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FÜNFTE HOMILIE. * Kap. 1, V. 26 und 27. *

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1.

Kap. 1, V. 26 und 27.

V. 26: „Darum überließ sie Gott den schandbarsten Leidenschaften. Vertauschten ja ihre Weiber die naturgemäße Befriedigung des Triebes mit einem solchen wider die Natur.“ V. 27: „Ebenso gaben die Männer den naturgemäßen Umgang mit dem Weibe auf und entbrannten in Gier gegeneinander.“

Alle Leidenschaften sind schändlich; am meisten aber doch die Gier von Männern nach Männern. Unter diesen Sünden leidet nämlich die Seele und wird mehr zuschanden als der Leib unter Krankheiten. Beachte, wie der Apostel den Heiden auch hier die Entschuldigung abschneidet wie oben, wo er von den Irrungen im Glauben gesprochen hat. Von den Weibern sagt er nämlich: „Vertauschten sie ja die naturgemäße Befriedigung des Triebes.“ Es kann niemand, will er sagen, zu ihrer Entschuldigung vorbringen, daß sie an dem naturgemäßen geschlechtlichen Verkehr gehindert gewesen und deshalb dazu gekommen seien; auch nicht, daß sie deswegen auf diese wahnsinnige Verirrung verfallen seien, weil sie ihre geschlechtliche Lust nicht anders befriedigen konnten. „Vertauschen“ kann man nur etwas, was man hat. So sagte der Apostel auch, als er von den Verirrungen im Glauben sprach: „Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge.“ Von den Männern bringt er dasselbe zum Ausdruck, wenn er sagt: „Sie gaben den naturgemäßen Umgang mit dem Weibe auf.“ Wie den Weibern, so nimmt der Apostel auch den Männern jede Entschuldigung. Er klagt sie nämlich an, nicht daß sie einen Genuß hatten, ihn aber aufgaben und auf einen andern kamen, sondern daß sie den naturgemäßen Geschlechtsgenuß verschmähten und dem widernatürlichen nachliefen. Dann ist ja auch das, was gegen die Natur ist, immer mit mehr Schwierigkeiten verbunden und weniger angenehm; sie konnten daher auch nicht geltend machen, sie hätten eben einen Genuß haben wollen. Der richtige Genuß ist ja gerade der naturgemäße. Aber wenn Gott einmal aufgegeben ist, dann steht eben bald alles auf dem Kopfe. Darin lag gerade der Grund, daß nicht bloß ihre Glaubenslehre höllisch war, sondern auch ihr Leben teuflisch. Oben, wo der Apostel von den Glaubenslehren sprach, zog er das Weltall heran und die menschliche Vernunft. Er sagte, vermöge der ihnen von Gott verliehenen Erkenntnisgabe hätten sie sich ganz gut durch den Anblick der Schöpfung zum Schöpfer können führen lassen; weil sie es aber nicht wollten, so seien sie unentschuldbar. Hier setzt er an die Stelle des Weltalls den naturgemäßen Genuß, den sie mit mehr Behagen ganz unbedenklich und ohne Schande hätten haben können. Sie wollten aber nicht; darum sind sie jeder Entschuldigung bar und Frevler gegen die Natur. Das Schandvollste dabei ist aber, daß auch Weiber diesen Geschlechtsverkehr suchten, die doch mehr Scham hätten haben sollen als die Männer. Bewunderungswert ist auch hier wieder die Besonnenheit des Paulus, wie er, vor zwei sich entgegenstehende Aufgaben gestellt, beide ganz vortrefflich zu lösen versteht. Er wollte sich nämlich zart ausdrücken und doch auch den Hörer etwas unsanft anfassen. Beides zugleich geht nun nicht, sondern eins steht dem andern im Wege. Drückt man sich zart aus, so kann man den Zuhörer nicht scharf anlassen; will man ihm aber die Meinung sagen, dann muß man auch das Kind beim rechten Namen nennen. Diese weise und heilige Seele verstand es nun aber, beides ganz vortrefflich ins Werk zu setzen. Dadurch, daß Paulus das Wort „Natur“ einfügt, vergrößert er einerseits die Anklage, erzielt aber andererseits eine zarte Ausdrucksweise, indem er dieses Wort wie als Hülle benützt.

