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Vaterliebe

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Die Jahre gingen ins Land und die Maschbau GmbH entwickelte sich nicht zuletzt auf Grund der klugen Finanz- und Bilanzpolitik von Heinz Meier sehr positiv. Die Banken bekamen von ihm Mitte Januar die vorläufigen Zahlen für das abgelaufene Jahr sowie die Planzahlen für das kommende Geschäftsjahr, alle drei Monate einen Status des Unternehmens und einen Abgleich mit den Planzahlen. Das von Heinz Meier vorgelegte Zahlenmaterial galt bei den Banken als sehr transparent und vorbildlich. Rückfragen gab es so gut wie keine. Dank des jährlich fließenden Beraterhonorars von Mikaels Firma und der guten Zahlungsmoral der Kunden war die Maschbau GmbH finanziell unabhängig von den Banken und konnte alle nötigen Investitionen aus dem Cash Flow bezahlen. In dieser Phase verhandelte Heinz Meier mit den beiden Hausbanken. Es gelang ihm nach mehreren Anläufen, die vor Jahren vereinbarten Kontokorrentrahmen, die das Unternehmen schon seit längerer Zeit nicht in Anspruch nahm, deutlich zu erhöhen und die persönlichen Bürgschaften, die Harry Menzel den Banken vor Jahren als Sicherheit gegeben hatte, zurückzubekommen. Als das für die Maschbau GmbH zuständige Vorstandsmitglied der örtlichen Sparkasse Heinz Meier danach fragte, warum er den Kreditrahmen erhöht haben wolle, wo die Firma doch gar keine Kredite in Anspruch nahm, antwortete Heinz Meier. „Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn im Umgang mit Banken eines gelernt: Von den Banken bekommst du nur Kredit, wenn du nachweislich keinen brauchst.“ Dem konnte der Banker nicht widersprechen. Nach wenigen Jahren waren alle alten Darlehen zurückgezahlt und die Banken gaben die auf dem Betriebsgrundstück eingetragenen Grundschulden frei.

Harry Menzel bedachte „seine beiden Meier“ bei den jährlichen Prämien weiterhin sehr großzügig. Anfänglich hatte es einmal eine kleine Unstimmigkeit zwischen Harry Menzel und Hans Meier gegeben. Hans bestand darauf, dass er und Heinz immer die gleiche Prämie ausbezahlt bekamen. Das sah Harry Menzel nicht ein. Denn er war als Ingenieur der Meinung, dass die Technik grundsätzlich den größeren Anteil am Erfolg hatte. Aber schließlich gab er nach.



Hans und Birgit Meier waren nun schon fast dreißig Jahre lang verheiratet. Vor zwei Jahren war das zweite Pekinesenpärchen gestorben und zwei neue Kläffer der gleichen Rasse waren schon wieder am Start. Auch mit den beiden Neuen konnte Hans keine Freundschaft schließen.


Lothar jun. studierte nach dem Abitur, das er mit einem Notendurchschnitt von 1,0 bestanden hatte, Jura in Düsseldorf. Er genoss das Studentenleben dank der großzügigen Zuwendungen seines Vaters und seiner Tante in vollen Zügen und ließ sich Zeit mit seinem Studium. Die Zensuren seiner Hausarbeiten und Klausuren waren hervorragend.

Lothar jun. hatte sich schon während seiner Schulzeit zu einem arroganten Streber der übelsten Sorte entwickelt. In Düsseldorf perfektionierte er in einer einmaligen Art und Weise Strebertum und Müßiggang. Seine einzige Bezugsperson war seine Tante Birgit. Sie war die einzige Person, die er akzeptierte und respektierte. Seine Eltern und seinen Onkel Hans hielt er dagegen für geistig minderbemittelte Idioten, was er auch bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit äußerte. Sie taugten höchstens als Sponsoren. Während der Semesterferien arbeitete er in einer angesehen Düsseldorfer Anwaltssozietät, die von zwei Brüdern geleitet wurde. Der ältere der beiden hatte eine Tochter, die gemeinsam mit Lothar jun. an der Uni in Düsseldorf Jura studierte. Felicitas Baumann war das weibliche Gegenstück zu Lothar jun.: sehr intelligent, ehrgeizig, arrogant und absolut skrupellos. Bei einer Exkursion saßen die beiden am Abend in einer Weinstube an der Weinstraße alleine in einer Ecke an einem Tisch. Von den anderen Exkursionsteilnehmern wollte keiner etwas mit den beiden zu tun haben, aber das störte Lothar jun. und Felicitas nicht weiter. Im Gegenteil, sie empfanden es sowieso als Zumutung, mit diesen Dumpfbacken gemeinsam studieren zu müssen.

