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IM INNEREN DER CHEOPS-PYRAMIDE

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Der Eingang der Cheops-Pyramide liegt in 15 Meter Höhe, genau nach Norden. Er war sorgfältig vermauert, sollte für immer unzugänglich, später dann vergessen, nicht mehr auffindbar sein.

Vom Eingang führt ein rund einhundert Meter langer Gang schräg nach unten durch den Fels in eine Grabkammer, die unter der Pyramide aus dem gewachsenen Fels herausgemeißelt wurde. Dieser Gang im tiefen Inneren der Pyramide ist exakt auf den Zirkumpolarstern, den Drehpunkt des Himmelsgewölbes, ausgerichtet. Der Pharao, der sich auch als »irdischer Polarstern« verstand, dokumentierte damit seinen Wunsch und seine Hoffnung, von der Erde zum Himmel aufzusteigen und die Vergänglichkeit zu überwinden.

Ein zweiter, 38 Meter langer, sehr niedriger Gang führt im Innern von der Bodenfläche aus schräg nach oben. Er verläuft dann waagrecht und wird auch höher, so dass Menschen aufrecht gehen können. Dieser Gang endet in einer genau unter der Spitze der Pyramide gelegenen Kammer, zwanzig Meter über dem Boden. Sie ist mit Turakalkstein so gleichmäßig ausgewandet, dass sie wie aus dem Felsen herausgehauen erscheint. Eine Abzweigung verfolgt die ursprüngliche Richtung weiter. Doch sie endet in einer Art Sackgasse, und der unfertig gebliebene Boden der Kammer lässt vermuten, dass das Projekt schließlich aufgegeben wurde.

Die Erbauer haben sich dann wieder mit dem ursprünglichen, schräg emporsteigenden Gang beschäftigt. Sie führten ihn 42 Meter weiter schräg nach oben, allerdings jetzt als große Galerie mit einer Breite von über zwei Metern und einer Höhe von über acht Metern. Die Galerie – mit Mokkadam-Kalkstein ausgekleidet – öffnet sich über einem kleinen Vorraum zur eigentlichen, mit schwarzem Granit ausgewandeten Grabkammer, die wiederum fast genau unter der Pyramidenspitze liegt.

Um Grabräubern den Zugang zur Pyramide zu verwehren, hatten sich die Erbauer einiges einfallen lassen. Um den Eingang und die Gänge verschließen zu können, waren riesige Sperrblöcke so vorbereitet, dass sie nach der Beisetzungsfeierlichkeit heruntergelassen werden konnten. Trotzdem fanden die Grabräuber ihren Weg.

Der Granitsarkophag wurde ohne Deckel und leer aufgefunden. Keine Inschrift, kein Schmuck erinnert an den Gottkönig. Die Mumie des Cheops, sollte er tatsächlich in dieser Pyramide beigesetzt worden sein, blieb verschollen – Grabräuber sind womöglich den Wissenschaftlern und den Touristen zuvorgekommen. Sie haben die Mauern überwunden, haben die Fallsteine rechtzeitig abgestützt. Sie haben im Innern der Pyramide miniert, unbemerkt von den Wachen, oder hatten mit diesen Wachen, vielleicht auch mit den Priestern, einen Pakt geschlossen. Sie haben die Schätze weggeschleppt, die Mumie des Pharao vielleicht verschwinden lassen.

Wer gegen die Wände ruft, dessen Echo bleibt lange stehen. Die Granitquader in der großen Halle sind so tadellos aneinandergefügt, dass man weder ein Haar noch eine Nadel in die Fugen bringen könnte. Der Aufenthalt in der Pyramide ist beklemmend; er treibt den Schweiß aus den Poren. In einem früheren Baedeker-Reiseführer steht die Warnung: »Leidenden Personen ist der Besuch wegen der dumpfen, heißen Luft zu widerraten.« Doch ist man in der Königskammer nicht hermetisch abgeschlossen: Schmale Lüftungskanäle führen nach draußen, einer nach Norden zur Schattenseite, einer zur südlichen Sonnenseite. Die Kammer ist also belüftet; man müsste sonst nach Luft ringen.

