Читать книгу FREDDA - Jürgen Eckard Kemper - Страница 7
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Ihr Gesicht hatte ich zum ersten Mal im letzten Jahr meiner familientherapeutischen Praxis, im Frühjahr 2013, noch bevor ich mich in Italien verwickelt hatte, in Bochum gesehen, als sie erst kurz vorher ihren Job angenommen hatte. Mein alter psychiatrischer Kollege Bert hatte sie zu mir geschickt, weil er wusste, dass ich langsam meine Termine abbaute und ahnte, dass ich noch jemand Dringendes über Vitamin B ohne die übliche halbjährige Wartezeit dazwischen nehmen konnte und auch würde - wenn er mich bat und das tat er.
„Fredda Lienen, 30 J.
- verheiratet, zwei Töchter, die Ältere 2006, die jüngere 2009 geboren
- Ehemann Marko, 35 J., Zimmermann bei einer größeren Hallenbaufirma
- lebt in Dortmund, arbeitet als Sozialassistentin bei einem Dortmunder Träger der Behindertenhilfe
- will sich scheiden lassen und ihr Ehemann, der das nicht will, hat sie vor vier Tagen in ihrer Wohnung, er hat noch einen Schlüssel, vergewaltigt und ziemlich übel im Gesicht zugerichtet, unterhalb des rechten Ohrs musste sie genäht werden, halb so schlimm, aber der Schock und die Scham sitzen tief
- die Kollegen von der Chirurgie haben mich konsiliarisch hinzugezogen, sie hat etwas zurückhaltend erzählt, aber eine stationäre Aufnahme zur weiteren Behandlung, die ich ihr angeboten habe, hat sie kategorisch wegen ihrer Töchter abgelehnt, sie sei schon drei Tage im Krankenhaus und wollte nach Hause, meinen Vorschlag zur ambulanten Therapie kommentierte sie mit den Worten „Bei so einer emanzipierten Psychotante vom Frauenhaus?“ Als ich ihr sagte: „Ne, bei einem älteren Herrn mit zwei Töchtern, der sich zur Ruhe setzen möchte“, lachte sie, was sie wegen der Schmerzen aber abbrach und stimmte zu.“
So weit meine Notizen nach dem Telefongespräch.
„Und jetzt kommst du ins Spiel“, hatte er angefügt.
Er hatte wohl den Schlüssel zu ihrer Zustimmung gefunden und sie an mich verwiesen, obwohl er noch nicht wissen konnte, ob ich ja sagte.
„Sie ist sehr attraktiv“, hatte er noch gesagt.
Kurz vor Feierabend hatte ich alles notiert, sie wollte noch am gleichen Tag vorbeikommen - was ich aber ablehnte, das war mir dann doch etwas zu schnell - und hatte per Mail für den folgenden Morgen einen Termin vereinbart.
Am nächsten Morgen war ich schon kurz vor acht in meine Praxis gegangen, eine Stunde eher als üblich, lüftete meinen Therapieraum, stellte fünf Stühle bereit und kochte mir erst einmal meinen obligatorischen englischen Tee, als sie plötzlich hinter mir in der Tür stand und mich mit „Hallo!“ ansprach. Ich hatte mir angewöhnt, meine Tür offen zu lassen, wenn ich Klienten erwartete, das fand ich irgendwie einladender als das Geschelle vor einer verschlossenen Tür. Ich hatte mich etwas erschrocken, da ich wegen des Wasserkochers nichts gehört hatte. So standen wir etwas verlegen an der Tür zu meiner Teeküche und ich fragte sie:
„Wollen Sie auch einen?“
„Was für einen denn?“
„Ach so, einen englischen Tee.“
„Englisch?“
„Ja, mit Milch und Zucker.“
„Ja, sehr gern“, und lächelte mich mit einem umwerfenden offenen Lachen an, was sie jedoch schnell abbrach.
Sie streckte mir ihre Hand entgegen, sie war einige Zentimeter größer als ich.
„Fredda Lienen.“
„Angenehm, ich weiß.“
Ihre Hand war sehr schlank, hatte aber einen unerwartet festen Griff und sie schaute mir direkt in die Augen. Ihre Augen waren wasserblau und ihre Pupillen so groß wie Unterteller.
