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ОглавлениеKapitel 9
Poughkeepsie, Baumhaushotel
29.März 2013, 9:00 Uhr
Erst am nächsten Morgen wachte Ivy auf der Couch auf. Ihr Rücken schmerzte, obwohl das Sofa gemütlich war. Ihre Liegeposition war jedoch nicht Rückenschonend gewesen. Nachdem sie sich geduscht und frische Sachen angezogen hatte, öffnete sie die Fenster und ließ die frische Frühlingsluft in das Baumhaus hinein. Sie zog ihre Stiefel an und begab sich zum Gemeinschaftsraum.
Im Kühlraum fand sie eine Packung Cornflakes, füllte diese in eine Schüssel und kochte das Wasser im Wasserkocher auf. Sie brühte sich einen türkischen Kaffee und setzte sich mit dem Frühstück an die große Tafel.
Die Tür flog auf und Rupert kam in den Gastraum gewatschelt. Er brühte sich ebenso ein koffeinhaltiges Getränk, nahm sich Cornflakes und gesellte sich zu ihr.
»Guten Morgen. Geht es dir besser?«, erkundigte er sich und rührte den Kaffee mit einem Löffel um.
»Die Kopfschmerzen sind Gott sei Dank weg. Habe durch geschlafen von gestern früh an.«
»Dann brauchte dein Körper diese Auszeit. Überanstrenge dich nicht und starte nicht gleich wieder voll durch«, mahnte er und schlürfte einen Schluck. Doch der Kaffeesatz klebte ihm zwischen den Zähnen und im Schnurbart.
Ivy beobachtete ihn dabei, wie er in ein Taschentuch den Satz spuckte und den Bart putzte. Sie schmunzelte. Er hatte sich in Eigenregie seine Haare geschnitten und nach mehreren Fehlversuchen, hatte er den Dreh raus. Der Vollbart wuchs zum langen Rauschebart heran. Er hatte ihn lange nicht mehr getrimmt. Lediglich seinen Oberlippenbart stutzte er regelmäßig. Er schob sich einen Löffel trockene Cornflakes in den Mund und knusperte diese angewidert vor sich her.
Ivy goss vorsichtig etwas Kaffee über ihr Frühstück.
»Das schmeckt doch nicht!«, meinte er argwöhnisch und sah ihr mit angewidertem Blick dabei zu, wie sie es aß.
»Es ist wenigstens nicht mehr so trocken«, erwiderte sie. »Stimmt das eigentlich, dass die Jungs Kühe fangen wollten?«
Rupert nickte. »Eigentlich wollten sie gestern schon wiederkommen.«
Plötzlich hörten sie Schritte aus dem Flur zu ihnen kommend. Aiden lugte durch die Tür zu ihnen.
»Sie sind zurück«, warf er in den Raum und Rupert und Ivy folgten ihn nach draußen.
*
Erwartungsvoll sahen die drei den kleinen Viehtransporter und den Jeep mit dem Pferdeanhänger.
»Scheint so, als wären sie erfolgreich gewesen.« Rupert schaute Ivy lächelnd an. »Ab morgen gibt’s Cornflakes mit Milch.«
Sebastian, Railey, Christoph, Elmar und Bryan stiegen aus den Fahrzeugen aus. Ihre Gesichter waren wie versteinert und unter Schock stehend. Mit argwöhnischen Blicken gingen die drei auf die Cowboys zu. Auch Melanie und Klaas kamen zu ihnen und merkten sofort, dass etwas nicht stimmte.
Railey kam Rupert, Aiden und Ivy entgegen und schüttelte stumm den Kopf. Fragend sahen sie die anderen an.
Erleichtert schloss Sebastian seine Frau in die Arme. Er seufzte schwer und strich sich durch seine Haare.
»Ist irgendwas passiert?«, wollte Ivy von ihrem Mann wissen, der sich Hilfe suchend umschaute.
