Читать книгу Zorks Queste - Jonathan Turner E. - Страница 5
Kapitel 3: Wie Zork mit seiner Queste beauftragt wurde
ОглавлениеAm Mittag des nächsten Tages bekam Zork eine Audienz bei König Tallgood. Wieder wurde der Magus von den vier Palastwachen eskortiert, die ihn ohne Umwege in den Thronsaal brachten. Dabei trafen sie auf einen erstaunlich kooperativen Magier, der allerdings über starke Kopfschmerzen klagte und daher alle paar Meter stehen blieb, um sich an den Kopf zu fassen.
Der Thronsaal der Burg Immersommer war reichlich mit Blumen dekoriert worden, da der König ein absoluter Blumenfanatiker war. Daher war es auch nicht verwunderlich, dass vielerlei florale Duftnoten in der Luft lagen, was Zork in seiner Katerstimmung als nahezu unzumutbar empfand.
Das heilige Orakel, das ein paar Meilen südlich der Burg in einer blau erleuchteten Höhle hauste, hatte den König mit einer schwierigen Queste beauftragt. Diese wollte er ja bekannterweise an Magier Zork delegieren. Zu dieser Verkündung hatten sich viele Dorfbewohner sowie der komplette Hofstaat hier eingefunden. Alle waren mehr als nur neugierig. Die einen interessierte, was das wohl für eine Queste sein würde, die anderen wollten wissen, warum John Tallgood ausgerechnet Zork, von dem er bekanntermaßen keine allzu gute Meinung hatte, beauftragen wollte. Und die meisten freuten sich schon darauf, dass Zork in gewohnt respektloser Manier dem König mitteilen würde, dass sich dieser den Auftrag in seinen königlichen … Nun ja, führen wir das nicht weiter aus, in einer Chronik soll man zwar die Wahrheit schreiben, aber man muss dabei ja nicht gleich vulgär werden. Jedenfalls tauschte man sich im Thronsaal über diverse Mutmaßungen zu all diesen Dingen aus und die angeregten Gespräche sorgten für eine unruhige Atmosphäre.
Zork wurde auf dem roten Teppich entlang geführt, der direkt zum goldenen Thron führte. Dabei musste er beinahe permanent gestützt werden, damit er geradeaus laufen konnte und nicht umfiel. Er klagte nämlich nun auch noch, neben seinen Kopfschmerzen, über eine plötzlich auftretende Kreislaufschwäche. Dies kauften ihm die Wachen allerdings nicht ab und ein paar Schläge auf den Hinterkopf brachten den Magus dazu, wieder in einer geraden Linie gen König zu stapfen.
Der Thron, auf dem seine Königliche Hoheit auf den Magus wartete, war auf einem kleinen hölzernen Podest errichtet worden. Der erhöhte Stand ermöglichte seiner Hoheit einen guten Blick über seine Untertanen. König John Tallgood war genauso, wie man sich einen Märchenkönig vorstellte: Er war von großer Statur, trug einen braunen, sehr stilvoll gehaltenen Vollbart und sein Haupt zierte eine reichlich verschnörkelte goldene Krone mit großen Zacken. Als Kleidung trug er seine rote Robe. Saum und Kragen waren mit weißem, schwarz gepunktetem Hermelin besetzt. Unter seiner Robe trug er eine weiße Strumpfhose und schwarze Schleifenschuhe. Sein Zepter lag, sichtbar für alle Anwesenden, rechts neben dem Thron auf einem kleinen mahagonifarbenen Beistelltisch. Er spielte nervös mit seinem goldenen Reichsapfel herum, den er ab und an hochwarf und dann wieder auffing. Dabei ließ er seine Beine über eine der Lehnen baumeln. Ich muss zugeben: So wirkte er für das Auge eines kritischen Betrachters natürlich nicht mehr wie ein Märchenkönig.
Als Zork den König sah, zwang er sich ein Lächeln auf, mit dem er hoffte, sich irgendwie aus der Affäre ziehen zu können.
Der Berater des Königs brachte die Leute zur Ruhe, indem er Ruhe heischend die Hand hob. Sie gehorchten augenblicklich, da sie gespannt darauf waren, was nun geschehen würde.
„Na, also!“, begann der König und richtete sich auf. „Er hat Uns ja ganz schön warten lassen! Hat Er nun endlich seinen Rausch ausgeschlafen?“
Zork war zehn Schritte vor dem Thron von den Palastwachen angehalten worden. Zwei von ihnen hielten ihn jeweils an einer Schulter fest.
„Öh, wenn Ihr mich so fragt … Eigentlich nicht. Ich könnte ruhig noch ein wenig Schlaf gebrauchen. Dürfte ich heute Abend wiederkommen?“, fragte Zork ernsthaft und erntete darauf einen weiteren Schlag gegen den Hinterkopf von einer der Wachen.
Einige der Leute lachten ungeniert. Der Berater des Königs, der neben dem Thron stand, brachte sie mit einer Handbewegung zum Verstummen. „Wie könnt Ihr es wagen?“
„Wer – ich oder die?“, wollte Zork wissen. Er blickte irritiert drein.
„Das Orakel hat zu Uns gesprochen!“, sprach der König, Zorks unverschämte Bemerkung ignorierend.
„Wer?“ Zork versuchte sich stirnrunzelnd an das Orakel zu erinnern. „Etwa die alte Tante in den Bergen?“
„Ruhe!“, fuhr ihn der König ungehalten an und stand empört auf.
„Schämt Ihr Euch denn gar nicht, einfach so das heilige Orakel zu beleidigen?“ Der Berater drohte Zork mit der blanken Faust. Kurz darauf kassierte Zork von einer der Wachen einen erneuten Schlag gegen den Kopf.
