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Charakterfitness-Trainingsstufe zwei: Entgifte deine Emotionen

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Die regelmäßige Beichte ist mehr als eine von der Kirche auferlegte Pflicht im Sinne christlicher Traditionen. Im Grunde versucht sie, etwas zu systematisieren, das uns tatsächlich hilft, bessere Menschen zu werden: Die Entgiftung unseres Gehirns durch Reden über die Dinge, die wir uns selbst vorwerfen. Das wir uns damit befreien und bereit für gutes Neues machen, wissen längst auch die Gehirn- und Verhaltensforschung.

Jeder Mensch macht Fehler. Kleine oder gravierende, unbedeutende oder unbedachte. Ein falsches Wort hier, eine Notlüge da. Die Patzer summieren sich und bilden einen Schmierfilm rund um unsere Seele. Falsche Entscheidungen, vielleicht verbunden mit weitreichenden Konsequenzen, lasten auf unserer Seele. Einmal falsch abgebogen, und schon scheint es kein Zurück mehr zu geben. Der Weg scheint verbaut, die Türen scheinen zugeschlagen zu sein, die Aussichten wirken trüb. Wie ein riesiger Stein liegt die Vergangenheit auf unserem Gemüt. Ein schwarzer Monolith, der ein unangenehmes Grundrauschen erzeugt, negative Wellen aussendet und nach und nach unsere Gefühle, unsere Gedanken und am Ende unsere Taten vergiftet.

Um diesen Monolithen loszuwerden und unsere Gedanken damit zu entgiften, gibt es eine bewehrte Methode. Sie besteht darin, uns mitzuteilen. Die Regelung, die das Christentum dafür anbietet, ist die Beichte. Den Erfindern ging es wahrscheinlich weniger um ein paar Gebete, die der Beichtende zur Vergebung seiner Sünden zu beten hatte, sondern vielmehr um die Entgiftung des Geistes, auch wenn sie es so kaum genannt hätten.

Der Mensch benennt dabei seine Fehler. Er spricht sie aus. Das Gespräch mit einem Menschen, dem er vertraut, befreit ihn und nimmt den Krampf von seiner Seele. Diese Vertrauensperson muss jeder für sich selbst auswählen, und es macht dabei jedenfalls Sinn, dass sie an ein Schweigegelübde gebunden ist. Schließlich wollen wir nicht jedermann in unsere Abgründe blicken lassen.

Dass eine andere Berufsgruppe, die ebenfalls schweigen muss, das ebenso gut und mitunter auch besser kann als Geistliche, das sieht sogar der Wiener Dompfarrer Anton Faber so. Seit 2018 bietet der Wiener Stephansdom Beichten von 7 bis 22 Uhr an, und zwar in fünfzig Sprachen. Der heftige Ansturm veranlasste ihn, »schwere Fälle«, wie er es nannte, an Psychotherapeuten weiterzuleiten.

Ein Geistlicher, ein Psychotherapeut oder ein vertrauter Freund – wen immer wir auswählen, um uns mitzuteilen und unsere Gedanken dabei zu entgiften, muss wertfrei zuhören können. Er darf nicht urteilen. Er muss in diesem Gespräch über den Dingen stehen. Auf diese Art nimmt er uns am ehesten eine Last ab, sodass wir danach wieder flexibler, beweglicher und leichtfüßiger sind, und uns frei von Dunklem in unserem Kopf leichter tun, gut im Sinne des von uns gewollten Gutseins zu sein. Es ist eine Übung, der wir uns regelmäßig widmen sollten, und nicht erst, wenn der Druck besonders groß ist. Wir sollten sehr bewusst damit umgehen und sie zum Teil unserer Zeitplanung machen.

Christliche Gepflogenheiten gehören auch zum Weisheitsschatz der Menschheit. Das Bekennen und das Suchen nach Vergebung ist seit den Zeiten der griechischen Tragödie alteuropäisches Erbe, das sich bis in die heutige Psychoanalyse und Logotherapie fortgesetzt hat. Schon in der antiken Orestie, der einzigen erhaltenen Trilogie griechischer Tragödien, lebte diese Sehnsucht im Hintergrund des alten Mythos. Nur die Gnade der Gottheit spricht deren Orest, den Sohn des Agamemnon, frei. Der Dichter Aischillos hat daraus in großartiger Schau den Kampf zwischen den alten Göttern der Gerechtigkeit und den jungen Göttern der Gnade gemacht und damit zum ersten Mal betont, dass der Mensch sich selbst von seiner Untat gar nicht befreien kann. Auch weil er möglicherweise gar nicht allein dafür verantwortlich ist.

Christliches Vokabular mit Worten wie »Schuld«, »Eingestehen« oder »Vergebung« bereinigt also unser Leben, und wenn wir das Ganze naturwissenschaftlich betrachten, sehen wir rasch, dass da einiges dran ist.

