Denn wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann setzte ich das auch fort. Ebenfalls würde ich mich als hilfsbereit beschreiben, als sozialer und mitfühlender Mensch.

Ich beschloss, es dabei zu belassen und wendete mich Frage Nummer zwei zu.

2. Was würden sie tun, wenn sie beobachten würden, wie zwei starke, große Jungen einen schwachen und kleineren Jungen bedrängen und/oder verprügeln?

Ich würde dazwischen gehen. Mir vorher vielleicht Hilfe besorgen. Aber auf keinen Fall würde ich wegschauen oder einfach weitergehen.

3. Wie würden sie in der vorigen Aufgabe handeln, wenn sie eine Waffe bei sich tragen würden?

Ich würde schießen. Ohne zu zögern.

4. Wie stehen sie zu den Beschützern und den Arbeitern?

Die Beschützer haben ehrenhafte Aufgaben, und ich finde es beeindruckend, wie sie diese erledigen, ohne Fragen zu stellen oder zu murren.

Doch die Arbeiter haben ebenfalls wichtige Aufgaben. Ohne sie könnte unsere Bevölkerung nicht überleben.

Ich drehte das Blatt um und suchte nach weiteren Fragen.

Vielen Dank für das Ausfüllen dieses Bogens.

Aurelia Flint; Connor Lencel; Geschäftsführer von DomeTec

Das war alles. Ich blickte auf, und sah, dass die Leiterin von DomeTec mich unbeirrt anblickte.

„Schon fertig, Miss Drake?“, fragte sie mit zuckerweicher Stimme. Mir war es unheimlich, wie sie mich anstarrte. Ich nickte leicht. Flint lächelte, stand auf und kam auf mich zu.

„Sie sind die erste. Und sie haben lediglich sieben Minuten gebraucht, um alle Fragen zu beantworten.“, klärte sie mich auf.

Ich zuckte die Schultern.

„Waren ja auch nicht grade viele.“, sagte ich, wie zu meiner Verteidigung.

Sie kniff die Augen zusammen.

„Wir hatten erst zwei Personen, die unter zehn Minuten für die Fragen gebraucht haben. Und eine davon sind sie.“, zischte sie.

„Und wissen sie, wo sich die andere Person in diesem Augenblick befindet?“, setzte sie hinterher.

Ich schüttelte langsam den Kopf. Woher sollte ich das auch wissen?

„Bei den Rebellen!“, knurrte sie und blickte mich durchdringend an. Ich machte mich in meinem Stuhl immer kleiner, bis sie auf dem Absatz kehrtmachte und sich wieder an den Schreibtisch setzte.

In meinem Kopf ratterte jetzt dieser eine Gedanke. Wieso war es so wichtig, dass ich nur sieben Minuten gebraucht hatte? Und dass ich eine von zwei Personen war, die unter zehn Minuten gebraucht hatten? Und wer war diese Person?

In dem Moment wusste ich, dass es mir bestimmt war, diese Person zu suchen. Ich wusste, dass wir irgendwas miteinander zu tun hatten.

„Miss Drake? Bitte folgen sie mir.“, ertönte in diesem Augenblick die Stimme von Aurelia Flint. Ich blickte auf und sah sie neben der Tür zu dem Raum stehen, in denen uns die Fragen gestellt wurden. Ich war also die erste.

Als die Tür hinter mir zu fiel, wies die große Frau an, mich zu setzen. Ich tat, wie mir geheißen.

„Nun, Miss Drake, oder darf ich Karina sagen…“, begann sie.

„Kara.“, murmelte ich. Sie blickte überrascht auf.

„Wie bitte?“

„Alle nennen mich Kara. Mir ist der Name lieber.“, antwortete ich leise.

Sie nickte.

„Nun ja, Kara, wie gesagt warst du eine der wenigen Personen, die den Fragebogen in weniger als zehn Minuten beantwortet haben. Adam… ich meine die andere Person hat nur sechs Minuten gebraucht.“, verbesserte sie sich schnell, kaum dass sie den Namen ausgesprochen hatte.

