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b) Dauer und Wesentlichkeit der Liquiditätslücke

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Eine strikt an den Parametern des Insolvenzrechts (Zeitraum der Illiquidität: drei Wochen; Liquiditätslücke 10 %) orientierte Auslegung genügt den strafrechtlichen Anforderungen an die Feststellung von Zahlungsunfähigkeit als Krisenmerkmal des § 283 Abs. 1 StGB nicht. Es handelt sich – auch in der insolvenzrechtlichen Judikatur – bei Lichte besehen nur um Richtwerte mit Indizcharakter. Die „10 %-Grenze“ markiert bei genauer Betrachtung nur einen Referenzwert für eine zivilrechtliche Beweislastverteilung: Während der Schuldner im Fall von Liquiditätslücken, die diesen Referenzwert übersteigen, die Beweislast dafür trägt, dass Zahlungsunfähigkeit nicht vorliegt, kehrt sich die Beweislastverteilung bei Unterschreitung des Schwellenwertes um.[51] In das Strafrecht kann diese Beweisregel schon prozessual unter Beachtung des „in dubio pro reo“ Satzes nicht übernommen werden.[52] Das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit ist selbst bei Erreichen oder Überschreiten dieser Grenze – selbst nach insolvenzrechtlicher „Vorgabe“ – widerlegbar, d.h. hierdurch keineswegs ausreichend sicher festgestellt. Aus diesem Grund ist strafrechtlich ein „Sicherheitszuschlag“ veranlasst. Um Unsicherheiten auszuschließen, ist im Rahmen von § 283 Abs. 1 StGB eine Liquiditätslücke von wenigstens 25 % der (ernsthaft eingeforderten) Verbindlichkeit erforderlich, um die Voraussetzungen des Krisenmerkmals zu begründen.[53]

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Entsprechendes gilt für die strafrechtliche Feststellung der Dauerhaftigkeit der Liquiditätslücke zur Beurteilung der Zeitraumilliquidität.[54] Die dreiwöchige Frist berücksichtigt nur die Dauer, welche die Kapitalbeschaffung „für gewöhnlich“ erfordert.[55] In Einzelfällen besteht – auch nach der Rechtsprechung in Zivilsachen – die Möglichkeit, dass eine Liquiditätslücke – absehbar – noch zu einem späteren Zeitpunkt zurückgeführt werden kann.[56] Dies gilt insbesondere für (kleinere) Unternehmen, die wirtschaftlich nur von wenigen Auftraggebern abhängig sind.[57] Die Anwendung starrer Grenzen, die unabhängig vom jeweils zu würdigenden Einzelfall Geltung beanspruchen, erscheint im strafrechtlichen Kontext zur Abgrenzung zwischen (noch) straflosem und überhaupt strafbarem Verhalten problematisch. Jedenfalls ist strafrechtlich auch im Zusammenhang der Abgrenzung von Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung ein Sicherheitszuschlag veranlasst. Strafrechtlich ist danach ein Illiquiditätszeitraum von wenigstens sechs Wochen Voraussetzung.[58]

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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Krisenmerkmal der Zahlungsunfähigkeit im Kontext der §§ 283 ff. StGB die Feststellung einer Liquiditätslücke von mindesten 25 % der fälligen – und ernsthaft eingeforderten – (Geld-)Verbindlichkeiten erfordert, die dauerhaft, d.h. wenigstens über einen Zeitraum von sechs Wochen (Zeitraumilliquidität) fortbesteht.

Bankrott und strafrechtliche Organhaftung

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