»Thomas hat es nicht geschafft«, bedauerte er und schmiegte sich schnaufend an sie.
Geschockt sah sie Rupert an, der betroffen seine Stirn rieb. Elmar, der Klaas im Arm hielt, unterrichtete seinen Mann und Melanie vom Verlust. Die Rothaarige brach weinend zusammen und wurde von Klaas tröstend in die Arme genommen.
Railey öffnete mit Christoph die Heckklappe des kleinen Viehtransporters und führten drei Kühe an Halftern heraus.
Ivy bemerkte das blutige Horn einer Kuh, die Christoph ebenso aus dem Hänger herausführte.
»Was ist mit ihm passiert?«, hakte Rupert nach.
»Als wir die Kühe verladen wollten, schlug eine von ihnen den Kopf zur Seite und rammte Thomas das Horn in den Hals … Wir konnten nichts mehr für ihn tun … Ich habe noch nie einen Menschen so bluten gesehen«, antwortete er bestürzt.
Betroffen senkten sie ihre Gesichter.
Rupert sah zu dem Anhänger. »Und was ist da drin?«
»Zwei Pferde. Railey meinte, dass man sie vor einen Pflug spannen und so das Feld bearbeiten könnte«, erklärte Sebastian.
»Sattelzeug haben wir auch … Falls jemand von euch reiten kann«, warf Elmar ein, der Klaas und Melanie ins Gebäude geschickt hatte.
»Pferde? Findet ihr wirklich, dass das eine gute Idee ist?«, zweifelte Ivy immer noch unter Schock stehend und blickte sinnierend zum Anhänger.
»Wer weiß, wie lange es noch Benzin gibt. Wir müssen uns solche Möglichkeiten offenhalten«, erwiderte Elmar und folgte den anderen ins Hauptgebäude.
»Die Idee ist ja nicht verkehrt, aber wir müssen sie auch über den Winter bringen«, gab Rupert zu bedenken.
»Es gibt viele Weiden und Felder«, rief Railey, der die Kühe zum Gatter gebracht und wieder zu den Fahrzeugen zurückkam. »Wir machen Heu und durchsuchen die Scheunen. Es sollte kein Problem sein, die Tiere am Leben zu erhalten. Und den natürlichen Dünger können wir für die Felder benutzen.«
Der Corporal seufzte kurz und wandte sich dem Pferdeanhänger zu.
»Macht dir das denn gar nichts aus, dass Thomas tot ist?«, stutzte Ivy und ging ein paar Schritte auf den Wachmann zu.
Railey hielt einen Moment inne, bevor er ohne ein weiteres Wort die Tür öffnete und die Pferde am Halfter herausführte. Er ging mit ihnen an Ivy vorbei, die ihn mit fragendem Blick ansah.
*
Sebastian nahm Ivy an der Hand und schlürfte mit ihr nach Hause. Geschafft ließ er sich auf der Couch nieder. Gedankenverloren starrte er gegen die Decke. Wie in einem Film spielte sich die Szene vor seinem inneren Auge ab, als die Kuh Thomas das Horn in den Hals rammte. Wie sie auf einmal alle in Panik ausbrachen. Thomas konnte keinen Ton sagen, sondern presste seine Hand gegen die Wunde. Das Blut quoll heraus, wie aus einem Wasserhahn.
Ivy sah ihn bekümmert an, räumte die Tasse mit der Hühnersuppe weg, die immer noch auf dem kleinen Tisch stand. Plötzlich brach er in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Sein verzweifeltes, hilfloses Schluchzen ließ sie erschaudern. Ivy setzte sich neben ihn und nahm ihn fest in ihre Arme. Noch nie zu vor in all den Jahren, habe ich dich so gesehen.
Nach einer Weile hatte sich Sebastian beruhigt und lag immer noch an ihr gekuschelt auf dem Sofa. Seine Augen starrten in den Raum ohne ein Ziel zu haben.
