Читать книгу Der Bienenleser - José Luis de Juan - Страница 13

6

Оглавление

Pasolini ringt mit sich. Er sehnt Bonapartes Besuch herbei und zugleich fürchtet er ihn. Er weiß, dass sich des Kaisers Begeisterung für administrative Belange in den drei Monaten seit seiner Ankunft erschöpft hat. Jetzt hat er mehr als genug Zeit, um sich anspruchsvolleren Fragen zu widmen, wie zum Beispiel den Nachrichten aus Paris, St. Petersburg oder Wien, Zeit, um seine daraus folgende Situation einzuschätzen, Strategien zu entwerfen, Pläne zu schmieden, Briefe zu schreiben und zu beantworten.

Auch wenn der Kaiser das nicht weiß, ihm bleiben noch sechs Monate bis zum neuerlichen Aufbruch von Elba. Wenn es jemals in seinem Leben eine Phase gegeben hat, in der es ihm möglich war zu entspannen, ein paar Stunden des Tages mit Tätigkeiten zu vergeuden, die nichts mit seiner erstaunlichen Berufung zum Staatsmann zu tun hatten, dann in jenem Sommer auf Elba.

Aber entfernt der Besuch bei den Bienenstöcken ihn tatsächlich von seiner Arbeit als Stratege?

Andrea Pasolini erinnert sich an die Bienentraube von Marengo. Er stellt sich die Tausenden kampfeslustiger Soldaten vor, wie sie auf das Startsignal für die endgültige Offensive warteten, und Bonaparte zu Pferde, ungerührt vom angehaltenen Atem seiner Armee, vertieft in das Hin und Her der Bienen, ihren beunruhigenden Flügelschlag, während der Schwarm sich rund um die Königin sammelte, die bald den Marschbefehl geben würde. Seit jenem Tag, an dem er von der Verbindung zwischen Bonaparte und den Bienen erfahren hat, gab es für Andrea Pasolini eine neue Ausflucht aus seinem Imkeralltag. Er durchstöberte die Hinterzimmer der Buchhändler von Pisa, Lucca und Florenz, ergatterte auch noch das unbedeutendste Opuskulum, das irgendein spezifisches Detail über den Ersten Konsul, vor allem über die privaten, verschwiegenen Dinge zu berichten wusste. Für das Allgemeine, die politischen und militärischen Heldentaten, gab es die offiziellen Verlautbarungen, und die waren ihm nur allzu bekannt. Pasolini studierte die Fachleute für Napoleon, ermüdete seine Augen mit faden Memoiren und Echos vom Hof, schrieb an Imker in Versailles und Paris. Einige wenige hatten von N.s Faszination für die Bienen gehört, doch konnten sie nichts weiter beisteuern außer ein paar Anekdoten zweifelhaften Wahrheitsgehalts.

Eines Tages wagte Pasolini es, an Napoleon selbst zu schreiben, der damals gerade in Wien weilte. Natürlich bekam er keine Antwort. Monate später jedoch erreichte ihn ein mit dem kaiserlichen Siegel verschlossenes Paket. Darin ein Gefäß aus feinem böhmischem Glas mit bernsteinfarbenem, flüssigem Honig. Auf dem Etikett stand Ajaccio, 1800.

Ob Bonaparte sich wohl noch an jene einzelne Geste von vor über vierzehn Jahren erinnerte, wie er sie damals in dem dichten Gewebe von Gefälligkeiten und Pfründen an jedem erschöpfenden Palasttag mit schneller Hand erledigte?

Der Bienenleser

Подняться наверх