Читать книгу Zeit der Drachen - Josef Hahn - Страница 7
Tel Nof
ОглавлениеLeutnant Shmuel Kohn, der Offizier vom Dienst am Militärflugplatz Tel Nof erhielt um 23.30 Uhr einen Anruf, der ihn in große Verwirrung stürzte.
„Hier ist Oberst Aaron Goldberg vom Hauptquartier. Ich bereite eine geheime Mission vor. Machen Sie mir umgehend eine Maschine startbereit, eine F-35 oder eine F-16. Volle Bewaffnung ist erforderlich. Ich lande in zwei Stunden mit einem Hubschrauber. Haben Sie kapiert Leutnant? Noch was: kein Wort zu irgendwem außerhalb des Geländes! Das ist ein Befehl!“
„Jawohl, Herr Oberst.“ Verwirrt legte Shmuel auf. Goldberg war immerhin der stellvertretende Kommandeur der israelischen Luftwaffe. Und er nur ein junger, einfacher Leutnant und gedrillt darauf, die Befehle seiner Vorgesetzten zu befolgen. Eine geheime Mission? Was wohl hatte der hohe Offizier vor?
Während der britischen Mandatszeit befand sich in Tel Nof ein Stützpunkt der Royal Air Force. Heute sind in da mehrere Kampfflieger- und Hubschrauberstaffeln und auch Spezialeinheiten der Streitkräfte beheimatet. Auch die offiziell nie eingestandenen israelischen Atomwaffen sind hier gut geschützt gelagert. Kampfflugzeuge, die diese Waffen einsetzen können, sind seit Jahrzehnten rund um die Uhr in ständiger Alarmbereitschaft. Der Oberst könnte doch problemlos einen in Bereitschaft stehenden Piloten mobilisieren. Warum wollte er selber fliegen, dachte sich der Leutnant?
Die Dienstvorschriften der Armee verlangten einen Rückruf an die Stelle, von wo der Auftrag gekommen war. Also rief Leutnant Kahn wie vorgeschrieben zurück. „Sind Sie verrückt geworden, sie Würstchen?“, musste er sich anhören. „Warum dieser Anruf? Habe ich nicht strikte Geheimhaltung befohlen?“
„Haben Sie, Herr Oberst. Aber die Vorschriften…“ „Scheiß auf ihre Vorschriften“, brüllte es aus dem Hörer. „Tun Sie das, was ich ihnen befohlen habe. Jetzt!“ Goldberg legte auf. Leutnant Kohn zerdrückte einen satten Fluch auf seiner Zunge. Hatte er das nötig gehabt. „So ein arrogantes Arschloch“, dachte er sich. Dann gab er den Befehl eine der F-16 start- und kampfbereit vorzubereiten.
Die F-16 ist die wichtigste Kampfmaschine der israelischen Luftwaffe. Israel hat über 200 davon in allen verschiedenen Typen von den USA gekauft und Militärexperten gehen davon aus, dass – sollten Atomwaffen durch Israel eingesetzt werden – dies wahrscheinlich mit F-16-Bombern geschehen würde. Zusätzlich verfügt die israelische Luftwaffe noch über zahlreiche Maschinen anderen Typs und eine Flotte von modernsten Kampfhubschraubern. Auch noch über das modernste Kampfflugzeug der Welt: Die F-35 II. Ein Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug, das im Vergleich zu anderen Mehrzweckkampfflugzeugen die Reichweite feindlicher Aufklärungstechnik auf einen Bruchteil reduziert. Israel stehen fünf Geräte dieses Typs zur Verfügung. Die Ausrüstung der Israelischen Air Force gehört so zu den modernsten weltweit. Die Flugzeuge kommen mittlerweile hauptsächlich aus US-amerikanischer Fabrikation. Die von den USA gelieferten Flugzeuge werden meist zusätzlich noch optimiert. Das Internationale Institut für strategische Studien in London vermutet, dass Israel über insgesamt etwa 6.000 atomare Waffen disponieren kann. Davon 1.800 Bomben und 4.200 landgestützte Raketen mit atomaren Sprengköpfen.
Wie angekündigt landete Goldberg mit einem Hubschrauber in Tel Nof. Er hatte das Gerät selber geflogen und wies nun rüde das Bodenpersonal an, den Hubschrauber einstweilen zu garagieren. Goldberg war wie für einen kommenden Luftkampf gekleidet. Also würde ein besonderer Einsatz bevorstehen, vermutete Kohn. Warum aber wollte der Oberst alleine fliegen? Na egal; er würde schon wissen, was er tut. Also meldete der Leutnant: „Herr Oberst, die F-16 steht vollbetankt und aufmunitioniert zu ihrer Verfügung.“
Goldberg nickte bloß. Er wirkte so, kam es dem Leutnant vor, als wäre er gar nicht richtig da. Mit schnellen Schritten ging der Oberst nun zur F-16, kletterte in das Cockpit und verlangte die sofortige Startfreigabe. Er erhielt sie auch. Goldberg startete und rollte zur Bahn. Dort gab er sofort vollen Schub und die Maschine stieg röhrend und brüllend wie ein freigelassener riesiger Adler in die Lüfte. Kurz darauf war sie im unendlichen Himmel über Israel verschwunden. Nur der Klang des Motors war noch zu hören, verebbte aber ebenfalls bald. Einige Fensterscheiben hatten dem Druck nicht standgehalten und waren zersplittert. Einer der Splitter landete im Gesicht Kohns. Er blutete, war aber trotzdem glücklich darüber, den unsympathischen Oberst möglichst rasch losgeworden zu sein. Soll er doch tun, was er will, dachte er sich. Zurück in seinem Bereitschaftsraum trug er vorschriftsmäßig den Start der F-16 ein; mit dem Vermerk „Sonderflug auf Befehl von Herrn Oberst Goldberg“ und sandte den Vermerk an das Oberkommando der Luftwaffe. Der Austausch der kaputten Fensterscheiben würde morgen früh geschehen. Leutnant Kohn war mit sich zufrieden, trank noch eine kalte Cola und legte sich in voller Montur schlafen. Viel mehr würde wohl in dieser Nacht wohl nicht mehr passieren, hoffte er. Nach seiner Ablöse konnte er zwei dienstfreie Tage genießen, die er mit seiner Verlobten am Strand von Eilat verbringen wollte.
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