Abenteuerliche Spekulationen haben die Pyramiden zu Zeugnissen astronomischen Wissens erklärt. So hätten die Ägypter zum Beispiel den Abstand zwischen Erde und Sonne genau gekannt. Spekulative Wissenschaftler geben nur zu gern der Versuchung nach, aus den Maßen der Großen Pyramide und ihrer Ausrichtung alles Mögliche und Unmögliche herauslesen zu wollen. Dass die Ägypter der Antike über ein vorzügliches geometrisches Wissen verfügten, kann nicht bestritten werden. Jedes Jahr mussten nach der Nil-Überschwemmung die verwischten Flurgrenzen wiederhergestellt und die Ackerflächen neu vermessen werden. Die Steuer wurde nach der Größe der Felder festgesetzt. Der Flächeninhalt von Vier- und Dreiecken konnte ebenso berechnet werden wie der eines Kreises: »dreieinsiebtel mal Halbmesser«, wie auf einem 3 500 Jahre alten Papyrus, der heute im Britischen Museum in London verwahrt wird, nachzulesen ist.


Schnitt durch die Cheops-Pyramide mit ihren Schächten und Kammern. (Nach G. Gyon)

Als Herodot, der griechische Reiseschriftsteller und »erste Historiker«, staunend vor den Pyramiden stand, erfuhr er, was damals durch zwei Jahrtausende überliefert war: Von ihm stammt die Information der »hunderttausend Arbeiter«. Denn zehn Jahre lang seien jeweils zehntausend Menschen mit den Vorarbeiten zum Bau der Cheops-Pyramide beschäftigt gewesen, während der drei Überschwemmungsmonate, in denen die Feldarbeit ruhte.

Der eigentliche Aufbau der Cheops-Pyramide hat dann bei jährlich vierteljährigem Arbeitsdienst noch einmal zwanzig Jahre gedauert: Zuerst sei ein Stufengebäude geschichtet worden, berichtet auch Herodot, dann habe man die Stufen ausgefüllt, schließlich seien die Pyramidenflächen von oben, von der Spitze her, mit vulkanischen Schleifsteinen geglättet worden. So seien die Riesenkristalle, deren Seiten tags die Strahlen der Wüstensonne, nachts das Mondlicht spiegelten, entstanden. Die Forschung hat diese alte Überlieferung im wesentlichen bestätigt.

Herodot berichtet, an der Großen Pyramide sei verzeichnet gewesen, wieviel man beim Bau allein für die Verpflegung der Arbeit, für Gemüse, Zwiebeln und Knoblauch ausgegeben hätte. »Wenn ich mich recht erinnere, was der Dolmetscher, der mir vorlas, gesagt hat, so waren es 1 600 Talente Silber.« Das wären umgerechnet rund 3,5 Millionen Euro.

Zum Bild der Pyramiden gehört die Sphinx, die zu ihren Füßen ruht: das größte Bildwerk der Menschheit, zwanzig Meter hoch und vierundsiebzig Meter lang. Herodot hat die Sphinx nicht erwähnt. Sollte er sie, überwältigt vom Gesamteindruck der Pyramiden, schlicht vergessen haben? Wahrscheinlicher ist, dass sie zur Zeit seines Besuches gar nicht zu sehen, weil wieder einmal zugeweht war. Immer wieder musste sie aus dem Wüstensand gegraben werden.

Sah sich die Sphinx zu Füßen der Pyramiden auch immer wieder von der Wüste bedrängt, die Pyramiden selbst konnte der heranwehende Sand nicht ernstlich bedrohen. Sie trotzten den Jahrtausenden, der Wüste und dem Menschen. Generationen haben das Weltwunder als Steinbruch benutzt, sie vermochten jedoch nicht mehr, als den Mantel herunterzubrechen.

Vor den Pyramiden verharrte Alexander der Große in Schweigen, verstummte Caesar, diktierte Napoleon seinen Tagesbefehl: »vierzig Jahrhunderte blicken auf euch herab!« Ernest Renan, der französische Historiker und Philosoph, hat das Alte Ägypten »ein Leuchtfeuer in den umnachteten Meeren der Urzeit« genannt. »Das große Ägypten der Pharaonen schläft und träumt«, schrieb Jean Cocteau, »nach seinem Untergang gleicht es einem verlassenen Bienenstock, den Hummeln in Besitz genommen haben.«

Die Sieben Weltwunder

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