Beim Wein lernten sich die beiden näher kennen und stellten schnell fest, dass sie die gleiche Lebensphilosophie verband: „Nur der Erfolg zählt. Alle Mittel, um das vorgegebene Ziel zu erreichen, sind erlaubt.“ Von da an waren die beiden unzertrennlich.

Beide schlossen erwartungsgemäß das Studium mit summa cum laude ab und traten in die Sozietät von Felicitas Vater ein.


Birgit arbeitete, seitdem Lothar jun. zum Studium nach Düsseldorf gezogen war, wieder als Nachtschwester im nahegelegenen Krankenhaus. Da Hans die meiste Zeit auf Reisen war, sahen sie sich kaum. Ohne direkt darüber zu sprechen, hatten sich die beiden mit diesem Zustand arrangiert. Jeder ging seinen eigenen Weg.


Lothar sen. hatte zwar schon das Rentenalter erreicht, aber er arbeitete weiter, zum einen, um weiterhin den aufwendigen Lebensunterhalt seiner Frau und seines Sohnes finanzieren zu können, und zum anderen, um sich sinnvoll zu beschäftigen.


Bei Heinz Meier und seiner Frau Lisa war es ähnlich wie bei Hans und Birgit. Sie sahen sich kaum noch. Lisa liebte ihren Beruf als Lehrerin und ging ihren Hobbys nach. Heinz arbeitete fast rund um die Uhr für die Firma.


Auch bei Harry Menzel und seiner Familie gab es Veränderungen, die die berufliche Zukunft von Hans und Heinz Meier nachhaltig beeinflussen sollten.

Dass es der Maschbau GmbH finanziell sehr gut ging, hatte sich auch schon zu Harrys Schwester Adele und zu seiner Tochter Klara bis in die Schweiz herumgesprochen.

Als Klara nach zwölf Semestern ohne messbaren Erfolg keine Lust mehr hatte, in Genf Jura zu studieren, wechselte sie nach Lausanne, um sich dort ohne großen Ehrgeiz der Betriebswirtschaftslehre zu widmen.

Adeles Mann hatte endlich kurz nach seinem 81. Geburtstag das Zeitliche gesegnet und ihr eine mehr als anständige Erbschaft hinterlassen. Nachdem sie ihre Rolle als trauernde Witwe lange genug gespielt hatte, lud Adele Klara Anfang Februar ein, mit ihr auf einem deutschen Luxusdampfer eine Weltreise zu machen. Vielleicht ergaben sich ja dort interessante Bekanntschaften, am besten mit Angehörigen des männlichen Geschlechts. An einem warmen und sternenklaren Abend saßen die beiden auf ihrem Lieblingsplatz an der Außenbar. Plötzlich spitzte Klara die Ohren. Am Tisch direkt hinter ihr saßen ein Engländer und ein Schwede, die sich angeregt auf Englisch unterhielten. Immer wieder fiel der Name Maschbau GmbH. Im Verlauf des Gespräches bekam Klara so viel mit, dass die beiden unbedingt mit der Firma ihres Vaters ins Geschäft kommen wollten, denn sie hielten die Maschbau GmbH für ein hervorragendes Unternehmen. Klara gab ihrer Tante ein Zeichen, ihr an die Reling zu folgen und berichtete ihrer neugierigen Tante von dem Gespräch, das sie gerade belauscht hatte. Adele witterte sofort Geld.

„Klara, mein Kind, es wird Zeit, dass wir uns um die Firma deines Vaters, meines Bruders, intensiver kümmern. Ich besorge morgen früh die Namen der beiden Herren und dann recherchieren wir, was sie zu bieten haben.“

Am nächsten Tag zur Teestunde hockten die beiden wieder zusammen. Adeles Gesicht glühte vor Aufregung.

