Читать книгу Zwei Millionen ham'ma erledigt - Johannes Sachslehner - Страница 9

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Sie waren treue Diener des Kaisers in Wien: Rochus Globotschnig, der Urgroßvater Globocniks, war Arzt in Neumarktl (Tržič) in Oberkrain, einer deutschen Sprachinsel unweit der Kärntner Grenze gelegen, und nahm 1809 als Wundarzt am Feldzug der Österreicher gegen Napoleon teil. 1825 wurde dem Kriegsveteranen der Sohn Franz Johann geboren, der es zum Professor am Realgymnasium in Laibach brachte. 1870, im Alter von 45 Jahren, wurde Franz Johann Globotschnig Vater eines Sohnes, den man auf den Namen Franz taufte. Franz Globotschnig, der sich nun schon „Globočnik“ schrieb, schlug die Laufbahn eines aktiven Offiziers in der k. u. k. Armee ein. Als Franz Anna Pecsinka, die Tochter eines Beamten aus Werschetz (heute das serbische Vrsac) im Banat, kennen lernte und beschloss sie zu heiraten, musste er sich in den Stand der Reserve zurückversetzen lassen: Aus dem Oberleutnant wurde ein Postbeamter – es war dem jungen Paar unmöglich, die geforderte „Kaution“, die zum Ausscheiden aus der Armee berechtigte, aufzubringen. Anna und Franz Globočnik heiraten am 28. Oktober 1898 und lassen sich zunächst in Triest nieder; ihre Wohnung befindet sich in der Via della Caserma Nr. 9, heute die Via XXX Ottobre. Hier wird ihnen als drittes Kind nach der früh verstorbenen Tochter Hildegardis (geb. 1900) und der Tochter Lydia (geb. 1901) am 21. April 1904 ein Sohn geboren, der am 19. Juli dieses Jahres in der Kirche San Giovanni Decollato auf den Namen „Odilo Lothar Ludovicus“ getauft wird; Taufpaten sind Ludovicus und Elisa Hullerl, vermutlich Verwandte der Familie. Der erste Vorname „Odilo“ ist ein Programm, niemand in der Familie hat bisher so geheißen: Da schwingt, nicht zuletzt in der Verbindung mit den beiden König- und Kaisernamen „Lothar Ludovicus“, altdeutsch-germanische Heldenmystik mit; Odilo hieß ein Bayernherzog aus dem Geschlecht der Agilolfinger (vor 700 – 748), der Name selbst leitet sich wohl von odhil („Gut, Besitz“) her. Und er zeichnet sich durch Vokalharmonie mit dem Familiennamen aus – für Franz und Anna Globočnik daher die perfekte Lösung.

Im Herbst 1910 beginnt Odilo in Triest die Volksschule zu besuchen. Der Unterricht findet in italienischer Sprache statt; der Sohn der Globočniks, die streng darauf achten, dass in der Familie nur Deutsch gesprochen wird, muss daher Italienisch lernen. Der aufgeweckte Junge hat damit jedoch keine Schwierigkeiten; er bringt durchwegs gute Noten nach Hause und ist außergewöhnlich ehrgeizig – eine Charaktereigenschaft, die später immer wieder genannt werden wird.

Am 26. August 1913 erfolgt Franz Globočniks (in der Folge: Globocnik) letzter Karriereschritt – er wird von der k. k. Post- und Telegrafendirektion für Triest, Küstenland und Krain zum Postoberoffizial ad personam mit der Einreihung in die IX. Rangklasse der Staatsbeamten ernannt. Sein Jahresgehalt legt die hohe Behörde mit 2.800 Kronen fest, dazu kommt er noch in den Genuss einer „Aktivitätszulage“ von jährlich 960 Kronen.

Odilo hat vier Klassen Volksschule absolviert, als die Schüsse von Sarajevo den Auftakt zum Untergang der Welt von gestern markieren. Als Reserveoffizier erhält auch der Postoberoffizial Franz Globocnik den Einberufungsbefehl, wegen eines Magenleidens bleibt ihm die Front erspart; Einsatzort ist die ungarische (heute slowakische) Gemeinde Cseklész (Landschütz, heute Bernolákovo) in der Nähe von Pressburg, wo er in der Etappentrain-Werkstätte Nr. 100 tätig ist. Der Vorteil dieser Regelung: Er kann die Familie nach dem Norden mitnehmen.