Zork ächzte. Vielleicht sollte er das Spiel des Königs doch mitspielen. Das war zumindest für ihn weniger schmerzvoll. Er wollte versuchen, sich daran zu halten.
„Ist Er denn immerzu zu Scherzen aufgelegt?“, wollte der König vorwurfsvoll wissen und setzte sich wieder.
Zork machte den Mund auf und zu; es kamen aber keine Worte über seine Lippen.
„Nun …“ Der König richtete auffordernd seinen Blick auf seinen Berater. „Informiere Er den Magus über die ihm bevorstehende Aufgabe! Mein Abgesandter hat es ihm leider nicht mehr mitteilen können.“
„Er konnte es nicht mehr, Eure Majestät?“, wunderte sich der Berater.
Der König schnappte sich sein Zepter, schwang es in seine Richtung und winkte dann gelangweilt in Richtung Zork. „Weil der Magus ihn niederschlug, bevor er es kundtun konnte. Deshalb.“ Der König legte das Zepter wieder zurück auf den Beistelltisch.
„Ui, ui, ui!“, machte der Berater und schenkte Zork dann einen zornigen Blick. Der Magus interpretierte ihn allerdings als einen leicht dümmlichen Versuch, die Sachlage zu durchblicken. „Also!“ Der Berater schritt vor die Menschenmenge und hob den Arm. Totenstille herrschte, als er fortfuhr: „Das Orakel vom Berge sprach ‚Oh, König John Tallgood. Ihr seid es, der einen großen, heiligen Sieg im Namen der Gerechtigkeit erringen wird!‘“
„Toll, das ist echt prima!“, fiel ihm Zork ins Wort und streckte beide Daumen nach oben. „Da haben Eure Majestät ja ganz schön was vor sich.“
„Unterbrecht mich gefälligst nicht!“, brauste der Berater erbost auf.
„Moment!“, meinte der König und hob abwehrend die Hände. „Er hat das Beste ja noch gar nicht gehört!“
„Das Orakel verkündete seiner Hoheit“, fuhr der Berater mit einer dramatisch klingenden Stimme fort, „dass ein finsterer Dämon alles Leben auf der Erde bedroht.“
Die Leute begannen miteinander zu flüstern, rasch erfüllte ein Raunen den Raum. Ein Dämon bedrohte die Welt? Das war ja fast so schlimm wie damals die Drachenplage von anno 444, als einer der Feuerdrachen das Stadtarchiv niederbrannte.
Zork verdrehte seine Augen und stöhnte. „Und ausgerechnet an diesem Morgen muss ich so einen Auftrag bekommen …“
„Und dieser Dämon kann nur von einem heldenhaften Magier gebannt werden“, deklamierte der Berater mit theatralisch erhobenen Händen. Er hatte offenbar an seiner effektvollen Verkündung des Orakels Gefallen gefunden und war nun erst in Fahrt gekommen.
Das Getuschel der Leute verstummte wieder.
„Dieser Magier kann nur von seiner heiligsten Majestät auf Erden, König John Tallgood, auf eine Queste geschickt werden!“ Er machte eine dramatische Geste, bevor er hinzufügte: „Und von sonst niemandem! Niemandem! Nur König John Tallgood kann ihn losschicken! Hört ihr?“
„Es ist ja gut“, meinte der König und bedeutete seinem Berater fortzufahren.
„Äh … ja, entschuldigt bitte, Eure Majestät! Ich habe mich ein wenig hinreißen lassen“, meinte der Berater kleinlaut, verbeugte sich vor seinem König und fuhr weniger dramatisch fort: „Unser aller König ist natürlich besorgt um die Sicherheit des großen Magus, weshalb er in seiner unendlichen Weisheit und Güte …“
Der König hüstelte. „Er soll zum Punkt kommen!“
„Äh … ja … also … Also er hat euch alle herbestellt, weil wir noch Helden brauchen, die den Magus begleiten, und … äh … diese Helden sind vielleicht … nun ja … vielleicht unter euch Heldenanwärtern, die …“
„Ja! Ich! ICH!“ Ein muskulöser Barbar bahnte sich begeistert den Weg mitten durch die Menge bis vor das Podest. „Ich bin genau der Richtige für diesen Job!“ Der Barbar trug mehrere Felle, die er anscheinend einigen Bären und Wölfen gegen ihren Willen abgenommen hatte. Auf seinem Kopf thronte ein silberner, spitz zulaufender Helm, aus dem zwei weiße Hörner ragten. Unter dem Helm lugte schmutziges strohblondes Haar hervor. Etwas weiter unten saß sein schmutziges Gesicht, auf dessen beiden Wangen mehrere Narben Geschichten von harten Schlachten erzählten. Seine Füße steckten in zwei dicken Fellstiefeln, die eine braun-schwarze Farbe aufwiesen, und auf dem Rücken trug er eine große Breitaxt.
„Oh, das ging aber schnell“, freute sich der Berater und grinste breit.
„Wer ist Er?“, wollte der König wissen, dem es ebenso gefiel, dass sich die Queste so gut anließ.
„Mein Name ist Björn Lars Donnerschlag, Herr!“ Er verbeugte sich kurz, aber tief vor dem König, bevor er fortfuhr: „Ich komme vom Stamm der Nordlandbarbaren und werde Euch und dem Magus helfen. Mein Gott, der rachsüchtige Ugnurr, auch genannt der übellaunige Zerschmetterer, wird uns schützen … falls er gut drauf sein sollte. Da könnt Ihr Euch sicher sein! Wenn nicht …“, er zuckte gleichgültig mit den Achseln, „… bringt er uns eben alle um!“
Einige der anwesenden Dorfbewohner klatschten wegen des mutigen Auftretens des Barbaren Beifall. Die Leute erfreuten sich an dem Spektakel, dass die Queste mit sich brachte.
