Читать книгу Ort des Bösen - J.P. Conrad - Страница 6
Montag, 06. Oktober 2014 09:40 Uhr
ОглавлениеDer Hörer flog auf die Gabel und Detective Chief Inspector Hubert Macintosh kratzte sich mit unzufriedener Miene am Kopf.
»Tja«, war sein erster Kommentar, der nicht gerade von Enthusiasmus triefte.
Jack hatte dem für ihn einseitigen und recht kurzen Gespräch keinerlei hilfreiche Informationen entnehmen können. Ungeduldig rutsche er auf seinem Stuhl etwas weiter nach vorne.
»Und?«
»Also gesucht wird wohl nach ihm. Der zuständige Beamte ist allerdings gerade nicht da.«
Jacks Mundwinkel wanderten nach unten. »Klingt ja super professionell.«
»Ich habe vollstes Vertrauen in die Kollegen da oben«, erklärte Macintosh und hob besänftigend die Hand. »Sie befolgen ihre Vorschriften für die Suche nach vermissten Personen. Es ist schließlich ihre Pflicht.«
Er hielt kurz inne, als ginge ihm etwas durch den Kopf, das mit dem Telefonat zusammen hing. Jack bemerkte das.
»Was?«
Der Inspektor machte eine herunterspielende Handbewegung. »Nichts.« Er bedachte sein Gegenüber mit einem eindringlichen Blick.
»Diese Miss Spencer hat Ihnen wirklich keine weiteren Anhaltspunkte zu seinem Vorhaben geben können?«
»Nicht mehr, als er mir selbst gesagt und geschrieben hat. Er wollte drei Tage fort bleiben und sich bei Alice zwischendurch telefonisch melden.«
»Und das hat er nicht getan«, vervollständige der Macintosh den Satz nickend. Er fuhr sich mit den Fingern durch seinen ergrauten Schnauzbart. Dann sah er auf seine Armbanduhr und ließ angestrengt etwas Luft aus seinem Mund entweichen.
Jack kannte den Inspektor nun seit fast vier Jahren; seit sie sich bei den Ermittlungen im Mordfall des Industriellen Byron Moore zum ersten Mal begegnet waren. Der schlanke, hochgewachsene Mann war ein Kriminaler der alten Garde, der stets Anzug und Krawatte trug und, sehr zum Leidwesen seiner Frau, voll in seinem Beruf aufging. Er war ein oft mürrisch wirkender Charakter, insbesondere wenn es um die mit seiner Arbeit einhergehende Bürokratie ging, dafür aber umso geschärfter in seiner Ermittlungsarbeit.
Er hatte Jack einmal überredet, in einem mehr als waghalsigen Einsatz als Lockvogel zu fungieren, was dieser fast mit dem Leben bezahlt hätte. Seitdem gab es zwischen den beiden ein stilles Abkommen: Man half sich hier und da gegenseitig bei Ermittlungen, beziehungsweise Recherchen ein wenig auf die Sprünge – sofern es gesetzlich vertretbar war. Macintosh war an der Einhaltung der Vorschriften viel gelegen, so schien es zumindest. Aber Jack wusste, dass auch er diese hin und wieder zu seinen Gunsten auslegte, um ein Verbrechen aufzuklären. Dies hatte ihm und seinem Kollegen Steven Highsmith sogar einmal, wenn auch nur kurzzeitig, eine Suspendierung eingebracht. Jetzt stand der Inspektor, der schon jenseits der Sechzig war, kurz vor seiner Pensionierung.
Steve, den Jack ebenso lange kannte, war ihm inzwischen ein guter Freund und Vertrauter geworden. Auch er hatte ihm schon mehr als einmal wertvolle Informationen zu laufenden Ermittlungen zukommen lassen, was er aber aus rein freundschaftlichem Antrieb heraus tat. Es war ein Glücksfall für Jack, diesen ›Verbündeten‹ bei Scotland Yard zu haben.
Sie schwiegen einen Moment. Jacks Blick fiel auf die Wand mit den Informationen zu einem aktuellen Fall, der jüngst in London für Aufsehen gesorgt hatte.
»Wie kommen Sie mit der ›Behind the Door‹ Geschichte voran?«, fragte er im Plauderton. Er erntete sofort einen strafenden Blick des Kriminalen und machte daraufhin eine abwehrende Handbewegung. »Keine Angst, ich bin nicht an dem Fall interessiert!«
Macintosh sah zur Ermittlerwand und seufzte. »Vier Leichen, laut Videoüberwachung zwei Täter, wobei einer eindeutig eine Frau ist.«
»Eine Frau? Wow.«
Der Inspektor hob drohend den Finger. »Calhey, ich warne Sie! Wenn ich auch nur eine Zeile darüber in Ihrem Käseblatt lese…«
Detective Inspector Highsmith betrat den Raum, was für die beiden Wartenden einer Erlösung gleich kam. Jack konnte im Gesicht seines guten Freundes jedoch nicht das von ihm erhoffte, zufriedene Lächeln entdecken.
