Читать книгу Die Stadt unter dem Meere (Roman) - Joseph Delmont - Страница 9

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Als Mader auf U.10 zurückgekehrt ist, sind die Reparaturen beendet.

Manches konnte nur notdürftig geflickt werden.

Die Mannschaften harren am Plateau und betrachten forschend ihren Kommandanten.

Alle Arbeit wird auf Befehl Maders eingestellt.

Im Halbkreis umstehen ihn die Leute.

»Wir sind durch ein Elementarereignis in ein vielleicht zwei bis drei Jahrhunderttausende altes Wunder der Mutter Natur geraten. Ohne dieses Seebeben hätte vielleicht nie eines Menschen Fuß diese Stelle betreten.«

Schweigend und gespannt horchen die Leute.

»Die Strömung hat uns hier hineingetrieben. Wir müssen jetzt versuchen, zurückzufinden!«

Aller Augen haften an Maders Mund. Von den Wänden des Domes hallen die letzten Worte lauter wieder, als sie gesprochen wurden.

Obwohl unerschrocken, tapfer und sorgfältig ausgesucht, sind die Leute sich der gefährlichen Lage bewußt und in manches Auge kommt Angst. Auch das mutigste Herz schlägt schneller.

»Können wir auf dem Unterseewege unseren Ausweg nicht finden, so müssen wir versuchen, durch den Berg hindurch zu kommen. Ob dies möglich sein wird, kann ich jetzt nicht sagen. Versuchen müssen wir beides.«

Die Leute hören atemlos zu.

»Wenn uns diese Wege verschlossen sind – dann müssen wir uns in das Schicksal ergeben. – Noch ist es nicht so weit. – Die Luft ist klar und nicht ungesund. Verpflegung ist für sechs Wochen und noch länger vorhanden, wenn wir die Vorräte einteilen. Betriebsstoff für Licht haben wir genug, um auf Wochen die Akkumulatorenbatterien zu laden. – Und jetzt, alle Mann an Bord!«

In geordneter Ruhe ging der Einstieg vonstatten.

Als Letzter hantelte sich Mader die Steigleiter herunter.

Er blieb im Kommandoturm und begab sich zur Steuerungsanlage des Hauptruders.

Der Befehl zum Klarmachen erging.

Der Deckel zur Einsteigluke schloß sich. Die Positionslaternen außen am Boot erloschen.

Der Rohölmotor begann auf langsame Fahrt zu arbeiten.

Der angeschlossene Elektromotor fing an zu brummen und zu surren, und der mittlerweile wieder in Stand gesetzte Unterseescheinwerfer warf knallend seinen Strahl ins schwarzgrüne Wasser, den Weg auf dreißig Fuß erhellend.

Im Kampf zwischen Licht und Finsternis siegte diese.

Mader starrte auf das durch die Sehschlitze geworfene Bild. Fast nichts war zu erkennen.

Langsam schob sich U.10 durch die Flut.

Mader ließ das Boot auf 12 Meter Tiefe herab.

Langsam, mit äußerster Vorsicht wurde gefahren.

Kein Mensch wagte, ein Wort zu sprechen.

Überall standen die Leute auf ihren Posten. Es ging ums Leben. Der Antriebsvorrichtung für das Tiefenruder ward besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

In den Herzen und Hirnen der Besatzung arbeitet es fieberhaft.

Zurück wandern die Gedanken zur Kindheit, zum Elternhaus, zu Weib und Kind, zur Geliebten. Manch ein Schwur und Gelübde ward da im gepreßten Herzen laut, manche Bitte um Vergebung für ein erkanntes Unrecht rang sich aus dem Inneren.

Der Antriebsmotor singt jedem ein anderes Lied. Die erhitzte Phantasie läßt Rufe Angehöriger vernehmen. Man will Glocken, Straßenbahnen, Autohupen und alles Mögliche gehört haben.

Einer, der sich nie im Leben um Kinder gekümmert hat, Gustav Bender aus Altona, hört plötzlich Kinderlachen und Kinderstimmen.

Langsam schiebt sich U.10 durch die nachtdunklen Wassermassen.

Maders Augen brennen. Sein Kopf fängt an zu schmerzen.

Am Maschinentelegraph steht Marinefähnrich Ulitz.

Ulitz ist ein Jüngling von 21 Jahren. Immer lustig und zu allen möglichen Streichen aufgelegt. Er ist der Sohn einer unermeßlich reichen rheinländischen Großindustriellenwitwe.

