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Kapitel 1

Interstate 87, Poughkeepsie

28.September, 2012

Railey fuhr den Bus entlang des Hudson Rivers durch verlassene Städte und trostlose Gegenden. Er war innerlich aufgebracht und biss sich nervös auf der Unterlippe herum, während er konzentriert den Bus auf der Straße hielt. Haben sie tatsächlich Albany weggebombt. Ich hoffe nur, dass meine Idee wirklich gut ist. Wir brauchen einen Ort, der uns zur Ruhe kommen lässt und sicher ist. Die anderen brauchen genauso eine Pause wie ich. Es ist einfach zu viel passiert, in den letzten Tagen.

Die Infizierten säumten verstärkt ihren Weg. Die Gebäude in den Ortschaften waren zum Teil in Brand gesteckt worden. Nur noch ihre verkohlten Grundmauern waren übriggeblieben.

Gebannt sahen sie auf die Ruinenstädte und ihre Hoffnungen schwanden auf den Nullpunkt. Ratlos und verzweifelt wanderten ihre Blicke zueinander und niemand vermochte das auszusprechen, was jeder vermutete: War die Reise für umsonst? Wo sollen wir hin?

Ivys verzweifelte Augen klebten an der Scheibe und sie war den Tränen nah. Der Drang vor Wut und Hoffnungslosigkeit zu Schreien wurde einzig durch ihre Machtlosigkeit gebremst.

Auf der Landstraße fanden sie viele verlassene und geplünderte Autos, Krankenwagen, aber auch Trucks der Army vor. Nach etwa einer Stunde fuhren sie an einem Ortsschild vorbei.

»Pog- … was? Wo sind wir?«, stutzte Klaas und sah Railey mit großen fragenden Augen an.

»Poughkeepsie. Ein Freund wohnt hier … Wenn er noch am Leben ist«, seufzte Railey skeptisch und lenkte konzentriert den roten Briten geschickt durch die Straßen der Stadt. Einzelne Infizierte torkelten durch die verlassene Örtlichkeit. »Er wollte hier ein Baumhaushotel eröffnen«, fügte der Corporal nach einer Weile hinzu.

Verblüfft, aber dennoch zweifelnd ob dies eine gute Idee sein wird, guckten sich die Mitglieder der Zweckgemeinschaft an.

»Ein Baumhaushotel?«, amüsierte sich Rupert zweifelhaft. »Ist er denn auch fertig geworden?«

»Ich hoffe es«, lächelte Railey. »Wir sind bald da!«

Er lenkte den Bus im Slalom durch die Geisterstadt und die aufgeschreckten Kreaturen auf der Straße schauten fauchend dem Roten hinterher, als wollten sie mitfahren oder hätten ihre nächste Mahlzeit ausgemacht.

*

Nach einer halbstündigen Irrfahrt durch die Gemeinde überquerten sie eine Brücke und fuhren aus der Ortschaft in ein dicht bewachsenes Gebiet. Die hohen, mächtigen Bäume wirkten ehrfürchtig auf sie. Nach eineinhalb Meilen im Wald bog Railey auf einen kleinen asphaltierten Weg ein.

Neugierig blickten sich alle, verteilt auf die zwei Etagen des Busses, aus den Frontfenstern und erspähten eine hohe Mauer aus Bruchstein sowie ein schwungvolles Eisentor. Ein Flügel stand offen.

Railey hielt den Bus an und musterte die Männer der Gruppe. »Jemand muss den anderen Flügel öffnen«, ließ der Corporal die Anweisung im Raum stehen.

Es war keine Frage.

Thomas und Klaas nickten sich zu und übernahmen diese Aufgabe. Sie schnappten sich ihre Messer und Railey öffnete ihnen die Tür des Briten. Vorsichtig traten sie heraus und lugten hinter die Flügel. Auf dem Gelände liefen einzelne Kreaturen apathisch umher.

