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III. Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum MVG.EKD

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Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde die nationalsozialistische Gesetzgebung durch das Kontrollratsgesetz (KRG) aufgehoben. Dies ermöglichte den Ländern, eigene Betriebsrätegesetze zu erlassen, die sich inhaltlich z.T. an das BRG von 1920 anlehnten, daneben aber dem Betriebsrat durchaus mehr Partizipation an der Betriebsführung gewährten57. Auch der aus dem Jahr 1950 stammende Regierungsentwurf zum neuen Betriebsverfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland stufte – wie das BRG – die privatrechtlichen Betriebe der Religionsgesellschaften als Tendenzunternehmen ein58. Zu einer völligen Freistellung der Kirchen vom staatlichen Betriebsverfassungsrecht sah man sich zunächst nicht veranlasst, weil die Kirche auch in der Weimarer Zeit trotz Art. 137 WRV widerspruchslos hingenommen hatte, als Arbeitgeber mit geistig-ideeller Ausrichtung und nicht in ihrer Besonderheit als Kirche in das staatliche Mitbestimmungsrecht einbezogen zu werden59.

Für die Entwicklung des Mitarbeitervertretungsrechts ist erheblich, dass die Landeskirchen nunmehr begannen, Mitarbeitervertretungsgesetze zu erlassen, um damit auch der Entwicklung, dass immer mehr Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Bereich begründet wurden60, Rechnung zu tragen. Geschah dies zunächst noch vereinzelt in Anlehnung an die Betriebsrätegesetze der Länder, so wurden in der Zeit nach der Freistellung der Religionsgesellschaften von den staatlichen Mitbestimmungsgesetzen61 eigenständige Regelwerke erlassen, die den Mitarbeitervertretungen bereits durchaus auch Mitbestimmungsrechte einräumten, von deren Beachtung die Durchführbarkeit der von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahme abhing62.

Diese landeskirchlichen Mitarbeitervertretungsgesetze waren hinsichtlich des Rechtsschutzes unterschiedlich ausgestaltet, stimmten aber darin überein, dass bei Meinungsverschiedenheiten aus dem Gesetz eine Schlichtungsstelle oder ein Schlichtungsausschuss zum Zwecke der Schlichtung angerufen werden konnte. Dabei wurden Zusammensetzung, Zuständigkeit und Befugnisse dieser Einrichtungen allerdings wieder unterschiedlich geregelt63. Nach einigen Mitarbeitervertretungsordnungen ist es ihre Aufgabe, die Streitigkeiten zwischen Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung zu schlichten und endgültig zu entscheiden64, nach anderen hat der Schlichtungsausschuss nicht in der Sache selbst zu entscheiden, sondern nur zu prüfen und abschließend festzustellen, ob und in welchem Umfang die angefochtene Maßnahme gegen die zum Schutz und zur Förderung der Mitarbeiter erlassenen Gesetze, Verordnungen, sonstigen zwingenden Vorschriften, Verträge oder Dienstvereinbarungen verstößt oder ob bei Ermessensentscheidungen die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder das Ermessen in einer der Ermächtigung widersprechenden Weise offenbar missbraucht worden ist65.

Der Rat der EKD empfahl durch Bekanntmachung v. 26.5.1972 den Gliedkirchen aufgrund von Art. 9 b der Grundordnung der EKD, das Mitarbeitervertretungsrecht nach dem „Muster für ein Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in kirchlichen und diakonischen Dienststellen und Einrichtungen“66 zu regeln. In § 39 dieser Musterordnung (MO) wird das Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss behandelt. § 39 I MO enthält einen Zuständigkeitskatalog. Nach § 39 IV 2 MO ist der Beschluss des Schlichtungsausschusses im Verhältnis zwischen Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung verbindlich. Weder ein einstweiliger Rechtsschutz noch ein Rechtsmittelverfahren sind vorgesehen.

Insbesondere die den Rechtsschutz betreffenden Regelungen lassen erkennen, wie sehr der kirchliche Gesetzgeber darauf bedacht war, Streitigkeiten als „Meinungsverschiedenheiten“ oder „Unstimmigkeiten“ aufzufassen, die in erster Linie durch eine Schlichtung und nicht durch eine streitige Entscheidung beizulegen sind67. Eine – wie auch immer geartete – Durchsetzung von Entscheidungen der Schlichtungsausschüsse war anscheinend vom kirchlichen Gesetzgeber nicht vorgesehen68. Dieses insbesondere die Mitarbeitervertretung betreffende Problem wurde in der Literatur durchaus gesehen69. Ein einstweiliger Rechtsschutz zur Sicherung und Regelung von sich aufgrund der Gesetze ergebenden Ansprüche fehlt70. Eine zweite Instanz, die gegen die Entscheidungen hätte angerufen werden können, ist nur in wenigen Landeskirchen vorgesehen71. Insofern kann von einem effektiven Rechtsschutz in den Mitarbeitervertretungsgesetzen der Landeskirchen bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg keine Rede sein.

Substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland

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