„Und? Was haltet Ihr von ihm?“, wollte der Berater des Königs von dem König wissen.
„Wir?“ John Tallgood schaute verwundert drein. „Wieso Wir? Er ist doch der Berater! Wir wollten gerade Ihm diese Frage stellen!“
„Öh … äh… ja …“, stammelte der ratlose Berater des Königs. „Hmm …“ Er schaute sich den Barbaren von oben bis unten an, während dieser vor den Anwesenden einige Posen machte, um seine Stärke zu demonstrieren, und dabei ordentlich die Muskeln tanzen ließ. „Ja, ich empfehle, ihn zu nehmen!“, meinte er schließlich und nickte entschlossen.
„Ja, Wir schließen uns Seiner Meinung an“, erwiderte der König gut gelaunt und nickte dem Barbaren zu, der einen Freudenschrei ausstieß.
„Aaahhhhhh!“, stöhnte Zork und hielt sich wieder den Kopf. „Nicht so laut! Um Himmels Willen, nicht so laut!“
Der Barbar sah den Magier verständnislos an, zuckte dann aber gleichgültig mit den Schultern und stellte sich einige Meter neben dem Podest des Beraters auf. Er verschränkte in freudiger Erwartung einer Queste die Arme. Ruhm und Ehre sollte sie ihm bringen sowie einen ganzen Sack voller Gold.
Der Berater hob einen Finger und blickte sich in der Menge der Leute um. „Einen Begleiter für den mächtigen Magier haben wir bereits gefunden. Ihr habt es selbst gesehen! Wer traut sich noch, sich auf diese Queste ohne Wieder… äh … diese heilige Queste voller Ruhm, Ehre und möglicherweise auch Reichtum zu begeben?“
„Hier!“ Ein Ritter in einer prachtvoll verzierten Rüstung trat näher. „Mein Name ist Clive Richwell und meines Zeichens bin ich Paladin seiner Hoheit. Selbstverständlich werde ich mit all meiner Kraft und meiner Voraussicht dem Magus während seiner Queste beistehen!“ Der brünette Ritter zog sein Schwert, kniete vor dem König nieder und reichte es ihm dar.
Der König starrte verständnislos auf das Schwert. „Was soll das?“, verlangte er von seinem Berater zu wissen.
„Ähh … öööhhh …“ Dieser kratzte sich unsicher am Kopf und meinte schließlich mit ausgestreckten Armen: „Ja, ich weiß ja auch nicht!“
Paladin Clive Richwell hob den Kopf, da die anwesenden Personen nichts mit seiner Geste anzufangen wussten, und erklärte: „Eine Ehrerbietung, Eure Hoheit! Küsst bitte das Schwert und ich werde es wieder an mich nehmen. Damit ist es von Euch gesegnet, sodass ich unbesiegbar werde und all Eure Feinde erschlagen kann!“
„Das wollte ich auch gerade sagen“, behauptete der Berater.
„Flunkere Er nicht in Unserer Gegenwart!“, ermahnte ihn König Tallgood mit einem warnenden Seitenblick, woraufhin der Berater sofort demütig den Kopf senkte und sich für sein Nichtwissen in Grund und Boden schämte.
König John Tallgood lehnte sich nach vorn und küsste das Schwert, das der Paladin danach triumphierend nach oben hielt, bevor er es wieder in die Scheide steckte.
Die Menge klatschte Beifall, während der Paladin einen Platz neben dem Barbaren einnahm.
„Ich wäre dann wohl der Nächste in der Gruppe!“, rief einer aus der Menge der Dorfbewohner heraus.
Der König sah sich suchend um. „Wo ist Er? Trete Er vor uns!“
„Gerne, gerne!“, rief die helle Stimme des Jemands.
Noch immer war niemand zu sehen. Die Dorfbewohner blickten ratlos einander an. Dann bahnte sich, sein Bogen voraus, ein hagerer, drahtiger Elf den Weg durch die Menge. Er trug dunkelgrüne, eng anliegende Kleidung sowie braune, ebenso eng anliegende Hosen. Seine Füße steckten in eleganten Stiefeln – beinahe solche, wie Damen sie gern trugen – und sein Haupt war mit einem schief sitzenden grünen Hut bedeckt. Mit Mühe schaffte er es endlich, sich durch die dicht beieinanderstehende Masse zu kämpfen. „Mein Name ist Darius. Ich bin ein Elf …“
„Das sehe ich auch!“, unterbrach ihn der Berater schnippisch.
Darius ging auf diese Bemerkung nicht ein, dazu war er zu frohsinnig, und fuhr fort: „… und komme aus der Kommune der Elfen vom Silberwald. Lieber König, liebe Mitmenschen, gerne will ich meine Fähigkeiten mit meinem Bogen für Euch unter Beweis stellen!“ Er drehte sich einmal im Kreis, damit ihn die Anwesenden begutachten konnten.
Der Berater musterte ihn nachdenklich, dann drehte er sich zu seinem König um und schüttelte den Kopf. „Nee, der hatte ja schon Mühe, sich durch all die Leute zu kämpfen. Der ist bestimmt nicht geeignet für Eure Queste.“
„Warten wir es mal ab!“ Der König stand wieder auf und rief nach einem Apfel. Einer seiner Bediensteten brachte ihm umgehend eine Obstschale, aus der König Tallgood einen Apfel fischte und auf den Kopf des Beraters legte, der schon protestieren wollte, es sich aber im letzten Moment anders überlegte. Ängstliche Blicke warf er in die Höhe, wo der Apfel auf seinem Haupte thronte. „Aber, König … äh … Eure Majestät …“
„Sei Er still!“ John Tallgood nickte dem Elfen zu. „So, Elf Darius, nun kann Er uns zeigen, dass Er für diese Queste etwas taugt.“ Er streckte die Hand aus und fuhr dann fort: „Gehe Er in die hinterste Ecke des Raumes und schieße Er diesen Apfel vom Kopf Unseres Beraters! Wenn das, was Wir von euch Elfen hörten, wahr ist, wird Er damit wohl keine Probleme haben.“
„Aber Sire!“, versuchte der Berater erschrocken zu protestieren.