„So, ich weiß jetzt, was die beiden machen. Die beiden leiten Firmen, die zu anderen Firmen in Konkurrenz stehen, mit denen dein Vater zusammenarbeitet oder zusammengearbeitet hat. Wir sollten mit den Herren einmal ein unverbindliches Gespräch führen.“

Am nächsten Abend ergab sich dazu in der Bar eine günstige Gelegenheit. An einem Vierertisch saß der Schwede alleine und trank einen doppelten Whisky. Adele ging auf ihn zu und fragte ihn, ob an dem Tisch noch zwei Plätze frei seien und zeigte dabei auf sich und Klara. Der Schwede erhob sich von seinem Sessel und bot den beiden Damen sofort zwei Plätze an. Er wartete, bis sich Adele und Klara gesetzt hatten, gab dann dem Kellner ein Zeichen und setzte sich ebenfalls. Er stellte sich mit Sven Larsson vor und fragte die beiden nach ihrem Getränkewunsch. Als sich der Kellner wieder entfernt hatte, stellten sich auch die beiden Damen vor. Als der Schwede den Namen von Klara Menzel hörte, stutzte er kurz, aber lange genug, dass es den beiden Damen auffiel. Adele ging sofort frontal zum Angriff über.

„Herr Larsson, ich hatte gerade den Eindruck, dass Ihnen der Name meiner Nichte bekannt vorkommt. Arbeiten Sie vielleicht mit ihrem Vater zusammen? Er besitzt eine Firma mit dem Namen Maschbau GmbH.“

Jetzt zuckte der Schwede förmlich zusammen. Er wusste nicht, was er von diesem Gesprächsauftakt halten sollte. Er war in der Branche für seine absolute Diskretion bekannt. Und an Zufälle glaubte er schon lange nicht mehr. Zum Glück erschien jetzt sein englischer Geschäftsfreund auf der Bildfläche und trat an den Tisch.

„Wie ich sehe, Sven, hast du schon Ersatz für meine Gesellschaft gefunden. Und ich muss zugeben, du hast dich enorm verbessert.“

Er stellte sich als Tom Miller vor. Der Schwede übernahm es, die Damen vorzustellen, zuerst Adele und dann mit einer besonderen Betonung, die den beiden Damen sofort auffiel, Klara Menzel aus Deutschland. Und er ergänzte sofort:

„Ihr Vater ist der Inhaber der Maschbau GmbH.“

Der Engländer erwies sich als absoluter Profi. Nachdem er sich auf den letzten freien Platz am Tisch gesetzt hatte, sprach er Klara direkt an.

„So ein Zufall, gestern noch haben Sven und ich uns darüber unterhalten, dass es in Deutschland ein sehr erfolgreiches Unternehmen gibt, das genau diesen Firmennamen trägt. Ist es möglich, dass es sich um das gleiche Unternehmen handelt?“

Adele musste zugeben, dass der Engländer geschickt reagiert hatte. Jetzt waren sie und Klara am Zug.

Sie war jetzt im Nachhinein froh, dass sie erst vor kurzem mit ihrem Bruder telefoniert und ihn danach gefragt hatte, was er genau macht.

„Mein Bruder ist im Bereich des Maschinenbaus tätig. Sein Schwerpunkt liegt in der Beratung anderer Maschinenbauunternehmen, und hier besonders in der Optimierung der Prozessabläufe. Er arbeitet auch für Firmen außerhalb Deutschlands, zum Beispiel in England und Finnland.“

Der Schwede und der Engländer wechselten einen kurzen Blick. Dann ergriff der Engländer wieder das Wort.

„Obwohl ich als Realist nicht an Zufälle glaube, so muss ich heute wohl eine Ausnahme machen. Mein Freund und ich haben in den letzten Tagen tatsächlich über die Firma Ihres Bruders gesprochen. Wir würden die Leistung der Maschbau GmbH gerne in Anspruch nehmen, wissen aber nicht, wie wir vorgehen sollen. Vielleicht können Sie uns behilflich sein?“

Adele konnte. Als die Herren am Wochenende das Schiff verließen, hatte sie ihnen einen Termin bei ihrem Bruder besorgt. Harry war hocherfreut, dass sich sowohl seine Tochter als auch seine Schwester für die Belange seiner Firma interessierten. Er hatte sich in der letzten Zeit wiederholt darüber Gedanken gemacht, wie die Zukunft der Maschbau GmbH aussehen könnte. Er war jetzt fast 62 und wollte nicht ewig die Verantwortung für das Unternehmen übernehmen. Und bei aller Wertschätzung für die beiden Meier, sie waren auch schon Mitte fünfzig und Fremde und kamen deshalb aus seiner Sicht für seine Nachfolge nicht in Frage. Vielleicht würde Klara ja doch noch die Kurve kriegen, zu ihm zurückkommen und in die Firma eintreten. Dann würde sich sein größter Wunsch erfüllen.