Adam, dachte ich. Was für ein schöner Name. Jetzt wusste ich wenigstens wie die Person hieß, die ich finden wollte.

„Nun, machen wir weiter.“, begann Aurelia Flint, und wirkte etwas verstört.

„Kurt, würdest du Kara bitte anschließen?“

Sofort machte sich Kurt, ein Mann den ich auf etwa fünfundzwanzig Jahre schätzte und der dunkle Haare hatte, daran, an meinem Kopf unzählige kleine Schläuche anzuschließen.

„Lehnen sie sich zurück Kara. Sie werden gleich nicht antworten brauchen, dass wird ihr Gehirn für sie übernehmen. Um genau zu sein, werden sie hiervon anschließend nichts mehr wissen, denn ihr Gehirn wird von den Fragen überfordert sein, und als Schutzmechanismus wird es die Erinnerungen verbannen.“, erklärte sie kurz. Anschließend nickte sie Kurt zu, der hinter mir stand, sodass ich ihn nicht sehen konnte.

Auf einmal stach etwas in meinen Hals und ich dämmerte sofort darauf weg.

„Miss Drake? Können sie mich hören?“, fragte eine verschwommene Stimme.

Ich versuchte meine Augen zu öffnen, aber es gelang mir nicht so recht.

„Miss Drake, geht es ihnen gut?“ Wieder die Stimme.

Ich unternahm erneut einen Versuch, die Augen zu öffnen, und diesmal gelang es mir. Vor mir stand eine große, blonde Frau, die mir vage bekannt vorkam.

„Miss Drake, wie schön, dass sie wieder unter uns weilen.“, flötete dir Frau.

Jetzt erinnerte ich mich wieder. Mrs. Flint, die Leiterin von DomeTec stand vor mir. Ich setzte mich auf, alles drehte sich ein bisschen.

„Schön langsam, meine Liebe.“, sagte sie.

„Was… was ist passiert?“, fragte ich. Sie lächelte mich an.

„Sie haben grade ihren Test hinter sich. Und ich verkünde ihnen gleich das Ergebnis, aber zuerst trinken sie bitte etwas.“, erklärte sie mir und reichte mir ein Glas Wasser.

Ich trank in gierigen Schlucken.

„Nun, wie gesagt, ich verkünde ihnen nun ihr Testergebnis. Sie werden zu den Beschützern gehen, um genau zu sein, zu den Soldaten. Ihre Ausbildung beginnt morgen mit einem Übungsausflug in die Nordstadt. Viel Erfolg für ihren weiteren Lebensweg.“

Ich stand auf, und sie schob mich aus der Tür. Davor blinzelte ich einmal. Das ging alles viel zu schnell. Ich versuchte mich zu erinnern, was da drinnen mit mir geschehen war, aber wie Aurelia mir vor dem Test gesagt hatte, konnte ich mich an nichts mehr erinnern, was nachdem passiert war, als Kurt mich gestochen hatte. Aber ich konnte mich noch an einen Namen erinnern. Adam.

Ich verließ die Schule durch den Nebeneingang und sah nicht einmal zurück.

Zuhause angekommen, ging ich ins Wohnzimmer und wählte die Nummer von meiner besten Freundin.

„Hallo?“, kam es vom anderen Ende der Leitung.

„Hey. Ich bin`s.“

„Oh, wie geht’s dir? Wohin haben sie dich gesteckt?“, fragte Xenia.

„Mir geht’s ganz gut. Zu den Soldaten. Morgen ist ein Übungsausflug, an dem ich teilenehmen muss. Und du? Wo bist du?“, fragte ich.

„Oh. Mich haben sie zu den Arbeitern gesteckt. In die Kleidungsindustrie. Wenn ich mich gut anstelle, darf ich vielleicht mal einen eigenen Laden haben.“, antwortete sie niedergeschlagen.

Das hieß, ich würde sie, wenn überhaupt, nur noch selten sehen. Und nach der Ausbildung gar nicht mehr.

