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Leo

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Tatsächlich kommt zunächst keine Meldung von Carl, von Mücke hör ich auch nichts mehr, erst recht nicht von Alex, obwohl sie meine Nummer hat. Ich vermute, dass das langsam deren Lieblingsbeschäftigung wird, die sitzen da jeden Donnerstag in der Küche und feixen sich einen. Der schreibt hier lauter Sauereien, das Arschloch, höre ich Alex sagen, mit meinem Text auf den Knien. Was der in seinem verfickten Hirn glaubt, mit mir alles machen zu können, der hat ja ne Obermacke. He, ruft Carl von hinten, jetzt lass mal die Ausdrücke, wirst ja von dem schon regelrecht sexualisiert. Ja, hier, wenn ich mal kurz vorlesen darf, Herr Carl Wilde… Gar nix will ich hörn. Ich les doch nich den Schweinkram andrer Leute, erst recht nicht, wenn ich sie kenne. Wir wissen, was der von uns will, das genügt. Alex stöbert weiter: Carl, weißte…weißte, was der über dich schreibt? Carl interessiert das nich, aber Alex kehrt ganz die Frau raus, die jedes Geheimnis lüften, jeden Klatsch gleich weiter erzählen muss, is doch nur Spaß, flunkert sie, als sie Carl einige pikante Stellen vorliest – und dann wieder, wie sie findet, einige doofe. „Ach, Leo is ne arme Sau“, hat Carl es sich in der Küche bequem gemacht. „Der hat jahrelang für seine Kunst in einer Parallelwelt gelebt, wenn der mal ne SMS gekriegt hat, las er sie nicht sofort, sondern hob sie auf und tanzte drum rum wie ums goldene Kalb. Brauchst dir keine Vorwürfe zu machen!“ „Vorwürfe?“ Alex aufgebracht: „Ich hab dem nichts signalisiert, ich hab dem keine Hoffnungen gemacht, ich hab den immer dezent umarmt, der hat das nur gut gefunden, selbst als wir uns in der Kneipe abgeschlabbert haben und nur aus Pietätsgründen ihn nicht, der hatte auch nie was in der Hose, glaube, der is da operiert, wie der Warhol mit seinen Rippen. Der Leo jedenfalls war immer so zufrieden, hat ihm genügt, dass er mit seiner Alex herumscharwenzeln durfte. Ihr Männer denkt immer gleich, wenn Frau euch ankuckt…falsche Signale nennt man sowas – falsch verstandene Nichtsignale, gar nichts wird signalisiert, also fahr ich da auch nicht hin.“ „Natürlich nicht“, lacht Carl, weil er es mag, wenn Alex sich so schön aufregt und ihr Ponyhaar dabei auf der Stirn hüpft, wie bei nem Pferdchen. „Wir sind die Kings, Leo und ich, na klar fährst du da hin. Kunst bedeutet ausloten, und du darfst bei diesem einmaligen Prozess dabei sein.“ Alex macht ein Pöh-Gesicht: „Dabeisein? Hast du ne Macke? Der will mir vier Tage lang sein Pinocchio Hölzchen einführn, und du sitzt hier schön rum, berichte mal oder was?“ Alex pustet durch: „Wenn der jetzt ne Freundin hätte, wär doch alles okay.“ Carl pustet auch durch: “Fast unmöglich, ne Freundin für Leo? Die schnallen das nicht, dass da einer seine Erfüllung sieht, wenn er sich intensiv mit Dingen beschäftigt.“ „Intensiv? Mit Dingen? Und zu dem soll ich vier Tage hin? Ich sage dir, Carl, genau das schnallen die Frauen, gerade deshalb. Der verrückte Leo liest wahrscheinlich eine Woche lang Renaissancebücher und will die Zeit und das Denken erfühlen. Welches Weibchen macht denn sowas mit?“ Carl denkt nach: „Und jetzt komm ich, schnall ihm die Alex auf den Bauch und…“ „Nö“ sagt Alex, „der hat gar kein Recht zu bestimmen, was wir wollen. Erinner dich dran, über Beziehungen hat er gesagt, deine Frau ist dein Besitz, der is ja selber noch im Mittelalter. Und was soll dieser Porno Roman? Der hat doch keine Ahnung davon. Niemand hat ne Ahnung. Das Wort Porno schwirrt überall so rum, alle sagen igitt und alle kucken es.“ „Wir kriegen genau dieses Problem, meine Liebe, du kennst den Leo nicht. Bei uns war der ne Woche im Urlaub, Gehirn abgeschaltet, aber zurück in seiner Wohnung in Moabit, da is der so klar, da fliegst du aus m Fenster. Ich sage dir, der perfektioniert das, wirst sehen, der baut da Anlagen, liest Bücher, kuckt Filme, je länger wir warten, desto durchgeknallter wird der.