Drei Wochen später saßen der Engländer und der Schwede in Harry Menzels Büro. Harrys Englisch reichte gerade für den anfänglichen Smalltalk. Da Hans Meier in Finnland unterwegs war, bat er Heinz Meier hinzu, den er als den kaufmännischen Leiter des Unternehmens vorstellte. Dann bat er seine beiden Gäste, sich selbst vorzustellen. Der Engländer kam Harry Menzels Wunsch umgehend nach und dann gleich zur Sache.

„Wir möchten Ihr Unternehmen für die Länder England, Schweden und Finnland als Dienstleister für den Bereich Prozessoptimierung der Betriebsabläufe unserer Unternehmen verpflichten. Wir haben neue Produkte entwickelt, die wir aber zurzeit nicht wirtschaftlich vermarkten können. Haben Sie Interesse und kurzfristig Kapazitäten frei?“

Harry Menzel blickte rüber zu Heinz Meier, der die Beantwortung der Fragen übernahm.

„Unsere aktuellen Projekte in England und Finnland stehen kurz vor dem Abschluss. Wir sind zwar gut ausgelastet, aber für ein gutes Geschäft sind immer Kapazitäten vorhanden.“

Der Schwede zog eine kleine Mappe aus der Tasche und legte sie für alle einsehbar auf den Tisch.

„Ich habe hier einige Projekte aufgelistet, bei denen wir aktuell Beratungsbedarf sehen. Darunter steht der Betrag, den wir bereit sind, für Ihre Leistung zu zahlen.“

Harry Menzel blätterte die Mappe kurz durch und reichte sie dann an Heinz Meier weiter.

„Meine Herren, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir drei gehen etwas essen und Herr Meier wird in der Zwischenzeit Ihre Unterlagen einer ersten Prüfung unterziehen.“

Kurz darauf saß Heinz in seinem Büro und prüfte die ihm vorliegenden Unterlagen so gut, wie es die kurze Zeit zuließ. Über seine Quellen holte er Auskünfte sowohl über die beiden Personen als auch über die genannten Unternehmen ein. Die Bonität der beiden Herren war gut, bei den aufgeführten Unternehmen gab es Unterschiede. Die angebotenen Konditionen waren sehr gut.

Nach dem Essen kamen die vier wieder zusammen. Heinz teilte kurz das Ergebnis seiner Analyse und die Auskunft seiner Quellen mit. Die beiden Gäste waren überrascht. Das hatten sie nicht erwartet.

„Meine Herren, die von Ihnen angefragten Leistungen können wir erbringen und das vorgelegte Angebot ist fair. Herr Menzel, ich schlage vor, dass wir das Thema am Wochenende noch einmal abschließend mit Hans Meier besprechen, denn er muss die Hauptarbeit leisten. Wir könnten uns dann zu Wochenbeginn bei den Herren zwecks Klärung noch offener Punkte melden.“

Die Herren verabschiedeten sich. Kurz darauf meldete sich Klara über Satellitentelefon bei ihrem Vater.

„Wie war euer Gespräch, Papa?“

„Heinz Meier und ich haben einen guten Eindruck. Wir wollen am Wochenende noch abschließend mit Hans Meier, unserem technischen Leiter, sprechen und dann Montag mit den beiden Geschäftsleuten telefonieren.“

„Papa, ich möchte, dass du den Auftrag auf jeden Fall übernimmst. Ich bin so stolz, dass ich dann auch mal einen Beitrag zu dem Erfolg unserer Firma geleistet habe.“

Harry Menzel wurde es ganz warm ums Herz, und er versprach seiner Tochter, auch gegen eventuelle Bedenken seitens Hans Meier den Auftrag anzunehmen.