Mit heller Stimme gibt er die Kommandos Maders nach dem Maschinenraum weiter.

Endlos scheint die Fahrt zu sein.

Der Maschinentelegraph arbeitet.

Mader befürchtet, daß er die Felswände anrennt. Sein Gehirn arbeitet krampfhaft.

Das Kommando »zurück« erschallt immer häufiger.

Das Schlimmste ist bis jetzt vermieden.

Auf allen Posten herrscht große Nervosität.

Obermaschinenmaat Möller ist ruhig und gibt die ihm zugerufenen Befehle mit klarer Stimme weiter.

Sein Häuschen in Stade fällt ihm plötzlich ein. Er sieht seine alte Mutter, die besorgt in dem kleinen Gemüsegarten umhergeht. Bei jeder Staude, jedem Beet, jedem Baum denkt sie an ihren Jung’. Nie hat er gemerkt, wie lieb er seine Mutter hat. Unwillkürlich werden seine Augen naß. Zornig und unwillig fährt er sich mit dem Handrücken darüber.

Die Gedanken Maders sind ganz von dem Suchen nach dem Ausweg gefangen. Er kämpft gegen andere Ideen an, die unwillkürlich in seinem Hirn aufsteigen. Fort damit! Menschenleben sind in Gefahr. Keine Sekunde darf er sein Sinnen Hertha von Zöbing weihen.

Immer noch sucht U.10 den Kanal, den Tunnel, durch den es in diese finstere Unterwelt getrieben worden ist.

Tastend fühlt sich das Boot vorwärts.

Man muß mindestens schon zwei- bis dreimal im See gekreist haben.

Die Mannschaften geben Signal um Signal, das vom Kommandantenturm kommt, weiter.

Bei den Motoren, in den Mannschaftslogis, bei den Reguliertanks und den Öltanks, überall horcht man auf die Befehle.

Möller beginnt einen alten Gassenhauer vor sich hinzusummen.

»Up de Reeperbahn

Dor is’n Ding passiert,

Dor hett ne olle Zeech

Mit ne Gans poussiert.«

Mader ruft Ulitz mit überlauter Stimme plötzlich ein Kommando zu.

Ulitz hat sich eben in Gedanken vorgestellt, wie er als erstickter Leichnam aussehen würde. Nein, ersticken möchte er nicht. Lieber vorher eine Kugel, solange noch die Kraft dazu vorhanden ist.

Steuerbord! Back! Back!

Schrill gehen die Klingelsignale.

Erschrocken hat Ulitz das Kommando gegeben.

Ein Knirschen und Reiben wird von Backbord außen hörbar.

Mader dreht langsam nach links. Das Knirschen hört auf.

Alles lauscht beklommen.

Die Mannschaften stecken ihre Köpfe zum Tiefensteuerraum hinein. Von hier aus bekommt man alle Nachrichten zuerst.

Kommando folgt auf Kommando. Mader hat jetzt den Ausweg entdeckt, einen breiten Tunnel mit langen Windungen, die Wände vom Wasser zerfressen.

Der Kompaß zeigt WSW.

Die Spannung im Boote ist aufs Höchste gestiegen.

Mader will noch keine Auskunft geben.

Vielleicht ist es ein anderer Weg.

Sein Auge leuchtet plötzlich auf.

Der Scheinwerferkegel ist länger geworden, das Wasser durchsichtiger.

Das Licht kommt von oben.

Das ist der Tag.

»Wir sind heraus!« schreit Mader Ulitz zu.

Im nächsten Augenblick geht der Ruf von Mund zu Mund. Die Spannung löst sich von den Gesichtern.

Willy Reimer, ein alter aktiver Diener, dem das Land nur auf acht bis zehn Tage, von Zeit zu Zeit, Vergnügen bieten kann, nimmt einen Schluck Wasser und vergißt vor Freude, das Achtelpfund Priem aus der rechten Backe zu nehmen.

Die Kommandos erfolgen seltener.

Bis auf zehn Meter Tiefe ist U.10 hochgegangen.

Mader will den Platz nicht verlassen. Ein großer Plan ist in seinem Kopfe gereift.

Er kennt jetzt den Weg und will ihn nochmals befahren.

Der alte Neptun wird helfen, und nun ist der Weg leichter zu finden.

Wieder taucht U.10 auf achtzehn Meter hinab.

Die Leute können es nicht glauben, daß ihr Kommandant nochmals in die Höhle zurück will.