»So leid es mir tut, aber das Mobiltelefon ist nicht zu orten.«
»Okay«, sagte Macintosh direkt, als ob er mit diesem Ergebnis bereits gerechnet hätte. »Danke, Steve.«
»Er hat es also tatsächlich ausgeschaltet?«, fragte Jack zweifelnd und fügte sofort hinzu: »Das würde er nie tun, das weiß ich. Er kann nicht ohne das Ding sein, das hat er mir selbst mal gesagt. Er muss immer erreichbar sein und vor allem seine Mails abrufen können.«
»Eine Volkskrankheit«, murrte Macintosh, der selbst ein Smartphone besaß, von dem Jack aber wusste, dass er es fast ausschließlich als Ersatz für einen Notizblock benutze.
»Es muss es nicht zwangsläufig ausgeschaltet haben«, erklärte Highsmith. »Der Akku kann beispielsweise leer sein.«
»Was allerdings bedeuten würde, dass Felix nicht mehr in der Lage war, ihn zu laden oder zu wechseln«, brummte Jack grübelnd. An den Inspektor gewandt, der bereits den Mund zu einem Kommentar geöffnet hatte, sagte er: »Das Ladekabel hatte er eingepackt. Alice hat es selbst gesehen!«
»Zudem setzt eine erfolgreich Ortung auch voraus, dass das Gerät Satellitenkontakt hat und sich in keinem Funkloch befindet«, fuhr Highsmith fort. »In den Highlands kann das allerdings durchaus passieren.«
»Ach komm, Steve«, entgegnete Jack abwinkend. »Ihm muss etwas zugestoßen sein. Sonst hätte er auf irgendeine andere Art versucht, sich zu melden. Über ein Festnetztelefon zum Beispiel.«
»Das ist wohl wahr«, pflichtete Macintosh ihm überraschend bei. »Vierzehn Tage ohne ein Lebenszeichen sind eine lange Zeit.«
Unausgesprochen im Raum standen seine Worte, dass Felix etwas zugestoßen sein musste.
»Aber trotzdem müssen Sie den Kollegen da oben mehr Zeit geben«, fuhr er fort. »Ich kann nicht Scotland Yard in diese Angelegenheit einschalten, nur weil wir uns schon so lange kennen. Es fällt nicht in unseren Zuständigkeitsbereich. Das verstehen Sie doch?«
Jack nickte widerstrebend. Natürlich verstand er das, ebenso wie die Tatsache, dass er jeden Monat Steuern zahlen musste. Die Frage war, ob ihm das auch gefiel. Und die Sache mit Felix gefiel ihm ganz und gar nicht. Er spürte immer deutlicher, dass er hier nur seine Zeit vergeudete. Die Handyortung war negativ verlaufen und von dem Inspektor konnte er wohl gerade nicht mehr erwarten.
Er sah auf seine Uhr und stand auf.
»Okay, dann mache ich mich mal wieder auf den Weg. Ich danke Ihnen trotzdem für Ihre Mühe.« Er reichte Macintosh die Hand.
»Keine Ursache. Für jeden anderen hätten wir sicher noch weniger tun können.«
Beim Herausgehen klopfte Jack Steven Highsmith freundschaftlich auf die Schulter.
»Halt die Ohren steif!«, flüsterte dieser und lächelte aufmunternd.
Jack hatte ihn bereits darüber ins Bild gesetzt, was er als nächsten Schritt unternehmen wollte. Er war schon fast aus der Tür, als Macintosh fragte:
»Nur aus reiner Neugier, Calhey - was haben Sie jetzt vor?«
Ein hintergründiges Grinsen. »Na, was denken Sie?«
Mit einem verstehenden, aber missbilligenden Gesichtsausdruck, ließ sich der Inspektor wieder auf seinen Stuhl sinken. Er wusste genau, was das bei Jack Calhey für gewöhnlich bedeutete: Ärger.
Kurz, nachdem sein Kollege und er alleine waren, stand Macintosh wieder auf, trat vor das Fenster und starrte mit in die Hüften gestemmten Armen hinaus. Highsmith wollte gerade nach nebenan gehen, als der Inspektor sagte:
»Steve, bleiben Sie noch.«
Dieser machte kehrt und trat vor den Schreibtisch. Ein besorgter Blick traf ihn.
»Ist noch was?«, fragte er.
»Ich habe das vor Calhey nicht erwähnt, aber irgendetwas seltsames geht da oben vor.«
»Da oben?«
Macintosh seufzte. »In diesem Kaff. Gleann Sowieso. Der Kollege hat mir gesagt, dass dort vor kurzem zwei Menschen eines unnatürlichen Todes gestorben sind. Ein alter Mann und eine junge Frau.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Und beides passierte, nachdem Mister Calheys Freund dort aufgetaucht war.«