“ Alex verzieht das Gesicht. „Zwei Monate, was heißt warten? Hast den Produzenten gehört. Und Leo? Was hat der vor?“ „Der spinnt sich doch was zusammen“, flüstert Carl, „dass unser Aufstieg im Umweltgarten nur Glück war.“ Alex aufgebracht: „Ich kann das Wort ‘Umweltgarten’ nich mehr hörn.“ „Ich hab die doch damals gesehen“, redet Carl weiter, für einen Moment scheint er verträumt und wieder in der Anfangszeit, „beim Beete anlegen und Komposthaufen im Trapez, Steine nach Farben sortieren für Blinde, weil die an der Hitzewallung tatsächlich Farben ertasten können, und als ich in Leos Wohnung komme, trifft mich der Schlag, da seh ich die Bilder und denke: Scheiße, was macht dieser Typ bei nem Billig-Job? Der Verrückte, der hat keine Schaffenskrise, wenn ihm nichts einfällt, da sagt der sich na und? Dann mach ich mal nen Monat nix. Das musst du erst mal aushalten. Die Leute werden doch hier verrückt, wenn sie nix machen, dann denken die doch ihre Lebensberechtigungszeit is abgelaufen.“ „Ach Carl, der wird schon wieder. Der kann doch nur Quatschen und Kunst. Mach dir mal um den keine Sorgen.“ „Nee, Alex, um mich mach ich mir Sorgen, um mich und Leo, das mein ich ganz eigennützig. Ich muss das wieder hinkriegen mit dem.“ „Dann fahr ich da jetzt wirklich hin?“ fragt Alex mit großen Augen. „Ich soll eure Freundschaft…?“ „Is doch nicht so schlimm, du fährst vier Tage zum Leo, lässt dich n bisschen verwöhnen, immerhin, er schneidet dir ja nicht gleich die Hände ab.“ „Ach“, sagt Alex, „besser wär’s.“ „Na hat der denn überhaupt nen annehmbaren, du weißt schon?“ „Keine Ahnung.“ Alex haut die flache Hand auf den Tisch: „Na, du musst ihn doch irgendwann mal nackt gesehen haben, Carl? Nun stell dich nicht so an, Carl, das ist nicht witzig, wahrscheinlich habt ihr die Frauen immer getauscht, und ich bin nur ein weiteres Vögelchen, wir drehen einen Film ha, ha. kenn ich euch denn? Am Ende gerate ich hier in so n abgekartetes Spiel, aber dann kannst du die Alex mal ...“ „Nö, der Leo hat immer die Hosen an, kenn seinen nicht. Der stellt sich ja auch nicht vor nen U-Bahn Schacht mit Strichmännchen auf’m Pimmel wie Keith Haring.“ „Der Männchenmaler?“ „Genau. Kennste die Fotos von der Leibovitz?“ „Nee, da war ich noch nicht geborn.“ „Das is doch keine Ausrede, Led Zeppelin ‘Ramble On’ kann man sich immer noch antun, auch wer 1970 noch nicht geborn war.“ „Du redest ja schon wie der Leo, Carl, langsam, versteh ich, warum ihr euch versteht und nicht versteht.“ -- Neben mir telefoniert schon wieder eine. Die mimt dieses Vor-einem-Rumtelefoniern. Als Mann denkst du, die will dir zeigen wie begehrt sie ist. Gibt natürlich welche, die das übertreiben, ‘impliziert’ in den Mund nehmen und ‘kongeniale Nebensätze’ raushauen, da denkt man gleich, ach du Schnecke, mit so einer will ich aber nich im Bett landen, sonst substituiert die mir noch einen. Umgekehrt wird es auch nicht besser. Überall rumzuschreien, ich schreibe einen Porno Roman erzeugt mitnichten die Resonanz wie erhofft, ‘Viel Spaß!’ rufen die beim davoneilen. Der Rest kuckt einen verdutzt an, als hätt man ‘Willste Ficken?’ gesagt, und liefe einem die spermatriefende Soße die Schläfen herunter. „Ja, du, Trixxie“, sagt die Telefonistin lustig rumwackelnd auf der Bank „…du ich hab ne Stunde dazwischen, können wir, naja…“, sie sieht mich an. Mich. Lächelt. Ne Stunde, was redet die? Das is ja ne Einladung. Ich sag: „Trixxie? Oh, die will ich auch kennenlernen.“ „Und was willst du dann mit der machen?“ fragt sie streng. „Naja….äh…Trixxie wird dann richtig zur Trixxie…äh und dich will ich natürlich auch kennenlernen.“ Sie lächelt, steht auf, lächelt weiter, geht.