„Bist du noch da?“, fragte Xenia.

„Ja.“, sagte ich.

„Das musste so kommen, Kara. Das wussten wir von Anfang an, dass ich nicht zu den Soldaten komme, und dass du nicht zu den Arbeitern kommst. Stell dir dich mal vor, wie du ein rosa Kleidchen nähst.“ Sie kicherte. Unwillkürlich stimmte ich ein. Trotzdem war ich den Tränen nahe.

„Ich muss jetzt Schluss machen.“, sagte ich, um nicht am Telefon in Tränen auszubrechen.

„Kara?“, flüsterte sie.

„Ja?“, antwortete ich, ebenso leise.

„Ich hab dich lieb.“

„Ich dich auch.“

Dann legte ich auf.

„Kara, Liebling?“, sagte eine Stimme. Ich blinzelte und sah meinen Vater über mir.

„Ja?“

„Du musst aufstehen. Gleich holen sie dich ab. Zum Übungsausflug.“, erklärte er mit ruhiger Stimme.

Ich sprang auf und rannte uns Bad. Kurz darauf klopfte es an der Tür. Mein Vater steckte den Kopf herein.

„Hier. Dass haben sie gestern Abend noch vorbeigebracht. Deine Kleidung für heute.“, sagte er und hielt mir einen undefinierbaren Haufen hin. Ich nahm ihn entgegen und bedankte mich mit einem Kopfnicken. Sobald mein Vater den Raum verlassen hatte, packte ich den Haufen auseinander. Ein schwarzes T-Shirt, eine schwarze Hose, schwarze Stiefel und eine dicke schwarze Jacke, bei der ich mich fragte, wieso ich die brauchte. Denn schließlich hatte man ja einen Schneeanzug an, wenn man nach draußen ging.

Ich zog alles über und putzte mir schnell die Zähne. Dann hörte ich die Klingel.

Ich steckte den Kopf aus der Zimmertür und lauschte.

„Guten Morgen, Mr. Drake.“, sagte eine tiefe Stimme.

„Morgen, Lieutenant….“

„Kalvera. Joe Kalvera.“, sagte die tiefe Stimme – Joe.

„Kommen sie doch herein, Lieutenant Kalvera. Ich hole meine Tochter.“, sagte mein Vater, und ich hörte wie die Tür geschlossen wurde, kurz darauf hörte ich seine Schritte die die Treppe heraufkamen.

„Kara? Der Lieutenant ist da. Kommst du?“, fragte er von draußen. Ich öffnete die Tür und trat vor ihn.

Als ich vor dem Lieuntenant stand, verschlug es mir beinahe die Sprache. Er war groß, hatte kurze braunblonde Haare und war ein Muskelklotz und er sah verdammt gut aus.

Ich hatte noch nie zuvor einen Menschen gesehen, der so viele Muskeln hatte wie Lieutenant Kalvera.

„Miss Drake? Mein Name ist Lieutenant Joe Kalvera. Ich bin der erste Lieutenant der Gruppe die den Einsatz heute leitet.“, begrüßte er mich und reichte mir die Hand. Sein Lächeln war umwerfend. Xenia wäre dahingeschmolzen.

„Kara Drake, Lieutenant.“, sagte ich und nahm seine Hand.

„Nun denn, wir werden dann wohl besser mal loslegen. Auf Wiedersehen, Mr. Drake.“, sagte Kalvera und drehte sich um. Ich winkte meinem Vater noch kurz und folgte ihm. Schade dass meine Mutter nicht da war.

Vor der Tür hielt mir Kalvera die Tür eines Trucks auf. Das war das erste Mal, dass ich mit einem Auto fuhr.

Die Fahrt verlief schweigend. Kalvera hielt vor einer großen Halle aus Backstein mit schwarzen Toren.

