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„Hausschlachtung“


Von Josef Höing, Bogotá

Fester Bestandteil meiner Kindheitserinnerungen ist das Schlachten eines Schweines und der darauffolgende Tag des Verwurstens. Und immer dabei Tante Agatha, die in der Nachbarschaft in Endeln wohnte. Dabei war auch immer Tante Paula, die mit dem Fahrrad aus Lippramsdorf kerzengerade angereist kam, sich mit Gewürzen und dem Wursten auskannte, das Kommando führte und außerdem meine Patentante war.

Das Mästen von zwei kleinen Ferkeln, die im Frühjahr von Olfs Hoff (Einhaus) beschafft wurden und im hinteren Anbau unseres Hauses am Rütherweg in den Stall kamen, gehörte zu unserem selbstverständlichen Jahresablauf. Auf dem Dachboden des Anbaus wurde das nötige Stroh aufbewahrt. In der Waschküche stand ein riesiger (so ist er jedenfalls in meiner Erinnerung) „Kaupott“ mit eingebauter Feuerstelle, in dem sowohl die organischen Überreste eines normalen Haushaltes als auch deftige Suppe für die Schweine verkocht wurden. Auch das Wasser für die im anliegenden Badezimmer stehende Wanne wurde darin angewärmt und die Wäsche gekocht. Und am Wursttag wurden die Würste darin gegart.

Der im laufenden Jahr anfallende Mist wurde hinter dem Anbau zu einem immer größeren Misthaufen. Die flüssigen Abfälle sammelten sich in der Jauchegrube neben dem Misthaufen, die auch einen Anschluss zu unserem Plumpsklo hatte, in dem sich die unzähligen Seiten des jährlichen Fahrplans der Bahn sowie die geviertelten Zeitungen sammelten, die uns als Klopapier dienten. Alles zusammen verwandelte sich dann in willkommenen Dünger für den Gartenanbau.


Der Tag des Schlachtens war immer ein besonderes Ereignis. Der Schlächter, ich glaube, er war ein Nachbar vom Kalten Bach, kam gegen Abend im Herbst, wenn es bereits früh dunkel wurde. Wenn wir als Kinder dem Schlachten gespannt zuschauen wollten, wurden wir zu Beginn immer weggeschickt, den Rütherweg hinunter bis in Rufweite. Es folgte der Schuss, oder der Knall und dann der Ruf: „Jetz könn ih kommen!“ Aus einer großen Wunde in der

Halsgegend strömte blubbernd das Blut, das in mehreren Gefäßen aufgefangen wurde; der Bolzen, das Betäubungsgerät, wurde eingepackt und wir bekamen die leere Patrone. Mit Kesseln wurde die Haut des Schweines mit kochend heißem Wasser eingeweicht und mit einem trichterförmigen Gerät abgeschabt. Ein am Ende angebrachter bedrohlich wirkender Haken diente dabei, dem Tier die Hufnägel zu entfernen. Nach dem Ausnehmen der Innereien wurde dann das Schwein ganz aufgeschnitten, an denHinterbeinen an einem riesigen eisernen Haken angebracht, der einem großen Kleiderhaken glich und dann an der Leiter, die schräg an der Wand stand, hochgezogen. Am späten Abend kam dann noch der Trichinenbeschauer vorbei, der mit einem blauen Stempel die Qualität des Fleisches bestätigte, nachdem er einige Proben mit einem Mikroskop untersucht hatte.

Am nächsten Tag kamen dann Tante Agatha und Tante Paula. Die Küche und die Waschküche verwandelten sich in eine Metzgerei, mit Gewürzen, Fleischwolf, Töpfen, Wannen, Einmachgläsern und meterlangen auf links gedrehten, gut gewaschenen Schweinedärmen, in der alles Verwertbare zum fleischlichen Vorrat der nächsten Monate verarbeitet wurde. Unter dem Kommando von Tante Paula war dann am Abend das Endergebnis zu sehen: Panhas, Wostebrot, Blutwurst, Mettwurst, Leberwurst, Schwartemagen. Der Schinken kam in eine Salzlake und einige Tage später, eingepackt in einen Leinensack, zum Trocknen in eine dunkle Kammer im Dachgestühl des Hauses. Das Abendessen war dann etwas Besonderes: Gebratenes Schweinehirn mit Ei auf einer Scheibe selbstgebackenem Brot meiner Mutter.

Dunkel kann ich mich an eine rötliche Flüssigkeit erinnern, die sich die drei Hülsdünker - Schwestern, Klara, Agatha und Paula, den Tag über in kleinen Gläschen ab und zu zukommen ließen. Erdbeersaft war es, so glaube ich, nicht! Ob das wohl selbstgemachter Likör war? Es ging auf jeden Fall lustig zu in der hauseigenen Metzgerei! Und eines noch: Es wurde kein einziges Wort in Hochdeutsch gesprochen, et wodde blos platt kürt.

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