„Was denn?“, wollte der König ungehalten wissen und verdrehte die Augen.
„Was ist, wenn er mit dem Pfeil nicht den Apfel, sondern … etwas unterhalb trifft?“ Angstschweiß rann dem Berater das Gesicht herunter und er zitterte wie Espenlaub.
„Was solle dann Seiner Meinung nach geschehen?“, hakte der König neugierig und ein klein wenig ironisch nach.
„Ja … äh … ich weiß ja auch nicht“, erwiderte der Berater, der sich nichts gegen den Befehl des Königs zu sagen traute.
„Na, also!“, meinte der König befriedigt. „Da haben wir’s doch. Es würde ja sowieso keinen Unterschied machen, ob er nun den Apfel trifft oder Seinen Kopf.“
„Doch …“, widersprach der Berater zögerlich. „Ich … ich … äh … ich glaube, ich würde den Unterschied … äh … merken.“
„Ruhe!“, befahl der König streng. „Schweige Er! Würde Er nicht! Er wäre ja dann tot!“ Dann sah er zu dem Elfen. Das heißt, er wollte zu ihm sehen, aber das Bürschlein war verschwunden. „Nanu? Wo ist er hin?“
„Dort hinten, Eure Majestät!“, informierte ihn der Paladin pflichtbewusst und deutete in die besagte Richtung.
Der König schaute angestrengt zum hinteren Ende des Thronsaals. Der Elf schien auf diese Entfernung nur noch ein kleiner Junge zu sein. „Wunderbar!“, rief er erfreut aus. „Wenn Er von dort aus trifft, soll Er den Magus bei seiner Queste begleiten!“
„Oh, oh, oh!“, fürchtete sich der Berater und fuhr fort, wie Espenlaub zu zittern. Der Apfel auf seinem Haupt tanzte hin und her.
„Stehe Er gefälligst still!“, forderte ihn John Tallgood auf.
„Ich versuche es ja“, beteuerte der Berater. Als der Apfel ihm vom Kopf purzelte, fing er ihn auf und setzte ihn sich selbst wieder geschwind auf den Kopf.
„Na, da bin ich aber mal gespannt“, meinte nun auch Zork, der diesem weibischen Elfen solch einen professionellen Umgang mit dem Bogen nicht zutraute. Der König würde wohl die längste Zeit einen Berater gehabt haben, vermutete er.
Auf einmal ging ein Raunen durch die Menge und Zork hörte ein leises ‚Fschwischhhh‘, das von dem abgeschossenen Pfeil stammte. Im nächsten Moment schlug der Pfeil in dem Apfel auf dem Kopf des Beraters ein und dieser sank ohnmächtig zu Boden. Die Aufregung war einfach zu viel für ihn gewesen.
Das Publikum tuschelte aufgebracht, da zunächst vermutet wurde, dass der Elf doch den Kopf des Beraters getroffen hatte. Als aber der Paladin zu dem Berater eilte und den getroffenen Apfel allen zeigte, erschallten laute ‚Er lebe Hoch!‘-Rufe.
„Komme Er zu Uns!“, forderte König John Tallgood den Elfen wohlgemut auf. „Er hat wahrhaftig bewiesen, dass Er sich in die Gruppe des Magiers einreihen kann!“
„Vielen Dank! Vielen Dank!“, rief der Elf, als er zum Thron des Königs gespurtet kam und demütig vor ihm niederkniete. „Endlich erfahre ich, ob Euer Orakel dasselbe herausgefunden hat wie unser Dorfschamane.“
„Ja, warum nicht?“, antwortete der König wohlwollend, aber völlig gleichgültig ob der Bemerkung des Elfen. Es interessierte ihn nicht im Geringsten, was die Elfen über den Dämon, der alles Leben auf der Welt bedrohte, herausgefunden hatten.
Dann blickte König John Tallgood in die Menschenmenge, um endlich den Aufbruch der Heldengemeinschaft zu verkünden. Just in diesem Moment wurde er des werten Chronisten dieser Heldenschrift gewahr und zitierte ihn zu sich. „Mönch, wie ist Euer Name?“
„Clavius Berrywell, Sire!“, antwortete ich demütig, kniete vor ihm nieder und pries ihn im Namen Gottes.
„Ja, ja, gut und schön!“, bemerkte der König folgerichtig. „Wir haben auch eine Aufgabe für Ihn. Ist Er bereit, sie anzunehmen?“
„Selbstverständlich!“
„Kann Er schreiben?“
„Selbstverständlich!“
„Macht Er es umsonst?“
„Selbstverständlich!“
„Dann hat Er den Auftrag, diese Queste in einer Chronik zu dokumentieren! Mache Er ein wunderbares Werk daraus!“, verkündete der König und ich jubelte laut und sprang vor Freude in die Höhe, was mir allerdings einen vernichtenden Blick des Magiers einbrachte.
Nun war Zork an der Reihe. Dieser hatte sich mittlerweile auf den Boden gesetzt. Der König schielte nach seinem Berater, der sich, den Kopf haltend, wieder aufrichtete.
„Ich lebe noch! Ich lebe noch!“, verkündete der Berater, gleichzeitig verwundert und fröhlich über diese Tatsache.