So beschäftigte sich eine Studie der Universität von Iowa, durchgeführt an älteren Menschen, mit dem Zusammenhang zwischen der Sterblichkeit und der Anzahl der Kirchenbesuche. Die Forscher entdeckten eine eigentümliche Korrelation. Je häufiger die Probanden die Kirche besuchten, desto geringer war der Anteil eines bestimmten Entzündungsmarkers. Was im Rahmen der durchgeführten Langzeitbeobachtung auch das Sterblichkeitsrisiko senkte. Als hätte ein höheres Wesen seine schützende Hand über die Gläubigen ausgebreitet.

Die Studie erregte naturgemäß den Zorn der Atheisten. Kirchen als Jungbrunnen darzustellen, wäre ein Wunschtraum, zu dem nur Spinner in der Lage wären, meinten sie. Dem hielten die verantwortlichen Wissenschaftler entgegen, dass die Probanden eben an etwas glaubten, und schon allein diese Gewissheit brächte inneren Frieden. Doch dazu wie angekündigt mehr im zweiten Teil.

Absurderweise haben sich im Internet auch Hunderte digitale Möglichkeiten etabliert, Abbitte zu leisten, etwa auf www.beichthaus.com: Sünde wählen, Klick, dann die Vergehen im Raster definieren. Aggression, Begehrlichkeit, Eitelkeit, Faulheit, Fremdgehen, Lügen, Masturbation, Schamlosigkeit, Trägheit, Trunksucht, Vandalismus, Verschwendung und Verrat.

Per E-Mail kann der Sünder präzisieren, was er sich im Detail vorwirft beziehungsweise was er verbrochen hat. Was natürlich nicht funktioniert. Der dunkle Monolith bleibt dabei im Kopf. Es braucht die persönliche menschliche Interaktion, um ihn aufzulösen. Nur der Dialog von Mensch zu Mensch reinigt die Seele und den Körper gleich mit dazu.

Zu den großen Vorteilen des sich Mitteilens bei unserem Versuch, gut zu sein, gehört, dass wir damit eine Ventilfunktion bedienen. Es federt den Zorn ab, den wir andernfalls vielleicht an anderen auslassen, was uns zwangsläufig zu schlechten Menschen machen würde. Auch hier sind einige positive medizinische Begleiterscheinungen evident, die ich vorwegnehmen möchte: Forscher fanden heraus, dass sich gewisse Formen von Autoimmunkrankheiten als sogenannte Autoaggressionskrankheiten interpretieren lassen. Sie entstehen, wenn Zorn oder Wut nicht ausgedrückt werden. Stattdessen sorgen sie dafür, dass sich unsere Physiologie und unsere Biochemie gegen uns selbst richten. Wie eine Strafe, die wir uns selbst auferlegen.22

Die Beichte, wem gegenüber wir sie nun auch ablegen, ist also ein Geständnis, das nur gute Folgen hat. Ein Lächeln, eine Linderung. Belastungen fallen ab, Bürden verschwinden. Trost stellt sich ein. Wir sind erlöst und nun erst recht bereit, gute Menschen zu sein.

Ebenso wie wir dafür aus einem Kreis unterschiedlichen Vertrauenspersonen wählen können, wählen viele Menschen dafür auch besondere Orte aus. Die Kirche, das Sofa eines Psychotherapeuten, die Natur. Besonders beliebt ist der Berg Athos. Er bildet eine orthodoxe Mönchsrepublik mit autonomem Status unter griechischer Souveränität in Griechenland. Mein Arztkollege Prof. Rudolf Likar und ich besuchen ein Kloster, das hoch in den Bergen liegt und in der Dämmerung wie ein Geheimversteck aus einem alten James-Bond-Film wirkt, einmal im Jahr. Der russische Präsident Wladimir Putin selbst ließ es einst revitalisieren und besucht es auch. Die Räume glänzen in Gold und es sind kontemplative Tage, die man dort verbringt, mit Beichte, Fasten, Meditation und Gebet. Erwünscht sind nur Männer, Frauen dürfen den Berg Athos leider nicht betreten. Besucher aus allen sozialen Schichten finden sich dort ein, orthodoxe Büßer ebenso wie Verbrecher aus Russland.

Bei der Beichte sitzt ein Priester vorne im Saal. Alle singen. Jeweils ein Mann steht auf, geht nach vorn und flüstert ihm etwas ins Ohr. Der Priester legt ihm seine eigene Stola um, spricht ihn frei und zieht die Stola wieder weg. Dabei wird vielleicht eine besondere Energie frei, die alle im Saal zu spüren vermeinen.

Beichten als regelmäßige Übung könnte uns sogar vor Krankheit schützen und macht uns als Menschen besser. Probieren Sie’s aus.

Das Gesetz des Ausgleichs

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