Sie löste sich aus meiner Hand und sagte: „Nein, ich nehme keine Drogen, wenn sie es genau wissen wollen.“
„Habe ich das gesagt?“
„Nein, aber gedacht, meine Pupillen oder ich sind nicht ganz normal, mein Pupillenerweiterungsmuskel ist zu stark ausgeprägt oder sein Gegenspieler zu schwach, sagt jedenfalls mein Augenarzt, deswegen muss ich bei Sonnenschein immer eine Sonnenbrille tragen.“
Dabei tippte sie auf die über ihre blonden Haare gesteckte schwarze Sonnenbrille und dann auf ihren Verband, der auffällig und weiß an ihrem rechten Ohr prangte und einen Teil ihrer Wange bedeckte.
„Der hässliche Verband muss noch eine Woche dranbleiben, die Fäden werden erst nächste Woche gezogen. Ich habe versucht, es mit meinen Haaren so gut zu verdecken, wie es ging.“
Mein Blick musste wohl auch dort etwas zu lange hängen geblieben sein, ihr schwerer geflochtener Zopf hing über dem Verband, sie schien das genau zu registrieren.
„Das ist Ihnen doch ganz gut gelungen.“
„Aber sie haben trotzdem draufgeguckt.“
„Nein“, log ich: „Ich habe mir ihren dicken Zopf angeschaut.“
Der war nun wirklich sehr ansehnlich und vor allen Dingen so fett, dass er schwer wie ein Kuhschwanz an ihrer rechten Seite baumelte, über ihrem rechten Busen hing und frei darüber hängend Halt suchte, erst kurz vor ihrer Taille in einem Haargummi gebändigt wurde und ihr Dekolletee nur halb verbarg, wo mein letzter Blick hängen blieb, den ich jedoch schleunigst senkte. So einen dicken Zopf kannte ich nur von meiner verstorbenen Frau Carina, sie hatte ihn fast immer gebunden, besonders liebte ich es, wenn er beim Motorrad fahren zwischen ihrem Helm und der schwarzen Lederjacke herausbaumelte und dem Fahrtwind erfolgreich Widerstand leistete, denn er war schwer genug.
„Oh ja, der musste heute sein“, und warf diesen beeindruckenden Flechtkranz mit einer Kopfbewegung über ihre rechte Schulter, womit sie mir einen vollständigen Blick auf ihre Frontseite gewährte. Sie trug ein burschikoses Outfit mit hautenger Jeans und Stiefeletten, einem breiten Ledergürtel und einem Hölzfällerhemd, das definitiv eine Nummer zu klein für sie war und einem Lederblouson, die beide ihren vollen Busen nur notdürftig bedeckten. Verstecken, wie ich das schon bei anderen Frauen mit vergleichbaren Erfahrungen, erlebt hatte, wollte sie sich nicht. Ich löste meinen Blick und erinnerte mich an Berts Worte. Er hatte nicht übertrieben. Trotzdem war ich überrascht von ihrer Präsenz. Ich hatte es offensichtlich mit ‚Jemander‘ zu tun, die sich die Wurst nicht so schnell vom Teller stehlen ließ. Wie war sie nur in eine solche Situation geraten und wie sollte sie wieder herauskommen?
Ich beendete diese etwas verfängliche Situation mit:
„Nehmen Sie ihren Tee selbst mit? Lassen Sie uns nach nebenan gehen.“
Ich reichte ihr den frisch aufgegossenen Becher. Sie nahm ihn, drehte sich um, ging mit ihrem Tee voran und verströmte mit ihrem wackelnden Zopf, der ihr fast bis zum Hintern reichte, einen angenehm frischen Duft aus gewaschenem Haar und einer Creme, die mich entfernt an Fenjala, das meine verstorbene Frau benutzt hatte, erinnerte. Ihr wiegender Gang hatte einen Schwung, der zeigte, dass sie sich ihrer Wirkung mehr als bewusst war und sie offensichtlich einzusetzen wusste. Was immer das in meinem Fall bewirken sollte, eine Wirkung hatte es so oder so.
Ich schloss das Fenster in meinem Therapieraum und als wir uns in meinen kleinen Stuhlkreis gesetzt hatten, bemerkte ich, wie sie wegen der drei leeren Stühle und der Platzwahl etwas irritiert war und sie fragte etwas unsicher:
„Erwarten wir noch jemanden?“
„Ihren Mann und ihre Töchter“, hatte ich trocken geantwortet.
„Dieses Schwein, der kommt keine zehn Meter an mich heran, das ist nicht ihr Ernst.“
Sie war aufgesprungen, ihre Miene hatte sich verfinstert, ihre Pupillen hatten sich schlagartig verkleinert und sie wandte sich der Tür zu.