»Wat sall dat?« fragt sich Möller.

Gewohnt, zu gehorchen, und im Vertrauen zu dem geliebten Führer, werden die Befehle ausgeführt.

Ganz langsam geht die Fahrt.

Zwölf Meter Tiefe.

Langsam tastend.

Die Einfahrt ist gefunden.

Die Positionslichter werden eingeschaltet.

Der große Scheinwerfer läßt seine Strahlenbündel durch die dunkle Flut gleiten.

Viel kürzer ist der Weg jetzt.

Periskop und die obere Positionslampe davor gehen hoch.

Beide brechen wie Streichhölzer plötzlich ab.

Die Ventile werden geschlossen.

Die Tauchtanks entleeren sich.

Das Boot steigt. Steht.

»Schröder!«

»Befehl – Herr Kapitänleutnant?«

»Schröder! Sie und Reimer bereiten Aluminium- und Weißphosphorfarbe. Dort, wo wir den Wasserspiegel wieder erreichen, über dem Ausgange des Unterseehohlkanals Zeichen machen! Groß! Mit Pfeil! Mehr Phosphor als Aluminium! Verstanden?!«

»Befehl, Herr Kapitänleutnant!«

Die Einsteigluken fallen zurück.

Die Positionslaternen bezeichnen den Platz, wo das Boot aus der Tiefe kam.

Schröder und Reimer ziehen das Faltboot hoch.

Der kleine Scheinwerfer spielt an der Rückwand des Felsens.

Mader behält einen senkrechten Spalt, der sich wie ein Hochgebirgskamm hinzieht, im Auge. Darunter ist der Tunnel.

Maxstadt wird in Taucherkleidung kommandiert. Schröder zurückbeordert.

Willy Reimer fährt mit einem anderen Matrosen auf den Spalt zu, auf dem der Scheinwerfer spielt.

Breite, weißleuchtende Pinselstriche ziehen sich an der feuchten Felswand herab.

Das große Beiboot ist flott. Schröder und Maxstadt in Taucherausrüstung, besteigen es mit der Taucherbegleitmannschaft. Das U-Boot dreht langsam bei. Die Luftpumpe beginnt zu arbeiten, der Sauger wird neben der Steuerungsanlage auf der Kommandobrücke klargelegt.

Reimer hat sein Malwerk vollendet. Die Farbe trocknet nur langsam auf der feuchten Wand. Der Strahl des Scheinwerfers wärmt die Stellen.

Das Beiboot hält an dem Spalt im Felsen. Das Wasser ist ruhig, und man zwängt den Bug des Bootes in den Spalt.

Die Luftpumpe für die Taucher arbeitet mit voller Kraft.

Schröder geht als erster in die Tiefe.

Alle Mann sind auf Deck und gespannt wartet man auf Schröders Signal zum Hochziehen.

Mader befiehlt, eine große leere Eisentonne auszupumpen und zu verlöten.

Schröder hat Signal gegeben und kommt hoch.

Nachdem ihm der Helm abgenommen, berichtet er:

»Zuerst fällt die Wand steil ab, dann folgen Einbuchtungen, und in vier Meter Tiefe kommt ein breites Plateau, ganz mit besonderer Muschelart bekrustet.« Schröder zeigt eine Muschel, die er losgebrochen.

»Unter dem Plateau beginnt der Tunnel. Messungen konnte ich nicht machen, da ein längeres Verweilen unten unmöglich war.«

Die Muschel hatte eine besondere Form. Sie sah wie eine ovale Frucht aus, war faustgroß und besaß in ihrem Innern zwei Kammern, jede von einem anders geformten Muscheltier bewohnt. Während in der kleineren Kammer die schleimigdicke Masse gelblich war, hatte die in der größeren eine grellrote Farbe.

Die aus der Eisentonne verfertigte provisorische Boje wurde mittels Ankerketten und Klemmen an der Felsspalte unter der bemalten Fläche fest verankert.

Jetzt kommt Maxstadt, der mittlerweile getaucht hatte, einen riesenhaften Seestern, der in allen Farben schillert und im Dunkeln am ganzen Körper phosphoresziert, in der Hand haltend, nach oben.

Kapitänleutnant Mader hat inzwischen Messungen veranstaltet und den Kompaß überprüft. Alles wird genau zu Papier gebracht.

U.10 taucht und findet diesmal seinen Weg leichter in die Außenwelt.

Die Stadt unter dem Meere (Roman)

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