Nachdem der Apostel zuerst die Weiber scharf angelassen hat, wendet er sich zu den Männern, indem er sagt: „Ebenso gaben die Männer den naturgemäßen Umgang mit den Weibern auf.“ Das ist ja fürwahr ein Bild des äußersten Verderbens, wenn beide Geschlechter von Fäulnis zerfressen sind, wenn Mann und Weib gegeneinander wie Feinde handeln, während doch der Mann der Lehrer des Weibes und das Weib die Gehilfin des Mannes sein soll. Beachte hier, wie treffend der Apostel die Ausdrücke wählt. Er sagt nicht: „sie liebten einander“ oder „sie begehrten einander“, sondern: „sie entbrannten in Gier gegeneinander“. Siehst du, wie da alles überschäumende Gier ist, die sich nicht in ihren Grenzen zu halten vermag? Denn jeder Trieb, der einmal die ihm von Gott gesetzten Grenzen überspringt, geht nach Absonderlichkeiten und Widernatürlichkeiten. So kommt es manchmal vor, daß Leute die Lust nach Speise verlieren und dafür Erde und Steinchen verschlingen, oder andere, die von heftigem Durst ergriffen werden, sich nach Pfütze sehnen. So entbrannten auch jene Heiden zu dieser unnatürlichen Liebe. Fragst du aber, woher diese Überspanntheit der sinnlichen Begierde kam, so ist die Antwort: Von ihrer Gottverlassenheit. Und woher ihre Gottverlassenheit? Von der Übertretung des Gesetzes, wodurch sie ihn zuerst verlassen hatten.

„Männer verübten Schändlichkeit mit Männern.“

2.

Glaube nicht, will der Apostel sagen, ihre Krankheit sei ein bloßes Begehren gewesen, wenn du hörst, daß sie „entbrannten“. Die weitere Folge ihrer Schwachherzigkeit war es, daß sie auch ihre Begierlichkeit entflammte. Darum sagt der Apostel hier nicht wie anderswo: „sie wurden hingezogen“ oder „sie wurden übereilt“, sondern: „sie verübten“. Sie setzten die Sünde also in Form einer Tat, ja nicht bloß einer Tat im allgemeinen, sondern einer solchen mit Wissen und Willen. Er sagt auch nicht „böse Lust“, sondern geradezu: „Schändlichkeit“. Sie schändeten nämlich die Natur und traten die Gesetze mit Füßen. Sieh nun die große Verwirrung, die auf beiden Seiten einriß, das Oberste wurde zu unterst gekehrt, das Unterste zu oberst. Sich selbst und einander gegenseitig zu Feinden geworden, begannen sie miteinander einen unglückseligen Krieg, vielverzweigt und wechselreich, der mehr gegen das (Natur-) Gesetz verstieß als jeder andere Bürgerkrieg. Sie führten ihn in vier verschiedenen Formen, die alle leer und ungesetzlich waren. Dieser Krieg war in der Tat nicht bloß zweifach und dreifach, sondern sogar vierfach. Schau an! Ich sage: Mann und Weib sollten eins sein. Heißt es ja: „Sie werden zwei sein in einem Fleisch“ 67. Das bewirkte der Trieb nach (geschlechtlichem) Verkehr; er verband die beiden Geschlechter miteinander. Diesen natürlichen Trieb nun hob der Teufel auf, indem er ihm eine andere Richtung gab. Er trennte die Geschlechter voneinander, indem er dem Geschlechtstrieb eine andere Art von Befriedigung bot, und bewirkte, daß aus einem (Fleische) zwei Teile wurden, im Gegensatz zu Gottes Gesetz. Denn dieses spricht: „Sie werden zwei sein in einem Fleisch“; der Teufel dagegen hat das eine in zwei geteilt. Sieh da die eine Form des Krieges! Weiter stachelte er beide Teile sowohl gegen sich selbst wie auch gegeneinander zum Kriege auf. Die Weiber begingen Frevel gegen Weiber, nicht bloß gegen Männer, die Männer wieder standen gegeneinander auf und gegen das Weibergeschlecht wie in einem nächtlichen Kampfe. Siehst du da den zweiten und dritten Krieg, ja den vierten und fünften? Es kommt nämlich noch ein anderer dazu. Außerdem sündigten sie nämlich auch gegen die Natur selbst. Weil der Teufel wußte, daß der (natürliche) Trieb die Geschlechter zusammenführt, darum bemühte er sich, dieses Band zu zerreißen. Auf diese Weise wird nicht bloß aus Mangel an Nachkommenschaft das menschliche Geschlecht naturgemäß zum Aussterben gebracht, sondern auch dadurch, daß die beiden Geschlechter gegeneinander zum Kampfe aufgestachelt werden.