Am Samstagvormittag saßen die beiden Meier mit ihrem Chef in seinem Büro zusammen. Heinz hatte Hans schon grob in Kenntnis gesetzt. Daraufhin hatte Hans über seine Kanäle Informationen über den Engländer und den Schweden eingeholt.

Heinz Meier erläuterte das vorliegende Angebot des Engländers und des Schweden, und dann bat Harry Menzel Hans Meier um seine Meinung. Hans war dank Heinz gut vorbereitet.

„Herr Menzel, meine Recherchen haben ergeben, dass die Unternehmen, die wir beraten sollen, in direkter Konkurrenz zu den Unternehmen stehen, die wir schon seit vielen Jahren erfolgreich betreuen. Besonders möchte ich hier die Unternehmensgruppe meines Freundes Mikael Nielsson aus Finnland nennen, der wohl mit unserer Hilfe hauptsächlich das Wasser auf verschiedenen Gebieten abgegraben werden soll. Für die Abwicklung dieser Aufträge stehe ich nicht zur Verfügung.“

Harry Menzel blickte Hans Meier erstaunt an. Heinz lehnte sich besorgt auf seinem Stuhl zurück. Er kannte seinen alten Spezi Hans wie kein zweiter.

„Ist das Ihr letztes Wort, Herr Meier?“

„Selbstverständlich. Bis heute bin ich davon ausgegangen, dass Verlässlichkeit und Loyalität die zwei Hauptpfeiler unserer Unternehmensphilosophie sind.“

„Herr Meier, meine Tochter hat zum ersten Mal in ihrem Leben Interesse für meine Firma gezeigt und den Kontakt zu den beiden Herren hergestellt. Ich habe ihr bereits versprochen, dass wir diesen Auftrag annehmen und, wie man es von der Maschbau GmbH gewohnt ist, auch perfekt abwickeln werden. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie am Montag gemeinsam mit ihrem Namensvetter Kontakt zu dem Engländer und dem Schweden aufnehmen und die weiteren Details besprechen.“


So emotional und wütend hatten die beiden Meier ihren Chef noch nicht erlebt. Aber Hans Meier war in den letzten Jahren sowohl als Mensch als auch als Geschäftsmann gereift.

„Herr Menzel, ich habe meine Prinzipien und damit sind die Maschbau GmbH und auch Sie persönlich in den letzten Jahren finanziell sehr gut gefahren. Ich habe nie auf „eigene Kappe“ gearbeitet, obwohl mir dies von verschiedenen Seiten angeboten worden ist. Auf den Punkt gebracht: ich habe mich Ihnen gegenüber immer absolut loyal verhalten. Ich habe Verständnis dafür, dass Sie Ihrer Tochter den Gefallen tun wollen, aber ich kann nicht für die Konkurrenz der Firmen arbeiten, die über viele Jahre unsere Stammkunden sind und von mir betreut werden, die mir vertrauen. Deshalb werde ich am Montag meine Arbeit ordnungsgemäß an meine Kolleginnen und Kollegen übergeben, meinen Schreibtisch räumen und das Unternehmen, das bis gerade seit über dreißig Jahren mein Lebensinhalt war, für immer verlassen.“

„Ist das Ihr letztes Wort?“

„Ja, das ist es.“

Hans Meier erhob sich von seinem Platz, nickte Heinz kurz zu und verließ den Raum. Als er das Firmengelände verlassen hatte, hielt er kurz inne. Ihm wurde auf einmal bewusst, dass er im Alter von 55 Jahren zum ersten Mal in seinem Leben arbeitslos war, und das aus eigenem Antrieb. Hans registrierte erstaunt, dass er innerlich vollkommen entspannt und vielleicht sogar erleichtert war.

Im Büro von Harry Menzel herrschte betretenes Schweigen.

„Meinen Sie, Herr Meier, dass Ihr Namensvetter es ernst meint?“

„Da bin ich mir sicher, Herr Menzel. Und ich bin mir über noch eines sicher. Wir haben jetzt ein Problem und zwar ein großes.“

Dann verließ auch Heinz den Raum und ließ einen ratlosen Harry Menzel zurück. Aber schon nach kurzer Zeit wandelte sich seine Ratlosigkeit in Hass gegen Hans Meier, und er verspürte eine Energie wie schon lange nicht mehr. Er würde es diesem undankbaren Kerl schon beweisen, dass es auch ohne ihn ging.