„Das ist die Halle, in der die Fahrzeuge stehen, und in der die Ausrüstung für Einsätze lagert. Sie grenzt an einen großen Gebäudekomplex, in dem die Soldaten leben, ihre Ausbildung absolvieren und für Einsätze üben. Wir nennen das ganze Alpha Komplex.“, erklärte mir der Lieutenant. Ich nickte. Hier würde ich also leben, nachdem ich die Ausbildung vollendet hatte.

Ich stieg aus und folgte Kalvera zu Gate A, wie in weißen Buchstaben auf dem Tor stand, das uns am nächsten war.

Im Inneren der Halle war die Luft von einem leichten Benzingeruch erfüllt. Sie wurde beleuchtet von langen Deckenleuchten, die ein grelles Licht abgaben. Es gab keine Fenster, wie mir schon von außen aufgefallen war.

Eine Gruppe von Menschen stand schon in der Nähe von zwei militärischen Schneemobilen, die mit Maschinengewehren und Granatwerfern ausgestattet waren.

Ich folgte Kalvera zu der Gruppe, zu der, soweit ich sehen konnte, zwei weitere Offiziere gehörten.

„Es kann losgehen, General Walt.“, sagte Kalvera und sein Gegenüber nickte.

„Alle Mann einsteigen!“, brüllte der bullige Mann, den Kalvera mit Walt angesprochen hatte.

„Zehn gehen mit Lieutenant Kalvera und die anderen fünf kommen mit mir!“, brüllte er erneut und teilte dabei mit den Händen die Gruppen ein. Ich blickte mich um. Keine Ahnung in welche Gruppe ich gehörte.

„Du kommst noch mit zu mir, Mädchen!“, rief Walt. Ich folgte dem Mittvierziger auf eines der beiden Schneemobile. Wir setzten uns auf die Sitze die links und rechts an der Wand des Fahrzeuges angebracht waren. Neben mir saß ein Mädchen mit roten Haaren und olivfarbener Haut. Sie sah mir ähnlich, der einzige Unterschied war, dass ihre Haare glatt waren und meine in Korkenzieherlocken über die Schultern fielen, und dass meine Haut heller war.

Sie blickte mich an.

„Hey. Ich bin Ciara.“, sagte sie und lächelte mich freundlich an.

„Hallo. Ich bin Kara.“, antwortete ich und lächelte zurück. Sie blickte auf meine Haare.

„Wir könnten Zwillinge sein, wenn die Haut nicht wäre.“, stellte sie fest.

„Stimmt. Sogar unsere Haare haben fast dasselbe Rot.“, sagte ich und grinste sie an. Sie grinste zurück und hielt mir die Hand hin.

„Auf eine tolle und lustige Freundschaft. Und auf eine gute Ausbildung.“, sagte sie. Ich nahm ihre Hand und schüttelte sie. Ich mochte sie jetzt schon richtig gerne.

„Rekruten! Wir machen einen Übungsausflug in die Nordstadt, wie ihr schon wisst. Unter euren Sitzen sind Pakete angebracht, die ihr jetzt an euch nehmt. Es befinden sich Thermoanzüge darinnen und ebenfalls eine Waffe, die aber nicht entsichert ist. Zieht die Anzüge über eure jetzige Kleidung!“, rief er. Warum mussten die Offiziere immer so brüllen?

Keiner reagierte.

„Jetzt!“, brüllte Walt. Und plötzlich kam rege Betriebsamkeit in die Rekruten, wie Walt uns genannt hatte. Jeder holte sein Päckchen unter dem Sitz hervor und wir zogen die Anzüge über. Diese hatten ein schmutziges Weiß, was einen wohl im Schnee tarnen sollte.

Mir gegenüber saß ein Mann, der vielleicht fünfundzwanzig war, und sicher keiner der Rekruten. Sobald wir alle die Anzüge angelegt hatten, stand er auf.