»Die erledigen wir gleich, wenn der Bus durch ist und wir das Tor schließen können«, schlug Thomas entschlossen vor und zusammen öffneten sie den anderen Einfahrtsflügel. Der Doppeldecker konnte sie passieren, worauf sich die beiden beeilten das schwere Tor wieder zu schließen. Nun konnten sie sich der Bedrohung widmen, zückten ihre Messer und liefen auf die Wesen zu, die das Fahrzeug mittlerweile bemerkt hatten. Nervös dachten sie an den Nahkampfunterricht.

Die beiden teilten sich auf der Grünfläche auf um die Untoten auseinander zu treiben. Sie traten den Kreaturen die Beine weg, sodass sie zu Boden fielen und schlugen ihnen die Messer in die Schädel. Der Gestank des spritzenden Blutes kroch in ihre Nasen, doch zum darüber nachdenken war keine Zeit. Fauchend traten die anderen Wesen auf sie zu und schlugen mit ihren verfaulten Gliedmaßen nach ihren Körpern aus.

Klaas hackte einem dem Arm weg, sodass dieser ins Straucheln kam. Das Blut schoss aus der Wunde und er rammte ihm die Klinge in den Kopf.

»Klaas!«, rief Thomas ängstlich gedämpft, als ein Infizierte ihn packte und ihn in die Knie zwang.

Beherzt schlug er dem Toten das Metall in den Hinterkopf und streckte ihn zu Boden.

Sichtlich erleichtert stützte sich Thomas auf seine Knie, nickte seinem Gefährten dankend zu, atmete tief durch und wandte sich den letzten ungebetenen Gästen zu.

*

Der Rote fuhr auf ein zweistöckiges, längliches Gebäude zu, welches auf dem Dach eine große Solarfläche installiert hatte. Das Mauerwerk des Hauses schien ebenso aus Bruchstein hochgezogen worden zu sein, wie die Geländeumrandung. An den Hausecken wuchsen Efeuranken in Richtung Dach. Railey hielt an, öffnete die Bustür und die Passagiere stiegen wachsam aus.

Der Ort schien verlassen, keine Menschenseele, außer den nun getöteten Infizierten, war auf dem Außengelände zu sehen.

Wortkarg betrachteten sie die große Grünfläche, an der sie vorbeigefahren waren, als sie zu dem Gebäude gelangten. Am Parkplatz vor dem Bauwerk standen schwere Kübel, die schon lange keine Zuwendung mehr erhalten hatten.

»Gehen wir rein?«, wollte Christoph angespannt wissen und sah zu Railey, der die Seesäcke mit den Waffen aus dem Kofferraum holte.

Er schüttelte den Kopf und begann fachmännisch die Schalldämpfer auf die Läufe der Pistolen zu schrauben. »Nein, erst riegeln wir das Gelände ab«, beschloss er und reichte die fertigen Pistolen an jedem weiter.

Sie schlichen, sich gegenseitig schützend, um das Gebäude und waren schier sprachlos von den anmutigen Baumhäusern, die sich dahinter befanden. Zwischen den Geästen der mächtigen Laubbäume waren die Häuser aufgebaut. Auf anderen waren nur Plattformen und Gerüste der unfertigen Behausungen zu sehen.

»Wow, der Typ hatte recht gehabt«, staunte Elmar.

Skeptisch liefen die übrigen Mitglieder auf die Domizile zu.

»Diese leeren Plattformen … Die können wir doch zu Häusern ausbauen, oder?«, schlug Bryan unsicher vor.

»Anscheinend war das auch der Plan der Bauherren«, vermutete Rupert grübelnd und zeigte auf eine Scheune, deren Tor offenstand und voller Baumaterialien war.

»Das Areal ist übersichtlich und die Mauern hoch«, befand Railey, sein taktisches und militärisches Wissen einsetzend. Er wandte sich ernst an Ivy: »Bis wir eine Lösung für euch gefunden haben, wird das unser neues Zuhause sein.«

Ivy nickte sichtlich angespannt und beobachtete die anderen, die sich erkundend zwischen den Bäumen verteilt hatten.

