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Methode

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Da Physiologie und Psychologie wie gesagt miteinander verbunden sind, muss die Vorgehensweise auf zweierlei Art erfolgen. Physiologie ist dabei das Mittel zum Aufbauen der Wissenschaft von der Psyche. Mit anderen Worten: Es geht um Psychologie mit physiologischer Methode. Die ältere Definition von Psychologie bezieht sich auf die Wissenschaft von der menschlichen Seele. Manche drücken es noch spezifischer aus, indem sie die Seele auf den subjektiven Geist begrenzen, so wie es Erdmann allein dadurch tut, dass er behauptet, es handele sich um die Grundlage des spirituellen Lebens. Wir nehmen die Existenz einer metaphysischen Entität als gegeben an, obwohl wir keinerlei Möglichkeiten haben, sie nachzuweisen. Da wir erkennen, dass es schwierig ist, eine Wissenschaft, insbesondere eine neue, zu definieren, dürfen wir nicht den Fehler machen, eine ideale Definition zu akzeptieren und dann zu versuchen, die Tatsachen mit dieser Definition in Übereinstimmung zu bringen. Deshalb sollten wir Psychologie eher beschreiben als definieren – nämlich als jenen Wissenschaftszweig, der die Phänomene des menschlichen Bewusstseins anhand physiologischer Methoden aus psychophysiologischer Perspektive erforscht. Denn wir haben es hier mit Daten zu tun, die nicht definiert werden können: nämlich mit dem Bewusstsein und seinen Phänomene.

Wenn wir die Phänomene richtig verstehen, können wir sie mit den Fachbegriffen »psychische« oder »bewusste Zustände« bezeichnen. Da allein Erfahrung solche Phänomene entdecken kann, ist der Versuch, sie zu beschreiben, wie sie sind, und ihre Zusammenhänge, die Art und Weise ihres Entstehens und ihres Miteinanderverbundenseins aufzuzeigen, Gegenstand unserer gegenwärtigen Untersuchung. Phänomene implizieren selbstverständlich, dass hinter ihnen ein Urgrund steckt. Daher können wir sie nicht erforschen, ohne die Existenz eines empfindenden Wesens vorauszusetzen, das »ego« oder »ich« sagen kann. Worin aber besteht nun dieses Ego?

Rein theoretisch sagen wir, dass es sich um die Seele handelt, doch es existiert und empfindet praktisch im Körper. Für den Menschen ist nun wiederum reiner Materialismus unmöglich, denn für ihn gibt es nur eine einzig reale Welt: die Welt des Denkens. Das Denken und der Gedanke erschaffen ihre eigenen Umgebungen. Der Mensch baut sich seine objektiven Verhältnisse aus der subjektiven Perspektive auf, sodass die Materie, ob sie nun aus dem pflanzlichen oder tierischen Bereich stammt, nach dem Abbild der Seele und durch die Seelenkraft der Person selbst geformt wird. Durch diese konstruktive Kraft der Erfahrung baut der Mensch für sich selbst seine personale Identität auf, wobei die Erinnerung an dieses Gleichsetzen von Sein mit einer Person das verbindende Glied in seinen sich stets verändernden Lebenserfahrungen bildet. Dies führt den Menschen zu der Schlussfolgerung, dass es innen ein Subjekt geben muss, das allen Phänomenen des Bewusstseins zugrunde liegt. In diesem Licht betrachtet der Mensch seine Erfahrungen als sein eigenen, seine Verantwortlichkeit als seine eigene und nicht als die eines anderen, empfindet diese Identität oder dieses Selbstsein als zu ihm gehörend und setzt sie von Tag zu Tag fort. Das Wort Geist oder Seele wird daher als gleichbedeutend mit dem Subjekt bewusster Phänomene verwendet. Wir bevorzugen das Wort Geist, weil es in gewissem Sinn von den mit dem Begriff Seele verbundenen Vorurteilen frei ist und keine besonders kompromittierenden Bezüge auf das soziale oder religiöse Leben hat. Demnach ist physiologische Psychologie eine Wissenschaft, die den menschlichen Geist aus der Perspektive seiner physischen und psychologischen Zusammenhänge erforscht.

Physiologie als Wissenschaft beschäftigt sich mit jenen Funktionen des Lebens, die wir im physischen Organismus verkörpert finden. In der Psychologie haben wir es dagegen mit den Phänomenen des Bewusstseins zu tun, wie sie in Verbindung mit dem Nervensystem und den körperlichen Bewegungen und Vorgängen auftreten. Daher müssen wir uns mit Relationen und Korrelationen befassen, die zwischen der Struktur und den Funktionen des Nervensystems und des Körpermechanismus sowie den Phänomenen des Bewusstseins bestehen. Das Nervensystem wird als Mechanismus betrachtet, der enge Beziehungen zum gesamten Körpersystem hat und es über diese Beziehungen steuert. Die Psychologie betrachtet die Physiologie des Nervenmechanismus in seinem Ursprung und seiner Struktur, bestehend aus materiellen Teilchen, die einer mit benachbarten Teilchen zusammenhängenden inneren Stimulation, aber auch einer mit externen Formen zusammenhängenden äußeren Stimulation unterworfen sind. Folglich konstituiert das Agieren und Interagieren der Moleküle die lebende Substanz und stellt bestimmte Beziehungen und Einflüsse dar – und zwar nicht nur physiologische Funktionen, sondern auch psychische Phänomene.