„Schweige Er!“, befahl der König unwirsch. „Sonst lebt Er doch nicht mehr lange!“
Der Berater legte den Zeigefinger auf seine Lippen und freute sich dann im Stillen weiter, dass er noch am Leben war.
Der König wandte sich nun Zork zu. „Magus!“
„Oh je!“, stieß Zork aus.
Die Wachen richteten Zork auf, damit er von Angesicht zu Angesicht mit dem König sprechen konnte.
„Zork!“ Der König stand wieder auf, nahm sein Zepter in die Hand und zeigte damit auf den Magier. „Ihr habt nun offiziell von Uns den Auftrag erhalten, Jagd auf diesen Dämon zu machen, der die gesamte Welt und damit die freie Menschheit bedroht, und ihn für Uns und das Orakel zu vernichten! Ist das klar?“
Zork versuchte, eine Ausrede hervorzubringen, scheiterte aber schon im Ansatz. „Das soll doch wohl ein schlechter Witz sein?“
„Halt dein Maul!“, fuhr ihn der Berater des Königs an.
„Da ist man einmal im Jahr betrunken …“, jammerte Zork und verschränkte gekränkt die Arme.
„Einmal im Jahr ist Er mal nüchtern!“, korrigierte ihn der Berater bissig. „So herum trifft es die Wahrheit wohl eher!“
Zork spuckte verächtlich auf den Boden.
„So eine Unverschämtheit!“, fuhr der König auf.
Zork, der sah, dass er zu weit gegangen war, entschuldigte sich sofort: „Ich hatte da etwas Unangenehmes im Mundwinkel.“
Die Wachen hinter ihm klatschten ihm links und rechts eine für sein Benehmen. John Tallgood bedeutete der Wache, Zork zu Boden gehen zu lassen, was diese auch prompt in die Tat umsetzte. Zork wurde wieder auf seine Knie geworfen.
Der König hopste mit dem Zepter in Händen von seinem Podest herunter und beugte sich über den niedergeschlagenen Magus. „Höre Er uns gut zu! Sperre Er Seine Lauscher gut auf!“
„Ja … mach ich ja schon!“, erwiderte Zork genötigt und spürte den unangenehm riechenden Atem des Königs, der vorher anscheinend einen würzigen Ziegenkäse genossen hatte. Der Magus versuchte krampfhaft, nicht zu atmen, und verzog angewidert das Gesicht.
„Töte Er diesen Dämon! Wir haben dafür noch einige Informationen für Ihn. Der Dämon selbst nennt sich …“ Der König drehte sich halb um und blickte seinen Berater auffordernd an, doch dieser war so ratlos wie eh und je. Der König legte mehr Nachdruck in das Fragende seines Blickes.
Der Berater verstand noch immer nicht. „Was?“
„Der Name!“, half ihm der König.
Der Berater ging zum Rand des Podests und streckte in einer hilflosen Geste die Arme aus. „Wessen?“
„Des Dämons!“
„Des Dämons?“
„Ja! Wie heißt der Dämon?!“
„Das weiß ich doch nicht!“ Der Berater wiederholte die hilflose Geste.
„Aber Ihr seid der Berater! Ihr müsst es doch wissen!“, herrschte ihn der König an.
„Nein … ich …Nein wirklich, ich weiß es nicht“, entschuldigte sich der Berater.
„Oh je!“ Der König bedeckte sein Gesicht mit einer Hand, dann wandte er sich wieder an Zork. „Ah! Jetzt hab’ ich’s wieder. Also! Höre Er gut zu!“
„Ja, mach ich doch schon, Mann!“
Zork bekam von den beiden Wachen links und rechts erneut eine verpasst.
„Aua! Lasst den Quatsch!“, protestierte er.
„Der Dämon“, sprach der König laut und kontrollierte, dass alle Anwesenden im Thronsaal bedächtig seinen Worten lauschten, „nennt sich selbst der Erniedriger der Menschheit!“
Erneut ging ein Raunen durch die Menge.
„Und?“, wollte Zork gelangweilt wissen.
Der König senkte sein Gesicht, bis er es wieder auf wenige Zentimeter dem von Zork genähert hatte. Er zog eine Augenbraue nach oben. „Er hat viele Namen, unter denen er unter uns wandelt: Satan, Leviathan, Luzifer, Mammon, Asmodus, Beelzebub, Belphegor … Von einigen wenigen wird er auch einfach nur … Rüdiger genannt!“
„Rüdiger?“, hakte Zork verblüfft nach. „Welcher Dämon trägt so einen bescheuerten Namen?“
„Hey!“, schrie der Berater des Königs. „Ich heiße so!“
Der Hofstaat und die einfachen Leute lachten auf.
„Ruhe!“, schimpfte Rüdiger.
„Da haben wir ihn!“ Zork grinste verschmitzt. „Erledigen wir ihn und ich habe meine Queste bereits erfüllt.“
„Höre Er auf, so einen Unfug in unserer Gegenwart zu verzapfen!“, schimpfte der König und schwenkte drohend sein Zepter. „Rüdiger hier könnte niemals der dunkle Herrscher sein!“
„Genial gekontert!“, pflichtete ihm Rüdiger, der ratlose Berater des Königs, speichelleckerisch bei und schenkte einigen Leuten, die ihn verschämt angrinsten, seinen finstersten Blick.
„Ach, du liebes Lieschen!“, pfiff Zork belustigt.
„Also!“, fuhr John Tallgood fort. „Unser Berater wird Ihm eine Abschrift der Vision des Orakels mitgeben, in der alles Notwendige zu finden sein wird. Lese Er sie also gut durch, dann weiß Er, was Ihn und Seinen Tross erwartet!“
Rüdiger überreichte dem Magus, mit einem strafenden Blick für die vorhergehende Bemerkung, die von seinem Herrn benannte Schriftrolle, während Zork ihm ein mitleidiges Lächeln schenkte. Niemand hatte solch einen Namen verdient, nicht einmal er.
