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Zählt heute nur noch der Mut von gestern?

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Abba Kovner war der Erste, der die Warschauer Juden zum Aufstand gedrängt hatte. Er lebte als Partisan und wirkte im Untergrund. Ruzka Korczak, eine andere Partisanin, schreibt über ihn: »Abba begriff die Wirklichkeit nicht wie ein Gelehrter, der logische Schlüsse zieht, sondern wie ein Prophet. Ein Prophet ist schließlich nichts anderes als ein Mensch, der sich für einen kurzen Augenblick aus der Geschichte löst, um den Weg zu überblicken, der in den Wald hinunterführt.« Am Silvesterabend 1942/​43 hielt er im Wilnaer Ghetto folgende Rede:

»Jedes Volk hat seine Heldengeschichten. Und diese Geschichten geben ihm die Kraft weiterzumachen. Aber sie dürfen nicht nur Vergangenheit sein, Teil unserer uralten Geschichte. Sie müssen auch Teil unseres realen Lebens werden. Wir müssen jetzt, nicht erst später mit unserem Gewissen ins Reine kommen. Was soll die nachfolgende Generation von uns lernen? Es ist besser, als freier Mensch im Kampf zu sterben, als durch die Gnade seines Mörders weiterzuleben! Wenn du nur dich selbst in Sicherheit bringst, kannst du dann einem Kind der nächsten Generation in die Augen sehen, wenn es fragt: ›Was hast du getan, als man unsere Leute zu Tausenden, zu Millionen abschlachtete?‹ Wirst du ihm gerne sagen: Ich habe mich versteckt und deswegen lebe ich noch?«28

In unserer nachfolgenden Generation hört man zwar gerne eben zitierte Geschichte und bestätigt auch ihre Gültigkeit, kommt aber in unserer pluralistischen Situation nicht auf die Idee, sich selbst ins Geschehen miteinzubeziehen. Die mutigen Menschen, die sich durch Integrität, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Suche nach einem Leben in der Wahrheit auszeichnen, werden gar nicht mehr erwähnt. So spüren viele auch keine Anreize mehr, Mut zu praktizieren.

Im Allgemeinen hält man Zivilcourage für etwas Gutes, solange die Herausforderung in der konkreten Alltagssituation nicht selbst zu meistern ist.

»Manche bewundern sie als Tugend bei anderen und in früheren Zeiten, sehen aber nicht ihre heutige Möglichkeit und Notwendigkeit. Vor weltgeschichtlichen Tragödien gab es zwar immer wieder Mahner, aber ihre Anzahl war stets gering und ihr Wort zählte in der Regel erst lange nach ihrem Tod, dann nämlich, wenn sie von der nachfolgenden Generation zu Helden erhoben wurden.«29

Diese überhöhten Helden, die an herausragender Stelle agierten, die Interessen vieler vertraten, das Heft des Handelns fest in der Hand hatten, die nicht zweifelten, die keine Angst hatten, die keine Dummheiten begingen, die einen festen Charakter und Willen hatten, die sich nur für das Gute einsetzten und das Richtige taten, nimmt die Gesellschaft heute nicht mehr so wahr und auch nicht mehr so an.

Hierin liegt aber auch eine Chance. Gerade weil der Held heute nicht mehr gefeiert wird, gerade weil viele Helden nicht mehr gekannt, erkannt und anerkannt werden, sind wir herausgefordert, uns für ein mutiges Leben zu begeistern, ohne dafür Anerkennung zu bekommen.

Wer mutig ist, der kennt die Angst

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