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ZWEITES
ZWISCHENKAPITEL DARSTELLEND DIE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES
INTERMINISTERIELLEN KOMITEES FÜR SONDERFRAGEN
SOWIE SEINE FUNKTIONEN

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Wir müssen spätestens an dieser Stelle kurz auf die Entstehungsgeschichte jener Institution zu sprechen kommen, in deren Rahmen der Legationsrat Tuzzi seiner wichtigen Tätigkeit obliegt. Solche Rückblicke in die Vergangenheit sind natürlich ärgerlich, weil sie den glatten Lauf der Erzählung hemmen – und außerdem widersprechen sie aufs lästigste den Forderungen, die man an einen zeitgenössischen Roman mit Recht stellen darf. Aber wie soll man etwas Österreichisches beschreiben, und sei es etwas noch so Gegenwärtiges, ohne dauernd auf die besonderen Ursachen zu verweisen, die es hervorgebracht haben? Dies ist ein Ding der Unmöglichkeit, denn in allem Österreichischen ist der Anteil der Vergangenheit mindestens ebenso groß wie der der Gegenwart. Man kann ihr nicht aus dem Wege gehen.

Wann das Interministerielle Komitee für Sonderfragen eigentlich gegründet wurde, weiß man nicht. Eine große Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß es überhaupt nie gegründet wurde, sondern einfach entstanden ist. Man könnte sich vorstellen, daß irgendwann einmal, vielleicht schon vor Jahrhunderten, Beamte zweier Ministerien zusammengetroffen sind, um ein beide Ressorts berührendes Problem zu besprechen. Vielleicht ist im Verlaufe dieser Besprechung ein drittes Ministerium involviert worden, das dann ebenfalls einen für die betreffende Sachfrage zuständigen Beamten entsandte. Nach der Lösung des Problems (oder dem Entschluß, es als unlösbar zu betrachten) mag einer der drei Räte ausgeschieden sein, während die anderen unter Hinzuziehung eines anderen Ministerialen ein neu auftauchendes (oder aus dem alten herausgewachsenes) Problem in Angriff nahmen.

So ungefähr muß man sich die Entstehung des Interministeriellen Sonderkomitees denken. Obwohl es niemals wirklich institutionalisiert wurde, ist es in den Dämmerzonen zwischen den ministeriellen Kompetenzbereichen prächtig und durchaus organisch zu seinem heutigen Umfang herangewachsen, zu einer im Sinne Musils vorläufig definitiv provisorischen oder provisorisch definitiven Einrichtung, die sich in gewissem Sinne selbst als eigentlich nicht existent empfindet – insofern nämlich, als seine zahlreichen Beamten auch nach langer Tätigkeit nach wie vor dem Personalstande jener Ministerien angehören, von denen sie in das Sonderkomitee delegiert worden sind.

Die Arbeit zwischen den Ressortgrenzen und in den Kompetenzlücken verlangt natürlich besondere Fähigkeiten, etwa eine ausgeprägte Kombinationsgabe und einen sicheren Instinkt für das eben noch Mögliche; auch sind hochentwickeltes Taktgefühl, vielseitige Bildung und unbegrenzte Diskretion geradezu Voraussetzung, weshalb es sich denn fast von selbst versteht, daß die Ministerien nur hervorragende Beamte dem Komitee zuweisen.

Ihm, dem eigentlich nicht existenten und in keinem Amtskalender ausgewiesenen, anzugehören ist somit für jeden Zugeteilten eine besondere Ehre, denn er darf sich initiiert in den höchsten Grad der österreichischen Bürokratie und als ein Eingeweihter fühlen.

Außerdem hat er’s dort viel bequemer als in seinem Ministerium. Nicht weil er nun weniger Arbeit hätte – das Komitee leistet, wie wir noch sehen werden, vorzügliche Arbeit –, sondern weil das »Interministerielle« kaum von bürokratischen Zwängen geplagt wird: es gibt in ihm keine autorisierten Vorgesetzten und, vom Büropersonal abgesehen, also auch keine Untergebenen, denn kein Ministerium ließe zu, daß andere Ressorts eine führende Rolle beanspruchten. Somit sind die dem Komitee Zugeteilten auf die Kollegialität als Grundlage ihrer Zusammenarbeit angewiesen. Die Minister respektieren diese Arbeitsform, verzichten ihrerseits auf Anweisungen oder Direktiven und sind zufrieden, sich von ihren Zugeteilten gelegentlich Bericht erstatten zu lassen. Lediglich der Bundeskanzler gestattet es sich manchmal, jedoch nur in Übereinstimmung mit dem Ministerrat, dem Komitee Aufträge zu erteilen, die freilich auch er in die Form von höflichen Anregungen kleidet.

Die fundierte Arbeit, die in dem alten Palais im Schatten der Minoritenkirche geleistet wird, bleibt niemals ohne Folgen. Zwar setzt sie sich selten in unmittelbare oder gar spektakuläre Wirkungen um, aber man kann guten Gewissens behaupten, daß die österreichische Politik in zunehmendem Maße von den Überlegungen, Folgerungen, Hinweisen, Empfehlungen und Erkenntnissen des Interministeriellen Komitees für Sonderfragen durchsickert wird.

Die große Hitze

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