Währenddessen schlich heimlich im Hintergrund, mitten in der Menge der Leute, ein Dieb herum. Er sondierte die Lage und beklaute den ein oder anderen Anwesenden. Hier und dort schnitt er einige Geldbeutel ab. Als er feststellte, dass eine der Palastwachen ein besonders prall gefülltes Säckchen bei sich trug, quetschte er sich unbemerkt durch das Gedränge und schlich sich hinter diese Person.
Der Dieb trug einen langen grauschwarzen Mantel mit einer großen Kapuze, die sein Haupt verdeckte. Im Dunkeln war er wohl beinahe unsichtbar für seine Opfer. Mitten im hell beleuchteten Königspalast fiel er aber einer anderen Palastwache auf wie ein bunter Hund.
„Aha! Hab’ ich dich, Kerl!“ Die Palastwache packte den Dieb am Kragen und stieß ihn unsanft nach vorn, sodass er neben Zork zu Fall kam.
„Na, du arme Sau?“, flüsterte dieser ihm zu.
Gequält sah der Dieb zu dem Magus auf. Der Chronist dieser Zeilen sah den armen Kerl schon auf dem Schafott enden.
„Was macht Er da?“, wollte der König wissen.
„Ich?“ Der Dieb sah sich unschuldig um. „Ich mache hier gar nichts. Ich sehe mich nur um und höre Eurer erlauchten Rede zu.“
„Wie heißt Er?“, verlangte der König in einem Plauderton zu wissen, der den Dieb verwirrte.
„Äh … Cody … einfach nur Cody, Herr.“ Der Dieb deutete eine leichte Verbeugung an.
„Verscheißere Er uns nicht!“, fuhr ihn der König ungehalten an. Einige Tropfen Speichel flogen in seine Richtung, was Cody mit einem angewiderten „Uähh!“ bedachte.
Plötzlich schien dem König ein fröhlicher Gedanke zu kommen, denn seine Laune verbesserte sich schlagartig und er säuselte, als er sich dem Dieb näherte: „Möchte der Dieb namens Cody Magus Zork bei seiner Queste begleiten oder sucht Er lieber den kalten Stahl des Scharfrichters?“ John Tallgood hob belustigt die Augenbrauen und zwinkerte ihm zu.
Der Scharfrichter, welcher zufälligerweise mitsamt seiner Axt und in voller Montur im Thronsaal anwesend war, bekam leuchtende Augen. Endlich bestand mal wieder die Aussicht auf eine Aufgabe für ihn, was in diesem friedvollen Lande eine Seltenheit war, sodass er sich schier zu Tode langweilte.
Cody starrte mit offenem Mund den Scharfrichter an; der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Die Queste! Die Queste!“, platzte es flehentlich aus ihm heraus. „Eure flammende Rede hat meinen Geist inspiriert!“
„Ja?“, hakte John Tallgood nach.
„Und …“
„Und?“
Cody hoffte, dass ihm etwas halbwegs Plausibles einfiel. „ … und ich bin ja vom Pfad der Tugend abgekommen, auf den ich problemlos wieder zurückfinden werde, wenn ich den edlen Magus bei seiner Queste unterstütze!“
„Hervorragend herausgeredet!“, fachsimpelte der Berater des Königs.
„In der Tat“, bestätigte der König großzügig.
Cody, der Dieb, grinste selbstzufrieden und rieb sich die Hände. „Du Sack!“, sprach er leise.
Der König hatte diese Äußerung aber sehr wohl vernommen. „Wie bitte? Was sagt Er da?“ Aufgebracht stemmte er die Hände in die Seite und beugte sich anklagend nach vorn.
Die Wache hinter dem Dieb verpasste diesem eins mit ihrer Lanze.
„Was war das?“, verlangte der König abermals von Cody zu wissen.
Ein entsetztes Raunen ging durch die Menge des Hofstaates. Wie konnte der Dieb nur eine Majestätsbeleidigung wagen und sich um Kopf und Kragen reden, nachdem er es doch tatsächlich geschafft hatte, sich aus der Angelegenheit mit minimaler Strafe herauszuschlawinern?
„Äh … äh … du … Ihr … äh …“, begann Cody mehr als nur lahm. „… äh … Ihr sakrale Leuchtgestalt … äh … Hellig… äh … Heiligkeit! Äh … äh …“, grübelte der Dieb weiter, während ihn der König aufmerksam musterte. Cody war klar, dass die nächsten Worte, die seine Lippen verließen, über Leben und Tod entscheiden sollten. „Ihr seid so gut … äh … weil Ihr mir eine Chance gebt … und so …“ Der Dieb gestikulierte wild herum und hopste nur so von einem Wort zum anderen, stets in der verzweifelten Hoffnung, dass er seinen Satz zu einem sinnvollen Ende führen konnte. „Deshalb seid Ihr sakral! Heilig!“
„Oh!“, machte der König, angenehm überrascht. „Na, dann ist es ja gut! Ihr habt sehr gut das Offensichtliche erkannt!“
„Boah!“, staunte der Berater und nickte Cody anerkennend zu. „Er hat gerade noch so die Kurve gekriegt.“
„Boah!“, staunte der Hofstaat. Einige klatschten sogar Beifall aufgrund der Redegewandtheit des Diebes.
„Pass auf!“, fuhr die Wache hinter Cody ihn an. „Pass in Zukunft gut auf, was du sagst, du Hund!“
„Das müsst Ihr mir nicht zweimal sagen!“ Cody wischte sich den Angstschweiß von der Stirn. Von nun an beschloss er, seinen vorlauten Mund zu halten, bis er wieder auf freiem Fuß war.