*

Melanie schritt auf eines der Baumhäuser zu und stieg langsam die seitlich angebrachte Treppe nach oben. Auf den Weg zum Haus fühlte sie die knorpelige dicke Rinde des Baumes, welche eine gewisse Wärme ausstrahlte. Sie erklimm den Pfad vorsichtig und hörte auf jedes Geräusch, was eventuell auf einen ungebetenen Gast hinwies. Oben angekommen, öffnete sie vorsichtig die Tür und trat in einen kleinen, lichtdurchfluteten Raum. Kein Infizierter war zu sehen und eine Last fiel von ihren Schultern. Ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie roch das verarbeitete Holz und spürte die angenehme Wärme der Sonne auf ihrer Kleidung. Mit vorsichtiger Neugier begann sie das Haus zu erkunden. Ein kleines Sofa und eine Nische, in der sich die Küchenzeile befand, gaben dem Zimmer eine gewisse Gemütlichkeit. Hinter einer Falttür fand sie ein kleines Bad mit einer Dusche und einer Toilette. Die hellen Fliesen schienen sie regelrecht zu blenden. Zögerlich trat sie herein und betätigte den Wasserhahn. Zu ihrem Erstaunen kam tatsächlich sprudelndes, sauberes Nass heraus. Sie lachte laut, drehte den Hahn zu und sah sich weiter um. Über eine kleine Wendetreppe gelangte sie nach oben, zum Schlafbereich, der sich direkt unter dem Dach befand. Ein einfaches Bettgestell mit einladenden Bettdecken und weichen Kissen, ausreichend für zwei Personen. »Das ist wie ein Zuhause«, sagte sie zu sich selbst. Sie ging auf den Balkon und spähte zu den anderen, die am Fuße des Baumhauses standen. »Das müsst ihr euch ansehen!«, rief sie ihnen zu. »Endlich haben wir wieder Privatsphäre!«

Ivy und Sebastian schnellten die Treppe des Baumhauses als erstes empor, welches sich direkt neben dem von Melanie befand. Als Sebastian die Tür langsam öffnete, betraten sie ebenfalls das Wohnzimmer mit einer Kochnische. Die große Fensterfront, von der aus sie die Rückseite des Hauptgebäudes sahen, ließ den Raum im hellen Licht erstrahlen. Ein Kamin sollte im Winter für Wärme sorgen und hinter der Falttür verbarg sich ebenso das Bad mit einer Dusche und der Toilette. Die Bodenfliesen waren schwarz und eine dunkelrote Bordüre schlang sich an der Wand entlang. Auf einem Hocker lagen Handtücher. Kleine Fläschchen mit Duschgel und Shampoo warteten nur auf ihre Benutzung. Ivy sah Sebastian unglaubwürdig an. »Wir passen nicht zusammen da rein, aber wir werden nicht mehr stinken.« Amüsierte drückte sie ihn einen Kuss auf den Mund.

Ihre Augen funkelten und schöpften neue Hoffnung.

Ebenfalls über eine Wendetreppe erreichten sie die Schlafnische, die unterhalb eines Erkers lag. Zusammen traten sie, Arm in Arm auf den Balkon, der sich um das halbe Gebäude schlängelte.

Ivy winkte Melanie kindlich erfreut zu, die ebenfalls auf dem Anbau stand.

»Wir haben ein vorläufiges neues Zuhause, Leute!«, rief Sebastian und gab Ivy erneut einen zufriedenen, befreiten Kuss auf die Wange.

Alle noch am Boden verbleibenden Paare suchten sich in der unmittelbaren Nähe ein fertiges Baumhaus um es zu beziehen.

»Hey, Mel … Ist deine Couch noch frei?«, erkundigte sich Christoph neckisch grinsend.

»Vorausgesetzt du duscht und wäschst deine Unterwäsche, ja«, entgegnete sie ihm Augen zwinkernd zu.