Behutsam strich Ivy durch sein volles Haar. »Er war nicht der Letzte …«, flüsterte Ivy.
Sebastian richtete sich auf und sah seine Frau mit müden Augen an. Er nickte leicht.
»Ist es für dich okay, wenn ich nach Melanie sehe?«, erkundigte sie sich und er nickte zustimmend.
Liebevoll gab sie ihn einen Kuss auf die Stirn, stand auf und zog sich ihren Windbreaker an. Sie warf ihn einen letzten Blick zu und sah wie er sich geschafft auf dem Sofa niederlegte.
*
Im Gemeinschaftsraum saßen Aiden, Melanie, Christoph und Railey betroffen zusammen. Melanie hatte sich zwar beruhigt, schniefte aber noch vor sich her. Die Stimmung war beklemmend.
Ivy setzte sich neben die Rothaarige, ergriff ihre Hand und strich diese behutsam.
»Thomas' Tod darf uns nicht aus der Bahn werfen«, seufzte Railey und rieb sich die Stirn. »Wir müssen nach vorn schauen.«
»Dieser Unfall … ist eine Tragödie ohne gleichen«, jammerte Aiden und sah die Singlefrau bekümmert an, die sich eine Träne von der Wange wischte.
Railey setzte sich ihr gegenüber und schaute ihr tief in die Augen. »Das Leben muss weiter gehen«, sagte er mit ernster Miene.
Doch Melanie schüttelte den Kopf. »Thomas hat immer nach vorn geschaut. Er sagte mir, dass er gar nicht mehr zurück wollte. Er wollte sich hier etwas aufbauen … glücklich werden … Er war ein guter Mensch«, raunte sie mit leiser Stimme. Ihre Augen wanderten zu Ivy, die ebenso bekümmert zu ihr sah und zustimmend nickte.
Er war immer ein sehr zurückhaltender, aber zuvorkommender Mensch., dachte Ivy. Ich erinnere mich, dass er mir von seiner Ex erzählte, die ihn psychisch gequält hat. Ein labiler, krankhaft eifersüchtiger Mensch, der ihm auflauerte, kontrollierte und keine Luft zum Atmen gab. Bis Thomas zu Christoph flüchtete. Diese Reise sollte ein Wendepunkt in seinem Leben sein. Und nun kommt er nie wieder zurück, erinnerte sich Ivy seufzend.
»Deswegen bin ich hier. Wir müssen uns um den Anbau kümmern. Viele der Samen, die wir gepflanzt haben, keimen nicht auf«, klagte Aiden und seine Augen reisten zwischen der kleinen Gruppe umher. »Es gibt ein paar Läden in der Stadt wo es früher welche zu kaufen gab.«
»Ich melde mich freiwillig. Ich war die letzten Tage krank und bräuchte etwas frische Luft«, erhob Ivy die Hand. »Würdest du mich begleiten?«, wandte sie sich an Melanie.
Die Single Frau überlegte einen Moment und nickte ihr zustimmend zu. »Ein bisschen Abwechslung wird mir guttun.«
»Wenn du unbedingt raus willst, dann mach«, pflichtete Christoph mit besorgtem Blick bei. »Ich hoffe, ihr seid erfolgreicher als wir … Und damit meine ich, dass ihr beide lebend wiederkommt.«
Das Kellerkind schlug frustriert mit der Faust auf dem Tisch, erhob sich und verließ den Gemeinschaftsraum.
Railey sah die beiden Frauen einen Moment an.
»Bleibt nicht zu lange dort draußen. Vor der Dämmerung solltet ihr zurück sein«, verlangte er und verschwand in der Vorratskammer.
Aiden, Melanie und Ivy gingen zum Rezeptionstisch. Aus Telefonbüchern schrieb Aiden die Adresse der Geschäfte heraus und gab Melanie einen Stadtplan in die Hand.
***