Hans fuhr direkt nach Hause. Seine Frau war gerade vom Einkauf auf dem Markt zurück und die Hunde gingen ihrer Lieblingsbeschäftigung nach: sie schliefen zwischen zwei Mahlzeiten. Hans bat Birgit ins Wohnzimmer:

„Ich möchte, dass du es von mir zuerst erfährst. Ich habe gerade bei der Maschbau GmbH gekündigt.“

Birgit sah Hans verständnislos an. Sie hatte in zwei Stunden zehn Frauen zu einer Verkaufsparty zu Gast, war in Hektik und hörte deshalb nur halb zu.

„Gibt es sonst noch was? Du weißt, dass meine Damen gleich kommen und ich bin spät dran.“

In diesem Moment erklärte Hans Meier seine Ehe mit Birgit innerlich für beendet.

„Bitte entschuldige, Birgit, daran habe ich nicht gedacht“.

Er stand auf und ging in seine Stammkneipe, die am Wochenende schon um diese Zeit geöffnet hatte.


Heinz blieb noch kurz in seinem Büro, um seinen Schreibtisch aufzuräumen. Da seine Frau auf einem Wochenendausflug des Wandervereins war, wollte er Hans später anrufen, um noch einmal in Ruhe über den Verlauf des Vormittags mit ihm zu sprechen. Er hatte kein gutes Gefühl. Aber als er zu Hause ankam, sah er in der Einfahrt einen Krankenwagen stehen. Sein Vater hatte einen Schlaganfall erlitten und sollte gerade ins Krankenhaus gebracht werden. In der gleichen Minute hatte Heinz Meier seinen Freund Hans und die Firma Maschbau GmbH völlig vergessen.


Harry Menzel stürmte wütend aus seinem Büro. Auf dem Firmenparkplatz wartete ein Jagdkollege auf ihn, der ihn vereinbarungsgemäß zu einem besonderen Jagderlebnis abholen wollte. Nachdem die beiden Jäger die ersten Sätze gewechselt hatten, beruhigte sich Harry Menzel schnell wieder und dachte auch nicht mehr an die Unterredung, die er mit Hans und Heinz Meier vor wenigen Minuten im Büro geführt hatte und deren Ergebnis die Zukunft seines Unternehmens entscheidend beeinflussen sollte.


Am Sonntag informierte Hans telefonisch seine engsten Mitarbeiter über die veränderte Situation und bat sie, am nächsten Morgen um 7.00 Uhr in sein Büro zu kommen. Am Montagmorgen übergab er alle Projekte und versprach, bei Bedarf jederzeit zur Verfügung zu stehen, bis ein störungsfreier Übergang gewährleistet war. Anschließend räumte er seinen Schreibtisch und seine Büroschränke auf, übergab seiner Sekretärin seinen Firmenausweis und die Firmenkreditkarte und anschließend dem Fuhrparkleiter seinen Dienstwagen. Um 10.00 Uhr verließ er zu Fuß das Firmengelände. Als Harry Menzel wie an jedem Montag um 11.00 Uhr die Firma betrat, war Hans Meier schon Geschichte. Von seiner Sekretärin erfuhr Harry Menzel, dass Hans Meier seine Schlüssel abgegeben und alle Projekte übergeben hatte, Heinz Meier bei seinem Vater im Krankenhaus weilte und sich später melden wollte. Harry Menzel war nach einem sehr erfolgreichen Jagdwochenende schnell wieder in der Realität angekommen. Als er sich gerade hinter seinen Schreibtisch gesetzt hatte, ging das Telefon. Seine Tochter meldete sich am anderen Ende der Leitung.

„Hallo, Papi, wie ist das Wochenende verlaufen? Bleibt es dabei, dass du den Vertrag mit dem Engländer und dem Schweden unterschreibst?“

„Natürlich mein Liebling, mach dir keine Sorgen. Ich habe alles im Griff.“

„Ich bin stolz auf dich Papi, bis demnächst. Ich melde mich bald wieder, um zu erfahren, wie es weitergegangen ist.“

Harry Menzel war über das Interesse seiner Tochter an seinem Unternehmen so glücklich, dass er das Warum nicht weiter hinterfragte.

Meier im Quadrat

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