Mit so einer direkten und heftigen Reaktion hatte ich nicht gerechnet und sagte:
„Sie kommen nicht, Frau Lienen.“
Darauf schaute sie mich verdutzt an: „Was jetzt?“
„Frau Lienen, ich weiß nicht, was mein Kollege ihnen erzählt hat, aber ich bin systemischer Familientherapeut und ich werde die Perspektiven ihrer Töchter und ihres Mannes mit in die Therapie einbeziehen, soweit das sinnvoll ist und Sie das zulassen, sie entscheiden das, aber vielleicht wollen Sie sich erst einmal wieder hinsetzen und erzählen, was passiert ist.“
Das schien sie zunächst nicht zu wollen, sie hatte sich nach einiger Zeit zwar hingesetzt, doch ich sah, wie es in ihr arbeitete, ihre stark verkleinerten Pupillen hatten sich wieder ein wenig geweitet und ich erwartete ob ihres offensichtlichen Temperamentes eine heftige Abwehrreaktion. Die kam auch.
„Das Schwein hat mich überfallen und geschlagen, der wird seine Töchter nie wiedersehen, das kann er sich abschminken, der ist ja völlig durchgeknallt und will sich wahrscheinlich bei der Polizei noch rausreden, dass er betrunken war.“
„Haben Sie ihn angezeigt?“
„Natürlich habe ich ihn angezeigt, gleich am nächsten Tag nach der Operation war eine Kripobeamtin in so einem Military-Look im Krankenhaus und hat meine Anzeige aufgenommen, der kann was erleben. Einen vorläufigen Arztbefund hat sie mitgenommen, auch einen von ihrem Kollegen glaube ich.“
„Ging es Ihnen danach besser?“
„Nein, verdammt nochmal, mir ging es beschissen, die ganze Scheiße nochmal zu erzählen und dann auch noch so detailliert, die wollte das ganz genau wissen, das war fürchterlich, genauso wie die körperliche Untersuchung, Hauteinrisse an der Vagina und ein Bluterguss am Busen, von meinem halb abgebissenen Ohr ganz zu schweigen, haben Sie das gesehen.“
„Gebissen? Sie müssen das nicht alles noch einmal erzählen, wenn Sie nicht wollen, mich interessiert mehr, wie Sie sich fühlen.“
„Wie ich mich fühle? Ich hätte ihm gleich an der Tür in die Eier treten sollen und am besten gleich abschneiden, diesem armseligen Penner.“
„Also empfinden Sie eine ungeheure Wut auf Ihren Mann“, ich hatte versucht, meine Worte mit Bedacht zu wählen.
„Mein Mann, das ist er die längste Zeit gewesen, der ist schneller geschieden, als er gucken kann und die Fresse kriegt er auch noch poliert.“
„Sie wollen ihm die Fresse polieren?“
„Nene, das überlasse ich Vladi, der macht das schon.“
„Vladi?“
„Ja, der ist wie mein Bruder, wir haben Blutsbrüderschaft geschlossen und unser Blut von den Handgelenken des Anderen abgeleckt, das hält ein Leben lang.“ Sie streckte mir ihr rechtes Handgelenk, an dem eine kleine Narbe sichtbar war, entgegen und grinste.
„Oh! Und der poliert ihrem Mann die Fresse?“
„Nein, aber der kennt Leute, die das machen, sie wissen es nur noch nicht.“
„Er ist der Vater Ihrer Töchter.“
„Das war er die längste Zeit, das können Sie mir glauben.“
„Glauben Sie, dass Ihre Töchter das auch so sehen?“
„Wenn ich ihnen erzähle, was er gemacht hat ja.“
„Das wollen Sie ihnen erzählen? Wie alt sind sie?“
Ich fragte, obwohl Bert es mir erzählt hatte.
Etwas leiser antwortete sie: „Sie sind erst sieben und zehn.“
Sie senkte ihren Kopf und schluchzte.
„Sie sind noch sehr jung oder? Wie heißen sie?“, versuchte ich.
„Marta und Emma, sie sind da doch viel zu klein für … .“ Sie schluchzte weiter. „… meine Süßen, das verstehen die doch gar nicht“, sagte sie jetzt und weinte hemmungslos.
Ich wartete.
Ihre Wangen wurden langsam überzogen von einem schwarzen Streifen aus Tränen und Wimperntusche, sie machte keine Anstalten, sie wegzuwischen, zog nur regelmäßig die Nase hoch.