Was die Methode anbelangt, haben wir bereits festgestellt, dass sie zweifach sein muss. Beim Verbinden zweier Wissenschaften müssen beide wissenschaftlichen Methoden übernommen werden. Die einzige Methode, die sich in Bezug auf das Bewusstsein und dessen Phänomene anwenden lässt, ist Selbstbeobachtung. Beobachtung und Experiment stellen dagegen die geeignete physiologische Methode dar, um sich mit Struktur, Funktionen und Entwicklung zu befassen. Da es sich um zwei Reihen von Tatsachen handelt, müssen beide Methoden befolgt werden. Das einzig [brauchbare] wissenschaftliche Verfahren zum Aufbauen einer Wissenschaft setzt bei einzelnen Fakten an oder verwendet die induktive Methode. Daher müssen wir

(1) die mit dem Bewusstsein verbundenen Phänomene entdecken und erörtern,

(2) versuchen, sie in bestimmte Beziehungen und Zusammenhänge zu bringen, um die Gesetze herauszufinden, die das Hervorbringen von Phänomen steuern, und

(3) von den Phänomenen und den Prinzipien, die deren Beziehungen regeln, emporsteigen zum Wesen des denkenden Subjekts, das den Phänomenen zugrunde liegt.

Hier ist die Methode deshalb zweifach, weil es zwei Reihen von Phänomenen gibt und weil die Gesetze, die diese beiden Reihen bestimmen, verschiedener Ordnung sind oder zumindest im Physischen und im Psychischen unterschiedlich angewendet werden müssen. Die eine Ordnung unterliegt den Zwängen materieller Gegebenheiten, während die andere von einem freien Geist bestimmt ist. Nicht Beziehungen, sondern Wechselbeziehungen zwischen den beiden Ordnungen der Phänomene sind es, die wir hier herstellen müssen, indem wir sie zusammenbringen und enthüllen, worin das Geheimnis harmonischer Korrelation zwischen dem Physischen und dem Psychischen liegt. Gelingt uns das, dann haben wir eine psychophysische Basis, um den Geist darauf zu stützen, und einen psychophysischen Standpunkt, von dem aus wir sein Wesen, seinen Ursprung, seine Bestimmung sowie seine Ansprüche auf permanente Existenz erörtern können.

Da Wissenschaft aus Wissen besteht und eine wissenschaftliche Methode das rationalste Mittel zum Erwerben dieses Wissens ist, kann nichts geheim oder mysteriös bleiben. Juvenal sagte: »Aus dem Himmel erhielten wir das Gebot: Erkenne dich selbst!« Bewusstsein und bewusste Methoden werden vernünftig eingesetzt, um die grundlegenden Tatsachen bewussten Lebens zu finden, diese Tatsachen in ihre Faktoren aufzulösen, ihre Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen ebenso nachzuverfolgen wie ihre Zusammenhänge und dabei nie aus dem Auge zu verlieren, dass der Mensch eine lebendige Einheit darstellt. Der Mensch ist kein verkörperter Geist (spirit) oder ein geistloser Mechanismus materieller Teilchen. Die Methode der Introspektion ins Bewusstsein bedeutet, »in den eigenen Geist schauen«. Herbart hat gegen diese Methode eingewendet, dass beim Anschauen dieser Phänomene die Tatsachen aus ihren unverzichtbaren Zusammenhängen gerissen und zu Abstraktionen werden. Comte zufolge ist der Geist sowohl beobachtendes Subjekt als auch beobachtetes Objekt. Beides tendiert dazu, das jeweils andere aufzuheben, denn das Beobachten der eigenen Aktivität muss aufhören – und damit löscht man aus, was man beobachten möchte. Dabei wird jedoch vergessen, dass in der modernen Psychologie das Nervensystem die Bedingung und das Medium für mentale Aktivität darstellt, sodass wir beim Beobachten von Phänomenen beobachten, wie sich das mentale Leben selbst ausdrückt oder wie die mentalen Phänomene »sich auf die allgemeineren Offenbarungen des physischen Lebens aufpfropfen«. Selbstbeobachtung (Introspektion) führt einen Irrtum in die Beobachtung ein, doch dies ist bei allen Beobachtungen der Fall. Will ich meine Beobachtung auf eine Tatsache konzentrieren, muss ich diese aus ihren notwendigen Zusammenhängen herausholen und beobachte sie dann abstrahiert. Das gilt für jede Beobachtung.

Gehirn und Geist sind nicht genau identisch. Geistige Phänomene und das Gehirn, oder zumindest neuronale Veränderungen, können zwar korrelativ sein, ein Gedanke ist jedoch nicht erklärbar durch simples Analysieren des Gehirns oder der Nervenveränderungen, die ihn begleiten. Wir können Geisteszustände niemals in Gehirnzustände auflösen, so eng auch die Beziehungen zwischen ihnen sein mögen. Mit anderen Worten: Gehirnfunktionen können zwar mit geistigen Vorgängen korrespondieren, lassen sich aber nicht mit ihnen gleichsetzen. Wir finden also einen psychophysischen Parallelismus vor. »Mentales Leben ist eine Kette von Ereignissen, parallel zu einer Kette physischer Ereignisse.« Manche behaupten, die mentalen Phänomene seien zu kompliziert, um eine Parallele im neuronalen Mechanismus zu finden. Sofern dieser Parallelismus überhaupt irgendeinen Wert hat, muss er vollständig sein. Und er muss in der Entwicklung beider vollständig sein – vom Anfang bis zum Ende. Handelt es sich um psychische Prozesse, die nicht von physischen Prozessen abhängen oder korrelativ zu ihnen sind, dann gehören sie in den metaphysischen Bereich. Wir jedenfalls vertreten beim Betrachten des Geistes den Standpunkt, dass er eine physische Grundlage besitzt, weil es für uns ohne eine derartige Grundlage gar keine Bewusstseinsphänomene gäbe.

Psychophysiologie (1899)

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