Auch wenn Franz Globocnik nur in der Etappe eingesetzt wird, so würdigt man doch seine Verdienste um das Vaterland: Am 1. November 1917 wird er zum Hauptmann ernannt, 1918 zum Rittmeister. Eine Offizierskarriere in der Armee des Kaisers sieht Franz Globocnik offenbar auch für seinen Sohn noch immer als erstrebenswert an und so wird der elfjährige Odilo nach St. Pölten geschickt, wo dieser am 13. Dezember 1915 nach bestandener Aufnahmsprüfung in die Militär-Unterrealschule eintritt. Er erhält als Sohn eines Offiziers einen „ganz freien Ärarialplatz“ zugesprochen, die Kosten werden also vom k. k. Ministerium für Landesverteidigung übernommen; es bleibt pro Schuljahr ein bescheidenes Schulgeld von 28 Kronen zu bezahlen. Das Ziel der Ausbildung: Die Schüler sollen im Laufe von vier Jahren für die weitere Ausbildung an einer Militärakademie vorbereitet werden. Die Militär-Unterrealschule in St. Pölten, die seit 1875 als solche geführt wird, genießt durchaus einiges Ansehen; ihr bekanntester Schüler, Rainer Maria Rilke, der hier von 1886 bis 1890 militärischem Drill unterzogen wird, spricht allerdings in einem Brief an einen seiner ehemaligen Lehrer von den „St. Pöltener Gefängnismauern“, vom „Block eines undurchdringlichen Elends“, der damals über „die zartesten Keimblätter“ seines Wesens gewälzt worden sei. Die Vergewaltigung seiner Kindheit wird Rilke zeit seines Lebens als „Fibel des Entsetzens“ in Erinnerung behalten; die Jahre in St. Pölten bleiben „abgelehnte Vergangenheit“, er habe die Militär-Unterrealschule als ein „Erschöpfter, körperlich und geistig Mißbrauchter“ verlassen.

Der junge Odilo Globocnik scheint mit den Herausforderungen der Militärerziehung besser zurechtgekommen zu sein. Eine im Österreichischen Staatsarchiv, Kriegsarchiv, erhaltene Abschlussklassifikation für das Schuljahr 1916/​1917 zeichnet das Bild eines Musterschülers: Unter 49 Zöglingen des Jahrgangs wird Odilo der 8. Rang zugesprochen; seine „Gemütsbeschaffenheit“ wird mit „willig, ruhig, ehrgeizig, strebsam“ beschrieben, die „Geistesgaben“ klassifiziert die Schule mit „recht gut begabt, fleißig“, die Umgangsformen mit „anständig und gefällig“, die „Adjustierung“ des Schülers Globocnik qualifiziert man als „musterhaft“. Unter der Rubrik „Besondere Kenntnisse und Geschicklichkeiten“ vermerkt der Klassenkatalog „Violinspieler“. Zusammenfassend heißt es unter „Bemerkungen zum allgemeinen Verhalten“ am 2. Februar 1917: „ruhig, begabt, strebsam“; am 8. Juni 1917 notiert der Klassenvorstand: „ernst, willig, verläßlich“. In den militärischen Fächern Turnen und Exerzieren sowie im Fach „Dienstvorschriften und Anstandslehre“ wird er durchgehend mit „sehr gut“ beurteilt.



Jahrgangsrang 7 unter 49 Schülern: „Abschlußklassifikation“ der Militär-Unterrealschule St. Pölten, Schuljahr 1917/​1918.

Wann genau der Zögling Globocnik die Schule und das Internat in St. Pölten verlassen hat, ist unbekannt; zu Beginn des Schuljahres 1918/​1919 wird er jedenfalls noch als Schüler des 4. Jahrgangs geführt. Mit dem Zusammenbruch der Monarchie ist der Traum von einer glanzvollen Offizierslaufbahn im Dienste des Kaisers dahin – gut möglich, ja wahrscheinlich, dass sich der 14-Jährige, der nun zu den inzwischen nach Klagenfurt übersiedelten Eltern zurückkehren muss, die Argumentation der in rechten Kreisen populären Dolchstoßlegende zu eigen macht: Die „vaterlandslosen Gesellen“ des internationalen Judentums und der Sozialdemokratie seien schuld an der militärischen Niederlage der Mittelmächte; das Feinbild „Jude“ bekommt so wohl bereits jetzt Konturen und verfestigt sich. Es wächst die Bereitschaft, etwas gegen diesen „Feind“ zu unternehmen.