König John Tallgood setzte sich wieder auf seinen Thron und winkte den Paladin zu sich. „Komme Er zu uns, Sir Richwell!“
„Ja, mein Herr!“, gehorchte dieser prompt und kniete in freudiger Erwartung vor ihm nieder.
Der König überreichte ihm drei Goldsäckchen mit den Worten: „Diese sind für die Queste, damit Zork sie auch erfüllen kann. Mit ihnen kann Er sich Waffen, Vorräte und Informationen kaufen. Und nun dankt alle Eurem gutmütigen König!“
„Wir danken unserem gutmütigen König!“, wiederholte der gesamte Hofstaat außer Zork, der genervt die Augen verdrehte.
Während der gesamten Proklamation des Königs bemerkte niemand der Anwesenden, dass ein großer schwarzer Rabe mit einem verschlagenen Gesichtsausdruck auf einem Fenstersims lauschte. Ab und an quälte er einen Wurm, den er in seinen Krallen vor sich gefangen hielt, und verschlang ihn schließlich ganz, als der König mit seiner Rede geendet hatte.
„Das wird meinem dunklen Herrn überhaupt nicht gefallen!“, krächzte er in seiner Rabensprache, drehte sich herum, flatterte davon und flog über die Lande von König Tallgood hinweg zur Trutzburg des Dämons.
Auch unsere Gemeinschaft brach auf und verließ den Thronsaal, begleitet vom Jubel der Menge.
„Sehet, dies ist ein denkwürdiger Augenblick in unserem Leben!“, rief ich vor den Türen des Thronsaals, beschwingt von der Aufregung eines Abenteuers.
„Bah!“, machte Zork übellaunig und winkte ab.
Paladin Clive Richwell trat zu mir heran und klopfte mir wohlwollend auf die Schulter. „Wie recht Er hat! Auf zu großen Taten! Auf zu Ruhm und Ehre! Auf, das Böse zu vernichten!“ Er zog resolut sein Schwert und streckte es gen Himmel. „Mein Schwert werde ich für Euch ziehen!“, gelobte er Zork.
„Mein Bogen wird sich für Euch spannen!“, versprach jetzt Darius, der Elf, der ebenso das Feuer des Abenteuers spürte.
Der Barbar grinste in die Runde. Jetzt endlich geschah etwas. „Meine Axt, Brunhilde, wird in Eurem Namen Schädel spalten!“ Er wirbelte mit der Axt herum, sodass es einigen nahestehenden Wachen angst und bange wurde.
Auch der Dieb schaute fröhlich in die Runde. Selbst ihn hatte diese motivierende Atmosphäre gepackt. „Meine Dolchklinge werde ich für Euch und meinen Säckel anderen heimlich in den Rücken jagen!“
Nun sah sich auch der Chronist dieser Zeilen dazu veranlasst, dem Magus ein ähnlich geartetes Versprechen zu geben. Dabei hielt ich ein offenes Buch in der linken Hand und die andere hoch erhoben, so glich ich einem Mahnmal der Ernsthaftigkeit. „Meine Feder wird Eure Taten aufschreiben, die man später in Liedern besingen wird!“
Zork winkte hektisch ab und schaute sich peinlich berührt um. „Psst! Geht weg! Wenn mich jemand zusammen mit euch Spinnern sieht …“
Der geneigte Leser, der sich diese Chronik des heldenhaften Magiers Zork zu Gemüte führt, dürfte über die Aussage des Magus doch ein wenig verwundert sein. Der Chronist dieser zauberhaften Zeilen kann da für Aufklärung sorgen und die Sachlage dem werten Leser etwas näher erläutern. Zork hatte für seine Aussage nämlich einen triftigen Grund:
Die Zeiten der großen Questen, bei denen eine ganze Schar tapferer Krieger loszog, um beispielsweise eine Prinzessin zu befreien oder einen Drachen zu bezwingen, oder, in einigen äußerst seltenen Fällen, sogar einen hübschen Drachen aus den Fängen einer hässlichen Prinzessin zu retten, waren längst vorbei. In ganz wenigen Flecken der Erde gab es überhaupt noch Monster und um die Dämonen kümmerte sich bekanntlich die allmächtige heilige Kirche in Rom, welche auch für eine beispielslose Aufklärung in diesen ach so schwierigen und finsteren Zeiten sorgte. So hatte sie zum Beispiel das hochmoderne Weltbild der flachen Scheibe verbreitet, welches überall auf breite Zustimmung stieß.
So war es also auch nicht weiter verwunderlich, dass der große Magus um seinen Ruf besorgt erschien, da nur Trunkenbolde und Aufschneider damit prahlten, sich auf einer Queste zu befinden. Auch wenn viele Menschen Zork für einen Trunkenbold hielten, muss der werte Chronist dieser Zeilen eine Lanze für ihn brechen. Alkohol benutzten die Magier häufig, um ihren Manavorrat, also ihre Zauberkraft, wieder aufzufüllen, sofern ihnen keine Manafläschchen zur Verfügung standen. Auch wenn Zork, sorgsam, wie er nun einmal war, immer solche Flaschen in ausreichenden Mengen mit sich führte, ging er doch sehr sparsam damit um, er, dem die Sünde der Verschwendung fremd war. Das war äußerst löblich. Doch genug davon! Ich schweife ab …
Von uns allen unbemerkt, spielten sich im Thronsaal – während unseres Treueschwurs – äußerst merkwürdige Dinge ab, die Zork nicht gutgeheißen oder zumindest für äußerst zweifelhaft befunden hätte. Wir übrigen Mitglieder des Bundes rund um den großen Magus ebenso. Ich erfuhr jedoch erst viel später aus gut unterrichteter Quelle von den Ereignissen.