Ich wartete.
„Nein, das kann ich doch nicht machen, das kann ich ihnen doch nicht erzählen.“
„Schämen Sie sich?“
„Was? Nein! Ja! Ich weiß nicht. Ich bin für die beiden doch immer die Starke, die brauchen mich doch.“
„Ja, aber hier dürfen Sie die Schwache sein.“
„Ich soll mich hier ausheulen und zu Hause die Starke spielen?“
„Nein, zu Hause sollen Sie die Starke sein.“
„Und hier flennen?“ Sie schaute sie mich mit ihrem verheulten, verschmierten Gesicht an und löste alle meine schlummernden Beschützerinstinkte aus, die ich dringend zurückhalten musste.
„Ja, wenn Sie das empfinden und glauben, dass ihnen das hilft.“
„Ich kann doch nicht die ganze Zeit heulen“, und weinte weiter.
„Doch, die Tränen werden weniger.“
„Wann?“
„Vielleicht beim nächsten Mal.“
„Sicher?“
„Vielleicht, das kommt darauf an.“
„Worauf?“
„Wieviel Traurigkeit noch in Ihnen ist.“
„Ich bin eine Frohnatur.“ Sie musste etwas quer mit einem „Aua“ lachen und fasste sich an ihr rechtes Ohr.
„Haben Sie Schmerzen?“
„Das tut sauweh, wenn ich lache, das Schwein.“
„Hat er Ihnen vorher auch schon wehgetan?“
„Was? Nein. Nicht so.“
„Wie dann?“
„Er hat mir beim Sex öfter wehgetan, er wiegt über hundert Kilo und er hat mir blaue Flecken verpasst und mich festgehalten, das tat oft weh.“
„Haben Sie ihm das nicht gesagt, dass er Ihnen wehtut.“
„Ne, danach hatte ich wenigstens meine Ruhe.“
„Sie wollten das gar nicht?“
„Doch, Sex ja, am Anfang war er noch zärtlicher, da war das ja noch ganz lustig, aber nicht so heftig, mit Schmerzen, besonders wenn er mich aufs Bett warf oder meinen BH zerriss, die sind viel zu teuer, habe ich ihm gesagt. Er brachte mir dann auch öfter neue und so Strapse und Lacksachen mit und dann fing er an, mich meistens von hinten zu nehmen, das würde ihn mehr anmachen, wenn er meinen Arsch sehe, an meinen Titten hatte er sich wohl satt gesehen, da kümmerte er sich gar nicht mehr drum, obwohl ich ihm gesagt habe, dass ich das sehr gern habe und mich antörnt, aber er machte einfach weiter, ohne darauf zu gucken, ob ich auch kam, das war ihm irgendwann scheinbar vollkommen egal, der ist ein totaler Versager, nur an seinem Schwanz und seinem eigenen Abgang interessiert. Ich habe ihm dann immer vorgespielt, dass ich komme. Ich habe mich dann oft selbst befriedigt, dann ging es.“
Sie hatte sich in Fahrt geredet und mit ihrem Ärmel ihre linke Wange abgewischt, so dass sie jetzt etwas gefährlich wie auf dem Kriegspfad aussah.