Die Familie entscheidet sich für ein neues Ausbildungsziel – man wechselt vom Offizier zum Techniker: Ab 1919 wird Odilo die Höhere Staatsgewerbeschule für Maschinenbau in Klagenfurt besuchen. Inzwischen haben sich jedoch die Ereignisse überschlagen: Ab Anfang November 1918 besetzen SHS-Truppen, die Hilflosigkeit der eben erst gegründeten Republik ausnützend, das Gebiet südlich der Drau und das Lavanttal bis St. Paul; die provisorische Landesregierung Kärntens, geleitet von Landesverweser Arthur Lemisch, beschließt den bewaffneten Widerstand; Oberstleutnant Ludwig Hülgerth als Landesbefehlshaber und Oberleutnant Hans Steinacher organisieren den „Abwehrkampf“, dem sich nicht nur kriegserfahrene Soldaten, sondern auch junge Freiwillige anschließen – zu ihnen will auch Odilo Globocnik gezählt haben. Glaubt man einer biografischen Skizze, die anlässlich seiner Ernennung zum Gauleiter im Mai 1938 an diverse Zeitungsredaktionen verteilt wird, so gehörte auch er „den freiwilligen Schutzabteilungen an und machte die Gefechte bei Grafenstein und Bleiburg mit, bei denen kleine deutsche Schutzabteilungen einer großen jugoslawischen Übermacht gegenüberstanden. Für sein tapferes Verhalten in den Kämpfen um Bleiburg wurde er mit dem Kärntner Kreuz ausgezeichnet.“ Die Namenslisten der Träger des Kärntner Kreuzes sind im Kärntner Landesarchiv erhalten, der Name Globocnik fehlt allerdings. Nicht ganz überraschend, wenn man bedenkt, dass Odilo im Winter 1918/​19 noch nicht einmal 15 Jahre alt ist – was mag er an „tapferem Verhalten“ geleistet haben? Vermutlich taucht der Absolvent der Militär-Unterrealschule tatsächlich im Kampfgebiet auf, übertreibt aber später seine „Leistung“, die eher im Bereich Nachschub und Kommunikation gelegen haben mag. Für einen knapp 15-Jährigen auch dies keine Selbstverständlichkeit. Er will etwas bewegen und engagiert sich; in der erwähnten biografischen Skizze heißt es weiter: „Während der Vorbereitungen für die Volksabstimmung in Kärnten war Globocnik bereits als ‚illegaler‘ Propagandist tätig, indem er das von jugoslawischen Sokoln besetzte Kärntner Gebiet jenseits der Demarkationslinie aufsuchte, um dort Plakate und Anschriften, die für die deutsche Sache werben sollten, anzubringen.“ Das klingt glaubwürdig und passt zum Profil Odilos, der sich in der Rolle des jugendlichen Kämpfers für Heimat und Deutschtum offenbar zunehmend wohlfühlt. Daneben muss er ja auch zur Schule gehen, es kommt, nicht verwunderlich, zu Konflikten – laut Beschluss der Lehrerkonferenz vom 30. April 1921 wird ihm der Ausschluss von der Staatsgewerbeschule angedroht, es bleibt allerdings bei der Androhung; in der Folge konzentriert er sich aufs Lernen, am 11. Juli 1923 maturiert er mit Auszeichnung.

Die familiäre Situation hat sich indes dramatisch geändert: Am 1. Dezember 1919 stirbt sein Vater Franz Globocnik, erst 49 Jahre alt, in Klein Sankt Paul an einer „Krankheit, die er sich im Krieg zugezogen hat“; für Anna Globocnik, die nun mit drei unversorgten Kindern allein dasteht, beginnt ein verzweifelter Kampf ums Überleben. Die ihr regulär zustehende Witwenpension beträgt jährlich nur 1.200 Kronen, für die drei Kinder erhält sie zusätzlich je 240 Kronen „Erziehungsbeitrag“, das bedeutet ein Monatsbudget von 160 Kronen. Zu Weihnachten 1919 schreibt sie daher an die Postdirektion Klagenfurt und bittet um Unterstützung, „weil ich aller Mittel entblößt, mitten unter fremden Leuten mit meinen drei Kindern dem Hungertode anheimfallen müßte“. Anna Globocnik steht auf dem Standpunkt, dass ihr Mann schon in die VIII. Rangklasse vorgerückt gewesen sei und ihr daher auch eine höhere Pension zustünde, eine Behauptung, die sich allerdings nicht beweisen lässt, da entsprechende Unterlagen aus Triest nicht mehr zu erhalten sind. Schließlich schaltet sie in dieser Angelegenheit den Klagenfurter Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Josef Pflanzl ein, der tatsächlich bei Postdirektor Hofrat Dr. Sveceny interveniert: Die Lage der Frau Globocnik sei „derart bedauernswert, dass es tatsächlich unbedingt notwendig ist, dass so rasch als möglich Abhilfe geschaffen wird“. Die Frage der Pensionshöhe für Anna Globocnik wird zum bürokratischen Exzess – eindrucksvoll dokumentiert durch den Akt über Franz Globocnik im Kärntner Landesarchiv.