„Und empfingen die Vergeltung für ihre Verirrung, wie sie sich gebührte, an sich selbst“. — Sieh, wie der Apostel wieder auf die Quelle des Übels zurückkommt, die Gottlosigkeit nämlich, die in den Glaubenslehren der Heiden lag! Er nennt (die geschlechtlichen Verirrungen) geradezu die „Vergeltung“ für jene Sünde. Hätte er von den Höllenstrafen gesprochen, so hätte er bei den Gottlosen und denen, die an einer solchen Lebensführung Gefallen fanden, kaum Glauben gefunden, ja, er wäre wohl gar verlacht worden. Darum zeigt er, wie in einem solchen Genusse selbst die Strafe liege. Wenn sie selbst es nicht merken, sondern sich noch wohl fühlen dabei, mag dich das nicht wundern. Tun ja auch Wahnsinnige und Gehirnkranke manchmal sich selbst wehe und treiben Dinge zum Erbarmen; andere beklagen sie darob, sie selbst aber lachen dazu und haben ihre helle Freude an ihren tollen Stücklein. Wir sagen deswegen nicht, daß sie um so unglücklicher daran sind, je weniger sie von ihrem Zustand wissen. Denn nicht auf das Urteil der Kranken kommt es an, sondern auf das der Gesunden. Bei den Heiden allerdings schien dieser Brauch [die Päderastie] uralt, ja Gesetz zu sein. Hatte doch einer ihrer Gesetzgeber 68 den Sklaven verboten, sich trocken zu salben und Knabenliebe zu treiben, und dieses Vorrecht, oder vielmehr diese Schändlichkeit, nur den Freien eingeräumt. So hielt denn das hochweise Volk der Athener und sein großer Solon diesen Brauch nicht für eine Schändlichkeit, sondern für vornehm, zu gut für den Stand der Sklaven und nur für Freie passend. Auch viele andere Bücher von Weltweisen kann man finden, die angesteckt sind von dieser Krankheit. Deswegen werden wir aber diesen Brauch doch nicht ordnungsgemäß nennen, sondern wir halten die, welche ein solches Gesetz annahmen, für erbarmungswürdige und höchst beweinenswerte Menschen. Denn sie lassen an sich dasselbe geschehen wie Huren, ja noch etwas viel Traurigeres. Denn der geschlechtliche Verkehr mit diesen ist zwar auch unerlaubt, aber doch naturgemäß; dieser andere dagegen ist gegen das Gesetz und gegen die Natur. Wenn es gar keine Hölle gäbe und keine Strafe dafür drohte, so läge schon in dieser Sünde selbst die schlimmste Strafe. Wenn du sagst, sie fühlen sich wohl dabei, so sprichst du eben damit eine Verschärfung der Strafe aus. Wenn ich jemanden nackt herumlaufen sehe, den Körper ganz mit Kot beschmiert, und ich sähe, daß er sich nicht im mindesten zu verbergen sucht, sondern sich noch etwas darauf einbildet, so würde ich nichts Gutes für ihn darin sehen, sondern ich würde ihn um so mehr bedauern, weil er seine Schande nicht einmal fühlt. Erlaubt mir noch ein anderes Beispiel, um das Frevelhafte daran noch besser aufzuzeigen. Eine Jungfrau würde dazu verurteilt, mit Tieren eingesperrt sich von ihnen begatten zu lassen, und sie würde mit der Zeit an diesem Geschlechtsverkehr Gefallen finden; wäre sie nicht um so bedauernswerter, weil sie eben deswegen, daß sie ihren schlimmen Zustand nicht fühlt, nicht von ihm befreit werden kann? Das ist doch jedem einleuchtend. Ist nun dieser Zustand recht schlimm, so ist es der in Rede stehende nicht weniger. Denn von den eigenen Leuten schimpflich behandelt zu werden, ist trauriger als von Fremden. Solche Knabenschänder, behaupte ich, sind schlimmer als Menschenmörder; denn es ist besser, zu sterben, als so geschändet zu leben. Der Mörder trennt die Seele vom Leibe; ein solcher aber stürzt die Seele mitsamt dem Leibe ins Verderben. Welche Sünde immer du mir nennen magst, du kannst mir keine nennen, die dieser Widernatürlichkeit gleich käme. Wenn diese Kranken ein Gefühl dafür hätten, was ihnen geschieht, sie würden tausendmal lieber sterben als so etwas erdulden.