„Rekruten, mein Name ist Marko Hollard. Ich bin der zweite Lieutenant dieser Truppe. Wenn ihr keine Befehle von General Walt kriegt, empfangt ihr sie von mir und tut gefälligst das, was der General oder ich sagen! Wenn ihr Befehle missachtet, dann kommt ihr entweder zur Mauerwartung oder auf die Bauernhöfe. Verstanden?“, brüllte er. Während seiner Ansage blickte er Ciara unverwandt an.

„Habt ihr mich verstanden?“, brüllte er. Wir sprangen auf.

„Ja, Sir!“, brüllten wir zurück.

Er gab ein Handzeichen, welches uns bedeutete wieder Platz zu nehmen. Er wendete seinen Blick nicht ein einziges Mal ab von Ciara.

Die restliche Zeit bis zur Nordstadt sprachen wir kein Wort. Unser Zeichen zum Austeigen erhielten wir durch Hollard der brüllte, wir sollen aufstehen und uns in zwei Reihen neben unseren Sitzen aufstellen. Dann öffneten sich die Türen zu beiden Seiten des Schneemobils.

„Raus, alle raus!“, brüllte der Lieutenant. Wir folgten diesem Befehl im Laufschritt. Die Kälte draußen schlug mir wie eine Faust ins Gesicht. Ich zog mir die Kapuze tiefer ins Gesicht und folgte Hollard.

Durch das Schneegestöber sah ich nur graue Silhouetten, die entfernt die Umrisse von Häusern darstellen konnten.

Im Laufschritt rannten wir zu einem der näheren Umrisse. Hollard trat die Tür auf und richtete seine Waffe nach links und nach rechts.

„Gesichert. Kommt rein.“, rief er uns durch den Sturm hindurch zu. Erleichtert betrat ich den Raum.

„Stellt euch da an die Wand. Ich gebe dem General Bescheid, wo wir sind.“, erklärte er kurz angebunden und verließ das Haus wieder. Ciara beugte sich zu mir herüber.

„Der Typ ist komisch. Er hat mich die ganze Zeit angestarrt. Irgendwie gruselig.“, flüsterte sie. Auf einmal knarrte über uns eine Diele. Ich zuckte zusammen.

„Was war das?“, wisperte ich.

„Sicher nur der Wind.“, versicherte sie mir. Trotzdem blickte ich nervös nach oben. In dem Moment ertönte draußen ein Schuss. Ein Mädchen weiter hinten in der Reihe schrie auf. Ein weiterer Schuss ertönte, und noch einer. Dann knarrten die Dielen über unseren Köpfen wieder. Ich blickte auf die Öffnung direkt vor uns, hinter der eine Treppe ins obere Stockwerk zu führen schien.

Plötzlich tauchte eine Gestalt auf, in ebendieser Öffnung. Ciara nahm meine Hand.

„Sollte das nicht ein Übungsausflug sein?“, fragte sie panisch. Ich zuckte die Schultern. Immer mehr Gestalten tauchten aus dem Türrahmen auf, bis schließlich mindestens fünfzehn Menschen vor uns in einer Reihe standen.

„Die Sicherheit der Geiseln hat oberste Priorität.“, hörte ich eine Gestalt sagen, ein Mann.

„Nur die der Rothaarigen. Der Rest ist entbehrlich.“, sagte sein Nebenmann.

„Kapuzen runter! Sofort!“, brüllte der Zweite. Ich beeilte mich, meine Kapuze abzuziehen.

„Wir haben zwei Rothaarige. Ich nehme die Rechte, du die Linke, klar? Wir bringen sie außer Gefahr. In den Stützpunkt.“; sagte die erste Gestalt. Die zweite nickte, trat vor uns schnappte sich Ciara.

„Lass mich los! Fass mich nicht an, du Drecksack!“, schrie sie. Der Soldat packte sie und gab ihr eine Ohrfeige. Ich schnappte nach Luft, als die erste Gestalt mich am Arm packte und mich hinter sich herriss. Ich stolperte hinter dem Mann her, in die nächste Tür hinein.

