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Drusus, Augustus und der Fußball

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Was ist uns im heutigen Südtirol von den Römern geblieben – außer dem Rätoromanischen, ein paar Legenden und sicher einigen Genen?

Da wäre das Bruchstück einer 70 Zentimeter dicken Marmorsäule mit eingravierter Schrift, ein Meilenstein. Dieses seltene Exemplar gibt allerdings keine Entfernung an, sondern erzählt von einem gewaltigen Projekt. Kaiser Claudius Augustus habe „die Via Claudia Augusta, die sein Vater Drusus nach Öffnung der Alpen durch Krieg hatte trassieren lassen, ausgebaut vom Fluss Po bis zum Fluss Donau auf einer Länge von 350 Meilen“.

Die Via Claudia Augusta führte von Trient, wo sich die Straßen aus der Lagune von Venedig und aus Ostiglia bei Mantua trafen, durch das Etschtal über Meran, den Reschen- und Fernpass bis nach Augsburg. An der Talenge bei Töll westlich von Meran, wo der Vinschgau beginnt, befand sich wohl eine Zollstation, ein teloneum, daher der Name Töll. Dort dürfte der Meilenstein gestanden und nach dem Zusammenbruch des Imperium Romanum verschüttet worden sein. Um 1550 legte ihn ein Hochwasser frei.

Wo sich heute Meran ausbreitet, haben die Römer wohl einen Stützpunkt unterhalten. Das Castrum Majense war, je nach Überlieferung, ein kleines Fort oder eine ganze Garnisonsstadt. Letzteres wäre durchaus plausibel, mussten doch das eroberte Gebiet der Räter und die wichtige Straße zum Reschenpass gesichert werden. Nur: Reste dieses Castrums wurden nie gefunden, und so ist manche Geschichte davon nur Legende.

Die Via Claudia Augusta dürfte eine der wichtigsten Römerstraßen überhaupt gewesen sein. Dem Meilenstein zufolge hat Drusus, der junge Kommandant des bei Verona stationierten Nordheers, die Straße anlegen lassen, als er um 15 v. Chr. das Gebiet der Räter überrannte und die Grenzen des Römischen Reichs bis an die Donau verschob. Sein Sohn Claudius Augustus hat sie dann, als er Kaiser war, zur „Schnellstraße“ ausbauen lassen, auf der sogar vierrädrige Karren über die Alpen fahren konnten. Erstaunlich, waren doch die Alpen später im Mittelalter und noch lange danach ein nur schwer zu überwindendes Hindernis.

Im 2. Jahrhundert bauten die Römer mit der Via Raetia noch eine zweite Straße in den Norden. Sie zweigte bei Bozen von der Via Claudia Augusta ab. Da die Eisack-Schlucht noch als unpassierbar galt, nahm sie den Umweg über den 900 Meter höher gelegenen Bergrücken des Ritten , führte 20 Kilometer weiter nördlich wieder hinunter an den Eisack und weiter über den Brenner nach Partenkirchen. Trotz des Umwegs über den Ritten verkürzte die Via Raetia die Reisezeit zwischen Augsburg und Verona um ein bis zwei Tage. Eine Abzweigung bei Brixen führte durch das Pustertal nach Osten in die römische Provinz Noricum.

Ausgrabungen bei Bruneck legten Reste einer Raststation namens Sebatum frei, die müde Reisende mit einigem Komfort erwartete. Es gab eine Gaststätte, Ställe und auch wohltemperierte Bäder – dank einer Fußbodenheizung, auf deren Bau sich die Römer bekanntlich verstanden. Eine solche Mansio dürfte es etwa alle 40 Kilometer gegeben haben, aus vielen entwickelte sich mit der Zeit ein Dorf. Im Fall von Sebatum das heutige St. Lorenzen.

Römische Überbleibsel tauchen in Südtirol – wenig überraschend in einem Land mit eifriger Bautätigkeit – immer wieder auf: da ein Sockel, dort ein Stück Mauer, auch Münzen. Gleich ein halbes Kilo soll im Hohlraum einer Trockenmauer gefunden worden sein, die man in den 1980ern auf der Seiser Alm beim Bau eines großen Hotels freilegte. Nur acht Münzen wurden später sichergestellt. Von den vielfältigen Funden landeten Einzelstücke in Tal- und Heimatmuseen oder im Südtiroler Archäologiemuseum – dort aber im Depot, seit die Gletschermumie Ötzi das gesamte Gebäude in Beschlag genommen hat. Mauerreste wurden, ebenfalls kaum überraschend, im Lauf der Zeit als Baumaterial verwendet. Oder, als es bereits einen strengeren Denkmalschutz gab, schnell wieder verbuddelt, damit es ja nicht zu langwierigen archäologischen Untersuchungen und Arbeitsunterbrechungen kommt.

Schließlich wäre da noch das Drusus-Stadion in Südtirols Hauptstadt. Bozen war zur Römerzeit nur eine kleine Militärstation namens Pons Drusi (Brücke des Drusus) und lag in einem Sumpfgebiet. Das Drusus-Stadion ist freilich keine römische Arena, sondern ein kleines Fußballstadion, 1934 in der Zeit des Faschismus eingeweiht und in Erinnerung an eine angeblich glorreiche Zeit nach einem glorreichen Römer benannt. Zuletzt mühte sich darin die Profimannschaft des FC Südtirol, endlich in die zweithöchste italienische Fußball-Liga aufzusteigen. Bisher – Stand 2021 – immer erfolglos.


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