Читать книгу Digitales Lehren und Lernen - Jörg Zumbach - Страница 11
1.2 Grenzen traditioneller Medien: Warum digitale Medien unabdingbar sind
ОглавлениеDas Lernen mit digitalen Medien ermöglicht Lernerfahrungen, die mit traditionellen Medien und herkömmlicher Lehre so nicht möglich wären. Diese Grenzüberschreitung macht den Einsatz von digitalen Technologien aus (lern-)psychologischer Perspektive interessant: Zum einen lässt sich untersuchen, inwiefern sich gleiche oder ähnliche Sachverhalte mit unterschiedlichen Medien (z. B. als gedrucktes Buch oder als digitales E-Book) vermitteln lassen und welche Auswirkungen dies etwa auf kognitive oder motivationale Parameter Lernender haben kann. Zum anderen kann untersucht werden, welche Effekte mit Lernangeboten einhergehen, die mit analogen Medien nicht realisierbar sind bzw. mit diesen kombiniert werden können. Die folgenden Beispiele zeigen einige Aspekte auf, die für das Lernen mit digitalen Medien sprechen.
• 24/7/365: Diese Abkürzung besagt, dass man mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr auf Lernressourcen zurückgreifen kann. Man ist nicht mehr von Öffnungszeiten abhängig und kann jederzeit – soweit verfügbar – auf digitale Lernressourcen wie Bücher, Videos, Online-Kurse etc. zurückgreifen.
• Kosten: Mittels standardisierter Lernangebote kann mit Online-Kursen eine Vielzahl von Lernenden erreicht und – wenn vergleichbare Lernvoraussetzungen (z. B. Vorwissen) vorliegen – gemeinsam geschult werden. Gerade in der Wirtschaft können so Kosten für Präsenzseminare gespart oder reduziert werden (z. B. bei Blended-Learning-Angeboten). Darüber hinaus bieten bestimmte Anwendungen, die aus der beruflichen Ausbildung nicht mehr wegzudenken sind, die Möglichkeit, mit Ressourcen umzugehen, die in traditioneller Form so gar nicht zur Verfügung ständen. Im Flugsimulator etwa können verschiedene Situationen trainiert werden, die in der Realität nicht nur aus Kostengründen nicht zu realisieren sind (ein Airbus A380 kostet ca. 445,6 Millionen Euro; vgl. FlugRevue, 2020). Aber auch Experimente, bei denen normalerweise teure Chemikalien oder andere Substanzen zum Einsatz kommen, können mit Hilfe von Computertechnologien simuliert werden und so zur Einsparung von Kosten beitragen.
• Gefahrenvermeidung: Das Beispiel des Flugsimulators lässt sich auch bei der Gefahrenvermeidung anführen. Computertechnologien ermöglichen es, in Gefahrensituationen bestimmte Verhaltensweisen gezielt zu üben, ohne dass bei Fehlern reale Konsequenzen resultieren. Dies betrifft auch andere Bereiche, wie etwa die Anlagensteuerung (z. B. Kraftwerkssimulatoren) oder die Produktionstechnik.
• Ortsunabhängigkeit: Lernen wird immer unabhängiger von bestimmten Orten. Statt etwa Vorlesungen zu besuchen, kann man die entsprechenden Audio- oder Videoaufzeichnungen betrachten oder live online verfolgen (als Pod- oder Vodcasts). Smartphones, Tablets oder auch Notebooks ermöglichen dies nahezu überall (z. B. Pettit, 2018).
• Globalität: Das Lernen bleibt nicht auf einen eingrenzbaren Kulturkreis beschränkt. Viele Online-Programme von Universitäten oder größeren Konzernen ermöglichen weltweite Aus-, Fort- und Weiterbildungen mit zugehörigen Zertifizierungsprogrammen. Verschiedene Videoplattformen (z. B. »YouTube«) erlauben den Zugriff auf Videos, die weltweit produziert wurden.
• Synchronizität: Informationen können jederzeit und je nach Bedarf abgerufen werden. So kann man einem unmittelbaren Bedarf mit entsprechenden Informationen begegnen. Auch lassen sich Online-Inhalte zeitlich direkt ergänzen oder korrigieren.
• Darstellung von Phänomenen: Verschiedenste Vorgänge lassen sich nicht mit traditionellen Medien erschließen, etwa wenn deren direkte Beobachtung nicht möglich ist. Dies betrifft beispielsweise Bereiche im Mikro- wie auch Makrokosmos. So lässt sich mittels Animationen oder virtueller Realität eine Kamerafahrt durch unser Sonnensystem darstellen, was mit Hilfe herkömmlicher Filmmedien unmöglich ist. Mit Hilfe sog. erweiterter Realität lassen sich analoge Gegenstände mit digitalen Informationen anreichern. So kann der Stein von Rosetta aus dem Geschichtsbuch etwa interaktiv und in dreidimensionaler Form betrachtet werden. Virtuelle Realität erlaubt uns, Welten plastisch zu erkunden, und so Eindrücke zu erhalten, die mit analogen Medien nicht vermittelbar wären. Die virtuelle Realität lässt räumliche Erfahrungen zu, welche die BetrachterInnen in eine scheinbar andere Welt eintauchen lassen.
• Interaktivität und Adaptivität: Einen wesentlichen Unterschied zu analogen Medien stellt die Eigenschaft der Interaktivität und damit einhergehend auch Adaptivität digitaler Medien dar. Digitale System erlauben es, direkte Rückmeldung auf die Handlungen von BenutzerInnen zu geben, und ermöglichen dadurch nahezu unbegrenzte Möglichkeiten an Aktion-Reaktionssequenzen. Hier ist auch eine Anpassung an das jeweilige Verhalten der BenutzerInnen (Adaptivität) möglich. So können sich digitale Lernumgebungen etwa an das individuelle (Vor-)Wissen einzelner Lernender anpassen und beispielweise Übungsaufgaben mit angemessenem Schwierigkeitsgrad präsentieren, um eine Unter- oder Überforderung zu vermeiden. Bei größeren Gruppen wie etwa Schulklassen ist dies logistisch deutlich aufwändiger.