„Du wirst alles machen, was ich dir sage, ohne den geringsten Wiederstand. Hast du verstanden?“, fragte er. Ich nickte eilig. Sein Gesicht verbarg sich hinter einer Schwarzen Maske, sodass ich nur seine Augen sehen konnte. Seine Stimme kam mir bekannt vor.

„Okay. Folge mir.“

Wenigstens brüllte er nicht so.

„Ach ja. Komm nicht auf die Idee zu fliehen.“, sagte er, ohne sich umzudrehen. Er trat an einen zerschlissenen Teppich, den er zurückrollte. Darunter kam eine Falltür zum Vorschein. Er öffnete das Schloss und richtete sich wieder auf.

„Ladies first.“, sagte er und gab mir ein Zeichen, dass ich hinunter springen sollte. Ich schloss die Augen und sprang.

Als ich sie wieder öffnete, war es dunkel, sodass ich einige Male blinzeln musste, bis meine Augen sich etwas an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ich blickte nach oben, wo die Falltür grade das letzte Licht ausschloss. In dem Lichtpegel der Taschenlampe konnte ich erkennen, wie der Soldat an einem Schloss herumhantierte. Dann sprang er einfach auf den Boden und landete geschmeidig neben mir.

„So. Hier unten ist es nicht mehr so kalt. Ist dir warm genug?“, fragte er, was mich verwirrte. Wieso interessierte es ihn, ob mir kalt oder warm war? Er war mein Entführer!

„J…Ja.“, stotterte ich. Er nickte, drehte sich um und gab mir ein Handzeichen, ihm zu folgen. Wir liefen eine Weile durch den Gang, der nur von der Taschenlampe erhellt wurde. Dann tauchte vor uns eine Tür auf. Vor dieser Tür stoppte der Soldat und zog mit einer geschmeidigen Bewegung seine Sturmmaske ab. Allerdings konnte ich sein Gesicht nicht sehen, weil er mir den Rücken zuwandte. Er bediente ein Tastenfeld an der Tür.

„Adam Woods, 037 Einheit Dragon.“, sagte er. Er hieß auch Adam. Was für ein Zufall.

Die Tür öffnete sich und Adam trat ein. Dann drehte er sich zu mir um.

Es verschlug mir die Sprache. Ich kannte ihn. Er war der Junge von vorgestern, den ich fast umgerannt hatte.

Vergiss am besten, dass du mich gesehen hast, schoss es mir wieder durch den Kopf.

„I…ich kenne dich.“, stotterte ich. Er nickte.

„Ich dich auch. Du hast mich fast umgerannt.“, sagte er nüchtern.

„Was wollt ihr? Und wer seid ihr?“, fragte ich panisch.

Er lachte leise.

„Du weißt nicht, wer wir sind? Na dann wird dir dass noch jemand erklären. Und ich bin nicht befugt, dir Informationen zu geben.“

„Dann gib sie mir eben unbefugt.“, antworte ich, leicht säuerlich. Er lachte in sich hinein, sagte aber nichts. Ich verschränkte die Arme. Komischerweise hatte ich keine Angst vor ihm. Ich mochte ihn sogar, trotzdem er mich entführt hatte, oder dabei war, mich zu entführen.

Er blickte mich belustigt an. Seine Augen blitzten.

„Gehen wir weiter. Komm.“, sagte er, und unterdrückte ein lächeln. Als er sich umdrehte zog ich eine Grimasse.

Adam ging durch den Raum und blieb vor einer weiteren Tür stehen.

„037, Dragon, Monstercatch.“, sagte er, ziemlich routiniert. Monstercatch, wie sich das anhörte.

„Monstercatch?“, fragte ich vorsichtig.

„Ja. Die Mission läuft unter diesem Namen.“, antwortete Adam beiläufig. Wer war das Monster? Wen wollten sie überhaupt kriegen?

In dem Moment schwang die Tür auf und es erschienen zwei große Männer dahinter.

„Woods. Sie sind schnell. Hatten sie… Komplikationen?“, fragte der eine, er hatte eine sehr tiefe Stimme.

