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I. Das Betriebsrätegesetz vom 4.2.1920 (BRG)34

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Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges partizipierte die Kirche trotz Art. 137 III WRV, wonach die Religionsgemeinschaften „ihre eigenen Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ ordnen und verwalten durften, an der Institutionalisierung der Mitbestimmung im Betriebsrätegesetz v. 4.2.1920 (BRG)35; denn gem. § 9 BRG wurden alle Betriebe, Geschäfte und Verwaltungen des öffentlichen und privaten Rechts erfasst, also auch die Religionsgemeinschaften, die als „konfessionelle Betriebe“ in § 67 BRG den Status von Tendenzbetrieben erhielten, auf die die Vorschriften über die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§ 66 Nr. 1 und 2 BRG) keine Anwendung fanden. Das Verhältnis zwischen der gesetzlichen Betriebsverfassung und der Kirchenautonomie wurde damals nicht aktuell, weil das BRG im kirchlichen Bereich keine Beachtung fand36. Ob dies darauf zurückzuführen war, dass das Gesetz nur eine Repräsentation für Arbeitnehmer vorsah, deren Beschäftigung im kirchlichen Bereich damals eine untergeordnete Rolle spielte, weil die maßgeblichen Funktionen in der kirchlichen Verwaltung den Priestern, Geistlichen oder Kirchenbeamten anvertraut waren37, erscheint allerdings fraglich; denn nach §§1, 2 BRG bestand – anders als im heutigen Betriebsverfassungsrecht – eine gesetzliche Verpflichtung, Betriebsräte zu errichten und Betriebsobmänner zu wählen, falls die Mindestanzahl von 20 Arbeitnehmern nicht erreicht wurde38. Wenn dies dennoch in den kirchlichen Verwaltungen unterblieb, kann hierfür die Furcht vor den potentiellen Arbeitnehmervertretungen nicht Grund gewesen sein; denn dem Betriebsrat oblagen nach dem BRG im Wesentlichen befriedende, den Unternehmer unterstützende und weniger an der Führung des Betriebes partizipierende Funktionen39. Während einerseits der Unternehmer die Auflösung des Betriebsrats bei „gröblicher Verletzung“ der gesetzlichen Pflichten beim Bezirkswirtschaftsrat bzw. beim Schlichtungsausschuss40 beantragen konnte (§41 BRG), waren andererseits Eingriffe in die Betriebsleitung nicht erlaubt (§ 69 BRG), d. h. die Ausführungskompetenz lag allein beim Arbeitgeber, sodass deshalb auch der Betriebsrat von ihm nicht die Vornahme, Duldung oder Unterlassung von Maßnahmen im Hinblick auf bestehende Mitbestimmungsrechte verlangen konnte. In personellen Angelegenheiten blieb dem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber das Letztentscheidungsrecht erhalten41.

Das eigentliche Problem bestand darin, dass das Gesetz die Kirchen nicht in ihrer Besonderheit als Kirche, sondern wie ein weltliches Unternehmen mit geistig-ideeller Bestimmung bewertete42. Damit aber waren auch die kirchlichen Arbeitgeber einem Regime von Sanktionen unterworfen, das die weltlichen Arbeitgeber anhalten sollte, ihren Verpflichtungen aus dem Gesetz nachzukommen (vgl. §§ 95 ff.BRG). Auch das heutige Betriebsverfassungsgesetz enthält Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften (vgl. §§ 119 ff. BetrVG), von denen aber die kirchlichen Arbeitgeber aufgrund der Exemtion nicht betroffen sind. Für die Nichtanwendung des BRG in den kirchlichen Verwaltungen war neben der geringen Anzahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes oder deren Passivität hinsichtlich einer Betriebsratswahl43, auch das mangelnde Interesse der kirchlichen Arbeitgeber an der Errichtung von Arbeitnehmervertretungen verantwortlich44. Dies wurde vom Staat trotz der Vorschriften der §§ 23 II und III, 99 BRG45 toleriert.

Im Ergebnis lässt sich demnach feststellen, dass durch das BRG die verfahrensrechtlichen und prozessualen Durchsetzungsmittel der Mitbestimmungsrechte zwar nur schwach ausgebildet waren, jedoch auch im Bereich kirchlicher Einrichtungen Geltung beanspruchen konnten.

Substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland

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