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Der Turmbau zu Babel
ОглавлениеVor langer Zeit, als die Erde noch eine Scheibe war, schauten die Menschen sehnsuchtsvoll in den Himmel. Sie wussten, da oben auf den weißen Wolken, da sitzen sie – seit ewigen Zeiten: Gottvater in seiner ganzen Pracht (sein gen Himmel gefahrener Sohn und dessen ebenfalls in den Himmel aufgenommene jungfräuliche Mutter kamen ja erst später hinzu), einige rechtschaffene und hoch dekorierte Heilige, sowie eine unendlich große Zahl unterschiedlichster Modelle von Engeln.
Die göttliche Idylle über den Wolken mussten die Menschen unbedingt mit eigenen Augen sehen. Ein paar gewiefte Baumeister zu Babel (hebräischer Name für Babylon) kamen auf die Idee, einen Turm mit einer Spitze zu bauen, die bis in den Himmel reichen sollte. Als der Turm langsam an Höhe gewann, stieg der HERR herab, um sich die Stadt und den Turm anzusehen. Da er das frevlerische Verhalten der Menschen, die unangemeldet sein Domizil im Himmel besichtigen wollten, nicht dulden konnte, strafte er die Baumeister mit einer ausgeklügelten Sprachverwirrung und vertrieb sie anschließend über die ganze Erde. Damit war der Turmbau Geschichte, und Gott hatte wieder seine Ruhe. Warum er allerdings auch in diesem Fall wieder so unglaublich kompliziert vorging, ist irgendwie seltsam. Als ob Gott dem Allwissenden nicht bekannt gewesen wäre, dass die Menschen zur damaligen Zeit bei Weitem nicht über das erforderliche Know-how verfügten, um mit einem Bauwerk bis in den Wolkenhimmel vorzudringen.
Wieso hatte eigentlich Noah zu seiner Zeit nicht die Gunst der Stunde genutzt, um einen Blick auf die Behausung des Allmächtigen zu werfen? Er hatte doch damals dazu wesentlich bessere Voraussetzungen als die Baumeister zu Babel, die einen Turm bauten, der gerade einmal lächerliche zweiundsiebzig Meter Höhe erreichte. Noah und seine Familie hingegen hätten Gottes Wohnsitz aus einer seinerzeit eigentlich unerreichbaren Höhe, die sogar den mit 8.848 Meter höchsten Berg der Erde noch um 15 Ellen übertraf, begutachten können. Wahrscheinlich haben sie es auch versucht, aber Gott, der natürlich um die Neugier der Menschen wusste, hatte damals wohl in weiser Voraussicht die Fensterläden geschlossen.
Heute können wir übrigens halbwegs gesichert davon ausgehen, dass die Wolken, auf die man aus dem Flugzeug aus großer Höhe herabsehen kann, nicht bewohnt sind. Die Heilige Familie und ihr Anhang müssen also irgendwann in eine höhere Etage umgezogen sein.