Читать книгу FREDDA - Jürgen Eckard Kemper - Страница 9
ОглавлениеTräumen
Ich war auf einer großen Feier, draußen, meinem eigenen Geburtstag, ich ging an Menschen vorbei, sie waren wesentlich jünger als ich, sie hatten nichts an, aber ihre sekundären Geschlechtsmerkmale waren wie bei dem Cats-Film nicht sichtbar, sie wirkten verkleidet, hatten auch abenteuerliche Frisuren, Türme von Haaren mit eingeflochtenen Federn, so dass manche wie Vogelwesen aussahen, manche sahen aus wie beim Karneval in Venedig, alle waren ungemein attraktiv, schauten mich an, als würden sie mich kennen, eine sehr schöne Frau mit kastanienbraunen Haaren sprach mich an, ich solle mitkommen, hakte mich ein und drückte ihren schlanken Körper an meinen, es war eine ehemalige Klientin, sie hatte ihren ganzen Körper tätowiert, auf ihrem linken Arm schlängelte sich ein Ast mit Rosen, in ihrem Dekolletee prangte ein Schmetterling, der unübersehbar war, ihr Schritt wiegte passend zu immer lauter werdender Musik, die mir entgegenschlug, ein stampfender Bass gab den Rhythmus vor, unterlegt von einer sybillinisch hohen Frauenstimme, die einlullte, einfing. Sie hieß Dascha und löste sich mit einer schwungvollen Bewegung von mir, streckte mir ihren Hintern entgegen, der von einer gewaltigen Orchidee überragt wurde, die erst zwischen ihren Schultern endete, von einem gespaltenen Herz überragt, das seine Blutstropfen bis zu ihren Schultern verspritzte. Ich war stehengeblieben und schaute in die blitzenden Lichter, die in den Bäumen hingen und auf die tanzenden Leiber, ihren Hintern, sich windend und dem treibenden Beat hingegeben, die Leute fingen an über mich zu sprechen, ich hatte ja Geburtstag und eine Gruppe junger Leute kam auf mich zu, sie schmatzten genüsslich irgendwelche Snacks, sie bildeten einen Kreis um mich und begannen in die Hände zu klatschen.
Ich begann in ihrer Mitte zu tanzen und eine Frau löste sich aus der Runde der Tanzenden, sie hatte eine reich verzierte Messingkrone auf dem Kopf, in die ihre Haare eingeflochten waren, lauter kleine Glöckchen an zarten Ketten schwangen im Takt, sie kam direkt auf mich zu, tanzte mich an und umschlang mich mit ihren schlanken Armen, die einen kräftigen Bizeps hatten und mit diesen Armen hob sie mich hoch, gleichzeitig umschlang sie mich mit ihren Beinen, so dass ich eng umschlungen mit ihr war und abhob, flog, ich hielt mich fester, je höher wir flogen und die Musik veränderte ihren Klang. In einem sanften Rhythmus erklangen Vogelstimmen und auch die Tanzenden hatten sich von der Tanzfläche über die Bäume erhoben und hatten begonnen zu summen, so dass ich das Gefühl bekam, von einem Bienenschwarm umschwirrt zu werden, dessen Königin mich fest umschlossen hielt, so dass mir in der körperlichen Umarmung dieser gekrönten Königin langsam die Luft wegblieb, zumal wir immer höher flogen, so dass auch die Luft bald dünner zu werden drohte. Ich wand mich in ihren Armen und wurde immer erregter, da tauchte auf einmal Dascha auf, mit ihrem großen Schmetterling voran befreite sie mich aus der Umarmung, die die Königin bereitwillig mit dem Kommentar freigab, ich sei noch nicht so weit oder vielleicht zu alt. Zu alt, wofür? Dascha stürzte mit mir herab und ich hielt mich eng verklammert an ihrem Rücken fest, sie tauchte mit mir durch die Wolkenschichten, die wir eben noch in anderer Richtung passiert hatten, das Vogelgezwitscher ebbte ab und ich vernahm wieder die treibenden Techno-Beats, die mir schon vertraut vorkamen und Dascha setzte mich wieder auf der Tanzfläche ab, ich fühlte mich schwindelig und ich wurde von hinten ergriffen und getragen und hörte die Stimme eines alten Klienten sagen, dass ich jetzt ja auch endlich mal auf der Tanzfläche erschienen sei, die Party würde ja so langsam mal in Gang kommen, dass die Leute aber mehr Beat und Drogen bräuchten. Ich erkannte ihn als meinen alten Klienten Bertram, den schwulen Friseur, der wegen seiner massiven Kokain- und Sexsucht vor Jahren in meiner Praxis gewesen war. Sie trugen mich eine Treppe empor auf eine Terrasse, über der Palmen wuchsen, an deren Ende blitzte das türkise Meer und mein Friseur setzte mich gemeinsam mit seinen Kumpels, die uns begleitet hatten, dort ab, wo andere Musik lief, eher Trance-Musik, elektronisch, ohne Gesang, aber mit schleifendem Groove, zu dem auch hier zwischen an den Geländern installierten Hängematten die Menschen barfuß tanzten, sie hatten Badekleidung an und ihre braungebrannten Körper wiegten sich wie die Wellen und zuckten wie die unter ihnen brodelnde Brandung. Ich versuchte mich dem langsamen hypnotischen Rhythmus anzupassen, nüchtern