Читать книгу Wer mutig ist, der kennt die Angst - Johannes Czwalina - Страница 15
Warum sind Situationen, die unseren Mut herausfordern, bedeutungsvoll?
ОглавлениеViel zu viel notwendige Stellungnahme wird nur gedacht und nicht gesagt. Das fördert psychische Fehlentwicklungen, produziert schlechte Stimmungen und belastet permanent Beziehungen. Es ist eine Illusion, zu meinen, bei verbreiteter Lüge und herrschendem Unrecht innere Freiheit, Wahrhaftigkeit und Rechtsgesinnung einfach innerlich einzuschließen und dadurch bewahren zu können. Unrecht, das nicht angegriffen, Unwahrheit, die nicht widerlegt, falsche Vorurteile, die nicht revidiert werden, werden damit legalisiert und weiterverbreitet.30
Kürzlich berichtete mir ein hochbegabter junger Manager eines Deutschen Telekommunikationskonzerns, dass sich sein oberster Chef in einer Führungskräfteveranstaltung erheblich verbal vergriffen hatte. »Ich wusste genau, dass ich widersprechen musste, habe das aber natürlich nicht gemacht aus Rücksicht auf meine Familie, die bei einer möglichen Entlassung als Folge meines Widerspruchs natürlich höchst gefährdet wäre.« Ich antwortete ihm, dass Mut in diesem Moment bedeuten würde, es trotzdem zu tun.
Der Mut, Mut zu praktizieren und nicht nur als Möglichkeit zu denken, ist der Schlüssel zum authentischen Leben und Erleben.
Wer nicht Mut wagt, schlittert in ein reaktives statt proaktives Lebensmuster hinein. Sein Leben besteht mit der Zeit nur noch aus Reaktionen auf die Vorgaben anderer. Er weiß genau, wie er reagieren muss, um nicht aus einem Anpassungsschema zu fallen. Am Anfang spürt er die Fehlentwicklung noch nicht. Viele reaktiv lebende Menschen landen irgendwann im Burnout, weil sie eines Tages die externen Dienstanweisungen an ihr Leben, deren Legitimierung sie zu wenig hinterfragen, nicht mehr erfüllen können. Sie werden älter, die Kräfte lassen nach, die Energieabgaben stehen in keinem Verhältnis mehr zum Nachschub. So werden sie oft zu Getriebenen, und Angst vor Verlust und fehlender Anerkennung prägt ihr Leben. Ähnliche Symptome eines durch vernachlässigten Mut geprägten Lebens sind Langeweile, Überdruss und irgendwann das Gefühl von Sinnlosigkeit. Diesen Menschen passiert nichts Bewegendes, aber durch diese Menschen passiert auch nichts Bewegendes. Sie hinterlassen keine Markenzeichen, keine Spuren.
Nur durch Lebenssituationen, die Mut herausfordern, erkennen wir, welche Menschen in unserer Umgebung Freunde und welche Mitläufer sind. Die Mitläufer werden sich nie zu uns bekennen, wenn sie dadurch in Situationen kommen, die ihnen Nachteile bringen könnten. Es gehört aber zu den schönsten Erfahrungen für den, der einmal außerhalb der Konvention gestanden hat, wenn er einige wenige neue Freunde, die Treue unter Druck bewiesen haben, gewinnt. Er wird für den Verlust vieler oberflächlicher Saisonfreundschaften durch die wenigen verlässlichen Freundschaften reichlich entschädigt.
Halten wir uns auch vor Augen, dass nur Menschen mit Zivilcourage in der Menschheitsgeschichte Türöffner für innovative Entwicklungen waren.
Ohne Zivilcourage gegen den Zeitgeist gab es und gibt es keine Innovation.
Mut bedeutet: Nein sagen können, auch wenn das Unrecht von oben kommt, nicht schweigen, wenn ein anderer gedemütigt wird, nicht mitmachen bei Aktionen, die man als unheilvoll erkennt, auch wenn man sich Sympathien verdirbt. Mut bedeutet protestieren, wenn Schwache benachteiligt werden, und ihnen durch unsere spürbare Sympathie Hilfe geben.