„Haben Sie sich das lange gefallen lassen?“
„Am Anfang dachte ich, dass das normal ist, so ist das eben, ich war ja noch sehr jung und recht unerfahren. Als ich dann mit meiner Freundin mal darüber gesprochen habe und mein Frauenarzt mich bei einer Untersuchung auf Sexualpraktiken angesprochen hat, leuchtete mir langsam ein, dass ich es wohl mit einem speziellen Prachtexemplar Mann zu tun hatte.“
„Heißt das, dass er die ganze Zeit so mit Ihnen umgegangen ist?“
„Er war ja erst mein zweiter Freund und er hat mich ja gleich geschwängert mit zweiundzwanzig, er wollte ja nie ein Kondom benutzen. Am Anfang ging es noch, später sollte ich ihm auch immer erst einen blasen, damit er in Fahrt kam, das hat er bei mir nie gemacht, alles war auf seinen Genuss angelegt, der hat sich wahrscheinlich zu viele Pornos reingezogen und er hat sich immer Zeit gelassen, er hatte wohl mehr Erfahrung als ich und meinte immer, ich solle mich nicht so haben, es ginge doch nur um den Spaß am Sex. Den hatte aber nur er.“
„Und Sie haben die ganzen Jahre stillgehalten?“
„Ne, still halten sollte ich nicht. Ich sollte ihn immer anmachen mit lautem Stöhnen und ‚Ja, komm, fick mich, härter‘ und so schreien.“
„Und das haben Sie gemacht?“
„Ja, ich kann super spielen und einen Orgasmus kriege ich auch gut hin, da ist der gar nicht dahintergekommen.“
„Und dafür wollen Sie ihn jetzt bestrafen, dass Sie die ganzen Jahre mitgespielt haben?“
„Nein, weil er mich vergewaltigt hat.“
„Hat er das nicht die ganzen Jahre?“
Das war riskant, sie hielt kurz inne, dann sagte sie:
„Ja! Nein! Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn verlasse, da wollte er noch mal eben 'ne Ansage machen, wer hier über wen bestimmt.“
„Und das ist ihm gelungen?“
Sie weinte wieder und sagte unter Schluchzen:
„Das war das letzte Mal, er hatte doch einen Schlüssel, ich hatte gar nicht bemerkt, dass er reingekommen war, er hat mich an meinen Haaren ins Schlafzimmer gezerrt, mich sofort auf´s Bett gedrückt und sich mit seinem massigen Körper auf mich gesetzt und mir eine schallende Ohrfeige gegeben, so dass ich besser nichts mehr gesagt habe und dann hat er mir die Bluse aufgerissen und die Hose runtergezogen.“
„Sie müssen mir das nicht erzählen.“
„Wollen Sie das nicht hören?“
„Nur wenn Sie das wollen.“
„Es war so erniedrigend, früher hat er mir immer noch Komplimente zu meinen Titten und meinem Arsch gemacht. Er hat mich nie geschlagen, hart angefasst, aber nie geschlagen. Er hat mich als eine hässliche Hure mit Mädchenhaaren beschimpft und dass ich es nicht bringen würde, ihn scharf zu machen, ihm nur den Arsch hinhalten würde. Am Ende hat er sich dann auf mich gestürzt mit seiner Alkoholfahne, ist mit seinem massigen Körper auf mir rumgeturnt, hat meine Hände festgehalten, bis er kam, hat sich komplett auf mich fallen lassen, dass ich kaum Luft kriegte und mir ins Ohr geschrien: ‚Mal sehen, wer sich noch für dich interessiert ohne Ohr.‘ Er hat versucht, mein rechtes Ohr abzubeißen. Das müssen Sie sich mal vorstellen, wie pervers der ist. Das war so erniedrigend. Dafür muss er bezahlen.“
„Deswegen sind Sie so wütend, weil Sie das so erniedrigend fanden? Hier nehmen Sie das Taschentuch und wischen sich ihre Tränen ab.“ Ich reichte ihr eins von meinen immer bereit liegenden Tempos.
Sie schaute mich mit ihrem tränenverschmierten Gesicht an und wirkte sehr verletzlich, aber in ihrem Blick war auch etwas Gelöstes. Ihre Pupillen waren wieder so groß wie Unterteller.
Ich wartete.
Sie schnäuzte sich ihre Nase. „Kann ich morgen wiederkommen?“, und lächelte mich dabei mit ihrem unschuldigen jugendlichen Gesicht an.
Ihr Mund stand dabei halb offen, ihre Zunge klebte eingerollt an ihrer oberen Zahnreihe, als wenn sie schnalzen wollte oder noch etwas sagen wollte. Doch sie wartete einfach.
Sie hatte mich mit ihrer Frage überrascht und ich sagte zu ihr:
„Sie können dreimal die Woche kommen, bis Sie sich ausgeweint haben.“
„Dann nicht mehr?“, und wieder lächelte sie mich mit ihren vollen Lippen an.
„Nur wenn Sie das wollen.“
„Danke.“
Dann stand sie auf.
Normalerweise beendete ich die Therapiesitzungen, ich hatte mich ihr nicht vorgestellt, ich hatte auch ihre Versicherungsdaten nicht aufgenommen, aber die würde ich eh noch von Bert mit seinem Kurzbericht, den auch schon die Polizei hatte, bekommen. Eine normale Therapie würde das nicht werden, das war mir klar, aber das war nicht wichtig. Ich hatte einen Schlüssel zu ihren Gefühlen gefunden und sie war auf mehrfache Weise attraktiv, also schrieb ich in meinen Notizen, die ich meist noch machte, bevor der nächste Klient kam:
VORSICHT, VLADI, VATER