Während Rupert, Bryan und Thomas das letzte der fertigen Baumhäuser inspizierten, wandte sich Railey ab und wollte das Hauptgebäude inspizieren.

*

Die Hintertür stand offen. Leise betrat er das Gebäude und durchquerte den angrenzenden Aufenthaltsraum mit der kleinen Kantine. Die Tische und Stühle standen immer noch an ihren Plätzen. Durch die bodentiefen Fenster konnte er zu den Baumhäusern sehen. Innehaltend horchte er durch ein Geräusch alarmiert auf und vernahm ein leises Fauchen. Railey schlich zur Tür, lugte hinter der Zarge hervor und beobachtete sechs Infizierte vor dem Rezeptionstresen wanken, die ihn nicht registrierten.

Anscheinend haut der Service nicht hin., dachte er mit Galgenhumor und schlich in gebückter Haltung hinter ihnen entlang um den Rezeptionstresen. Er wägte sich in Sicherheit, schnellte hoch und rammte jeden von ihnen nacheinander das Messer in den Schädel, als sie sich über den Tresen beugten um ihn zu packen. Das Blut besudelte in feinen Spritzern die Theke und seine Jacke. Ihre toten Körper fielen plump auf den Boden und Railey blickte nach getaner Arbeit über den Ladentisch auf sie hinab. Aufmerksam hörte er Schritte auf sich zukommen.

Die zu ihm stoßende Reisegruppe hielt erschrocken inne, als sie die Leichen sahen. Angewidert wandte sich Ava von dem Anblick ab.

Der Corporal hörte ein weiteres Poltern in einem der Zimmer hinter ihm. Angespannt sah der Wachmann zu der Gruppe, hielt stumm den Finger vor den Mund und schritt zur Tür. Zögernd umfasste er den Knauf, drehte ihn leise und riss abrupt den Eingang auf.

»NEIN!«, schrie ein Mann verzweifelt und hielt sich schützend die Arme vor das Gesicht.

Die anderen ließen ebenso einen Aufschrei des Erschreckens von sich und klammerten sich verängstigt aneinander.

Railey begann indessen zu lachen und nahm die Waffe runter. »Oh, mein Gott! Aiden!«, rief er freudig und der Mann lunzte verängstigt hinter seinen Armen hervor. Railey breitete die Arme aus und grinste ihn überglücklich an.

Der Fremde stand mit zitternden Knien auf, sah verwirrt zu dem Corporal und der Reisegruppe. »Was … Railey?!«, stotterte er und musterte ihn unglaubwürdig, als er ihn erkannte. Plötzlich brach er in Tränen aus und stürzte sich erleichtert in die Arme seines wiedergefundenen Freundes.

Die Mitglieder der Gruppe versammelten sich um den Tresen, den Ekel vor den Leichen vergessend und beobachteten skeptisch den gebrochenen Mann, der einen Moment später sich versuchte zu beruhigen.

Der Fremde schniefte, atmete mehrmals tief ein und aus, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Erleichtert sah er Railey an. Seine Kleidung war eingerissen, die blonden Haare standen ihm zu Berge. »Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals jemanden wiedersehe, den ich kenne«, japste er erleichtert und klopfte dem Corporal dankbar auf die Schulter.

Er beäugte argwöhnisch die Gruppe, die vor ihm standen.

Railey bemerkte seinen Blick. »Das ist Aiden, ein guter Freund aus der Schulzeit«, stellte er den Fremden vor. »Diese Leute sind Überlebende des Flüchtlingscamps in Dallas.«

Verblüfft musterte ihn sein Schulfreund. »Ihr kommt aus Dallas?«, stotterte er und Railey nickte. Seine wirren Blicke schweiften zwischen den Menschen umher.

»Vielleicht sollten wir die Leichen entsorgen und erst einmal zur Ruhe kommen«, schlug Elmar vor und Aiden nickte eindringlich.

***

Lethal Vacation

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