„Und?“ König John Tallgood wartete gespannt auf seinem Thron sitzend. Eine kleine Schar eingeweihter Personen hielt mit dem König die Luft an. Alle starrten zum Berater des Königs, der – das Ohr ans Holz gepresst – lauschend an der Tür stand.
„Und?“, drängte der König.
„Ich höre Stimmen … ja … sie sind es. Sie schwören sich Treue. Wartet! … Jetzt! … Ja, jetzt brechen sie auf!“
„Wirklich?“ Der König krallte sich gespannt in die Lehnen.
„Ja, sie gehen!“, bestätigte der Berater seine Vermutung. „Sie sind endlich fort! Juchhu!“
„Ja! Ja! Ja!“, freute sich der König lautstark und die Eingeweihten durften nun auch endlich mit seiner Hoheit jubeln. „Mein genialer Plan ist endlich geglückt!“
„Geniale Strategie, Sire!“, lobte der Berater seinen König, als er wieder neben ihm stand.
„Ich habe so lange gebraucht, bis ich es wahr machen konnte … so lange …“ John Tallgood wischte sich eine Freudenträne aus dem Auge, dann atmete er erleichtert auf. „Puh! Endlich sind Wir diesen Zork los und haben Ruhe vor diesem betrunkenen Wrack, das hier ständig nur für Aufruhr gesorgt hatte!“
„Genialer Einfall, Eure Majestät!“, pflichtete ihm der Berater bei. „Und denkt nur, dass Ihr ansonsten noch die Ausnüchterungszelle hättet renovieren lassen müssen! Was Euch all die teuren Zaubersprüche dafür gekostet hätten!“
„Ja, das Geld haben Wir uns gespart!“ Aus Freude über seinen aufgegangenen Plan, tanzte der König ausgelassen vor dem Thron. Die Eingeweihten aus seinem Hofstaat schwangen ebenso das Tanzbein.
Der Berater ging zu seinem König und blieb nachdenklich neben dem Thron stehen. Er runzelte die Stirn.
„Was?“ Der König hörte mit dem Tanzen auf. „Was ist mit Ihm los?“
„Von dieser Queste gibt es ganz sicher kein Zurückkommen mehr?“, hinterfragte der Berater.
Der König machte eine verneinende Geste und tanzte auf der Stelle. „Nein, ganz ausgeschlossen! Nicht einmal ein talentierter Magier könnte das Monster besiegen. Es ist ja immerhin der Erzdämon!“
„Der Dieb kann uns ja gestohlen bleiben, aber … Schade um den Paladin“, fand der ratlose Berater, der gelegentlich als das Gewissen des Königs fungierte. Das war eine Funktion, die er eben wieder entdeckt zu haben schien.
Der König hörte nun gänzlich mit dem Tanzen auf und ließ sich auf seinen Thron plumpsen. Ernüchterung machte sich in ihm breit. Er winkte ab. „Ach, der hat die letzten Jahre in Unserem Dienste auch nichts mehr großartig gerissen.“ John Tallgood spuckte nun gelangweilt in seinen Spucknapf, der rechts neben dem Thron auf dem Boden stand.
„Und der heilige Bruder?“, hakte sein Berater hartnäckig nach. „Was ist mit ihm?“
„Wer?“ Der König hob verwirrt den Kopf.
„Der Mönch!“, erläuterte Rüdiger. „Den Ihr als Chronist mit Zork auf die Reise geschickt habt!“
„Ach, der!“, erinnerte sich John Tallgood müde und zuckte gleichgültig mit den Achseln. „Diese Kerlchen gibt es wie Sand am Meer. Wenn er schlau ist, haut er sowieso bei der nächsten sich ihm bietenden Gelegenheit ab.“ Er spielte mit seiner Krone etwas herum und fügte dem Vorangegangenen noch hinzu: „Wenn er weiß, was gut für seine Gesundheit ist!“
„Und der Elf?“
„Höre Er damit auf, über die Schicksale der einzelnen Helden zu spekulieren!“, warnte ihn John Tallgood.
Es entstand eine kurze Pause.
„Und ist die Prophezeiung wirklich wahr?“, hakte der Berater trotz der unterschwelligen Warnung weiter nach.
Der König kicherte. „Die eine schon.“
„Die eine … ? Ach so! Ja, klar, die echte Weissagung. Ja, aber ist sie wahr?“
„Was sollen alle diese Fragen denn?“, wollte der König wissen. Ihm ging Rüdiger so langsam aber sicher auf die Nerven. Vor allem, da er nicht wusste, worauf dieser eigentlich hinaus wollte. Wahrscheinlich wusste das sein Berater selbst nicht. „Natürlich ist die Weissagung wahr!“
„Aber dann geht die Welt doch unter!“, rief Rüdiger, erfüllt von lauter Furcht.
Der König winkte gelangweilt ab. „Ach, was! Wir befinden uns hier im friedlichsten Königreich im hinterletzten Eck dieser Welt. Wahrscheinlich wird der Dämon nie hier auftauchen. Und wenn doch, opfern Wir ihm einfach ein paar Bauern oder Jungfrauen und dann ist er Uns wieder friedlich gestimmt. Man muss sich nur bei ihm einschleimen.“
„Puh!“, atmete Rüdiger auf. „Und ich habe schon gedacht, die Welt wird untergehen.“
„Aber nicht doch“, meinte John Tallgood.
„Eine geniale Strategie habt Ihr Euch da ausgedacht!“, lobte ihn der Berater abermals. „Das habt Ihr wirklich alles sorgfältig bedacht und grandios umgesetzt! Das hätte ich nicht besser machen können!“
„Schleimer!“, rief plötzlich einer aus der Gruppe der Eingeweihten. Es kam nie heraus, wer das gesagt hatte.