Odilo, der diesen Überlebenskampf hautnah miterlebt, fühlt sich von nun an als einziger „Mann“ in der Familie für seine Mutter und für seine jüngere Schwester Erika verantwortlich. Da auch seine ältere Schwester Lydia, die später den Fotografen Karl Pommerhanz heiraten und Mutter einer Tochter Henny (Henrica Maria) wird, noch zu Hause wohnt, sind die räumlichen Verhältnisse in der Wohnung der Globocniks in der Klagenfurter Getreidegasse 3 sehr beengt. Um das knappe Familienbudget zu entlasten, verdient sich Odilo durch Koffertragen am Klagenfurter Bahnhof zumindest sein Schulgeld. Und er betätigt sich weiterhin politisch – die Parolen der extremen Rechten sind längst auch die seinen geworden: Der Kaiser, für den zu kämpfen er noch gedrillt worden ist, ist Vergangenheit, er ist bereit für radikale Lösungen und die Szene in Klagenfurt bietet ihm dazu entsprechende Aktionsfelder. Innerhalb des aus den Abwehrkämpfen hervorgegangenen „Heimatschutzes“ bildet sich eine „nationalsozialistische Sturmabteilung“, eine „erste Kärntner SA“, die auf dem Heimwehrhut bereits das Hakenkreuz trägt. Und auch eine erste nationalsozialistische Partei formiert sich, die „Deutschnationalsozialistische Arbeiterpartei“ (DNSAP), eine „auf dem Boden des Volksfreistaates fußende deutscharische Arbeiter- und Volksreform-Partei“, wie es ihr Programmatiker Theodor Denk formuliert. Unermüdlich trommelt die DNSAP, unterstützt vom Kärntner Volkswillen, dem Sprachrohr der Partei, ihre Hassparolen: Es gibt zwar in Kärnten kaum Juden, dennoch sollen sie es sein, die „das Volk bis in den Kern seiner arisch-deutschen Seele vergiften“, die „deutsche Männer“ zwingen würden, sich „an den Mammonismus der Juden zu verkaufen“. „Verjudet“ seien aber auch Sozialdemokratie und Bolschewismus, ja, die Demokratie selbst; es gebe nur einen Weg zur völkischen Gesundung: sich von dieser „artfremden Geißel“ zu befreien. Zum Judenhass gesellen sich der Hass auf die Slowenen, die das „deutsche Kärnten“ bedrohen würden, und eine ausgeprägt antikapitalistische Haltung – es sind genau diese radikalen Parolen und Feindbilder, die dem jungen Globocnik zur politischen Heimat werden. Für einen Schüler der Staatsgewerbeschule nicht ungewöhnlich, wird er zudem Mitglied der Klagenfurter Burschenschaften „Marcomannia“ und „Teutonia“; sein von Antisemitismus und Antislawismus bestimmtes politisches Weltbild findet hier Bestätigung und neue Nahrung.


Ein verzweifelter Hilferuf: das Schreiben Anna Globocniks an die Postdirektion Klagenfurt.