„Nein, Sir. Alles lief nach Plan. Red 2 ist hat sich problemlos herbringen lassen.“, antwortete Adam und salutierte.

„Bringen wir sie zu Ruben. Mayrand ist noch nicht aufgetaucht.“, sagte der zweite Mann, er hatte blonde kurze Haare und einen harten Gesichtsausdruck.

„Alles klar, Sir. Ich mache mich auf den Weg.“, erwiderte Adam und packte mich am Arm.

Ich stolperte den Gang entlang, bis wir zu einer weiteren Tür kamen. Adam öffnete sie, diesmal ohne irgendwelche, für mich unverständliche Zahlen und Worte in eine kleine Box an der Wand zu sagen. Hinter der Tür lag ein Raum, der keine Fenster hatte, und in dessen Mitte ein großer Tisch stand. An einem Ende des Tisches standen zwei Männer und zeigten auf eine Karte. Sie blickten auf, als wir den Raum betraten.

„Woods. Wie schön. Und wer ist die junge Dame in ihrer Begleitung?“, fragte der größere von beiden an mich gewandt. Ich wollte grade antworten, als die Tür aufflog und ein Mann mit Ciara am Arm hereinstürmte.

„Hier ist sie. Keine Minute länger halte ich es mit der aus. Sie wehrt sich ohne Ende! Das war der schlimmste Einsatz meines Lebens!“, fauchte der Mann.

„Beruhigen sie sich, Mayrand. Sie haben Miss Drake hergebracht und damit ist ihr Auftrag beendet. Stellen sie sich in die Ecke und halten sie den Mund.“, sagte der Mann wieder.

Der Soldat, Mayrand, klappte den Mund auf und wieder zu. Dann stellte er sich grummelnd in die Ecke.

„Also, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. Dein Name?“, fragte er mich. Ich blickte Ciara an. Wieso hatte der Kerl sie Miss Drake genannt? Hatte er uns verwechselt?

Ciara schüttelte den Kopf.

„I…ich heiße…mein Name ist Ciara Musslow.“, sagte ich zögernd und blickte wieder Ciara an. Sie nickte.

„Nun, Ciara und Karina. Dass passt ja gut. Wisst ihr, wieso ihr hier seid?“, fragte er uns. Wir schüttelten den Kopf.

„Weil deine Eltern, Karina,“ sagte der große Kerl und blickte Ciara dabei an,

„Eine High-Tec-Waffe entworfen haben, die wir gerne hätten. Und ebenso gerne hätten wir unsere Leute wieder, die in eurem Gefängnis verrotten.“, sagte der Kleinere von Beiden.

„Chuck, sei doch nicht so unhöflich. Wir haben uns nicht mal vorgestellt. Also. Das ist Captain Chuck, die Truppenführer Woods und Mayrand, und ich bin Commander Ruben.“, sagte der große Mann.

„Sie sind der Anführer der Rebellen!“, rief Ciara. Ruben lächelte.

„Richtig, Karina. Und du bist die Tochter von Pamela Drake. Der Wissenschaftlerin, die die Pläne entworfen hat.“, stellte er fest. Ciara nickte zögernd.

„Wofür brauchen sie uns? Sie wissen doch sowieso von den Plänen. Was hat das dann mit uns zu tun?“, fragte ich, etwas panisch.

„Mit dir hat das nichts zu tun. Du bist lediglich hier, weil Woods und Mayrand nicht genau wussten, wer von euch beiden die Zielperson ist. Aber Karina brauchen wir, um die Lage des Gefängnisses zu erfahren. Und außerdem sind in ihrem Kopf vermutlich wichtige Informationen über die Kuppel enthalten, die ihre Eltern im Laufe ihrer Kindheit darin versteckt haben.“, erklärte Ruben ruhig. Mir verschlug es den Atem.

In meinem Kopf sollten wichtige Informationen versteckt sein? Das kannte doch nicht wahr sein. Meine Eltern hatten mich doch nicht als Datenversteck missbraucht. Oder etwa doch?

EIS

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