Also irgendwie kriege ich sie nicht hin, die Chemie des Zusammenkommens. Einen Tag später noch schlimmer, sitzt eine zierliche Blonde, mit Mandelaugen, auch ne Seltenheit, vor genau dem gleichen Café. Sie hat so ein elektronisches Leseding, von der Größe eines Heftchens auf den übereinander geschlagenen Schenkeln, und immerhin einen Rock an. Erst hab ich die gar nicht bemerkt, weil die vor dem Café ganz alleine so still rumsitzt. Und die neuartigen Lesemittel interessieren mich nicht, da telefoniert die plötzlich ganz aufgeregt und sagt düstere Sachen, dass ich denke, Junge, Junge, die is aber grad ins Verließ hinabgestiegen. „Nein, hat sich nicht mehr gemeldet“, hadert sie in ihr Handy, „hab schon überlegt, ob ich da nochmal hin fliege, aber die Flugpreise. Nee, renn dem doch nicht…hässliche Augen…was will das Schwein…den seh ich am Montag, den schieß ich ab…ach…müssen die sich denn immer schon vorher als…entpuppen…du …wir sehen uns ja auch am Montag, mit der….“ Und so geht das die ganze Zeit. Ich denke, Mensch, die erzählt mir hier einen, merkt die nicht, dass wir morgens beide draußen hier um 7.33 Uhr ganz alleine vor dem Café sitzen? Wieso tut die das? Als sie endlich auflegt, frage ich dann doch mal nach, was sie da für n Elektrogerät hat, Tabloid- irgendwas, gesenktes Stimmchen, damit könne sie lesen und ein bisschen Schreiben, aha, hingebe ich mich interessiert…500 sagt sie, is aber teuer hingebe ich mich bewundernd…ja, so macht das der Leo, ich könnte sie zuschroten mit 500.000 bis oben hin bis ihr Kopf nicht mehr zu sehen ist, aber sie? Schnute zieht sie, ihre Augen sehen müde aus, ich denk, Junge die is so in der Scheiße gelandet, das muss doch jetzt was werden, dann soll sie mir doch den ganzen Mist erzählen, meinetwegen. Ich seh mich schon mit der anner Spree langgehen… aber da kommt nichts mehr, ruckartig senkt sich ihr Kinn und sie liest so vehement und scrollt da weiter in ihrem Elektroding, mehr Ablehnung geht nicht. Na gut, les ich eben auch weiter meine Zeitung, aber als ich denke, so nach 5 Minuten kannste ja mal wieder, steht die plötzlich auf und geht rein. Wozu sitzt die eigentlich hier draußen in der Kirchstraße? Dann soll sie doch zuhause flennen, und da wird mir klar, es gibt nicht nur so etwas wie einen Dresscode, es gibt auch einen, …hm, wie nennt man das… Accessoire Code. Wenn du nicht mit ein paar dieser neuesten Technologien ausgestattet bist, stattdessen dein Billig Handy auf den Tisch legst, das die angeekelt schon kaum ertragen können, als würde der Tisch mit Uralt-Technik kontaminiert, kannst du auch nicht ihr Bild erfüllen. Die haben ihr bestimmtes Bild von Mann im Kopf, das sie alles anders geratene ignorieren lässt. Die hörn auch ihr Leben lang dieselbe Musik. Wenn da mal n fremdes Instrument so ganz scheu im Hintergrund auftaucht, ne Sitar, Tabla, da schalten die gleich ab. Wir gehen durch die Welt mit der Musik, die wir hörn. Dieses Geldausgeben für Luxus bringt überhaupt nichts, du musst dann nämlich am Savignyplatz draußen sitzen zur Vorzeige, krampfig in die Sonne blinzeln, beim teuersten Italiener für pappige Gnocchi den dreifachen Preis bezahlen, und sie schwenkt dir mit ihren dünnen Ärmchen lässig gegen die Sonne ihr Weinglas entgegen, es ist so jämmerlich, das ganze Geldausgeben, so ärmlich. Deshalb landen diese Frauen auch immer in den gleichen Unglücken, mit den gleichen in die Sonne blinzelnden Männern. Dann sitzen die so da vor dem Café und dann kommt der Leo, das haben die gerade noch gebraucht. „Jetzt mal Vorschläge, wie wir den beschäftigen können.