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d) Dogmatik – eine Wissenschaft?
ОглавлениеWissenschaft
Kann der Umgang mit Glaubensdingen überhaupt etwas mit Wissenschaftlichkeit zu tun haben? Ist die Dogmatik durch den Inhalt des Glaubens nicht derart ‚gebunden‘, dass es gar keine ‚freie‘ wissenschaftliche Forschung geben kann? ([6]) Eine Wissenschaft beschäftigt sich gemäß eines modernen Wissenschaftsbegriffs, der von den Naturwissenschaften geprägt ist, mit Dingen, die man messen und mit denen man experimentieren kann – kurz: die man selber machen kann. Kann angesichts eines solchen Selbstverständnisses von Dogmatik überhaupt von Wissenschaft gesprochen werden?
System
Zu einer Wissenschaft gehört es, dass sie ihr Wissen methodisch abgesichert erwirbt, es kohärent und widerspruchsfrei in Lehrsätzen und einem Denksystem/Paradigma systematisiert und in bestimmten, kritisch nachvollziehbaren und begründeten, d.h. intersubjektiv kommunizierbaren Aussagen formuliert (Immanuel Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, in: ders., Werke, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 5, Darmstadt 1966, 11–135, 11). Eine Wissenschaft entwickelt dazu eine rationale Methode, die der kritischen Analyse des Erreichten wie der Erweiterung des Kenntnisstandes und damit des eigenen wissenschaftlichen Systems dient. Dieses System ist daher kein in sich feststehender Block, sondern es beinhaltet immer eine Entwicklung.
Methodenvielfalt
Für die Dogmatik als Wissenschaft gilt nun, dass ihre Voraussetzung, der Glaube, das Resultat von Gottes Offenbarung, also Tat Gottes, ist. Ihr Inhalt ist ihr daher selbst entzogen; sie kann ihn nicht einfach ‚machen‘. Darum hatte schon Thomas von Aquin (1225–1274) den Wissenschaftscharakter der Theologie dadurch festhalten wollen, dass er sie zu jenen Wissenschaften zählte, die ihre Grundlagen nicht eigengesetzlich ableiten, sondern von einer höheren (übergeordneten) Wissenschaft (hier: von den durch Gott geoffenbarten Glaubenssätzen) übernehmen (Summa Theologiae I 1, 2 resp.). Richtig ist, dass die Dogmatik ihren Inhalt nicht empirisch zwingend demonstrieren kann. Quelle ihres Wissens und der ihr aufgetragenen Glaubensverantwortung ist nicht der Glaube ‚an sich‘, sondern es ist der Glaube und seine Inhalte, wie ihn die eben bereits genannten Glaubens- und Bezeugungsinstanzen formuliert, weitergegeben, gelebt und praktiziert haben ([4] 77). Die Arbeitsprinzipien und Methoden der Dogmatik als Wissenschaft ergeben sich daher aus der Kriteriologie und Methodik, die diesen Gegenständen und Inhalten angemessen sind: Textauslegung, Geschichtsschreibung, Interpretation, Reflexion, philosophische Analyse und Spekulation, aber auch politisch-soziologisches Instrumentar, Gesellschaftsanalyse, humanwissenschaftliche Erkenntnisse, mentalitätsgeschichtliche Analysen, Archäologie etc.