war hier niemand, es kreisten Gläser mit Limonen geschmückt und Joints, über die Terrasse hinaus konnte ich Surfer sehen, wie sie in der Brandung ihren Halt suchten und stürzten. Eine Surferin beherrschte das Reiten königlich, fasste bei den Wenden an ihr Brett, um in entgegengesetzter Richtung weiterzugleiten, skating away, nein, sie surfte auf der letzten haushohen Welle direkt auf mich zu, landete auf der Terrasse, die Tänzer stoben zur Seite und tropfnass wie sie war, stand sie vor mir, ihr glänzender Körper reckte sich mir entgegen, vornweg ihr ausladender Busen, der von ihrem zu kleinen Bikini nur notdürftig bedeckt wurde, sie schürzte ihre vollen Lippen und fragte mich, ob ich will und schnalzte dabei mit ihrer Zunge, ihre Pupillen waren handtellergroß, sie gab mir einen salzigfeuchten Kuss auf den Mund, saugte sich dabei kurz mit ihren feuchten Lippen an mir fest, genussvoll ließ sie meine durch ihre Zähne gleiten und mit einem leichten Flutschen ließ sie wieder los, als sie ihren Kopf nach hinten bog. Sie ergriff meine Hand, drehte sich schwungvoll um und ihr fetter Zopf, der mit Muscheln durchsetzt war, schlug mir dabei schmerzhaft ins Gesicht wie eine Peitsche, wickelte sich um meinen Hals und zog mich hinter sich her. Ich musste rennen, um mitzuhalten, wir sprangen gemeinsam von der Terrasse, direkt ins Meer, nein, direkt auf ihr Surfbrett und schneller als ich gucken konnte, fanden wir uns in den sich überschlagenden Wellen wieder, auf einem Ritt, in dem sie die Wellen virtuos hochschoss, um kurz vor ihrem Scheitelpunkt zu einer Sturzfahrt hinabzurauschen. Ich hatte aufgehört zu atmen und das letzte, was ich sah, war ihr geschmeidiger muskulöser Rücken, der in ihrem wirklich süßen Arsch endete, der sich mir wogend entgegenstreckte. Welch ein Wave-Traum!
Ich wachte auf, atmete schwer, hatte Schweiß auf meiner Brust und eine Morgenlatte, das erste Mal nach langer Zeit, viel regte sich da nicht mehr, welche Freude, das wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen und schwang mich mit meiner Latte direkt unter meine heiß gedrehte Dusche, nahm mein Dusch-Öl und genoss, begleitet von den Bildern meines Traums, meinen so gut es mir gelang langsam hinausgezögerten Abgang.
Ich hatte von Fredda geträumt, gestand ich mir anschließend unschwer ein, Fredda Lienen, meiner Klientin, das ging gar nicht.
Ich hatte damals 2013 schon seit zwei Jahren, seit der Krebserkrankung und dem Tod meiner Frau, keinen Sex mehr mit einer Frau gehabt. Was hatte sie da in mir ausgelöst? Ich dachte schon, ich wäre mit dem Sex durch, musste ich auch, zumindest mit meinen Phantasien Fredda Lienen gegenüber, sonst konnte ich die Therapie vergessen, das war klar. Irgendeinen Trigger hatte sie gedrückt, welchen?
Ihre fetten Haare, ihr Duft, ihre Verletzlichkeit, ihr Dekolletee mit dem zu kleinen Holzfällerhemd? Nein, es war ihr Mund, ihre zum Schnalzen bereite Zunge mit den vollen Lippen, die mich hineingezogen hatten, wie ein Sog in ein verbotenes Land, genau:
VERBOTEN!
Ich hatte damals meinen Traum aufgeschrieben, das hatte ich das letzte Mal in meiner Zeit zur Ausbildung zum Familientherapeuten gemacht, aus Selbsterfahrungszwecken, ich machte es, um mir meinen Spiegel vorzuhalten, mich zu reflektieren und arbeitsfähig zu bleiben, zu meinem Supervisor wollte ich damit nicht gehen. Nicht alle Träume lagen mit ihrer Botschaft sofort auf der Hand. Ich blätterte in meinen Therapieunterlagen.
VORICHT, VLADI, VATER, VERBOTEN!
„Zu viele Vs; fehlte nur noch VERSUCHUNG, VERFÜH-RUNG, VENDETTA …“, assoziierte ich. Genau, die konnte auch noch kommen, wenn ich Frieda Lienen Glauben schenken wollte.“
VORBOTEN!!
Dieses V kam noch hinterhergeflogen, als ich meine Notizen schon zur Seite gelegt hatte; diese freie Assoziationsmethode, die ich aus der psychoanalytischen Therapie übernommen hatte, funktionierte bei mir sehr gut, bei meinen Klienten nicht immer, sie hing an dem ununterbrochenen und spontanen Fluss der Gedanken, die einem als Erstes in den Kopf schossen, die sozusagen wie Schwemmgut aus den Tiefen an die Oberfläche gewirbelt wurden. So schrieb ich auch, wenn ich schrieb. Als ich das Buch über Ana vor drei Jahren begonnen hatte, hatte ich mich ähnlich dieser Methode in einen assoziativen Rausch geschrieben. Keine Ahnung mit welchem Sinn das letzte V erschienen war, doch ich hatte es mit zwei Ausrufungszeichen meinen Notizen hinzugefügt, zusammen mit dem Datum 05/05/2013, und mich auf meinen nächsten Klienten vorbereitet.
Das gab’s doch nicht, welche konkreten VORAHNUNGEN hatten mich damals schon umgetrieben? Ich wusste es noch nicht so genau.