“ „Ich hab’s, der soll mich malen, da isser vier Tage beschäftigt.“ „Geht nicht, das hab ich ihm ja abgewöhnt. Hab ihn nur noch wisch wisch machen lassen, da hat er dann seinen Leo drunter gesetzt. Deshalb isser doch berühmt.“ Leo is ne Marke. Die Marke gehört den Käufern, die kaufen wo Leo drauf steht. Der braucht keine Werbespots, die merkt sich keine Sau, da steht Leo, fertig.“ „Dann soll er doch auf mich Leo draufschreiben.“ „Genau, dann is Alex von Leo und sitzt bei Carl, nich sehr überzeugend.“ „Wie wär’s mit nem Streifzug durch die Sex-Historie, da lernen wa alle noch was?“ „Aber Alex. Du meinst, wir sitzen mit nem Laptop auf den Knien daneben und probieren aus, was es in 3000 Jahren gegeben hat? Kleopatras ersten Vibrator, das Bambusrohr mit den eingesperrten Bienen drin? Dildos aus Wachs von erigierten Penissen Strangulierter am Pranger, und dieser ganze Mist?“ „Na, Leo liebt es doch improvisiert, hab mal gelesen, dass jeder seiner Songs mindestens 120 Fehler enthält, statt bpm, beats per minute, hat Leo mpm, 120 Mistakes per minute.“ Das is doch Programm bei dem, Alex, das is sein Ding, damit stemmt er sich gegen diesen Perfektionismus in der Welt. Der will auch keine perfekten Menschen, deshalb mag er dich ja so.“ „Wenn der mich mögen würde, würde er auf die ganze Show verzichten und wenn er wirklich dein Freund wär, würde er endlich nachgeben, einsehen, dass es eben Gewinner und Verlierer gibt.“ „Nee, so sieht der Leo die Welt aber nicht, der meint, alles kommt irgendwie zurück.“ „Dann kommt das. was er hier mit uns treibt aber auf ihn zurück, A Tribe Called Quest, da sollte er mal lieber in Deckung gehen, noch vor vorm Zurück, sonst kommt das Zurück nämlich frontal, von vorne, und das tut dann richtig weh“, „…dass wir da geradewegs draufzusteuern“, ergänzt Carl, jetzt scheinen sie langsam drinnen im Ideen spinnen. „Oder“, sagt Alex: „Wir holen uns Hilfe.“ „Pass auf“, spinnt Carl weiter: „Der Leo hat mal so eine Domina engagiert, bei einer Vernissage, Ewa heißt die, hat Schilder hochgehalten, so richtig hoch. Ja, die kann uns vielleicht was verraten. Die muss doch so ne Kunden wie den Leo dauernd haben.“ „Soll die das doch gleich selber machen, die Ewa.“ Carl lacht: „Die is noch n Kopf größer als du, mit Riesenbrüsten, da erstickt uns der Leo höchstens.“ „Schlank, groß mit Riesenbrüsten? So wie man sich das vorstellt?“ staunt Alex. „Klar“, schüttelt Carl belustigt den Kopf. „Eben Porno. Die Fleisch und Blut geratene Vorstellung.“ Alex dreht sich zum Fenster den Rücken Carl zugewandt: „Vorstellung? Da hab ich was für dich.“ „Spucks aus, wir nehmen alles!“ „Carl, die Lösung unseres kleinen Leo Problems, eigentlich sollte es ja eine Überraschung sein…“ „Schwanger?“ Carl wird laut. „Bist du bescheuert?“ Carl schreit. Alex grinst: „Oscarpreisträgerin schwört bei der Fältchenbekämpfung auf Optimum Swiss Apple Overnight Skin Re-Newal Serum.