Dennoch bleibt auch Zeit für Vergnügungen: Irgendwann im Laufe des Jahres 1922 besucht der nunmehr 18-jährige Schüler einen Tanzabend im Café Lerch in der Wiener Gasse in Klagenfurt. Et trägt einen dunklen Anzug, der etwas seltsam aussieht: geschneidert aus der Uniform seines verstorbenen Vaters. Der Aufzug Odilos erregt die Aufmerksamkeit zweier Mädchen, die mit ihrem Vater, dem bekannten Abwehrkämpfer Emil Michner, Oberstleutnant a. D., gekommen sind. Grete und Herta Michner machen sich über den „unmöglichen“ Anzug Odilos derart lustig, dass es schließlich dem aufrechten Oberstleutnant zu viel wird – empört lässt er „demonstrativ jenen Odilo Globocnik“ zu sich an den Tisch bitten; zwei Schulkollegen, die Söhne eines mit Michner bekannten Offiziers, stellen Odilo dem Abwehrkämpfer vor. Man versteht sich sofort gut, Michner gefällt die politisch stramme Haltung des Achtzehnjährigen und auch bei den beiden Mädchen kommt Odilo trotz seines merkwürdigen Tanzanzugs gut an, besonders bei der 16-jährigen Grete, geboren 1906 in Maria Saal. Man trifft sich bald regelmäßig, schließlich verlobt sich Odilo mit Grete. Und Emil Michner nützt seine Kontakte und verschafft Odilo eine Arbeitsstelle: Der Oberstleutnant a. D. setzt sich bei Adolf Wolf, dem Direktor der KÄWAG (Kärntner Wasserwirtschafts-AG) für ihn ein, prompt wird Globocnik angestellt, sein erster Auftrag 1924: ein Kraftwerksbau in Frantschach im Lavanttal. Als Bauleiter ist er in der Folge auf verschiedenen Baustellen für die KÄWAG im Einsatz, dann, im Sommer 1925, beschließt er, es doch noch mit einem Studium zu versuchen. Der 21-Jährige geht nach Wien und findet einen Platz im Studentenheim Grinzing in der Grinzinger Allee 7. „Student“ steht nun auf seinem Meldezettel, er besucht Vorlesungen und versucht sich in der Großstadt zu orientieren. Das akademische Zwischenspiel ist jedoch rasch zu Ende: Noch vor Weihnachten, am 17. Dezember 1925, verlässt er das Studentenheim und kehrt nach Klagenfurt zurück. Was bewegt ihn, das Studium so rasch abzubrechen? Will er seine Mutter und die beiden Schwestern nicht im Stich lassen? Überfordert ihn das Studium? Oder fehlt es einfach nur an den finanziellen Mitteln?


„Student“ in Wien für wenige Tage: der Meldezettel Globocniks vom November 1925, abgestempelt vom Studentenheim Grinzing.

Zurück in Kärnten, ist die KÄWAG offenbar bereit, ihn wieder aufzunehmen; bis 1930 werkt Globocnik als Kraftwerksbauer, dann wechselt er in das Unternehmen des Klagenfurter Stadtbaumeisters Ing. Robert Rapatz (1890 – 1964), diesmal als Bauleiter bei Hochbauten. Offenbar versteht er es, sich bei seinem neuen Arbeitgeber gut in Szene zu setzen, denn Rapatz lässt ihn auffallend selbstständig arbeiten – so unternimmt Globocnik im Auftrag der Firma Dienstreisen nach Wien, um hier in den Ministerien für soziale Verwaltung bzw. Unterricht Bauprojekte zu verhandeln, und er hat immer wieder in der Kärntner Landesregierung bei Oberbaurat Karl Gunzer zu tun.

Allmählich rückt jedoch das politische Engagement in den Vordergrund, aufregende Zeiten kündigen sich an. Das Gedankengut der Nazis, der Dienst für die „Bewegung“, wird zu seinem Lebensinhalt. Siegfried J. Pucher zitiert das Urteil einer „der damaligen Verlobten Globocniks nahestehenden Person“: „Er war vor Begeisterung in Ekstase über die NS-Idee und vollkommen unkritisch gegenüber diesen Ideen und auch antisemitisch.“ Er verschreibt sich „ganz, ganz“ der Arbeit für die Partei; bei den Spaziergängen mit seiner Verlobten Grete Michner hält er, so die von Pucher befragte Zeitzeugin, immer wieder „eine neue Lobrede auf die Nazi. (…) Offenbar war er nur von diesen Gedanken an seine Partei beherrscht. Und was die Gutes bringen wird, und wie großartig das sein wird, und wie großartig er dastehen wird natürlich durch sie.“

Odilo Globocnik tritt der Partei, für die er mit seinem ganzen Ehrgeiz tätig sein will, am 1. März 1931 bei; am 22. April 1931 wird die provisorische Mitgliedskarte für ihn ausgestellt, das Mitgliedsbuch trägt das Datum 6. September 1932; die Mitgliedsnummer lautet 442.939. Die Kärntner Parteiführung betraut den engagierten jungen Mann mit einer ersten Funktion: Globocnik wird Propagandaleiter der NS-Betriebszellenorganisation; er unterstützt den Gau-Betriebszellenleiter Erwin Seftschnig.

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