3.

Nein, nein, es gibt nichts, was schlimmer wäre als dieser Frevel. Wenn der hl. Paulus von der Hurerei sagt: „Jede Sünde, die etwa ein Mensch begeht, ist außerhalb seines Leibes; der Hurer aber sündigt gegen seinen eigenen Leib“ 69, was sollen wir erst von diesem Wahnsinn sagen, der so viel schlimmer ist als die Hurerei, daß es sich gar nicht ausdrücken läßt? Zu einem solchen muß ich nicht bloß sagen: Du bist ein Weib geworden, sondern auch: Du hast dein Mannsein verloren; du bist nicht umgewandelt worden in eine Frau, du bist aber auch nicht geblieben, was du warst, sondern du bist ein Verräter an beiden Geschlechtern geworden und verdienst von Männern und Frauen davongejagt und mit Steinen beworfen zu werden, weil du beide Geschlechter geschändet hast. Damit du begreifst, welch große Schande darin liegt, so sag’ mir, würdest du nicht vor einem davonlaufen als vor einem Verderber, der etwa zu dir käme und dir kundtäte, er wolle dich aus einem Menschen zu einem Hunde machen? Aber sieh, nicht zu einem Hunde hast du dich aus einem Menschen selbst gemacht, sondern zu einem noch viel verächtlicheren Wesen. Ein Hund ist doch immerhin zu etwas gut, eine solche Manneshure aber zu nichts. Was würde man dazu sagen, wenn einer drohte, er werde machen, daß Männer Kinder gebären und entbinden? Würden wir darüber nicht in Zorn geraten? Und doch sieh, Männer, die in diese wahnsinnige Verirrung geraten sind, tun sich selbst noch etwas viel Ärgeres an. Es ist nicht dasselbe, der ganzen Natur nach in ein Weib verwandelt zu werden oder ein Weib zu werden und dabei doch ein Mann zu bleiben, eigentlich vielmehr weder dies noch jenes. Willst du dir noch durch eine andere Erwägung einen richtigen Begriff machen von der alles übersteigenden Größe dieser Sünde, so frag’ dich, warum wohl die Gesetzgeber solche bestrafen, welche andere entmannen. Du wirst sehen, aus keinem andern Grunde, als weil solche die Natur verstümmeln. Und doch tun sie noch kein so großes Unrecht; denn solche Verschnittene bleiben ja doch oft auch nach ihrer Verstümmelung noch brauchbare Menschen. Es gibt aber kein nichtsnutzigeres Geschöpf als einen solchen zur Hure gewordenen Mann. Denn nicht bloß die Seele, sondern auch der Leib eines Mannes, der sich