“ Carl zuckt nervös mit den Mundwinkeln. „Leg doch mal deine Scheiß-Klatschzeitungen weg. „Na jedenfalls“, bleibt Alex gelassen „wenn der Herr nicht will, dann eben nicht schwanger, dann eben Optimum Re-Newal.“ Carl wendet sich ab, streunt in der Wohnung herum als suchte er etwas. „Ich sagte nicht“, ruft Alex. Sie muss schreien, weil Carl im Nebenzimmer verschwunden ist, es rumpelt heftig, als räumte er Schränke aus. Alex bleibt unbeirrt und schreit: „Schwanger: Konzept: Mann weg, Kohle kassiern, is doch n beliebter Sport in Berlin, kommt dem doch glaubwürdig. Mit nem dicken Bauch wird Leo mich in Ruhe lassen, ich fahre zwar hin, aber – dann sieht er ein – wir reden ein bisschen und nach dem achten Bier…“ Carl kommt aus dem Nebenraum, wieder mit einem Stapel Ordner in der Hand: „Du hast nur eine winzige Kleinigkeit vergessen: Leo trinkt kein Bier mehr.“ Carl sieht sie kopfschüttelnd an. „Du kapierst gar nichts.“ Er geht zu einer Schublade, zieht einen Schlüssel heraus, dann öffnet er einen Metallschrank, holt noch drei Aktenordner hervor, knallt sie auf den Tisch. Knallt sie nochmal auf den Tisch und knallt sie nochmal auf den Tisch, und deutet ein weiteres Nochmal–auf-den- Tisch-knallen an, damit sie es endlich kapiert: „Hier, Fuck You Alex! Seit einem Jahr bekomme ich diesen Mist zugestellt, es ist ein Haufen Scheiße, und und, und, und, bekomme davon nichts mehr geregelt. Drei, in Affekturverschissene drei Anwälte ergeben sich angeblich überfordert, diese Mistbolzen... Wenn es nach Gerichtsurteilen, Forderungen von Müttern und allem, woran ich mich angeblich erinnern sollte, ginge, müsste ich derzeit Vater von 67 Kindern sein.“ „Was …das?“ fragt Alex. Pause. „Mh“, lächelt Carl. „Da liegt sie brach die Frau, die gerade noch …lecker, lecker, so lehrest du kennen. Ich geh schon fast routinemäßig einmal im Monat zum Vaterschaftstest, meine Liebe. Die sagen stets, ich wär der einzige, bei dem gleich 10 Neue anstünden.“ „Du meinst, da kommen welche und behaupten du wärst der Vater ihres Kindes?“ „Ihrer Kinder, Süße, Plural. Das fing irgendwann an, ab dem Grade, wenn du berühmt bist, zwischendurch, ähem… stimmte es dann allerdings auch mal, was die Sache dummerweise erschwierigte. Die Richter wissen kaum noch, was sie glauben sollen, belegen mich mit ihrem restriktiven Bannstrahl, bin inzwischen ihrer Sympathie ausgeliefert, ein va banque Spiel. 67 Klagen. Jetzt wollen sie mich auch endgültig nicht mehr bei den Benzens haben, Carl wie Carl der Gründungsvater, das Wortspiel war denen dann doch zu heikel, da muss der Größenwahn nich auch noch Autofahrn – sind so die Stolpersteine des Lebens, wenn du berühmt bist? Die haben spitz gekriegt, dass ich den Berli kenne, wird zusehends schwieriger, sauber zu bleiben, sobald einer mit dem du verbandelt bist, den Abstieg betritt; dann zieht der dich mit runter – ich kenne eben zu viele Leute.“ „Offenbar“, lacht Alex, „zu viele schwangere Leute.“ „Ja, lach du nur, kommst ja jetzt auch noch an. Netter Versuch, kleines Alexchen, aber ich bin nicht blöde, da rüttelst du an meinen Grundfesten, hier wird niemand schwanger, schon gar nicht geheiratet, und die Zeitverschwendung zu deren Eltern zu fahren habe ich mir zu oft in meinem Leben gegönnt. Ich versuche diesen ganzen Ballast abzuwerfen. Hast du nicht mein zweites Buch gelesen? Das, das wir verfilmen wollen? ‘So ein geiler Titel…’ da steht es doch drin, wie hat es einer formuliert? Ich möchte nicht mehr verhaftet sein, keinerlei Bindung mehr, zu auch nur irgendetwas, keine Haftung am Boden, leicht werden, erst ein leerer Raum, dann ein leerer Carl, Empty Room, Get rid of the Shit, befrei dich davon, und ich werde das auch weiterhin so halten.“ „Da versucht man nun“, sagt Alex, „dieses Problem aus der Welt zu schaffen und Herr Carl fühlt sich gleich angegriffen. Was hast du noch gesagt? Loswerden? Get rid of...? Willst du mich auch loswerden?“ Dann fällt ihr Blick auf den Schreibtisch ‘Fahren in die Kneipe’, „genauso hast du dir das vorgestellt. Der neue B-e-n-z-i-n-e-r?“ fragt sie. „Na eben nicht“, protestiert er. „Such mal dein Auto“, sagt sie, nimmt das Schlüsselbund mit dem elektronischen Türöffner, macht das Fenster auf, drückt einmal auf ‘Entriegelungsknopf’, und irgendwo dort unten in der Seitenstraße erklingt es ‘put sching’. „Hör“ mal, drückt sie erneut, es macht ‘piup piup’ unten auf der Straße. „Was…?“ stutzt Carl. „Das hier“, dreht sich Alex zu ihm und hebt die Autoschlüssel vor die Nase. „Das hier sind die Dinge die du mal langsam loswerden solltest. Und das hier“, sie geht zu dem portablen Telefon, wirft es von der Ladestation Carl zu, Carl fängt in einem Reflex. „Handys, Palmtops was auch immer, solltest du erstmal loswerden, deine ganzen Adapter, Netzgeräte, sieh dich doch mal um, in deinem Kabellabor, für jedes Vieh n Netzstecker, sieh dich in deiner Küche um, Kaffeetaps, Toaster, Wasserkocher, du bist doch hier total zugemüllt, das is doch Elektro Porno. Ich lach mich kaputt, da sitzt ein Carl, umgeben von technischem Spielzeug bis an die Zähne bewaffnet und erzählt mir was von Loslassen.“ Carl legt das Telefon neben sich, schnappt seine Jacke, „Okay, okay, wir gehen zu Fuß, oder muss ich die hier auch noch loswerden?“ und besieht sich nach unten. „Schuhe?“ fragt Alex, „aber damit hat der ganze Schlamassel doch erst angefangen“ . Ein kurzes Zögern. Carl bewegt sich zuerst. „Und merke dir eins“, geht er nah an ihr Gesicht heran: „Wenn du schwanger sein willst, …meine Freundschaft mit Leo rettest du damit nicht. Glaub mir Alex. Du und schwanger, das wär jetzt das blödeste was ich hier gebrauchen könnte. Schwanger wirst du mal schön alleine.“ „Und merke du dir“, bereitet es jetzt auch Alex Vergnügen, ihm ganz nah vor der Nase rumzutanzen „ich hab dem Leo nen Therapie-Stufenplan versprochen, ne Rakete, und die kriegt er auch. Vier Stufen. Kein Wunder, dass der bei so nem Bemackten Carl im Laufe der Jahre ganz irre wird. Nu bleib mal locker. Wir organisieren dem seine Berühmtheit zurück, dann isser geheilt.“ „Wir? Was kannst du denn? Außer...?“ aber längst spürt Carl, dass es ihm nur recht ist, wenn Alex so genau weiß was sie da tut und , das muss er schon zugeben, ihr Plan klingt gar nicht schlecht: „Na, hättst mal sehen sollen, deine Alex vor’m Schuhregal. Hat selbst der Leo gestaunt wie die alle um mich rum gesprungen sind, denkste ich krieg dem seine Karriere nich angeknipst? Und ein Gutes hat das Ganze“, beschwichtigt Alex noch zum Schluss: „Wenigstens haben wir uns schon mal angeschrien. Soll ja gesund sein, gut für die Lunge, und das Wort ‘Lunge’ kann ich übrigens auch nicht mehr hörn!“

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