so etwas hat antun lassen, ist entehrt, und er sollte überall ausgestoßen werden. Welche Höllenstrafen werden groß genug sein für solche Menschen? Solltest du aber lächeln, wenn du von Höllenstrafen hörst und an jenes Feuer nicht glauben, so denk an Sodoma! Ja, ja, da sehen wir ein Bild der Hölle schon im gegenwärtigen Leben. Weil nämlich viele an das, was nach der Auferstehung kommt, nicht glauben wollen, wenn sie jetzt von einem unauslöschlichen Feuer hören, darum hat sie Gott durch ein Beispiel aus dem Diesseits belehrt. Es ist dies der Brand und der Feuerregen von Sodoma. Davon wissen die zu erzählen, die dort gewesen sind und die Spuren jenes göttlichen Strafgerichtes und das Vernichtungswerk der vom Himmel hernieder gefahrenen Blitze gesehen haben 70. Bedenke wie groß die Sünde sein muß, die das höllische Feuer vor der Zeit in Erscheinung treten läßt! Weil viele sich um bloße Worte nicht kümmern, darum hat ihnen Gott durch Taten ein Bild der Hölle in einer ganz eigenen Art vor Augen geführt. Jener Regen war ein Widerspruch in sich selbst [Feuer und Regen], wie auch der Geschlechtsverkehr der Sodomiten ein Widerspruch gegen die Natur war. Jener Regen überschwemmte das Land wie die Gier ihre Seelen. Er hatte die gegenteilige Wirkung von einem gewöhnlichen Regen; er regte den Schoß der Erde nicht nur nicht an, Früchte hervorzubringen, sondern machte sie unbrauchbar zur Aufnahme von Samen. So war auch der Geschlechtsverkehr der Männer von Sodoma: er machte den Körper noch unbrauchbarer. Was gibt es nur Fluchwürdigeres als eine solche männliche Hure, was Niederträchtigeres? O, der Tollheit, o, der Torheit! Woher ist nur diese Leidenschaft hereingekommen, die die menschliche Natur verwüstet wie ein Feindesheer (das Land), ja noch um soviel ärger, als die Seele höher steht als der Leib! O ihr, die ihr unvernünftiger seid als die Tiere, schamloser als die Hunde! Denn bei denen kommt ein solcher Geschlechtsverkehr gar nie vor; die Natur kennt ihre eigenen Grenzen. Ihr aber würdigt unser Geschlecht bis unter die Tiere herab. — Woher kommen nun aber diese Übel? Von der Genußsucht, von der Nichtkenntnis Gottes. Denn hat man einmal die Furcht Gottes abgelehnt, dann ist es auch um alles andere Gute geschehen.

4.

Damit uns das nun nicht widerfahre, darum laßt uns die Furcht Gottes immer recht lebhaft vor Augen haben! Denn nichts, gar nichts ist dem Menschen so verderblich, als wenn er sich von diesem Anker losreißt, wie ihm andererseits auch nichts so zur Rettung dient, als wenn er beständig seinen Blick darauf gerichtet hält. Wenn wir schon angesichts von Menschen uns vor Sünden mehr hüten, wenn wir schon in Gegenwart besserer Sklaven uns scheuen, etwas Unstatthaftes zu tun, bedenke, welche Sicherung es uns geben muß, wenn wir Gott vor Augen haben! Nie wird uns der Teufel angehen, wenn wir uns so halten, weil ja sein Bemühen doch vergeblich wäre. Sieht er uns dagegen draußen herumschweifen und ohne Zügel einhergehen, dann wird er uns bald ganz von der Herde abschneiden, da wir ihm ja selbst die Handhabe dazu bieten. Wie leichtsinnigen Sklaven, die notwendige Besorgungen, derentwegen sie von ihren Herren hinausgeschickt worden sind, außer acht lassen und zwecklos und müßig mit Leuten herumlungern, die sie zufällig treffen, und so die Zeit vergeuden, so wird es auch uns ergehen, wenn wir von den Geboten Gottes abweichen. Wir stehen dann nämlich auch herum und bewundern Reichtum, Körperschönheit und andere Dinge, die uns nichts angehen, ähnlich wie jene Sklaven den Kunststücklein von armen Gauklern zuschauen. Wenn sie dann zu spät nach Hause kommen, erwartet sie harte Züchtigung. Manche von ihnen kommen ganz von ihrem Wege ab, indem sie solchen Gauklern nachlaufen. Wir wollen nun aber nicht so handeln; denn wir haben ja viele und dringende Geschäfte aufbekommen. Wenn wir unbekümmert um diese solche sinnlose Dinge begaffen und damit unsere ganze Zeit unnütz vergeuden, so werden wir dafür auch schwere Strafe erleiden. Nun, und willst du dich wirklich einmal unterhalten, so hast du ja genug andere Dinge, die du bewundern magst und nach denen du jederzeit Verlangen haben darfst, Dinge, die nicht lächerlich sind, sondern Bewunderung und Lob vollauf verdienen. Wer Lächerlichkeiten anstaunt, der ist oft auch darnach und schlimmer als der Possenreißer. Damit dich ein solcher Vorwurf nicht treffe, steh sogleich ab von solchem Gehaben!

Was stehst du z. B., sag’ mir nur, mit offenem Munde vor dem Reichtum und sehnst dich darnach? Was siehst du daran so Bewundernswertes, das deine Blicke fesseln könnte? Die goldbeschirrten Pferde? die Sklaven, fremdländische und verschnittene? die Prachtgewänder? die verweichlichte Seele, die darin steckt? Den stolzen Blick ? das Umschwärmtsein? den Trubel ? Steht denn das alles dafür, daß man es bewundert? Was haben denn eigentlich solche Leute voraus vor den armen Teufeln, die auf dem Markte tanzen und pfeifen? Hungrige Bettler sind sie auch — an Tugend. Einen Tanz führen sie auf, der noch viel lächerlicher ist, indem sie sich nämlich herumtreiben bald an reichbesetzten Tafeln, bald in den Gemächern liebeslustiger Weiber, bald in einem Schwarm von Schmeichlern und Schmarotzern. Wenn sie dabei goldenen Schmuck an sich tragen, so sind sie um so bemitleidenswerter, weil sie da gar etwas zum Gegenstand ihrer Sorge machen, was nicht sie selbst sind. Schau nicht auf das äußere Gewand, sondern decke ihre Seele auf und schau, ob sie nicht aus tausend Wunden blutet, ob sie nicht in Lumpen gehüllt, ob sie nicht einsam und verlassen ist. Was nützt sie da ihr wahnsinniges Streben nach Dingen, die außerhalb ihres Ich liegen? Es ist viel besser, ein Bettler zu sein und ein tugendhaftes Leben zu führen, als ein König zu sein mit Lastertaten. Denn der Bettler genießt ein volles inneres Glück; seine äußere Not kommt ihm gar nicht zum Bewußtsein wegen seines inneren Reichtums. Ein König dagegen, der sein Glück in Dingen sucht, die nicht mit seinem Ich in Beziehung stehen, empfindet in seinem Innern die größte Pein, in seiner Seele, in seinen Gedanken, in seinem Gewissen, die doch seine steten Begleiter in diesem Leben sind.

In dieser Überzeugung laßt uns also die goldgewirkten Kleider beiseite legen, laßt uns vielmehr nach Tugend streben und der Seelenwonne, die ihr folgt! So werden wir im Jenseits wie im Diesseits wie bei einem Festmahl schmausen durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater und dem Hl. Geiste sei Ehre, Ruhm und Herrlichkeit bis in alle Ewigkeit. Amen.

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